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Fate/Royale

von

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Der wahre Caster

„Caster, mir ist langweilig“, jammerte Elisabeth und schaltete zum zweiten Mal in binnen einer Minute einen Kanal weiter. Insgeheim stimmte ich ihr zwar zu, was die nicht vorhandene Qualität des Fernsehprogramms anging, doch langweilig war mir deshalb noch lange nicht. Vielmehr hatte ich das Gefühl, als würde mein Hirn jeden Moment platzen. Unsere Bündnisse waren ziemlich kompliziert geworden, wenngleich im Moment nur eines davon offiziell war, nämlich das mit Tristan und Mary. Merlin würde ich sowieso nicht los, solange Eli ihn für ihren Onkel Marlin hielt. Ob dieses Namens allein wollte ich den Magier der Blumen am liebsten direkt wieder kräftig schütteln. Was der in seinem Labor während dieser Ausgangssperre trieb, wollte ich mir lieber nicht ausmalen. Aber vielleicht sorgten die Umstände dafür, dass er nicht erwartete, dass Eli jeden Tag zu ihm kam. „Wir könnten ein Spiel spielen“, schlug ich meinem kleinen Master vor und nickte in Richtung des Wohnzimmerschranks, von dem ich inzwischen wusste, dass er mehrere Brettspiele beinhaltete. Elisabeth sah mich entgeistert an. „Das ist öde!“, statierte sie und zog eine Schnute.

„Wieso dürfen wir nicht mehr raus?“, wollte sie dann wissen. „Aber so ist es doch gar nicht, Master“, widersprach ich betont ruhig. „Die Ausgangssperre gilt erst ab 22 Uhr. Da solltest du ohnehin besser im Bett sein“, fügte ich noch hinzu, doch Eli war eindeutig nicht überzeugt. „Das ist total doof. Und langweilig. Bestimmt bleiben jetzt alle Zuhause, weil sie Angst haben, dass die Ruler sie bestrafen, wenn sie draußen sind“, quengelte sie entgegen jeder Vernunft weiter. Mühsam verkniff ich mir ein Seufzen. Für sie änderte sich ja eigentlich überhaupt nichts. Zu den Zeiten, in denen die Ausgangssperre aktiv war, schlief sie sowieso. Anders als ich brauchte Eli ihren Schlaf und mir gab es etwas Zeit, für mich zu resümieren, was ich bisher herausgefunden hatte und wie ich dieses Wissen am besten nutzen konnte, um diesen Gralskrieg nicht nur zu überleben, sondern bestenfalls zu gewinnen.

Entsprechend hoffte ich, dass die Ausgangssperre mir ruhige Nächte bescheren würde, sofern Cú Chulainn und Gilgamesh nicht mehr hier aufkreuzten, um sich bespaßen zu lassen. Blieb zu hoffen, dass keiner der beiden entschied, dass es sicher war, ihren Master die ganze Nacht über allein zu lassen und stattdessen Elis Wohnzimmer zu belagern. So bliebe mir nämlich endlich Zeit, mir einen Plan bezüglich Merlin zurechtzulegen. Der hatte noch immer nicht alles erzählt, was er wusste, da war ich mir absolut sicher. Er wusste etwas über die dunkle Elisabeth und ich wollte wissen, was, bevor sie sich wieder zeigte und mir erneut einen Befehl gab, womöglich sogar noch bereit war, dafür Befehlszauber zu verwenden. Keine Erfahrung, auf die ich besonders scharf war.
 

„Laaaangweilig!“, riss mich Elisabeths Genörgel aus meinen Gedanken. Huff, das konnte ja heiter werden. „Können wir nicht lieber etwas Lustiges machen? Zaubere mir etwas vor!“ Sofort strahlten die Augen meines Masters, als ihr Blick von mir zu meinem Zauberbuch und zurück wanderte. Oh nein. Nein, nein, nein. Das war überhaupt keine gute Idee. Heißkalt lief mir der Schweiß den Nacken herunter. Es war ja nicht einmal so, dass ich Elisabeths Wunsch nicht nachkommen wollte, sondern eher, dass ich es nicht konnte. Hätte ich doch nur Cú mehr ausgequetscht, dann könnte ich Eli jetzt irgendwelche Feuerrunen zeigen. Das würde sie bestimmt beeindrucken. Aber so stand ich jetzt mit leeren Händen da. Scheiße. Wo sollte ich denn jetzt bitte einen Zauberspruch herbekommen, der im besten Fall auch noch funktionierte?

