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Chess

Das Leben ist wie ein Schachspiel...
von

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White Queen: First Move

„Was? Nein! Das kann nicht sein!“ Fast panisch riss die junge Frau ihrer Freundin den Zettel aus der Hand, überflog den getippten Text ein paar Mal, kontrollierte die Unterschrift, lief dabei wie ein wildgewordenes Tier durch die kleine Wohnung und hörte gar nicht zu, wie die andere versuchte sie zu beruhigen. „Sie können mich nicht versetzen! Das... dast ist doch...“

„Sie können, Asako, das weist du.“

Mit noch immer leicht offenem Mund und einem entsetztem Gesichtsausdruck lies sich die junge Frau auf ihre Couch neben ihre Freundin nieder. Nochmals starrte sie auf das Blatt mit den Dellen durch die Faltung. Kein Zweifel. Da stand ihr Name. Sena Jun. Der war jedoch nur ihr Bühnenname, der Name, den sie nach ihrem Abschluss bekommen hatte, als sie offiziell in Takarazuka eingestiegen war. Takarazuka war ein Theater, dass ausschlieslich aus Frauen bestand. Demnach wurden auch die Männerrollen von Frauen gespielt. Diese nannten sich die Otokoyaku, zu denen auch Asako und ihre Freundin zählten. Die Frauendarstellerinnen waren die Musumeyaku. Der Grund, wieso Asako so aus sich war, war der Brief, den ihre Freundin Osa, Haruno Sumire für Leute, die sie nicht zu ihren Freunden zählte, ihr mitgebracht und vorgelesen hatte. Darin war die Nachricht, dass die junge Schauspielerin die Troupe wechseln sollte. Neben der Einteilung in Musumeyaku und Otokoyaku gab es noch eine Aufteilung in verschiedene Gruppen, die Troupes, die am Haupttheater routierten oder auf Tournee gingen, um der großen Nachfrage an Auftritten nach zu kommen. Die ältesten waren die Flower-Troupe, auch genannt Hanagumi, die Moon-Troupe, kurz Tsukigumi, gefolgt von Hoshigumi, der Star-Troupe, Yukigumi, der Snow-Troupe, und der jüngsten Troupe Soragumi, der Cosmos-Troupe. Sowohl Asako als auch Osa gehörten Hanagumi an.

„Aber warum Tsukigumi?“, fragte Asako etwas verzweifelt. „Ich sollte dein Nachfolger werden.“

Innerhalb der verschiedenen Troupes gab es eine strenge Rangordnung, die meist nach Alter gestaffelt wurde. Ganz unten standen die Shinji-kouen, die Shinkos, die Neueinsteiger in den jeweiligen Troupes. Man zählte in der Regel sieben Jahre zu den Shinkos ehe man ein vollwertiges Mitglied einer Troupe war. Die Shinkos übernahmen meist die Hintergrunddarstellung und kleinere Rollen mit weniger Text, dennoch war jeweils ein Auftritt des jeweils aktuellen Programs ausschlieslich für die Shinkos reserviert. Darüber standen die vollwertigen Mitglieder, die die größeren Rollen abbekamen. Die Hauptrollen allerdings waren den Köpfen der jeweiligen Troupe reserviert, den Top Stars. Es gab immer nur einen Otokoyaku- und einen Musumeyaku-Top Star pro Troupe, doch die Otokoyaku hatten meist die größere Aufmerksamkeit und waren im Schnitt weitaus beliebter bei den Fans. Die Otokoyaku-Stars, zu denen sich auch Osa zählen konnte, besaßen einen Nachfolger, einen Vice, der meist die nächstgrößere Rolle abbekam. Asako war immer Osa's Vice gewesen seit diese zwei Jahre zuvor Top Star geworden war.

„Asako wir haben da keine Gewalt drüber, das weist du. Mir wäre es doch auch lieber, wenn du in Hanagumi bleiben würdest.“

Osa seufzte einmal schwer und fuhr sich durch die typisch Otokoyaku-kurzen Haare. Die Otokoyakus führten ihre Männerrollen noch über die Bühne hinaus auf, besaßen ausschließlich Hosen und kurze Haare um das Bild eines perfekten Mannes dar zu stellen. Die Fans dankten es ihnen.

„Ich will aber nicht wechseln. Es hieß doch, dass es keine Transfers dieses Jahr gibt. Warum ich?“

„Jetzt beruhig dich doch mal...“

Asako warf den Zettel frustriert auf den Tisch und warf dabei fast das Glas mit ihrem Wasser von dem kleinen Tisch. Sie war mehr als sauer, dass man schon wieder über ihren Kopf hinweg entschieden hatte, aber was sollte sie schon großartig machen? Im Augenwinkel sah sie nur, wie Osa sich erneut durch die Haare fuhr. Sie war froh, dass ihre Freundin ihr beiwohnte. Die beiden Otokoyaku kannten sich schon ewig seit der Takarazuka-Schule. Sonst hätte sie die zwei Jahre vor dem Eintritt in Hanagumi wohl nie überlebt. Der Hanagumi-Star war ein Jahrgang über ihr gewesen, dennoch war sie sich nie zu schade gewesen ihr unter die Arme zu greifen, wenn sie es gebraucht hatte und da sie zusammen im Takarazuka-Dorm lebten wie fast alle Darstellerinnen, fast Zimmernachbarn gewesen waren, war ein Besuch keine Seltenheit gewesen. Nachdem Osa es in eine Troupe geschafft hatte, hatte auch Asako einen Grund gehabt sich gehörig ins Zeug zu legen und als sie ebenfalls Hanagumi beitreten durfte waren die zwei seither unzertrennlich gewesen. Das hieß, bis dieser Brief angekommen war.

„Aber der Zeitplan der Tsukigumis ist immer so stark verschoben...“

„Heißt nicht, dass wir uns gar nicht mehr sehen.“

„Osa...“

„Jetzt beruhig dich erstmal.“ Osa stand auf und ging durch das kleine Wohnzimmer. Eigentlich war es mehr Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in einem, denn größer waren die Wohnungen einfach nicht. Die noch-Hanagumi-Darstellerin war froh, dass sie sogar eine Badewanne ihr eigen nennen konnten, denn die 'normalen' Wohnungen im Takarazuka-Dorm hielten kaum mehr als 4 Personen und waren meist nur mit einer Dusche ausgestattet.

„Was machst du?“, fragte Asako dann doch als ihre Freundin vor dem kleinen Schrank stand, in einer Schublade kramte.

„Hast du das Schachspiel weg geräumt?“

„Du willst JETZT Schach spielen?“

„Wieso nicht? Das haben wir eine Weile nicht gemacht.“

Osa sah auf, blinzelte etwas und sah über die Schulter zu ihr. Die Jüngere von beiden schnaubte einmal ausgiebig, lehnte sich zurück und starrte eine Weile in die Augen der anderen. Sie konnte zu dieser Frau einfach nicht Nein sagen. Stumm zeigte sie auf die Schublade über der, in der Osa gekramt hatte und beobachtete, wie die Ältere das eingepackte Schachspiel herauszog. Es war gänzlich aus Glas und ihr ganzer Stolz, denn sie hatte es von ihrem großem Bruder bekommen. Früher hatte sie es oft mit ihm gespielt, doch seit sie ihre Familie fast gar nicht mehr zu Gesicht bekam war Osa so etwas wie ihre Ersatzfamilie geworden. Die zwei brauchten eigentlich keine Worte. Die Ältere setzte sich ihr gegenüber, öffnete die kleine, dunkel lakierte Holzschatulle und sie begannen die Figuren auf zu bauen. Asako, wie immer, bekam die schwarzen Figuren, Osa die weißen. Mitten im Aufbauen stockte die Frau ihr gegenüber einmal und rollte eine der Figuren zwischen den Fingern. Sie lächelte etwas dabei und Asako hob verwirrt die Augenbraue.

„Was ist?“

„Sag mal, wenn ich eine Schachfigur wäre, welche wäre ich dann?“

„Wie kommst du jetzt darauf?“

„Nur eine blöde Idee. Also was denkst du?“

Schon wieder eine dieser plötzlichen Eingebungen, die Osa immer hatte. Diese Frau hatte schon viel zu viele Scripte und Rollen inhaliert, auch die, die sie eigentlich gar nicht lernen musste. Wenigstens war das nicht ganz so schlimm wie der Tag, an dem Osa auf die Idee gekommen war ein eigenes Rezept aus zu probieren. Wenn Asako daran dachte stellten sich noch immer ihre Nackenhaare auf, auch wenn der Tag mehr als lustig gewesen war. Statt weiter an das Kochen mit ihrer Freundin zu denken starrte sie auf das nun fertig aufgebaute Schachfeld. Zuerst war ihr die schwarze Königin ins Auge gesprungen. Es würde passen. Osa hatte eine dunkle Eleganz, die Kontrolle über das, was geschah und mehr Freiheiten, als so manch ein anderer. Doch es fühlte sich falsch an. Nein die schwarze Königin war einfach nicht passend für sie. Mit den Augen zählte Asako die Figuren weiter ab, wanderte schließlich über die weißen Figuren, griff nach einer und besah sie sich ein paar Augenblicke.

„Der weiße König“, sagte sie dann und hob den Blick wieder auf Osa, lächelte etwas. „Ich glaube das passt?“

„Ich hätte jetzt eher auf eines der Pferde oder den Bischof getippt.“

„Nicht in meinem Leben“, murmelte die Jüngere und stellte die Figur zurück. Osa hatte sie aber allen Anschein nach nicht verstanden, legte den Kopf nur ein wenig auf die Seite und blinzelte.

„Bitte?“

„Ich finde nur, dass der König zu dir passt. Er kann sich zwar nur ein Feld bewegen, aber er ist die wichtigste Figur im Spiel. Er kontrolliert das Geschehen indirekt. Ausserdem ist weiß deine Farbe.“ Die Ältere lachte leicht. „Warum lachst du?“

„Damit kann ich leben. Dann bin ich der weiße König.“

Asako lachte leicht. Sie kannte ihre Freundin gut genug um zu wissen, wann sie auf etwas bestimmtes heraus wollte.

„Du willst mir bestimmt sagen welche Figur ich bin?“

„Das sag ich dir.“ Gezielt griff Osa nach einer Figur und hielt sie zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger geklemmt vor sich. „Die hier.“

„Die weiße Königin? Wieso? Ich hab damit doch nichts gemeinsam.“

„Das denkst du. Ach ja und der König ist nicht die wichtigste Figur im Spiel, sondern die Königin.“

„Hm?“

„Es ist quasi unmöglich eine Partie zu gewinnen wenn man die Königin eingebüst hat.“ Die Ältere stellte die Dame zurück und machte den ersten Spielzug. „Die Königin schützt und unterstützt den König. So wie du immer an meiner Seite bist, so bin ich immer an deiner.“

Osa hob den Blick, lächelte sie sanft an und Asako fühlte ihr Herz für einen Augenblick schwer werden. Warum Osa manchmal so lange brauchte um auf den Punkt zu kommen war ihr schleierhaft, aber sie hatte Recht. Selbst wenn sie in Tsukigumi war, so waren sie immer noch Partner. Mehr noch, sie waren Freunde. Keiner würde sie trennen können. Asako lächelte etwas und machte dann ebenfalls ihren Zug. Der Ausgang der Partie war ihr in dem Moment recht egal.
 