„Zaubere mir was aus deinem Buch, ja?“, drang Elis ungeduldige Stimme an mein Ohr. Noch immer sah sie mich voller Erwartung an. Oh je, das konnte ja heiter werden. Nervös nickte ich. Am besten, ich schlug einfach wahllos eine Seite auf und plapperte dann einen Schüttelreim. Passieren würde dabei natürlich nichts, aber ich konnte dann ja einfach mysteriös spielen und beten, dass das genügte, um Eli zu täuschen. Schon jetzt hatte ich das ungute Gefühl, dass das hier nur schief gehen konnte. Dennoch schob ich das Zauberbuch auf meine Knie und öffnete es auf einer zufälligen Seite etwa in der Mitte. Natürlich waren die Seiten leer. Wie immer. Am liebsten hätte ich einfach geseufzt und dann behauptet, aufs Klo zu müssen, um mich Fragen zu entziehen, doch als Servant lief das leider nicht. „Was wirst du machen, Caster?“, wollte Elisabeth neugierig wissen und rutschte dabei auf die Sofakante, um auch in das Buch spähen zu können, welches ich eilig etwas schief hielt, sodass Eli keinen Blick auf die leeren Seiten erhaschen konnte. „Das verrate ich dir noch nicht, Master“, bemühte ich mich um einen scherzhaften Tonfall, ehe ich meinen Blick demonstrativ auf das Buch richtete.

Mein Herz machte einen Satz vor Schreck. Die Seiten vor mir waren nicht länger weiß, sondern wiesen einen Zweizeiler auf, der eben noch ganz bestimmt nicht da gewesen war. Am liebsten hätte ich das Buch einfach an mich gedrückt. Was immer dieser Zauber bewirken würde, war hoffentlich meine Rettung. Dass er Eli schaden würde, glaubte ich nicht einen Moment. Das wäre weder im Sinne des Buches, noch in meinem. Immerhin waren wir an Elisabeths Mana gebunden und ohne sie endete auch unsere Zeit hier. Erleichtert überflog ich die Worte, dann blickte ich über den Rand des Buches hinweg zu meinem Master, der mich noch immer mit neugierigen Augen ansah. „Lehn dich bitte etwas zurück, Master“, forderte ich sie mit einem selbstbewussten Lächeln auf. „Wir möchten doch nicht, dass mein Zauber dich versehentlich auch trifft.“ Elis Augen weiteten sich, dann rutschte sie eilig auf dem Sofa zurück und zog sogar die Beine an. Ihr Blick blieb dabei in stummer Erwartung auf mich gerichtet. Stumm schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass ich jetzt nicht hoffnungslos übertrieben hatte und mich zum Deppen machte.
 

Ein bisschen blöd kam ich mir schon dabei vor, hier so eine Show abzuziehen, doch an Elisabeths Mimik erkannte ich, dass ich alles richtig machte. Sie war absolut begeistert, als ich wild mit einer Hand herumwedelte, während ich den Zauberspruch aus dem Buch ablas, von dem ich keine Ahnung hatte, was er bewirken würde. Ich hoffte nur, der Zauber nahm es mit korrekter Betonung nicht so genau, denn in welcher Sprache er auch verfasst war, ich beherrschte sie nicht nur nicht, ich war auch absolut sicher, sie noch nie irgendwo gehört zu haben. Nach meinem Ermessen konnte der Text vor mir ein vom Google Übersetzer ausgespuckter Schüttelreim sein, der vom Aramäischen ins Altpersische und schließlich ins Irische übersetzt worden war.

Dennoch: Der Zauber wirkte. Blauweißes Funkeln löst sich von meinen Fingerspitzen, wirbelte einmal im Kreis über den Tisch und verdichtete sich dann. Elisabeth und mir wurde im gleichen Moment klar, was der Zauber bewirkte. Ein hübsch hergerichteter Eisbecher mit karamellisierten Nussstückchen auf einer Sahnehaube war auf dem Tisch erschienen. Offenbar war Nahrungsmittelzauberei so ein Ding mit diesem Buch, immerhin hatte ich ja auch schon für Gilgamesh Wasser zu Wein verwandelt. Beklagen würde ich mich bestimmt nicht. Das Eis sah wirklich gut aus. „Wooooow!“, staunte mein kleiner Master. „Ist der für mich?“, fragte sie, streckte jedoch in Erwartung meiner Zustimmung bereits eine Hand nach dem Löffel aus, der aus der Sahne ragte. „Natürlich, Master“, nickte ich ohne, zu zögern. Da kannte Eli auch schon kein Halten mehr und probierte von der kalten Köstlichkeit. „Mh! Superlecker! Danke, Caster!“, freute sie sich.