Nervös wurde sie erst, als Asako schlussendlich die Tür hinter sich zugeschlagen hatte und sich langsam von ihrem Auto in Richtung der Probehallen bewegte. Sie war diesen Weg schon so oft gegangen, denn sonderlich viel Auswahl hatten die Troupes mit ihren Probehallen nicht, aber ihr war das noch nie so schwer gefallen. Noch immer wollte sie die Troupe nicht wechseln, aber selbst nach Protest hatte sich ihr Chef nicht umstimmen lassen. Den Grund dafür kannte sie noch immer nicht. Jetzt wo sie so darüber nachdachte hatte sie keine Ahnung von ihrer neuen Troupe, ausser, dass sich eine alte Klassenkameradin von ihr darin befand und dass Tsukigumi keinen Musumeyaku-Top Star besaß, der Otokoyaku-Top Star dafür umso berüchtigter war. Nur der Name von letzterem war ihr irgendwie entfallen. Osa hatte ihn mal erwähnt, die zwei kannten sich wohl schon eine Weile, aber Asako hatte sich keine Mühe gemacht sich diesen zu merken. Toll. Sie hatte noch keinen Schritt in diese Hallen gesetzt und wollte jetzt schon wieder zurück in ihr Auto, nach Hause fahren und sich dort einsperren. An sich hatte sie nichts gegen Tsukigumi, nur die Tatsache, dass Osa nicht dort war schlug ihr auf den Magen. Wenn sie ihrer Freundin nicht geschworen hatte sich zusammen zu reisen, dann hätte sie wohl prompt auf dem Absatz kehrt gemacht. Stattdessen schubste sie sich mental vorran, trat in die große Halle ein und besah sich die völlig fremden Schauspielerinnen. Sie waren grob geschätzt ein paar Personen weniger als Hanagumi, aber sie schienen die Standartgröße von ungefähr 70 Schauspielerinnen pro Troupe doch gut zu füllen. Noch schien sie aber keiner bemerkt zu haben. Vielleicht ganz gut so. Man hatte ihr gesagt, dass sie sich zunächst beim Direktor melden sollte, dem Leiter des aktuellen Stückes, welches auch immer das war. Die Leitung eines Stückes der jeweiligen Troupe rotierten immer, wobei die Leiter jeweils aus dem Direktor, dem Choreographen, Chorleiter, Schauspieltrainier, Gutachtern und einigen Assistenten . Sie lächelte, als der kleinere Mann vor ihr stand und sie begrüßte. Immerhin musste keiner merken, dass sie keine Lust auf diese Troupe hatte. In Hanagumi war sie immer sehr beliebt gewesen und sie hatten auch Neulinge immer mit offenen Armen begrüßt. Tsukigumi schien da etwas konverstiver zu sein, denn man hatte ihr noch nicht einen Blick geschenkt. Stattdessen rannten sie von einem Ende des Raumes zum anderem, blätterten in ihren Scripten und übten ein paar Schritte.

„Miss Nao“, rief der Direktor und eine der Schauspielerinnen sah auf. Sie war etwas größer als die Frau, bei der sie stand, hatte schwarze, recht kurze Haare, eine Otokoyaku wie es schien. Die Frau kam ihr irgendwie bekannt vor. Wahrscheinlich war das der Top Star von Tsukigumi. Wie auch immer. Nao, wie der Direktor sie gerufen hatte, kam zu ihnen, das Script und zwei Stifte in der Hand, einen zum Markieren und einen zum Schreiben, hatte einen etwas gehetzten Gesichtsausdruck. „Sie ist Tsukigumi's neues Mitglied. Würden sie sie bitte einweisen?“

Der noch immer an den Direktor gerichtete Top Star sah schlussendlich zu ihr, hielt ihr die Hand hin und lächelte etwas gequält.

„Ayaki Nao. Ich bin der Top Star hier.“

„Sena Jun. Ich war vorher...“

Die andere schnitt ihr mit einer Handbewegung und einem leisem Schnauben das Wort ab.

„Die Hanagumi-Prinzessin. Davon habe ich schon gehört.“

Verwundert hob Asako die Augenbrauen, blinzelte irritiert. Hanagumi-Prinzessin? Wer war denn bitte auf den Schwachsinn gekommen? Ohne weitere Worte schüttelte sie die Hand ihres neuen Top Stars, doch das Lächeln von beiden verschwand fast augenblicklich als sie die Hand der jeweils anderen losliesen. Arrogante Kuh. Nur weil sie Top Star war führte sie sich auf als gehörte ihr die Troupe. Osa war wenigstens noch human geblieben. Stumm folgte sie der Älteren zu ein paar anderen Schauspielerinnen. Ihr war aufgefallen, dass ziemlich viele sehr junge Darstellerinnen dabei waren. Im Rücken hörte Asako etwas Getuschel, ignorierte es aber gekonnt. Es war normal, dass man erst einmal über die Neuzugänge etwas lästerte. Kaum, dass sie die Mitte des Raumes erreicht hatten klatschte Ayaki laut in die Hände und pfiff kurz auf zwei Fingern.

„Hört mal alle her. Wie es aussieht gab es doch einige Transfers. Einige werden Sena Jun sicher schon kennen.“ Der Top Star warf nur einen flüchtigen Blick zu ihr. „Wo ist Kashi?“

„Hier!“, kam es aus einer Ecke und eine weitere, Asako durchaus bekannte, Otokoyaku kam zu ihr gelaufen. Takashiro Kei war mit ihr in eine Klasse gegangen als sie noch in die Takarazuka-Schule gegangen war, aber so wirklich war ihr die andere nie aufgefallen. Sie war immer der eher zurückgezogene Typ gewesen, durchaus witzig, aber sie hatte immer über den Büchern gehangen. Die schmächlich, bübchenhaft wirkende Frau war ein kleines Stück größer als sie selbst, aber ihre schmalen Schultern liesen sie als Otokoyaku wirken wie ein kleiner Junge.

„Sie wird mit dir in zwei Rollen routieren. Es steht im Script. Arbeite sie ein.“ Ayaki drehte sich erneut zu der Truppe und machte eine Handbewegung. „Gegafft werden kann später! Zurück an die Arbeit! Wir hinken sowieso hinterher.“

Asako konnte nur mit etwas geöffneter Kinnlade dastehen und dabei zusehen, wie der Top Star davonstolzierte. Das war doch geradezu unterhört. Selbst als Top Star sollte man ein gewisses Maß an Freundlichkeit besitzen und sie einfach ab zu servieren wie unerwünschte Arbeit.

„Mach dir nichts draus. Wir stehen alle etwas unter Stress“, meinte Kashi und riss sie damit aus ihren Gedanken. Asako grinste nur schief.

„So wirklich freundlich ist sie aber nicht.“

„Eigentlich ist sie gar nicht so. Nur sind einige der Hauptpersonen krank geworden und die Chefs haben unsere Auftritte eine Woche vorgezogen.“

Einen guten ersten Eindruck hatte sie trotzdem nicht hinterlassen.

„Naja. Trotzdem schön, dass wir uns mal wieder sehen. Kashigo, richtig?“

„Genau. Oder Kashi. Was dir lieber ist. Ich stell dich mal noch Yuuhi vor. Sie wird mit uns noch eine Rolle teilen.“

Asako nahm es einfach so hin, lernte noch eine weitere Schauspielerin kennen, Oozora Yuuhi, die sie etwas sympatischer fand, und sie lies sich von Kashi zumindest ansatzweise in ihre Rolle einweisen.
 

Da sich ihre Motivation sich sowieso schon in Grenzen gehalten hatte kamen sie an dem Tag allerdings noch sonderlich weit. Asako strengte sich an, aber immer wieder kam ihr der Gedanke, dass sie lieber wieder mit Osa trainieren wollte. Generell fehlten ihr die ganzen Kontakte, die sie in Hanagumi gehabt hatte und Ayaki's Sklaventreiberei machte es leider nicht besser. Kaum, dass sie sich mal zwei Minuten hingesetzt hatte um ihren Text durch zu gehen stand sie schon wieder neben ihr, schnauzte sie an, dass sie sich gefälligst zu bewegen hätte und dass sie einen Zeitplan einzuhalten hatten. Asako erduldete es, denn sie hatte schon schlimmere Vorträge von Osa bekommen. Sie wusste, dass sie dazu tendierte mit dem Kopf in den Wolken zu hängen, aber in Hanagumi hatte sie wenigstens noch irgendwie Spaß an ihrer Arbeit gehabt. Irgendwann zwischen Ayaki's sehr ausladenden Vorträgen, Asako wunderte es inzwischen gar nicht mehr, dass sie so hinterherhinkten mit dem Zeitplan, denn die Vorträge des Top Stars dauerten immer ein paar Minuten, in denen sie immer das Selbe sagte. Irgendwann hatte sie sich ihr Handy gekrallt und hatte Osa eine ziemlich wutentbrannte Nachricht in ihrer Pause geschrieben. Die aufmunternden Worte ihrer Freundin liese ihre Laune dann doch etwas steigen und sie schaffte auch mit Kashi's Hilfe den Rest ihres ersten Tages ohne dabei komplett wahnsinnig zu werden. Doch sie war sich recht sicher, dass sie die Laune des Top Stars nicht lange aushalten würde. Am Abend würde sie sich wohl bei Osa auskotzen müssen.

„Gut dann sehen wir uns morgen“, sagte Kashi, lächelte etwas und Asako nickte leicht.

„Ja bis morgen dann.“

Die neue Tsukigumi-Darstellerin ging zu ihrer Tasche, wollte sich gerade die schwarze Lederjacke über die Schultern werfen als mit einem Mal Ayaki neben ihr stand.

„Und wo willst du hin, Sena?“

„Nach Hause, wohin denn sonst?“ Sie sah in den fast gänzlich leeren Raum. „Es ist sonst keiner mehr da, falls es dir nicht aufgefallen ist.“

„Du gehst nirgendwo hin. Ich habe dir heute schon ein paar Mal gesagt, dass hier nicht die Füße hochgelegt wird. Du machst heute länger.“

„Bitte?“ Jetzt platzte ihr doch der Kragen. „Ich habe heute zwei ganze Tänze gelernt. Soll ich das ganze Stück an einem Tag lernen oder was?“

„Ja, aber ich bezweifle, dass du das hinbekommen würdest. Du wirst den letzten Song aber noch weiter üben.“

„Es gibt noch so etwas wie Schlaf.“

„Ich bleibe auch noch, also reg dich nicht so auf.“

„Ich rege mich gar nicht auf, ich sage nur, dass es nicht fair ist.“

„Das Leben ist nicht fair. Hör also auf die Mimose zu spielen, Prinzessin, und geh zurück an die Arbeit.“

„Ich denke nicht dran!“ Dann wurde Asako doch lauter, zog die Jacke etwas weiter zu.

„Wage es nicht jetzt einfach zu gehen.“

„Sonst was? Schickst du mich zurück nach Hanagumi? Wäre mir gerade recht.“

„Wenn ich könnte, würde ich das tun. Liegt aber leider nicht in meiner Macht. Wenn du jetzt allerdings durch diese Tür gehst, dann werde ich dein ganzes Benehmen heute dem Chef melden und du kannst deine Karriere an den Nagel hängen.“

Dann verstummte die Jüngere doch, starrte den Top Star nur entsetzt an und biss die Zähne aufeinander. Diese arrogante, eingebildete... Asako kickte nur frustriert gegen ihre Tasche, warf ihre Jacke in die nächstbeste Ecke und ging zurück zum Chorleiter, der am Klavier saß, gefolgt von Ayaki.
 