Sie ahnte ja nicht, wie erleichtert ich war. Das Buch hatte mir hier wirklich aus der Patsche geholfen. Ganz so, als hätte es wirklich ein Eigenleben. Stumm bedankte ich mich bei dem Einband, der noch immer auf meinen Knien lag und über den ich nun gedankenverloren strich. Wenn dieses Buch der wahre Servant war, dann war nicht ausgeschlossen, dass es wirklich ein Relikt mit einer eigenen Persönlichkeit war. Falls dem so war, sollte ich unbedingt versuchen, mit ihm in Kontakt zu treten. Wenn ich auch nicht wusste, wieso ausgerechnet ich zur Trägerin geworden war, so saßen das Buch und ich doch in gewisser Weise im gleichen Boot. Dass es Eli nichts Böses wollte, interpretierte ich zumindest schonmal in den Zauber herein, den es mir eben offenbart hatte. Wenn wir uns einig werden könnten, Elisabeth zu beschützen, um diesen Gralskrieg für sie und uns zu entscheiden, könnte ich über das Buch vielleicht auch lernen, ein richtiger Caster zu werden und zu zaubern. Mir erschien das eine bessere Alternative als Cú Chulainn zu meinem Lehrer zu machen.

Zu meiner Erleichterung ließ sich Eli für den Rest des Nachmittags auch ohne Zaubertricks bespaßen. Auch wenn sie meinen Vorschlag zunächst abgelehnt hatte, war sie nach Verzehr des Eisbechers doch deutlich besser gelaunt und holte von sich aus den ersten bunten Spielekarton aus dem Schrank. Zwei Stunden lang spielten wir das Spiel des Lebens, wobei sich mein gefühlter Fluch zeigte, der dafür sorgte, dass ich bei diesem Spiel einfach immer verlor. Doch wenigstens war Elisabeth glücklich. Die Ausgangssperre schien sie längst wieder vergessen zu haben und mir ging es kaum anders.
 

Gähnend streckte sich Elisabeth auf dem Sofa aus. Inzwischen dämmerte es draußen und zu meiner Erleichterung waren weder Cú noch Gil oder Merlin hier aufgelaufen, was dann wohl bedeutete, dass meine Hoffnungen wahr wurden und mich eine ruhige Nacht erwartete, in der ich mich gänzlich meinem Zauberbuch widmen konnte, ohne dabei fürchten zu müssen, gestört zu werden. „Besuchen wir morgen wieder Onkel Marlin, Caster? Ich möchte den leckeren Nudelauflauf aus der Kantine essen“, murmelte Eli unvermittelt in meine Richtung. So richtig schien sie schon eine ganze Weile nicht mehr mitzubekommen, worum es in der Comedyserie ging, die wir gerade schauten. Eli hatte sich dafür entschieden und ich einfach auf Durchzug gestellt. Meinen Humor traf es einfach nicht, doch zumindest mein Master hatte sich anfangs prächtig amüsiert. Inzwischen allerdings sah sie eher so aus, als schlafe sie jeden Moment ein. Wie von selbst glitt mein Blick zur Uhr. Es war wirklich spät geworden. So viel herumgegammelt hatte ich selbst während meines letzten Urlaubs nicht.

„Vielleicht solltest du ins Bett gehen, Master“, wandte ich mich an Eli, die sofort eine Schippe zog. „Aber es ist noch gar nicht zehn Uhr“, jammerte sie, als käme es darauf an. Dass sie bei diesen Worten wieder gähnen musste, untermalte jedoch meinen Standpunkt. Höchste Zeit für sie, sich schlafen zu legen. „Aber du bist doch müde“, versuchte ich, Elisabeth zu überzeugen, die nur weiter eine Schnute zog. „Gar nicht. Ich muss erst um zehn ins Bett, so war es abgemacht!“, beschwerte sie sich und entlockte mir damit ein Kopfschütteln. „Wie wäre es dann, wenn du dich jetzt fertig machst und ich dir dann noch eine besonders lange Geschichte vorlese?“, schlug ich vor. Elis Antwort war ein Gähnen. „Na komm. Bevor du noch hier einschläfst.“ Elisabeths Blick verriet, dass sie noch nicht so richtig überzeugt war, also legte ich nach: „Dann kann ich dir etwas von König Gilgamesh erzählen.“ Bei diesen Worten horchte Eli auf. So schnell, wie sie losflitzte, um sich umzuziehen und die Zähne zu putzen, konnte ich gar nicht gucken. Gilgamesh war damit wohl das neue Zauberwort. Allerdings würde ich mich tunlichst hüten, ihr von Enkidu zu erzählen. Ich wusste nicht, wie empfindlich Gil darauf reagieren würde, und wollte nicht riskieren, dass mein kleiner Master ahnungslos in einen Fettnapf trat und den König der Helden damit provozierten.

Als ich mich auf die Bettkante setzte, hatte Elisabeth sich die Decke bereits bis zur Nasenspitze hochgezogen und blinzelte mich erwartungsvoll an. „Also“, begann ich, „dann werde ich dir heute davon erzählen, wie König Gilgamesh die Göttin Ishtar kennenlernte.“ Zu meiner Verwunderung schüttelte den Kopf. „Erzähl mir lieber was von dir, Caster. Erzähl mir eine Geschichte aus deinem Leben, ja?“, bat sie. Leise seufzte ich. Was sollte ich ihr denn da bitte erzählen? Wie ich hierher beschworen und mein erster Master getötet wurde? Oder vielleicht, wie faul ich in der Schule gewesen war? Beides war eher deprimierend und nicht gerade Stoff für eine spannende Gutenachtgeschichte. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mir irgendetwas aus den Rippen zu leiern, damit Eli zufrieden war. Den Großteil der Geschichten hörte sie meistens ohnehin nicht mehr, weil sie vorher einschlief.
 

„Nun gut. Dann werde ich dir erzählen“, meinte ich langsam und ging in Gedanken durch, was ich Eli vorlügen könnte. Himmel, sonst war ich kreativ, doch jetzt fiel mir natürlich gar nichts ein! „Erzähl mir von dir und dem König“, murmelte Elisabeth. „Von Gilgamesh?“, hakte ich nach und bereute meine Frage sofort, denn mein Master nickte gähnend. Vermutlich wüsste sie morgen nichts mehr von meiner Geschichte, ganz egal, was ich erzählte. Ich konnte Eli ansehen, wie schwer es ihr fiel, die Augen überhaupt offenzuhalten. „Mh, einverstanden“, lenkte ich mit leisem Seufzen ein. „Dann lass mich dir erzählen, wie ich damals Uruk besuchte.“ „Was ist Uruk, Caster?“, wollte Elisabeth wissen. „Uruk ist die Stadt gewesen, in der Gilgamesh damals lebte“, erklärte ich schmunzelnd und schob die Decke um meinen kleinen Master etwas zurecht, damit sie es auch schön warm und gemütlich hatte. „Als ich die Stadt zum ersten Mal betrat, war ich wirklich überrascht. Natürlich hatte man sich überall erzählt, wie wunderschön die Stadt sei, doch sie war noch so unendlich viel schöner, als ich es mir ausgemalt hatte, dass ich zuerst glaubte, ich müsse träumen“, malte ich es etwas aus, um mir Zeit zu verschaffen. „Es gab gigantische Tempel mit hellen Säulen und überall blühten Blumen. Noch beeindruckender war der Palast. Er erhob sich über alle anderen Gebäude.“ „Und da hat dann der König gewohnt?“, wollte Eli wissen und blinzelte mich dabei müde an. Ich nickte. „Genau.“

„Und wann hast du dann den König getroffen?“, fragte Elisabeth schlaftrunken weiter. „Ich wusste natürlich, dass er der König von Uruk war. Überall erzählte man sich Geschichten über seine großen Heldentaten. Also habe ich die Wachen gebeten, mich einzulassen“, erzählte ich ihr. „Was haben sie gelacht. Man hat mich direkt wieder weggeschickt. Immerhin war König Gilgamesh immer sehr beschäftigt, da konnte man ja nicht einfach jeden zu ihm lassen.“ Elisabeth kicherte leise. „Das war aber nicht besonders klug von dir, Caster“, kommentierte sie leise. Ich grinste. „Nein, wirklich nicht. Aber aufgehalten hat es mich nicht. Ich habe mich verkleidet und dann als Dienerin getarnt in den Palast geschlichen“, berichtete ich weiter. „So gelang es mir dann auch, mich bis in seine privaten Gemächer zu stehlen, wo ich hoffte, ihn abpassen zu können. Allerdings hatte ich auch dabei wenig Glück. Den ganzen Tag habe ich gewartet und die halbe Nacht.“ Wieder konnte ich Eli leise kichern hören. Ihre Augen hielt sie geschlossen und ich ahnte, sie war schon so gut wie im Reich der Träume angekommen.