Erst irgendwann mitten in der Nacht fiel die Tür der neuen Tsukigumi-Darstellerin ins Schloss. Asako stöhnte einmal schmerzhaft auf, lies die Schuhe, die sie sich einfach von den Füßen striff, unaufgereiht im Gang liegen und warf ihre Tasche einfach auf die Seite. Beim Singen war es nicht geblieben, denn Ayaki war noch der Meinung an so ziemlich allen rum zu mäkeln, was sie konnte und gezeigt hatte, wobei es Asako auch gar nicht erst in den Sinn gekommen war alles zu geben was sie konnte. Ihr Talent war ihr bewusst, aber wieso sollte sie es jemandem zeigen, der so offensichtlich arrogant und von sich überzeugt war, dass sie alles andere nieder machte? Dabei war sie nicht einmal so gut...

Eigentlich eine Lüge. Ayaki war brilliant. Das musste sie ihr aber nicht unter die Nase reiben. Das Ego von dieser Diva war sowieso schon groß genug. Grummelnd ging die Otokoyaku in ihr Badezimmer, stellte dort erst einmal die Dusche an und entledigte sich ihrer Klamotten. Dabei fiel mit einem leisem 'Plock' ihr Handy auf den regenbogenfarbenen Badezimmerteppich. Bei ihrem Glück hatte sie das so kostbare Teil kaputt gemacht. Schnaubend griff sie nach dem silbernem Gerät, warf einen Blick darauf, aber glücklicherweise war nichts passiert. Stattdessen sah sie eine ungelesene Nachricht auf dem Display, die sie öffnete.

'Ich bin mir sicher, dass du das gut machst. Du fehlst uns allen hier. Ich hätte dich lieber an meiner Seite. Wir sehen uns in den nächsten Tagen. Masa.'

Masa war der Spitzname, der einzig Asako vorbehalten war. Es wärmte der Tsukigumi-Darstellerin das Herz, dass ihre Freundin noch immer so an sie dachte. Doch gerade dieser eine Satz, der vorletzte, machte Asako doch etwas kribbelig. Sie hatte Masa nie gesagt, wie tief ihre Gefühle für ihre Freundin wirklich gingen, tänzelte noch immer um die andere herum und traute sich nicht einen wirklichen Schritt zu wagen. Hier und da flirteten sie mal rum, doch Asako war sich nicht sicher ob Osa wirklich wusste, dass sie jedes Wort dieser belanglosen Flirtereien todernst meinte. Mit leisem seufzend legte sie das Telefon auf die Seite, sie wusste sowieso nicht, was sie darauf antworten sollte, und stieg stattdessen unter die Dusche. Das heiße Wasser lies sie etwas entspannen, auch, wenn Ayaki's aufgeblasene Art ihr noch immer nachhing. Sie hoffte nur, dass die nachfolgenden Wochen etwas besser verliefen. Besonders, wenn man bedachte, dass sie den Top Star noch eine ganze Weile am Hals haben würde, denn Asako hatte nicht vor so bald aus Takarazuka aus zu steigen.

Black Queen: Second Set of Pieces

„Schachmatt.“

„Was? Schon wieder?“

Fassungslos starrte die Frau ihr gegenüber auf das Schachbrett mit den von ihr so perfekt ausgespielten Schachfiguren. Sie lachte etwas.

„Du vernachlässigst immer eine Verteidigung etwas, Yuuhi.“

„Aber... aber...“

Sie sah ihr an, wie sehr sich ihre alte Freundin das Hirn über den letzten Spielzug zermarderte. Yuuhi würde es wohl nie schaffen sie in einer Partie zu schlagen.

„Sieh es ein. Du unterschätzt immer meine Spielzüge mit der Königin.“

„Du bist mir auch so eine Königin, Saeko“, kam es von Wataru, die mit Tee zu den beiden Freundinnen kam und sich zu ihnen setzte. Yuuhi, noch immer geistesabwesend, nahm eine der Tassen entgegen. Die war wohl noch ein paar Minuten beschäftigt, wesshalb sich die Gewinnerin wieder zu Wataru drehte. Sie selbst, Ayaki Nao oder einfach nur Saeko, nahm sich eine Tasse von ihrer Freundin, Kozuki Wataru, entgegen, lächelte ihr dabei einen Augenblick lang sanft zu.

„Na wenn ich die Königin bin, dann bist du aber der König meine Liebe.“

Wataru lachte etwas.

„So? Na wenn du das sagst.“

„Ach vermalledeimich!“, fluchte Yuuhi dann wieder laut und warf sich in ihrem Platz zurück, legte den Kopf in den Nacken. „Ich verstehs nicht. Wieso schaff ichs nicht dich zu schlagen?“

Für einen Augenblick schmunzelte Saeko etwas, beugte sich nach vorne während sie sich auf ihren Unterarmen abstützte und den Tee in beiden Händen hielt.

„Sag ich dir. Weil du wie einer der Türme bist.“ Sie griff nach einer der schwarzen Türme, die sie von Yuuhi abgezogen hatte und die sauber aufgereiht neben einigen der Bauernfiguren stand. „Du kannst immer nur geradeaus denken und siehst immer nur das, was vor dir liegt.“

Daraufhin zog Yuuhi nur eine Schmolllippe und sowohl Wataru als auch Saeko fingen an zu lachen. Die drei Freundinnen verbrachten ziemlich häufig ihren Abend zusammen, was meist darin endete, dass Yuuhi, die von ihnen manchmal liebevoll 'Waschbär' gerufen wurde, sie zu einer Partie Schach herausforderte. So eine wirkliche Herausforderung war die jüngere Tsukigumi-Darstellerin jedoch nicht für sie, denn sie hatten schon so viele Spiele hinter sich gebracht, dass sie durch das Denkmuster der anderen sehen konnte. Die Figur des Turms passte einfach perfekt zu ihr. Saeko warf einen Blick auf Wataru. Und da saß ihr König, wie sie elegant in dem schwarz gemustertem Sessel saß, an dem noch immer heißem Tee nippte und dabei eine ungeheure Eleganz ausstrahlte. Zwar gehörte Wataru nicht Tsukigumi an, in der Saeko als Top Star agierte, sondern war der Top Star von Hoshigumi, doch das änderte nichts daran, dass Saeko noch immer vernarrt in die andere war wie in niemand anderen. Sie konnte sich nicht erinnern wie lange sie jetzt schon ihr Leben und das Bett mit dem Hoshigumi-Star teilte, doch sie hoffte, dass es noch eine ganze Weile sein würde. Im Augenwinkel sah sie, wie Yuuhi über das Schachbrett griff und sich die schwarze Königin schnappte, die Saeko einige Züge zuvor geschlagen hatte. Mit einem ihrer Bauern wohlgemerkt. Für ein paar Sekunden starrte die andere die Figur aus Glas an.

„Ich finde die Figur passt wirklich zu dir“, sagte Wataru und sah von ihrem Tee auf.

„Hm?“ Saeko hob verwundert die Augenbrauen. „Wieso?“

„Zumindest wenn man davon ausgeht wie du spielst. Du denkst in alle Richtungen und ein paar Schritte im Vorraus. Kein wunder dass unser Waschbär dich nicht besiegen kann.“

„Hey!“, protestierte die jüngere Tsukigumi-Darstellerin und schnaubte leise. Wataru überging sie einfach.

„Ausserdem sieht sie ein bisschen so aus wie du, findest du nicht?“

Abermals hob der Tsukigumi-Star eine Augenbraue, schmunzelte dann etwas und sah zu Yuuhi. Fast gleichzeitig fingen die drei an zu lachen.
 

„Saeko? Da ist ein Brief für dich.“

Wataru kam noch immer in Shorts ins Schlafzimmer, hielt einen nicht gerade dünnen Briefpacken in den Händen. Saeko rollte sich auf den Rücken, stöhnte dabei leise, sie war noch immer todmüde, und öffnete die Augen einen Spalt,

„Huh? Um die Uhrzeit?“

„Scheint wichtig zu sein. Vielleicht solltest du ihn aufmachen. Du musst sowieso noch warten. Yuuhi ist im Bad.“

Nochmals grummelte der Tsukigumi-Star leicht.

„Irgendwann schenk ich ihr diesen Teppich“, maulte sie leise und stemmte den schweren Oberkörper nach oben. Saeko's Wohnung war im Vergleich zu so vielen anderen gigantisch. Sie hatte neben seperatem Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche ein riesiges Bad, in den sie sich bei ihrem Einzug einen großen, flauschigen, bunt bestickten Badezimmerteppich gelegt hatte. Seither benutzte Yuuhi so oft es ihr nur irgendwie möglich war ihr Bad nur um sich barfuß auf den Teppich zu stellen, denn Saeko hatte obendrein noch Fußbodenheizung im Badezimmer. Irgendwie süß war das ganze ja schon, aber ihre Freundin blockierte desshalb immer eine halbe Ewigkeit das Bad, vorzugsweise, wenn sie es eilig hatten. Statt sich weiter über den schwarzen Turm auf zu regen schnappte sich sich den Brief, beäugte ihn ausgiebig und blinzelte leicht. Sie kannte diese Art von Brief, aber eigentlich hieß es, dass es in diesem Jahr keine geben sollte. Sie riss achtlos das Papier auf, zog den Zettel heraus und übersprang den immer gleichen, formellen Anfang.

„Und? Was steht drin?“, fragte Wataru, die neugierig neben ihr platzgenommen hatte.

„Scheint als bekommen wir einen Neuzugang.“ Sie überflog die Zeilen weiter, legte stöhnend den Kopf in den Nacken. „Oh bitte nein.“

„Was? So schlimm kann es ja nicht sein.“

„Es ist Sena Jun.“

Wataru prustete leicht für sich los, hielt für einen Augenblick die Hand vor den Mund um ihre Lautstärke zu dämpfen.

„Die Hanagumi-Prinzessin? Ernsthaft?“

Der Titel 'Hanagumi-Prinzessin' war vor einigen Wochen wie ein Lauffeuer durch die Reihen der älteren Schauspielerinnen gegangen, ebenso wie der Titel, den sich ihre Freundin Osa eingehandelt hatte. Der Hanagumi-König Haruno Sumire und die Hanagumi-Prinzessin Sena Jun. Der Titel für Osa war weniger ernst gemeint als der, den sich die junge Sena eingehandelt hatte. Es war allgemein bekannt, dass Sena und Osa unzertrennlich waren, ebenso offensichtlich war es, dass Sena sich der Älteren immerzu unterordnete. Im Gegenzug behandelte Osa die Jüngere wie eine Prinzessin, daher der Titel. Obendrein war die junge Sena der Schatz Hanagumis, der noch auf seine Top Star Zeit wartete. Zumindest so etwas in der Richtung war der Ursprung dieser Titel gewesen. Eigentlich hatte man gemunkelt, dass sie Wao Youka's Nachfolge antreten würde. Natürlich nannte niemand aus Hanagumi Sena bei diesem Namen, geschweigedenn irgendwer ihr gegenüber. Schlimmer jedoch war, dass sie das Königspäärchen so offensichtlich auseinanderrissen, was Sena garantiert nicht gefallen würde. Saeko kannte nur aus Erzählungen wie grantig Sena ohne Osa's Anwesenheit war.