„Erst mitten in der Nacht kam der König in sein Schlafzimmer. So lange hatte er gearbeitet, damit alle wichtigen Dinge geregelt waren in seinem Reich. Denn nur so konnte es gedeihen und alle Bewohner Uruks auf ein friedliches und gutes Leben hoffen. Gil war so übermüdet und erschöpft, dass er mich erst überhaupt nicht bemerkt hat. Er hat sich einfach auf seine Kissen geworfen und war im nächsten Moment auch schon eingeschlafen, denn als ich ihn ansprach, hat er nicht reagiert.“ Aufmerksam beobachtete ich Eli, die nicht reagierte, sondern gleichmäßig atmete. Zum Glück, denn ich hätte beim besten Willen nicht gewusst, wie ich diese dumme Geschichte hätte weiterspinnen sollen, außer damit, dass ich versuchte, den König der Helden im Schlaf zu erwürgen. Nicht gerade eine kindgerechte Version einer „Mein erster Besuch in Uruk“-Erzählung.
 

Lautlos schlich ich mich aus Elisabeths Schlafzimmer, die Tür hinter mir schließend, damit sie nicht wach würde, wenn ich herumtigerte. Mein kleiner Master brauchte ihren Schlaf. Ganz anders als ich. Während ein Teil von mir noch immer erwartete, dass mich auch irgendwann die Müdigkeit übermannte, geschah dies eben nie. Egal, wie lange ich wach blieb, ich war munter und wach, als wäre es mitten am Tage. Ein bisschen Sorgen machte ich mir eher darum, welche Folgen das für meine Psyche hätte. Gesund konnte das doch wirklich nicht sein. Kein Wunder, dass die meisten Servants irgendwie ein bisschen verschroben waren. Bräuchte ich diese Zeit nicht so dringend, vielleicht würde ich, meinem neuen Dasein zum trotz, versuchen, ein wenig Schlaf zu finden. Angesichts der drohenden Gefahr für Elis und mein Leben allerdings, fand ich es wichtiger, mich mit den mir gegebenen Möglichkeiten zu befassen, diesen verrückten Krieg zu überleben.

„Ich hoffe wirklich, wir beide kommen auf einen Nenner“, seufzte ich leise, als ich mich auf dem Sofa niederließ und das Zauberbuch auf meinem Schoß ablegte. Behutsam strich ich über den dicken Einband. Das Leder fühlte sich glatt und warm unter meinen Fingern an. Nach kurzem Zögern schlug ich das Buch auf und blätterte die weißen Seiten auf der Suche nach dem Zauber um, den ich am Nachmittag benutzt hatte, um meinem Eli diesen köstlichen Eisbecher herzuzaubern. Seite um Seite schlug ich um und suchte schließlich sogar da ganze Buch danach ab, doch ohne Erfolg. Die Zeilen, die mir zuvor den Arsch gerettet hatten, waren jetzt verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Wäre ja auch zu einfach gewesen. So langsam fragte ich mich, wer dieses Buch erschaffen hatte – und wie. Es schien ja durchaus ein sehr eigenwilliges Eigenleben zu haben. Alt war es obendrein auch, wenn Gilgamesh es zu Lebzeiten bereits besaß. Ob es vielleicht von einem Gott geschaffen worden war?

Seufzend klappte ich das Buch wieder zu. „Also... du und ich“, wandte ich mich an meinen unfreiwilligen Begleiter. „Wir beide können nicht ohne einander, so wie ich das sehe. Und wir beide brauchen Elisabeth. Hilf mir, sie zu beschützen und diesen Krieg für sie zu gewinnen. Ohne dich“, seufzte ich, „schaffe ich das nicht. Und ohne mich wirst du es nicht können. Schlimm genug, dass dein vorheriger Besitzer hier den Dicken markiert. Beweis mir, dass du es wert bist, diesen Preis zu zahlen!“ Mein Ton war immer fordernder geworden, dann schlug ich das Buch auf und blätterte durch die Seiten in der Hoffnung, dort eine Antwort auf meine Worte zu finden. Fehlanzeige. Frustriert drückte ich meinen Kopf in die aufgeschlagenen Seiten. „Komm schon! Wie soll ich Eli beschützen, wenn ich nicht einen winzigen Funken Magie wirken kann? Andere Servants haben mich – nein uns! – schneller aus dem Weg geräumt, als Eli ihren Namen buchstabieren kann.“ Dabei dachte ich vor allem an den ominösen Servant, der Elisabeth überhaupt erst den Katalysator gegeben hatte, der, wie ich inzwischen wusste, nicht zu mir, sondern zu dem Buch gehörte. Dass ich mitbeschworen worden war, und zwar gleich zweimal, musste Zufall sein.
 