„Das kann ja was werden“, meinte Saeko nur noch unter einem Schnauben und überflog den Rest des Textes. „Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte.“

„Wann wechselt sie denn offiziell?“

„Übermorgen“
 

Das Prinzessinen-Problem war jedoch nur das geringste ihrer Probleme. Es stellte sich heraus, dass einige der Hauptcharaktere ernsthaft krank geworden waren, zwei um genau zu sein, wesshalb sie provisorisch die Rollen routieren mussten. Die Routationsrollen blieben an Yuuhi und Kashige, Takeshi Kei, hängen, jedoch fehlte noch immer eine Rolle, die ihr Neuankömmling wohl oder übel übernehmen musste. So sehr es Saeko auch missfiel einem Neuen, so erfahren diese auch wahr, von der sie aber noch nichts gesehen hatte, gleich so eine große Rolle zu geben. Die Entscheidung wurde ihr jedoch von den Direktoren abgenommen, sehr zum Leidwesen des Tsukigumi-Stars. Sie hätte lieber Kiriyan diese Rolle gegeben, aber die gehörte zu den Kranken und war wohl noch eine Weile nicht verfügbar. Es blieben ihr also nur noch die Shinkos, denen sie aber keine größere Rolle geben konnte. Dementsprechend schlecht gelaunt war der Top Star, als sie zwei Tage später im Probenraum stand, die Böse spielen musste und allen, die sich kurz hinsetzten, gehörig in den Hintern trat. Zu allem Überfluss hatten die Chefs es für eine gute Idee gehalten, den Termin für die Premiere vor zu verlegen um eine Lücke zu schließen. Saeko sah da schon eine ganze Menge Überstunden auf sie zukommen. Dafür hatten die Chefs wenigstens diese so verhassten Fernsehauftritte mit Tsukigumi abgesagt, was sie alle dann doch etwas erleichterte. Nichts war, besonders für die Jüngeren, so schlimm wie ein öffendlicher Live-Auftritt bei dem einfach alles sitzen musste. Übermüdet und unmotiviert konnte man dabei einfach nicht sein. Hieß nicht, dass sie es beim Training desshalb lockerer angehen lassen konnte, im Gegenteil.

Sie übte gerade mit Yuuhi und einigen jungen Shinkos zusammen einen Tanz, war dabei völlig vertieft in das was sie tat, dass sie nur im Augenwinkel sah, wie eine ihr fremde Person den Raum betrat. Sie tippte stark auf Sena, aber ihr war das momentan recht egal. Die Direktoren würden sie rufen, wenn sie mit der Standartprozedur, die auch vollwertige Mitglieder zu erdulden hatten, fertig waren und sie offiziell einteilen konnten.

„Ist sie das?“, fragte Yuuhi leise zu ihr nachdem Saeko die Shinkos dazu angewiesen hatte alleine weiter zu üben.

„Wer denn sonst?“, brummte der Top Star leise, starrte dabei in ihr Script und ging erneut den Text durch. Es war nicht viel, aber dafür hatte er es in sich.

„Wow sie hat sich ganz schön verändert.“

Verwundert sah Saeko zu ihrer Freundin auf, die erneut einen flüchtigen Blick zu Sena warf.

„Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt.“

„Wir sind zusammen in eine Klasse gegangen.“ Yuuhi lächelte etwas, setzte zu einem weiteren Satz an als der Direktor nach dem Top Star brüllte. Dass man nach ihr rief wie nach einem wildgewordenem Hund ging ihr dann doch gehörig gegen den Strich. Lange würde sie diese Rumschubserei nichtmehr erdulden können. Dennoch ging sie mehr oder minder gelassenen Schrittes, das Script unter den Arm geklemmt zum Direktor und zu der neuen. Ihre Laune war so weit unten, dass sie nicht wirklich ein Lächeln auf die Reihe bekam.

„Sie ist Tsukigumi's neues Mitglied. Würden sie sie bitte einweisen?“

Als ob sie nicht selbst so schlau gewesen wäre. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten wenn ein fremdes Gesicht im Probenraum auftauchte. Entweder es war jemand neues oder es gab ernsthafte Probleme. Saeko zwang sich zu einem Lächeln und hielt der anderen die Hand hin. Sie verschwendeten eigentlich nur wertvolle Zeit. Mal ganz davon abgesehen, dass sie noch das ein oder andere Hühnchen mit dem Direktor zu rupfen hatte wegen der kappen Zeit. Sie bemerkte, wie die etwas kleinere Darstellerin sie einmal ausgiebig beäugte.

„Ayaki Nao. Ich bin der Top Star hier.“

Ihr Lächeln war nicht minder gequält als ihr eigenes. Der Blick der Jüngeren sprach Bände. Sie hatte keine Lust hier zu sein.

„Sena Jun. Ich war vorher...“

Saeko winkte ab, schnaubte leise und schnitt der Jüngeren damit das Wort ab. Als ob sie nicht wüsste, wen sie da vor sich hatte. Als Top Star erfuhr sie immer als erste, wenn es neue Mitglieder gab.

„Die Hanagumi-Prinzessin. Davon habe ich schon gehört.“

Das mit der Prinzessin war ihr dann doch rausgerutscht. Wie auch immer. Die Frau ihr gegenüber sah etwas verwirrt drein, griff dann aber doch etwas weniger beherzt nach ihrer Hand und schüttelte sie kurz. Jetzt hatte sie diese Frau wohl oder übel im Gepäck. Sie sah so aus, wie man sie immer beschrieben hatte, ein gestriegelter Pudel. Hübsch war sie, keine Frage, aber gerade weil sie so eine Schönheit war zweifelte sie am Arbeitswillen. Es würde sich wohl zeigen. Saeko's Lächeln verschwand als sie sich umdrehte und die Hand der anderen loslies, Sie würde Sena im Auge behalten müssen. In der Mitte des Raumes angekommen klatschte sie laut in die Hände, pfiff auf zwei Fingern um die Aufmerksamkeit ihrer Troupe zu bekommen.

„Hört mal alle her. Wie es aussieht gab es doch einige Transfers“, rief sie und sah in die Runde der neugierig dreinblickenden Frauen. „Einige werden Sena Jun sicher schon kennen.“ Der Top Star warf nur einen flüchtigen Blick über die Schulter zu der Prinzessin, die ihr auf dem Fuß gefolgt war. Es wäre wohl besser, wenn sie mit den Schauspielerinnen zusammen arbeitete, mit denen sie die Rolle wechselte. Yuuhi war noch mit ihr und den Shinkos beschäftigt. Blieb nur die dritte. Flüchtig sah sie sich im Probenraum um. „Wo ist Kashi?“

„Hier!“, kam es aus einer Ecke und die jüngere Schauspielerin quetschte sich zwischen einigen Shinkos vorbei, blieb vor ihr stehen. Saeko ging einen Schritt auf die andere zu, sah sie ernst an.

„Sie wird mit dir in zwei Rollen routieren. Es steht im Script. Arbeite sie ein.“ Saeko hielt sich nur knapp. Sie hatten schon genug getrödelt. Der Top Star sah sich um, bemerkte, wie die jüngeren auf den Neuankömmling starrten wie in einem Zoo. Sie machte eine eindeutige Handbewegung um die Gruppe aus der Trance zu reisen, konnte dabei nicht verhindern etwas aggressiv zu werden. „Gegafft werden kann später! Zurück an die Arbeit! Wir hinken sowieso hinterher.“

Kaum, dass sie ein Machtwort gesprochen hatte sah sie, wie die Schauspielerinnen aufgeschreckt wie eine Herde Hennen aufsprangen und wieder zurück an das gingen, was sie vorher getan hatten. Kashi und Sena ignorierend ging sie zurück zu Yuuhi, schnappte sich den Turm und die Shinkos, ebenso wie die Choreografin und sie fuhren mit ihrer Arbeit fort.
 

Je länger der Tag andauerte, umso mehr brannte sich das Bild einer verzogenen Prinzessin in ihr Gedächnis, wenn sie Sena ansah. Fast jedes Mal, wenn sie mal nach dem Neuankömmling sah hockte sie auf der Bank, das Script in ihrem Schoß und das Handy in der Hand. Sie konnte nur raten, an wen diese Nachrichten gingen, obwohl das ziemlich offensichtlich auf der Hand lag. Immer wieder ging sie zu der anderen, forderte sie mehr oder minder freundlich dazu auf das nervige Gerät weg zu legen. Saeko hasste jegliche Technik während einer Probe. Sena tat wie ihr geheißen war, aber dennoch warf sie dem Top Star einen mehr als trotzigen Blick entgegen, den die Tsukigumi-Schauspielerin gekonnt ignorierte. Irgendwann platzte ihr jedoch der Kragen als sie Sena etwas abseits von den probenden Schauspielerinnen, darunter auch Kashi, sah und sich nicht für das, was da passierte zu interessieren schien. Fast augenblicklich stand sie hinter der Jüngeren, schlug ihr mit dem Script auf den Hinterkopf.

„Was glaubst du eigentlich, wo du hier bist? Deine Nachrichten schreiben kannst du später schreiben! Geh zurück an die Arbeit!“

Sena holte Luft, offenbar um ihr Kontra zu bieten, doch Kashi zog sie noch von ihr weg. War wohl besser so. Saeko war kurz davor entgültig in die Luft zu gehen und sie tendierte dazu ziemlich laut zu werden.

„Musst du sie so hart rannehmen?“, fragte Yuuhi, als sie wieder zu der kleinen Truppe gestoßen war.

„Wir können freundlich werden, wenn wir das Stück zumindest einigermaßen auf die Reihe bekommen. Konzentrier du dich nur auf deine Rolle. Nur weil die Prinzessin das Schätzchen von Hanagumi ist bekommt sie hier keine Vorzüge.“

„Du weist, dass sie als dein Vice hierher versetzt wurde.“

„Ich weis. Ein Grund mehr. Sie soll sich schonmal an die Arbeit eines Top Stars gewöhnen.“

Als ob das nicht schon genug wäre schaffte es die Prinzessin dem ganzen nur noch die Krone auf zu setzen. Am Abend, sie hatte die Shinkos schon entlassen und ein paar der anderen Schauspielerinnen hatten den Raum gewechselt um ungestört zu sein, sah sie, wie die Jüngere in aller Seelenruhe ihre Sache packte und zum Gehen ansetzte. Osa hatte ein solches Benehmen einfach durchgehen lassen? Sena mochte vielleicht talentiert sein, aber das allein gab ihr noch keine Freiheiten. So gut die Jüngere auch war, sie hatten bis zur Fertigstellung des Stücks noch eine ganze Ecke vor sich.

„Und wo willst du hin, Sena?“, fragte sie wutentbrannt und ging auf die Jüngere zu, blieb an deren Seite stehen.

„Nach Hause, wohin denn sonst?“ Jetzt wurde sie auch noch frech. Nur im Augenwinkel folgte sie dem offensichtlichem Blick, den Sena durch den Raum warf. Am anderen Ende des Raumes hockten noch Yuuhi und ein paar andere Mädchen, die nochmals das Script durchgingen. „Es ist sonst keiner mehr da, falls es dir nicht aufgefallen ist.“

Verwöhntes Balg. Disziplin schien ihr ein Fremdwort zu sein. Nach dem, was sie am Tag geleistet hatte, würden sie nie fertig werden. Saeko hielt den Vortrag schon den ganzen Tag zurück, doch bei dem patzigem Verhalten der Jüngeren lief in ihr etwas über.

„Du gehst nirgendwo hin. Ich habe dir heute schon ein paar Mal gesagt, dass hier nicht die Füße hochgelegt wird. Du machst heute länger.“

Die Prinzessin sah etwas irritiert drein und ihre Kinnlade klappte ein Stück runter.

„Bitte? Ich habe heute zwei ganze Tänze gelernt. Soll ich das ganze Stück an einem Tag lernen oder was?“

Gut, zwei Tänze waren in dieser Zeit nicht wenig. Sonst hatte sie aber keinen Finger krum gemacht, wenn Saeko sie nicht dazu gezwungen hätte. Anders kam man bei der verhätschelten Hoheit wohl nicht weiter.

„Ja, aber ich bezweifle, dass du das hinbekommen würdest. Du wirst den letzten Song aber noch weiter üben.“

„Es gibt noch so etwas wie Schlaf.“

„Ich bleibe auch noch, also reg dich nicht so auf.“

„Ich rege mich gar nicht auf“ Natürlich nicht. „Ich sage nur, dass es nicht fair ist.“

Der Tsukigumi-Star rollte mit den Augen.

„Das Leben ist nicht fair. Hör also auf die Mimose zu spielen, Prinzessin, und geh zurück an die Arbeit.“

„Ich denke nicht dran!“ Erneut trotzig zog die Jüngere die Jacke zu. Gut dann musste der Top Star doch die harten Geschütze auffahren. Es war immerhin nur zum Vorteil von Tsukigumi wenn sich Sena wenigstens etwas anstrengte. Obendrein ging es um ihren Stolz, denn immerhin war sie die Vorgesetzte der ehemaligen Hanagumi-Darstellerin.

„Wage es nicht jetzt einfach zu gehen.“

„Sonst was? Schickst du mich zurück nach Hanagumi? Wäre mir gerade recht.“

„Wenn ich könnte, würde ich das tun. Liegt aber leider nicht in meiner Macht. Wenn du jetzt allerdings durch diese Tür gehst, dann werde ich dein ganzes Benehmen heute dem Chef melden und du kannst deine Karriere an den Nagel hängen.“

Das schien dann doch gewirkt zu haben. Die beiden Frauen starrten sich einige Augenblicke lang an, ehe Sena frustriert gegen ihre Tasche trat und den Rückweg zum Klavier antrat während die Jacke in eine Richtung davonflog. Wahrscheinlich hatte Saeko es übertrieben, aber etwas anderes schien ja bei der Hanagumi-Prinzessin nicht zu wirken. Saeko war jetzt der Top Star von Sena und das hatte die Jüngere zu akzeptieren, auch wenn sie ganz offensichtlich noch an Osa hing. Der Tsukigumi-Star schnaubte einmal für sich, krallte sich etwas in ihr Script als sie Sena zum Klavier folgte. Sie mochte diese verzogene Göre nicht. Dabei war sie nicht einmal so viel Jünger als sie selbst.
 

Erst sehr spät Abends, es könnte auch mitten in der Nacht gewesen sein, stand sie mit Yuuhi bei Wataru vor der Tür, klopfte drei Mal und rieb sich dabei mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger die Schläfe. Sena würde sie nochmal in den Wahnsinn treiben. Es war nicht so, als ob sie sie ihre Aufgabe nicht wahrahm, sondern eher, dass sie mit einer solchen Gleichgültigkeit an ihre Arbeit ging, dass es einfach nicht mehr dem Standard entsprach. Sie würde Osa eine Nachricht schreiben müssen mal etwas auf die Prinzessin ein zu reden. Auf jemand anderen schien sie ja nicht zu hören.

„Gib ihr eine Chance“, meinte Yuuhi und lächelte Saeko aufmunternd zu.

„Die muss sie sich erarbeiten.“ Wataru öffnete die Tür und lies die beiden hinein. Die ungefähr gleichgroße Wohnung des Hoshigumi-Stars war ein wenig spartanischer eingerichtet, aber dennoch hübsch und erfüllte ihren Zweck. Wataru war sowieso nur bei sich wenn Saeko gerade nicht da war. Man sah dem Tsukigumi-Star ihre schlechte Laune dann doch mehr an, als sie gehofft hatte, denn Wataru legte wieder diesen Blick auf, den sie immer hatte, wenn sie das offensichtliche Darlegen wollte. „Frag besser nicht.“

Der Blick ihrer Freundin wanderte zu Yuuhi. Saeko ging in Richtung des Schlafzimmers, wo sie eine bequeme Hose auf dem Bett aufsammelte. Sie hatte angefangen ein paar Alltagsklamotten von sich bei Wataru zu bunkern damit sie nicht ständig zwischen den Wohnungen pendeln musste. Nachdem sie die Hose angezogen hatte entledigte sie sich ebenso der Abbinde, die die Otokoyakus bei jeder Gelegenheit unter ihrer Kleidung tragen mussten, und warf diese achtlos neben das Bett. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel musste sie sich nicht einmal umdrehen um zu bemerken, dass ihre Freundin eingetreten war.

„Lass dich von Sena doch nicht so ärgern“, sagte die Hoshigumi-Darstellerin sanft und trat dicht hinter sie, schlang die fast zierlichen und doch so durchtrainierten Arme um ihre Taille und zog sie etwas näher. Saeko seufzte leicht. Einerseits wegen dem, was die größere gesagt hatte, andererseits wegen der angenehmen Wärme, die von Wataru ausging und in ihr ein vertrautes Kribbeln auslöste. Sie legte eine Hand auf den nackten Unterarm und schloss die Augen.

„Sie ist einfach unerträglich“, murmelt der Tsukigumi-Star, drehte sich anschliesend in den Armen der anderen und sah in die dunklen Augen der größeren. „Sie ist ein Stolperstein für Tsukigumi.“

„Vielleicht muss sie sich einfach nur einarbeiten. Du hast dich auch nie sonderlich leicht getan, wenn du die Troupe gewechselt hast.“

„Erinner mich nicht daran.“

Saeko wie auch Wataru hatten beide schon einige Wechsel der Troupes hinter sich, nicht zuletzt zu den berühmt-berüchtigten Senkas. Die Senkas, oder Superior-Members, waren eine kleine Gruppe von vielleicht 20 Schauspielerinnen, die in den Auftritten der anderen Troupes meist ältere Charaktere übernahmen. Passend wenn man bedachte, dass die Senkas meist ältere Schauspielerinnen waren. Obendrein 'parkten' die Chefs gerne zukünftige Top Stars für eine Weile bei den Senkas bis eine Stelle als Top Star in einer der Troupes frei wurde. Wataru, Saeko, sowie der aktuelle Yukigumi-Top Star Asami Hikaru waren in letzteres Schema gefallen.

„Dann sei nicht so hart zu ihr. Seine Hoheit ist halt etwas verwöhnt durch Haruno.“

„Apropos. Erinnere mich daran Osa einen gehörigen Denkzettel zu verpassen dafür, dass sie ihre Troupe so verhätschelt.“

„Später.“ Wataru lächelte, beugte sich etwas zu ihr und Saeko fühlte den Atem der anderen auf ihrer Haut, erschauderte etwas. „Jetzt entspann dich erst einmal. Wir trinken jetzt alle zusammen noch einen Tee und dann schicken wir Yuuhi raus und gehen ins Bett. Wie klingt das?“

„Gut. Von mir aus. Auch wenn ich glaube, dass, wenn wir hier rausgehen, das Türmchen schon wieder das Schachbrett aufgebaut hat“, murmelte Saeko unter dem Atem und schmunzelte etwas. Der Hoshigumi-Star lachte daraufhin nur etwas.

„Dann, meine schwarze Königin, wirst du das Türmchen wohl schlagen müssen.“

„Meine leichteste Übung. Bekomme ich vorher einen Kuss von meinem König?“

Wataru grinste etwas mehr, nahm das Rollenspiel aber so hin und Saeko fühlte kurz darauf die Finger in ihren Haaren, die sie noch etwas näher zogen. Zärtlich erwiederte sie den Kuss, nach dem sie sich den ganzen Tag schon gesehnt hatte und fühlte dabei, wie sie etwas entspannte und die Wut, die sich den Tag angestaut hatte, mehr oder minder verflog.
 

So wirklich besser wurde es mit der Hanagumi-Prinzessin in den darauffolgenden Tagen jedoch nicht, aber glücklicherweise wurde es auch nicht schlimmer. Der Top Star und ihr Vice gerieten jedoch immer wieder aneinander, stritten sich über einige Minuten, bei denen auch mal das ein oder andere Script an den Köpfen ihrer Mitschauspielerinnen vorbei flog und ein paar der Shinkos aus dem Raum flüchteten. Glücklicherweise hinderte Yuuhi Saeko immer wieder daran noch ausladender zu werden, auch, wenn der Tsukigumi-Star zugeben musste, dass Sena nicht immer so wirklich Unrecht hatte, was ihr aber immer erst Abends klar wurde, wenn sie sich bei ihrem schwarzem König über das respektlose Benehmen der Jüngeren auslies. So intensiv sie auch trainierten, sie alle hatten ein Limit. Besonders die Shinkos schwächelten etwas bei dem ungewohnt intensivem Training. Der Plan sah so bald jedoch keine wirklich freie Zeit vor, ausser dem vorgeschriebenem Tag in der Woche, den sie alle meist zum Script-lernen benötigten. Doch die Respektlosigkeit der Prinzessin ihr gegenüber trieb sie einfach immer wieder zur Weißglut. Nicht nur, dass die Troupe gefahr lief das Stück nicht rechtzeitig auf die Bühne zu bekommen, der Chef hatte es für eine gute Idee gehalten Saeko für ein paar Fotoshootings ein zu planen mit dem Top Star-Pärchen Soragumis, Wao Youka und Hanafusa Mari. Da der Tsukigumi-Star selbst keinen Musumeyaku-Top Star besaß, Emi Kurara war vor Sena's Eintritt in Tsukigumi ausgestiegen, würden die drei alleine das Fotoshooting machen. Das hieß, wenn das Soragumi-Pärchen nicht auch noch anfing rum zu kränkeln. Die Grippe zog sich durch die Troupes wie ein Lauffeuer, besonders bei diesen kalten Graden. Wenn es hart auf hart kam müsste sie das Shooting eben allein machen. Saeko war um einiges belastbarer als andere Schauspielerinnen, wesshalb sie sich über die zusätzliche Arbeit zwar ärgerte, denn sie würde Wataru eine ganze Weile nicht zu Gesicht bekommen, aber sie würde damit leben können.

Noch mehr als die Arbeit ärgerte sie sich aber über das Gespräch, dass sie mit dem Hanagumi-Star Haruno Sumire geführt hatte. Mehr ein Telefonat, denn eigentlich wollte sie Osa nur bitten Sena einen Denkzettel zu verpassen, doch wirklich viel passiert war da nicht. Sena war trotzig wie eh und je. Wenigstens tat sie, was man ihr sagte, auch wenn die 'Gespräche', die Saeko beginnen wollte, immer in einem Streit endeten. Die beiden hassten sich, das war offensichtlich, aber wenigstens beruhte das auf Beidseitigkeit. Es blieb ihnen nichts übrig als weiter zu trainieren und wenigstens bei der Arbeit miteinander aus zu kommen.