„Sei doch nicht so!“, jammerte ich, inzwischen am Ende mit meinen Nerven. Ich hatte alles versucht: Nachrichten an das Buch auf die Seiten zu schreiben, wo die Worte jedoch nicht sichtbar wurden, dann hatte ich versucht, das Papier direkt anzuflüstern und dabei vermutlich ziemlich dämlich ausgesehen, und schließlich war ich sogar auf die Idee gekommen, in Reimen mit dem Buch zu sprechen, in der Hoffnung, damit mehr Erfolg zu haben. Das Ergebnis war niederschmetternd. Es war absolut nichts passiert. So langsam hatte ich nicht übel Lust, diesen zickigen Schinken einfach mal mit unter die Dusche zu nehmen. Mal sehen, wie es das fand. Wenn das Buch ein Eigenleben hatte und auch nur halbwegs intelligent war, musste doch auch ihm klar sein, dass es mich brauchte, um weiterzukommen. Ohne mich hätte es niemanden, der die Zauber ausführte. Ich war nur hier, weil das Buch einen Benutzer benötigte. Wir waren voneinander abhängig, ob es uns beiden nun schmeckte oder nicht.

„Weißt du was, dann halt nicht. Sterben wir halt einfach und dann hat sich das hier auch erledigt. Vielleicht komme ich dann auch nach Hause“, brummte ich schließlich beleidigt und legte das Buch auf dem Wohnzimmertisch ab, die ersten Seiten noch aufgeschlagen, die ich eben mit Reimen zugetextet hatte.

Hätte ich es vielleicht doch eher wie ein Haustier behandeln sollen? Vor meinem inneren Auge sah ich mich, wie ich das Buch liebevoll streichelte und ihm Kosenamen zuflüsterte, wie ich es sonst mit meinem Kater getan hatte. Ein bisschen albern kam mir die Vorstellung schon vor, aber vielleicht war es einen Versuch wert? Was hatte ich schon zu verlieren? Bereit, einen letzten Versuch zu unternehmen, rutschte ich auf die Sofakante, um nach dem Buch zu greifen. Zu meiner Überraschung zeigten dessen Seiten nun mehrere Zeilen Text. Mein Herz machte einen Satz. Ich hatte das Buch erreicht! Es hatte funktioniert! Aufgeregt überflog ich die Worte, die meinen Enthusiasmus direkt wieder bremsten. „Ich diene meinem Master, nicht dir. Du bist mein Werkzeug sie zu retten“, stand da. Okay, klar. Aber wie wollte das Buch Eli dienen, wenn ich mich querstellte. Das Buch war wirklich eine Zicke. So schlecht klang die Idee, doch mal ein gemeinsames Bad zu nehmen, nun wirklich nicht mehr.

Direkt etwas weniger motiviert, las ich die folgenden Worte. „Erwarte nicht, dass meine ganze Macht dir offenbart wird, wenn es nur deiner Belustigung dient.“ Meiner Belustigung am Arsch. Ich wollte überleben! Belustigung würde ich das nicht nennen! Verärgert funkelte ich die Buchseiten an, als könnten sie es sehen, denn die letzten Zeilen setzten dem Ganzen meiner Meinung nach nur noch die Krone auf. „Ich teile schon mein Mana mit dir, sei dankbar dafür“, stand da. An Ego mangelte es dem Buch wirklich nicht. Irgendwie klangen die Worte für mich, als antworte mir das Zauberbuch nur aus Mitleid und nicht, weil es das nötig hatte. Pfft! Da vergaß wohl jemand, dass wir voneinander abhängig waren und damit auch das Buch von mir. Was würde es tun, wenn ich mich querstellte? „Dadurch wird ein Magieloser zum Caster“, eröffneten mir die ordentlich geschriebenen Zeilen. Als ob ich das nicht wüsste! „Ein Caster, der nicht zaubern kann“, murrte ich leise, auch wenn das Buch einen Punkt hatte. Nur dank ihm war ich nun ein Servant. Allerdings konnte ich mich wirklich nicht erinnern, darum gebeten zu haben. Mein altes, normales Leben war eindeutig viel sicherer und ruhiger gewesen, als das hier. Seufzend fuhr ich mir durchs Haar.
 

Dann fiel mein Blick auf die letzte Zeile, die in geschwungenen Buchstaben auf dem Papier erschienen war. „Willst du Magie wirken, besorg dir eine magische Feder und schreibe deine eigenen Zauber.“ Wenigstens einen nützlichen Tipp hatte mir das Buch mitgegeben. „Eine magische Feder, mh? Das werd ich versuchen. Danke“, meinte leise und strich kurz dankbar über die Seiten, ehe ich den Einband schloss. Auch wenn ich mich ziemlich über das Buch geärgert hatte, wollte ich nicht zu undankbar sein, wenn dieser Hinweis mir doch womöglich half, wirklich ein Caster zu werden, der in der Lage war, auch ohne das Zauberbuch meinem kleinen Master zu beschützen. Was jedoch die Feder anging, war ich ratlos. Wo sollte ich so eine herbekommen? Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich gar nicht erst versuchen brauchte, das Buch zu fragen. Darum sollte ich mich besser selbst kümmern. Ein paar mögliche Anlaufstellen hatte ich ja auch in meiner Umgebung.