Black Rook, White Knight: Third Connection

Erst war es Bärchen, dann Teddy, dann Waschbär und dann auch noch Türmchen. Yuuhi wurde aus ihren Freundinnen manchmal wirklich nicht schlau. Wieso bekam sie immer die peinlichen Spitznamen ab? Nicht nur, dass Wataru und Saeko sich langsam immer mehr angewöhnten sie 'Türmchen' zu rufen, jetzt fingen auch ihre immer noch kränkelnde Freunde Beni und Kiriyan damit an. Yuzuru Kurenai, kurz Beni, und Kiriya Hiromu, gerufen Kiriyan oder Kiri, waren neben Saeko und Wataru Yuuhi's besten Freunde. Beni gehörte hingegen Kiriyan und sie selbst jedoch Hoshigumi an. Yuuhi hatte sie mal über Wataru kennen gelernt und in der kurzen Zeit, in der sie die Jüngere kannte, war sie ihr schon sehr ans Herz gewachsen. Sie traf sich immer mit den beiden, wenn Saeko und Wataru zu tun hatten oder wenn die beiden Top Stars einfach Zeit zu zweit verbringen wollten. Dass die beiden ein Pärchen waren hatte bissher noch keiner ausgesprochen, aber innerhalb ihrer Gruppe wusste jeder davon. Wann genau es anfing wusste auch Yuuhi nicht, die Saeko immerhin am nächsten stand, aber sie hatten es akzeptiert. Yuuhi allen vorran weil sie ihr Auge auf jemand anderen geworfen hatte als auf ihre beste Freundin.

Ihren Top Star hatte sie jedoch nie so gestresst erlebt wie in den vergangenen Tagen, geschweigedenn so viel Geschrei von der sonst so samtigen, einfühlsamen Stimme gehört wie seit dem Zeitpunkt, an dem Sena in ihre Troupe eingetreten war. Sie kannte den neuen Tsukigumi-Vice noch aus ihrer Schulzeit, damals hatten sie sich noch gut verstanden, aber da Yuuhi ihre Zeit meist mit Saeko verbrachte fand sie keinen wirklichen mehr Draht zu der neuen. Hier und da sah sie die andere mal mit Kashi quatschen, das hieß wenn ihre Vorgesetzte nicht kurz darauf hinter ihr stand und die beiden sich mal wieder zehn Minuten stritten. Irgendwie war Yuuhi froh, dass sich jemand traute Saeko die Stirn zu bieten, doch sie musste auch sagen, dass Sena sich für eine Frau ihres Alters wie ein Kind benahm. Ihre Freundin mochte manchmal etwas hart sein, doch unter der harten Schale steckte ein weicher Kern, was Sena nicht so ganz zu sehen schien. Immerhin hatte Saeko den strengen Plan zumindest für die Shinkos etwas gelockert. Auch wenn Yuuhi zwar mit Sena arbeiten konnte, so wirklich anfreunden konnte sie sich nicht, vorerst zumindest nicht, denn der strenge Zeitplan verhinderte längere Gespräche und nach dem Training trat Yuuhi meist sofort den Weg zu Wataru, Kiriyan oder Beni an ohne sich großartig mit anderen Schauspielerinnen zu unterhalten. Da Wataru und Saeko jedoch ein wenig Zeit zu zweit verbringen wollten, was wohl wieder darauf hinauslaufen würde, dass der Tsukigumi-Star ihre Texte lernte, hatte sie sich bei Kiriyan einquartiert.

„Klingt fast wie ein Kind, dass da zu uns gekommen ist“, meinte Kiriyan, die schniefend und mit gedrückter Stimme neben Beni auf ihrem Sofa saß, kurz darauf in eines der Taschentücher schnäuzte. „Aber Saeko tendiert wirklich dazu etwas überstreng zu sein wenn sie Stress hat.“

„Sena verhällt sich auch ein bisschen so für eine Frau in ihrem Alter.“

Im Augenwinkel sah der Turm Beni breit grinsen.

„Ist sie nicht genauso alt wie du, Yuuhi?“, fragte die noch immer schniefende Hoshigumi-Darstellerin und zog einmal ausgiebig die Nase hoch ehe sie laut nieste. Die Tsukigumi-Darstellerin grinste schief.

„Ja und?“

Kiryan schlürfte an ihrer Hühnersuppe.

„Vielleicht sollte ich mich mal mit ihr unterhalten“, meinte Kiri und grinste die beiden anderen an. „Sie klingt nach ner Menge Spaß. Ausserdem hab ich selten jemanden erlebt, der Saeko die Stirn bietet.“

„Nur weil du dich nicht traust.“

„Hey sie ist gruselig, wenn sie wütend wird.“

„Du weist doch, dass sie das nicht so meint.“

„Egal.“ Kiriyan winkte ab und streckte sich ausgiebig. „Ich werds ja morgen sehen. Ich bin nur noch heute krank geschrieben.“

Yuuhi runzelte die Stirn und legte den Kopf etwas schief.

„Bist du denn schon wieder fit genug?“

„Ich muss ja. Der Direktor hat gemeint, dass ich zwar nicht singen soll, aber ich soll mit den Shinkos die Hintergrundtänze übernehmen.“
 

„Und du meinst, dass es okay ist, wenn ich mitkomme?“

Kashi war sich noch immer nicht so sicher, ob es richtig war Asako zu einer, wie sie es nannte, 'Privatparty' zu begleiten, denn mit Ausnahme ihrer neu gefundenen Freundin kannte sie niemanden dort. Die dort Anwesenden Schauspielerinnen kannten sich angeblich schon seit einigen Jahren und schon jetzt fühlte sich die Frau etwas fehl am Platz.

„Klar. Osa will dich kennen lernen. Und wundere dich nicht, wenn sie dich 'Pferd' ruft.“

Kashi runzelte die Stirn, sah zu der anderen.

„...Pferd?“, fragte sie nochmals ungläubig nach und Asako kratzte sich dabei verlegen an der Wange.

„Ja. Osa kam auf die tolle Idee unseren Freunden Schachfiguren zu zu ordnen. Es war spät und wir waren müde.“

Kashi lachte leicht, nahm es aber so hin. Von dem Hanagumi-König kannte sie nur Geschichten, hatte sie ab und an mal gesehen, doch sich noch nie mit ihr persönlich unterhalten. Dennoch sprach Asako häufig und sehr ausladend über ihre Freundin, geriet dabei hier und da etwas ins träumen. In der Zeit, in der sie sich jetzt schon kannten, so kurz sie auch sein möge, hatte sie sich schon daran gewöhnt. Doch hatte sich ihr anfängliches Bild von Asako ziemlich verändert. Am Anfang hatte sie etwas wie eine verzogene Prinzessin gewirkt, insbesondere wenn sich Saeko in der Nähe befand, doch wenn man die neue Tsukigumi-Vice allein antraf oder sich in Ruhe mit ihr unterhielt hatte sie eher etwas von einer Königin. Kashi war sich eigentlich sicher, dass sie sich wunderbar mit der schwarzen Königin Tsukigumis, Yuuhi hatte ihr von dem kleinem Wortspiel erzählt, verstehen würde wenn sich die zwei Dickköpfe nur darauf einlassen würden.

„Na gut.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin mal gespannt wie deine Freunde so sind.“

„Ich bin mir sicher du magst sie. Chika ist zwar manchmal etwas direkt und Komu hat manchmal so ihren ganz eigenen Humor, aber sie sind meine besten Freunde.“

Kashi blieb auf der Stelle stehen, blinzelte irritiert.

„Komu? Reden wir hier von Asami Hikaru? Top Star Asami Hikaru?“

Asako blieb ein paar Schritte weiter stehen, drehte sich etwas um und lächelte schief.

„Uhm... ja?“

Asami Hikaru, kurz Komu, war der Top Star von Yukigumi, aber einer dieser speziellen Sonderfälle. Gewöhnlicherweise bekamen alle zukünftigen Top Stars in irgendeinem Punkt ihrer Karriere als Shinko eine Hauptrolle im Shinji Kouen-Cast einer Produktion. Asami Hikaru fiel nicht darunter. Takarazuka war schon über 90 Jahre alt und der Yukigumi-Star war die einzige in der Geschichte, die keinen Shinko-Lead, also die Hauptrolle in einer Shinko-Besetzung, bekommen hatte. Desshalb kannte man sie innerhalb Takarazukas eigentlich sehr gut. Dass der Top Star zu Asako's Freunden zählte hatte sie jedoch nicht gewusst. Welche Kontakte die andere wohl noch hatte?

„Wer kommt denn noch? Nicht, dass ich noch ohnmächtig werde bei so viel Popularität.“

Asako lachte laut, schnappte sich ihr Handgelenk.

„Jetzt fahr mal nicht aus der Haut. Ist ja nicht so, als ob Wao und Mari kommen würde. Die beiden hat Osa nämlich gefressen. Mizu Natsuki dürftest du eigentlich auch kennen. Jetzt komm schon. Notfalls fang ich dich, aber ich will nicht zu spät kommen. Ich hab die drei schon lange nicht mehr gesehen.“

Mizu Natsuki, kurz Chika oder Mizu, kannte sie auch nur flüchtig. Sie war der Vice von Wao Youka, demnach in Soragumi, doch Gerüchten zufolge sollte sie bald in eine andere Troupe versetzt werden, da das Soragumi-Pärchen wohl nicht daran dachte so bald aus zu steigen. Na das konnte ja heiter werden.
 

Mit Asako zusammen stand sie schlussendlich vor einer der Top Star Wohnungen und Kashi sah sich erst einmal ausgiebig um. Sie war noch nie in diesem Abschnitt des Dorms gewesen, aber es war um so viel weiter geschnitten als die übrigen Wohnungen. Die Wohnung lag ganz oben und es gab einen extra Treppenaufgang, wohl, damit sich die Stars nicht in die Quere kamen und ihre Privatsphäre hatten. Ihre Freundin klingelte, klopfte anschließend zwei Mal an die hell gestrichene Holztür, woraufhin eine junge Frau die Tür öffnete, ungefähr in ihrem Alter.

„Ah Asako. Dann bist du sicher Kashi. Kommt rein.“

Die Frau, die sie hinein lies, war weder Haruno Sumire gewesen, noch Asami Hikaru, also war das wohl Mizu Natsuki. Die Schauspielerin war wirklich hübsch, hatte ein ungewöhnlich schmales Gesicht, aber war sehr viel kleiner als sie auf den ersten Blick wirkte. Die beiden Otokoyaku traten ein, entledigten sich ihrer Schuhe und traten vollends in die Wohnung. Mizu lies sich auf die weiße Ledercouch nieder, die mitten in der Wohnung stand, doch bevor auch sie sich zu Asako gesellte, die die beiden Top Stars begrüßte, sah sich Kashi erst einmal um. Die Wohnung war fast ungewöhnlich hell. Wem die Wohnung gehörte wusste sie nicht, aber alles war recht offensichtlich in weiß gehalten, eigentlich ein Alptraum zum putzen, aber desshalb nicht gerade minder schön.

„Kashi?“, hörte sie Asako, die sie kurz darauf zu den drei anderen zerrte. „Also das ist Osa...“ Sie warf einen Blick auf Haruno Sumire, die lächelte und ihr höflich zunickte. „...Komu...“ Asami Hikaru winkte freundlich und grüßte kurz. „...und Chika.“ Die Tsukigumi-Darstellerin setzte sich zu ihren Freunden, wobei Kashi sich auf den vereinzelten, nicht minder weißen Sessel setzte.

„Asa erzählt immer einiges von dir“, sagte Mizu, die sich grinsend einen Schluck aus dem bunten Getränk, dass sie in der Hand hielt, genehmigte. „Stimmt es, dass Ayaki so ein verbissenes Stück ist?“

Komu grinste schief.

„Ich hörte, sie sei sogar noch schlimmer.“

„Kennt ihr euch nicht?“, fragte Kashi und legte den Kopf schief. Komu schüttelte nur den Kopf.

„Wir haben noch nie wirklich zusammen gearbeitet. Aber ich hörte sie ist ein richtiger Sklaventreiber.“

Asako gab Komu einen leichten Klapps auf den Arm, seufzte schwer und griff nach dem Getränk, dass Haruno ihr reichte.

„Ich sag dir, sie ist noch viel schlimmer.“

„Wie schlimm?“

„Ich drücks mal so aus: Stell dir einen gigantischen Drachen mit vier Köpfen vor und du hast nichts anderes als einen Zahnstocher um dich zu verteidigen. So schlimm ist es.“

Kashi, Chika und Osa lachten beide zeitgleich los.
 

Die kleine Vierergruppe hatte Kashi ziemlich schnell integriert, was nicht zuletzt am langsam ansteigendem Alkoholpegel lag. Eine Sache musste man Osa wirklich lassen: sie konnte Cocktails mixen, wie sie es noch nie gesehen hatte. Die Getränke waren sehr bunt und schmeckten ausgezeichnet. Einen Nachteil hatte es jedoch, denn Asako's Temperament schien mit dem Alkohol langsam mit ihr durch zu drehen. Die zuächst so fröhliche Unterhaltung, sie lachten ziemlich viel und machten Scherze, war in einem Wutanfall seitens Asako geendet. Knackpunkt, wie sollte es auch anders sein, Saeko. Eigentlich hatte Komu nur die einfache Frage gestellt, ob es denn keine Möglichkeit gäbe, dass sie und der Tsukigumi-Star sich vertragen könnten. Daraufhin hatte Asako angefangen sich über jede noch so kleine Kleinigkeit, die während der bissherigen Trainings vorgefallen war, auf zu regen, war irgendwann aufgesprungen und rannte wie ein durchgedrehtes Wiesel die Wohnung auf und ab. Osa versuchte sie zu beruhigen, was sich aber als nicht ganz so leicht heraus stellte.

„Asa jetzt setz dich doch wenigstens. So schlimm kann sie ja nicht sein.“

„Sie ist noch viel schlimmer“, schnaubte der Tsukigumi-Vice. „Sie ist eingebildet, selbstverliebt, störrisch und hochnäsig.“

Mizu, deren Wangen vom Alkohol inzwischen leicht angerötet waren, kicherte nur.

„Klingt nach einer Black Queen, wenn du mich fragst.“

Kashi schmunzelte nur etwas. Durch den Cocktail, den dritten schon an dem Abend, fand sie die Idee durchaus belustigend. Sie sah auf das Schachbrett, dass auf dem Glastisch in der Mitte der Sitzecke stand, ignorierte Asako's weitere und durchaus ausschweifende Schimpftriade, bei der auch einige recht vulgäre Wörter fielen, ebenso wie die zwei Top Stars, die versuchten ihre Freundin wieder auf einen Punkt zu bringen an dem man sich wieder normal mit ihr unterhalten konnte. Sich Saeko als schwarze Königin vor zu stellen fiel Kashi merkwürdigerweise ziemlich leicht. Der Tsukigumi-Star hatte immer etwas aussergewöhnlich elegantes gehabt, war beherrscht, auch wenn die Gerüchte umgingen, dass sie auch ein ziemlicher Idiot in ihrem Verhalten sein konnte, doch wenn sie Arbeitete dachte sie immer geradeaus.

„Es geht nie gut aus, wenn sich zwei Königinnen im Schach gegenüber stehen“, sagte Mizu, die sich zu ihr gesetzt hatte, die zwei Top Stars und den wütenden Vice ignorierend. „Da kommt es immer darauf an, welche zuerst fällt.“

Kashi blinzelte etwas, sah zu ihrer Nachbarin. Zwei Königinnen?

„Bitte?“

Erneut lachte Mizu etwas, nippte an ihrem Drink.

„Osa und Asako haben letztens angefangen uns allen Figuren zu zu ordnen.“

„Davon hab ich schon gehört, aber so wirklich zufrieden mit dem Pferd bin ich nicht.“ Die Soragumi-Darstellerin grinste nur noch breiter. „Was grinst du so?“

„Ich bin das andere Pferd. Zumindest laut Osa. Aber so wirklich glücklich bin ich damit aber auch nicht. Ich meine, ich springe ja nicht durch die Gegend.“

„Wenigstens habt ihr nicht den Bischof abbekommen“, meinte Komu, die es inzwischen aufgegeben hatte sich um Asako zu kümmern. Obendrein hatte Osa sie mit sich in die Küche gezerrt um ihr gut zu zu reden und recht schnell wurde es dabei ruhiger. Kashi schüttelte nur leicht den Kopf.

„Es passt aber“, sagte Chika, die ihre Freundin frech angrinste. „Manchmal handelst du wirklich wie ein Bischof.“

„Hey!“

„Haben die beiden noch mehr so spontaner Eingebungen gehabt?“, fragte Kashi bevor auch die beiden Freundinnen in Streit ausbrachen. Chika seufzte leicht und zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung. Ich glaube Mayu hat den Turm abbekommen.“

„Den weißen oder den schwarzen?“

„Den weißen denke ich. Ich glaube wir sind alle weiß.“

Kurzerhand griff Komu nach der schwarzen Königin, die mitten auf dem Schachbrett gestanden hatte, rollte sie etwas zwischen den Fingern ehe sie breit grinste. Chika schenkte der Geste nur einen verwirrten Gesichtsausdruck und auch Kashi hob die Augenbrauen.

„Ich sag euch“, begann der Yukigumi-Star schließlich. „Wenn Ayaki die schwarze Königin ist, dann ist Wataru aber der König dazu.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte die Tsukigumi-Darstellerin. Chika und Komu sahen sich kurz an, doch die Soragumi-Darstellerin winkte etwas ab.

„Nimm es einfach so hin. Die zwei sind ein bisschen wie Osa und Asako.“

„Wie auch immer“, mischte sich Komu erneut ein. „Wenn man die Aufteilung bissher so sieht, dann ist das ganze wirklich nicht mehr als ein Schachspiel, was wir hier veranstalten.“

So ganz kam Kashi nicht hinter das, was Komu ihr sagen wollte, doch sie nahm es einfach mal so hin. Die nächsten Tage durften jedoch spannend werden, auch, wenn sie nicht sonderlich scharf darauf war. Asako und Saeko gerieten immer öfter aneinander, sodass die Fetzen flogen sobald sich die zwei Königinnen auf ein paar Meter näherten.
 

Yuuhi war noch bis spät in die Nacht wach, blieb in Kiriyan's Wohnzimmer auf der Couch nachdem sie die zwei anderen Schauspielerinnen geradezu ins Bett geprügelt hatte. Es wurde wirklich Zeit, dass die beiden wieder arbeiten konnten, denn sie hatten sichtlich zu viel Energie nach der Auszeit. Kiriyan wohl mehr als Beni, aber die Hoshigumi-Darstellerin litt sowieso an einem schier unermässlichem Maß an Energie. Hinzu kam ihr Bewegungsdrang. In Kombination mit dem, was Yuuhi gerne mal 'geradeaus' nannte, denn ihre Freundin war teilweise ziemlich direkt, und ihrer fröhlichen Art dies zu sagen war sie manchmal ein wenig schwierig, doch gerade das machte die andere so liebenswert.

„Willst du nicht auch mal ins Bett?“

Vor Schreck hätte Yuuhi fast das Script in die Luft geworfen. Sie drehte sich um und schnaubte leicht.

„Hab ich euch zwei kranken Hasen nicht gerade ins Bett geschickt?“, fragte die Tsukigumi-Darstellerin etwas sauer, doch die andere ignorierte den Tonfall, kam mit der Decke um die Schultern zu ihr und lies sich auf die Couch fallen, sodass Yuuhi ein wenig nach oben flog.

„Ich kann nicht schlafen und Kiri schnarcht.“

Der Turm lachte leicht, klopfte mit dem Rücken ihres Zeigefingers gegen die Schulter der anderen.

„Die Frau hat eine verstopfte Nase. Sieh es ihr nach. Du schniefst auch och rum.“

„Aber nicht so arg.“

„Die nächsten paar Tage bleibst du trotzdem noch schön im Bett. Bevor Kiri und ich morgen gehen bringen wir dich noch zu deiner Wohnung.“

Beni schmollte, zog die Decke etwas fester um sich.

„Die Woche wird todlangweilig, ich merks schon. Mit Kiri hatte ich wenigstens was zu tun.“

„Du bleibst trotzdem im Bett, auch wenn du noch so gern wieder tanzen willst. Sonst machst du es schlimmer.“

Die Schmolllippe ihrer Freundin schob sich nur noch weiter nach vorne und der Turm wuschelte ihr durch die sowieso schon zerzausten Haare. Daraufhin schmunzelte Beni auch schon wieder und fischte nach dem Script, dass in ihrem Schoß gelegen hat.

„Wie läufts denn in eurem Stück? Mal den Fakt ignorierend, dass die Hanagumi-Prinzessin nicht von ihrem Tröhnchen runter will.“

„An sich wirklich gut. Aber Saeko ist manchmal nicht besser. Als ob man dabei zusehen würde sie sich zwei Raubkatzen abschlachten. Das, oder ein wenig Actiongeladenes Schachspiel.“

Beni hob eine Augenbraue, blickte zu Yuuhi.

„Schach?“

„Ja. Schach.“

„Ich kann kein Schach spielen, das weist du.“

„Echt nicht?“ Das hatte Yuuhi jetzt nicht gewusst, grinste dann aber schief und stand auf, ging, Beni's verwirrte Blicke im Rücken, zum Schrank und holte Kiriyans Schachtel mit dem Schachspiel heraus. Es war nicht ganz so edel wie das, was Saeko besaß, war lediglich aus Holz, aber es tat seinen Zweck.

„Was hast du denn jetzt schon wieder vor?“

„Ich zeig dir, wie man Schach spielt.“

„Was? Aber...“

„Kein aber. Saeko lacht mich aus wenn sie rausfindet, dass dus nicht kannst.“

„Wieso?“

„... Egal. Ich zeig dir erstmal die Aufstellung.“

Beni nahm es einfach so hin, lies sich zunächst von Yuuhi die Aufstellung erklären. Die zwei Türme jeweils ganz außen in den jeweils hintersten Reihen, daneben, jeweils ein Feld weiter innen die Pferde, dann die zwei Bischöfe und schlussendlich König und Königin. Davor jeweils die eine Reihe von Bauern. Beni war hier und da schon mit dieser Aufstellung überfordert, denn sie verstand nicht ganz, wieso die Königin in der Aufstellung die größte Figur darstellte.