Mental ging ich meine Optionen durch. Da war natürlich Gilgamesh, von dem ich mir fast sicher war, dass es irgendwo in seiner Schatzkammer eine ganz besonders tolle magische Feder geben musste und wenn auch nur, weil sie irgendein Unikat war. Er sammelte immerhin ziemlich vorbehaltlos alle Formen von Schätzen, ganz egal, woher sie kamen und was sie konnten. Dass darunter auch viele magische Relikte waren, bedingte sich von selbst und dass Gil auch als Caster beschworen werden konnte, untermalte diesen Umstand ja sogar noch. Allerdings war mir nicht unbedingt besonders wohl bei dem Gedanken, ausgerechnet den König der Helden um etwas zu bitten. Er hielt mich ohnehin schon für seine kleine Bitch, weil ich sein Zauberbuch besaß. Ob das mit ihm auch so respektlos sprechen würde? Sah es sich überhaupt als sein Eigentum an? Ich sollte die beiden mal miteinander bekannt machen, das wäre sicher lustig, half mir aber im Moment nicht weiter.

Cú Chulainn hingegen wirkte auf mich nicht wie der Typ, der loszog und Zauber mit einer Feder schrieb. Seine Runenmagie hatte er, soweit ich es wusste, immer gewirkt, indem er die Zeichen einfach mit dem Finger in die Luft schrieb. War sein Zeigefinger vielleicht eine magische Feder? Den würde ich nämlich wohl kaum bekommen und danach fragen wollte ich auf keinen Fall. Schon in meinem Kopf klang die Frage „Kann ich deinen magischen Zeigefinger haben?“ nach etwas, das Cú einfach missverstehen musste, mal abgesehen davon, dass er es missverstehen wollen würde. Nein, das war eindeutig nicht die allerbeste Wahl. Dazu kam noch, dass wir offiziell keine Verbündeten waren und meine Schwäche in puncto Zauberei so weit zu offenbaren, ein Risiko für Eli und mich darstellte, sollte Cús Master Lord El-Melloi entscheiden, dass es einfacher wäre, uns schnell aus dem Krieg zu kegeln.

Die letzte Option, die ich hatte, war Merlin. Eigentlich auch keine richtige Option, fand ich. Er verschleierte – zugegebenerweise ziemlich schlecht – seine Identität und spielte hier irgendein komisches Spiel, in dessen Zentrum eindeutig mein unschuldiger kleiner Master stand. Diese seltsamen Aufgaben, die er sie erledigen ließ in diesem noch viel seltsameren Labor. Nichts davon war mir geheuer. Obendrein druckste er immer nur herum, wenn ich versuchte, Infos aus ihm herauszuquetschen. Dieser verdammte Incubus wusste mehr, als er mir verraten hatte, und zwar über alles: Elisabeths Herkunft, die dunkle Persönlichkeit, die in ihr lebte, und darüber, wieso Tristan diese auch zu kennen schien. Das war eindeutig ein Problem, mit dem ich mich später auch noch beschäftigen müsste. Tristan würde mir sicher nichts verraten und fragen wollte ich ihn sowieso auch nicht. Er misstraute mir genauso wie ich ihm. Was jedoch Merlin anging, wüsste der ziemlich sicher, wie ich an so eine magische Feder herankäme. Was ich auch von ihm halten mochte, der Magier der Blumen war schon zu Lebzeiten ein überaus mächtiger Zauberer gewesen und konnte so eine Feder womöglich sogar selbst herstellen.
 

Es war zum Haareraufen. Ächzend lehnte ich mich an die weiche Sofalehne. Natürlich blieb mir die Option, einfach irgendeinen Caster zu suchen und den nach einer magischen Feder zu fragen, doch das wäre wohl das absolut Dümmste, das ich tun könnte. Damit würde ich Eli und mich direkt zur einfachen Beute erklären. Also kam diese Möglichkeit nicht in Frage. Blöderweise galt das gleiche Problem auch für jeden anderen Master da draußen, der wissen könnte, wo man eine magische Feder herbekam. Den Ausgeschiedenen konnte ich auch nicht trauen. Sie hatten womöglich Familie oder Freunde unter den Teilnehmern, denen sie verraten könnten, dass ein unfähiger Caster herumlief, der seinen Master nicht verteidigen konnte. Auch die Ruler brauchte ich gar nicht erst zu fragen. Sie waren unparteiisch und dürften mir nicht helfen, egal, ob sie es wollten. Dass sie diese eiserne Regel brachen, konnte ich mir bei Charles und Sherlock nicht vorstellen. Den dritten Ruler kannte ich zwar noch nicht, aber vermutlich galt für den Gleiches. Fiel also auch flach, womit ich wieder bei meinen ursprünglichen drei Optionen war.

Am Ende wäre es vermutlich doch am sichersten, wenn ich entweder Merlin oder Gil fragte. Kaum zu glauben, aber da wäre mir Gilgamesh tatsächlich lieber. Der hielt immerhin nichts vor mir geheim so wie Merlin. Zwar war der Grund dafür vermutlich vor allem, weil der König der Helden der Meinung war, es nicht nötig zu haben, irgendetwas zu verheimlichen, aber das spielte letztlich auch keine Rolle. Er war bisher erstaunlich aufrichtig gewesen und hatte sogar ganz offen verraten, wie er das Buch aus der Hand gegeben hatte – und all das, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Obendrein hatte er Eli und mich gewissermaßen in ein Bündnis gezwungen, sodass es auch in seinem Sinn sein musste, wenn ich mithilfe einer magischen Feder zaubern lernte. Trotzdem würde er sicher etwas dafür verlangen, mir eine solche Feder zu geben. Die Frage war vielleicht sogar eher, was ich ihm dafür geben konnte. Er hatte mich ja ohnehin längst in der Hand.

Nachdenklich musterte ich das Buch, an das mein Schicksal nun gebunden war. Wieso war auch ausgerechnet ich hier gelandet? Da gab es doch wirklich bessere Kandidaten, die mit einem so mächtigen Relikt wie diesem Zauberbuch sehr viel mehr hätten anfangen können. Lag es am Katalysator? Wenn ja, wüsste ich nur zu gerne, was der gewesen war, doch aus Eli bekam man solche Informationen ja einfach nicht heraus. Ich fuhr mir mit den Fingern übers Nasenbein hoch zur Stirn, um den aufkommenden Kopfschmerz zu vertreiben. Auf jeden Fall sollte ich versuchen, möglichst schnell herauszufinden, wer meinem Master den Katalysator gegeben hatte. Dieser Servant hatte dafür sicher einen ziemlich guten Grund gehabt und ich war mir fast sicher, dass der mir nicht gefallen würde. Ob er wusste, wir harmlos ich war? Dann würde ich ihm zeigen, dass er mich unterschätzte. Zwar mochte der König der Helden mich in der Hand haben, doch ich wusste einiges über ihn und sein ausgeprägtes Ego, sodass ich zumindest versuchen könnte, bei ihm die richtigen Knöpfe zu drücken, damit er mir eine Hilfe wäre. Bestimmt gefiele dem König der Helden auch nicht, wenn sein Spielzeug noch der Spielball eines anderen war. Uff, es fühlte sich wirklich nicht gut an, darüber nachzudenken, doch für den Moment war das die beste Strategie, die ich aufbringen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:
1. Aufgabe: Nachdem nun die Ausgangssperre aktiv wird, will dein kleiner Master dennoch bespaßt werden. Sie will unbedingt sehen, was du mit dem Buch alles machen kannst. Wenn du versuchst sie zu täuschen, indem du das Buch aufschlägst und irgendeinen Spruch aus Kindertagen aufsagen willst, wird dir das Buch einen Zauber offenbaren. Einen Zauber, der dafür sorgt, das Eli einen Becher Eiscreme bekommt.

2. Aufgabe: Bring Eli ins Bett, Eli wird darauf bestehen, dass du ihr eine Gutenachtgeschichte erzählst, die aus deinem Leben stammt. Erfinde was.

3. Aufgabe: Zeit sich das Buch anzusehen. Den Zauber für den Eisbecher findest du allerdings nicht wieder. Versuche, mit dem Buch zu kommunizieren, denn scheinbar hat das Ding ein Eigenleben.

4. Aufgabe: Nach etlichen Versuchen wird auf der ersten Seite des Buches etwas erscheinen. Eine Nachricht vom Buch an dich, scheinbar hat es Mitleid mit deinen lächerlichen Versuchen. Geschrieben wird stehen: "Ich diene meinem Master, nicht dir. Du bist mein Werkzeug sie zu retten. Erwarte nicht, dass meine ganze Macht dir offenbart wird, wenn es nur deiner Belustigung dient. Ich teile schon mein Mana mit dir, sei dankbar dafür, dadurch wird ein Magieloser zum Caster. Willst du Magie wirken, besorg dir eine magische Feder und schreibe deine eigenen Zauber."

5. Überlege, wo du die magische Feder herbekommen sollst. Komplett anzeigen

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