„Es ist an sich ganz leicht“, sagte Yuuhi, als die Figuren dann doch auf ihren Feldern standen. „Die einfachsten Figuren sind die Bauern. Sie dürfen bei ihrem ersten Zug jeweils zwei Felder nach vorne Rücken, danach immer nur eins und immer nur nach vorne zur Seite deines Gegners. Schlagen könnten sie jeweils nur die Figur, die ein Feld schräg vor ihnen liegt.“

„Schlagen?“

„Dazu komm ich gleich.“ Yuuhi stellte eine der Bauernfiguren nach vorne, stellte einen von Beni's Figuren diagonal direkt ein Feld weiter davor. „Schlagen bedeutet, dass du mit einer deiner Figuren die Figur deines Gegners vom Feld nehmen darfst, wenn du die Vorraussetzungen erfüllst. In dem Fall, dass die Figur deines Gegners diagonal vor deinem Bauern steht. Das nennt man 'schlagen'“ Die Hoshigumi-Darstellerin nickte leicht und sie stellte die Figuren zurück. Von den Bauern wanderte der Zeigefinger der Tsukigumi-Darstellerin zu der Figur ganz außen. „Das da sind jeweils die Türme. Sie dürfen immer nur geradeaus ziehen, dürfen aber nicht über andere Figuren springen, aber die weißen dürfen sie schlagen. Es ist egal ob sie vorwärts, rückwärts oder auf die Seite ziehen.“ Erneut wanderte sie eine Figur weiter. „Das da sind die Pferde.“

„Die sehen lustig aus.“

Yuuhi grinste, ignorierte den Einwurf aber und fuhr einfach fort.

„Sie dürfen als einzige Figuren über andere drüber springen. Dabei ist es egal über welche, aber sie dürfen auf kein schon besetztes Feld springen. Ob vorwärts oder rückwärts oder von mir aus auch seitwärts ist egal, aber das Zugmuster ist ein bisschen kompliziert. Sie dürfen nämlich nur in einem L-Muster ziehen.“

„Und das heißt“

„Ein Feld plus zwei weitere. Das heißt...“ Sie nahm eines der Pferde, setzte es in die Mitte des Schachmusters und stellte es dort auf ein weißes Feld. „...entweder eins nach vorne und zwei zur Seite...“ Sie demonstrierte es kurz, stellte das Pferd dann wieder in die Ausgangsposition zurück um die andere Möglichkeit zu zeigen. „Oder zwei nach vorne und eines auf die Seite. Aber sie müssen in diesem L-Muster ziehen.“

Beni schien etwas verwirrt, nickte aber leicht.

„L-Muster. Na gut ich glaube das kann ich mir merken.“

„Das ist aber auch schon das schwierigste. Neben dem Pferd steht der Bischof.“ Die Tsukigumi-Darstellerin griff nach der Bischofs-Figur. „Sie sind ähnlich wie die Türme, aber dürfen immer nur Diagonal ziehen statt geradeaus.“

Beni besah sich das Feld einmal intensiv, runzelte die Stirn.

„Also darf sich der eine nur auf den schwarzen, der andere nur auf den weißen bewegen?“

„Genau. Sie dürfen aber auch nicht über andere Figuren springen.“

„Schon klar. Das tun nur die Pferde.“

„Kluges Mädchen.“ Beni zog eine Schmolllippe, schnaubte und wollte gerade etwas sagen als Yuuhi aber einfach fortfuhr. „Dann bleiben nur noch die zwei wohl wichtigsten Figuren im Spiel. Der König...“ Sie tippte die kleinere der beiden Figuren kurz an. „...und die Königin.“

„Jetzt erklär mir mal, wieso die Königin größer ist.“

„Ist an sich ganz einfach. Die Königin darf in jede erdenkliche Richtung ziehen und so weit, wie es möglich ist ohne auf eine andere Figur zu treffen oder eben eine Figur zu schlagen. Der König darf immer nur ein Feld in jede Richtung ziehen.“

„Wie unnütz ist das denn?“

„Sag das nicht so laut. Das Ziel des Spiels ist es, deinen Gegner Schachmatt zu setzen.“

„Und das mach ich wie?“

„An sich eine einfache Sache. Du musst deine Figuren so platzieren, dass der König mit keinem Spielzug aus dem Bereich raus kann, in dem er geschlagen werden würde und auch keine der Figuren deines Gegners das verhindern könnte. Dann sagst du Schachmatt und du hast gewonnen.“

Beni verschränkte die Arme, starrte ein paar Sekunden verbissen auf das Schachbrett. Die Frage sah man ihr an.

„Wenn du deinen Gegner nur bedrohst, also zum Beispiel...“ Yuuhi dachte ein paar Sekunden nach, stellte dann den Turm in die Mitte des Brettes und in einer Linie, aber drei Felder entfernt Beni's König. „... wenn du so eine Aufstellung hast. Dann kann dein König nach oben oder nach unten ziehen und mein Turm wäre keine Bedrohung mehr. Wenn so etwas passiert, dann sagst du Schach. Du kannst so etwas auch verhindern, indem du zum beispiel eine andere deiner Figuren in die 'Schusslinie' ziehst, sodass mein Turm zwar deine andere Figur, aber nicht den König schlagen kann. Wenn so etwas ist, dann bist du jedoch gezwungen etwas dagegen zu unternehmen. Wenn du es nicht kannst, dann ist das Schachmatt.“

„Ah...“ Man sah Beni die Verwirrung an.

„Sollen wir eine Runde spielen? Dann verstehst du es sicher leichter.“

Verwirrt, doch sichtlich motiviert nickte Beni, woraufhin Yuuhi die zwei Figuren zurück stellte.

„Und wer fängt an?“, fragte die Hoshigumi-Darstellerin und sah das erste Mal seit Yuuhi's Erklärung auf.

„Weiß fängt immer an. Also nur zu. Ich bin mal gespannt, ob du auch so ein Turm bist wie ich.“

„Was? Warum Turm?“

Yuuhi grinste nur schief.

„Erklär ich dir ein andermal.“
 

Beni war jedoch tatsächlich genau so ein Turm wie sie. Zwar hatte sie Anfangs etwas Probleme gehabt die Figuren auseinander zu halten, doch sie lernte schnell. Verloren hatte sie am Ende trotzdem, was aber eher an Anfängerfehlern, Yuuhis doch schon größerer Erfahrung und dem Geradeausdenken der anderen lag. Beni hatte durchaus Talent, dann brauchte sie nur noch Erfahrung. Sie zweifelte jedoch daran, dass sie Saeko im Schach gewachsen wäre selbst mit mehr Übung. In diesem Spiel war ihr Top Star einfach ungeschlagen, selbst von Wataru, die den Freundinnen das Spiel ja erst einmal nahe gebracht hatte. Das andere Türmchen, im Schneidersitz ihr gegenüber sitzend, starrte verbissen auf die Konstelation, mit der Yuuhi den König schachmatt gesetzt hatte, schien ernsthaft darüber nach zu denken, was sie falsch gemacht hatte. Die Tsukigumi-Darstellerin schmunzelte etwas.

„Saeko hat mir letztens noch gepredigt, dass ich meine Königin nicht vernachlässigen soll. Ich glaube sie hatte Recht.“

„Wieso?“ Beni sah auf, blinzelte leicht.

„Weil die Zugmöglichkeiten der Königin einen ziemlich großen Bereich des Felds abdecken. Sie ist für den König unabdingbar.“

„Dann versteh ich, wieso Saeko die schwarze Königin sein soll. Und wieso du der Turm bist.“

Beni grinste breit und Yuuhi beugte sich vor, schubste ihre Freundin an der Schulter an und schnaubte einmal, konnte sich ein Grinsen aber auch nicht verkneifen.

„Du bist mir auch so ein Turm. Lass das nicht Wataru oder Saeko hören, sonst hast du den Spitznamen auch wet.“

„Ich werds mir merken.“ Die Hoshigumi-Darstellerin warf einen Blick über die Schulter. „Was glaubst du? Was wäre Kiriyan beim Schach?“

Instinktiv griff Yuuhi nach einem der Pferde, setzte zum Sprachen an, doch kurz darauf runzelte sie etwas die Stirn. Nein Kiriyan war keines der Pferde. Die Frau war zwar sehr liebenswert, doch sie konnte sich nicht über andere hinwegsetzen. Sie liebte diese Frau als eine ihrer besten Freunde, doch manchmal war Kiri doch etwas eintönig. Sie griff stattdessen nach einem der Bischöfe, die sie von Beni abgezogen hatte.

„Ich denke mal ein Bischof.“

Beni schnappte sich die Figur, beäugte sie ausiebig, doch dann grinste sie und nickte.

„Das muss ich ihr glaube ich unter die Nase reiben.“

„Aber erst, wenn du wieder gesund bist.“

White Queen: Fourth Try

„Asako jetzt komm mal wieder runter. Du fährst zu schnell aus der Haut.“

Asako schnaubte verächtlich, verschränkte die Arme und fuhr sich durch die Haare. Ob der Alkohol, so wenig es auch war, denn Osa wusste, wie wenig sie vertrug, lockerte ihre Zunge und der ganze Frust, den sie schon seit dem Tag in sich hielt an dem sie Tsukigumi beigetreten war, in sich hielt. Zwar war es ihr irgendwie peinlich, dass sie gerade vor Kashi so die Fassung verloren hatte, aber sie konnte sich einfach nicht zurückhalten. Ayaki's Verbissenheit, ihr arrogantes Machtgehabe und Verhalten, diese Sturheit trieb sie einfach nur in den Wahnsinn. Sie sah einfach nicht, wie sehr alle anderen unter ihr litten. Sie wusste zwar, dass das Stück fertig werden musste und dass ihr Zeitplan knapp war, aber musste sie desshalb so zum Tyrannen werden? Wohl nicht.

„Ich fahre nicht aus der Haut. Es ist doch wahr. Du bist doch auch nicht so auch wenn du Stress hast.“

Osa schmunzelte etwas und lehnte sich an die Theke, verschränkte dabei die Arme.

„Ich renne auch jedem Trödler hinterher wenn er nicht sputet.“

„Aber nicht in diesem Ausmaße. Du hast sie noch nicht erlebt.“

„Nein aber ich höre sonst keinen aus Tsukigumi, der sich beschwert.“

Alles, was Asako darauf antworten konnte, war ein leises 'Hmpf'. Ihre Freundin hatte schon irgendwie Recht. Ausser ihr beschwerte sich sonst keiner. Die Tsukigumi-Vice schob es darauf, dass sie alle vor Ayaki kuschten. Insbesondere wenn zwischen ihnen mal wieder die Scripte durch die Gegend geflogen waren machten sie alle einen großen Bogen um ihren Top Star. Das musste sie Osa aber nicht weiter unter die Nase reiben. Stattdessen biss sie die Zähne aufeinander, starrte auf den Boden und krallte sich in ihre Handflächen. Kurz darauf bemerkte sie, wie der Hanagumi-Star vor ihr stand, ihr die Hände an die Wangen legte und Asako dann doch in die sanften Augen der anderen sah. Sogleich merkte sie, wie sie ein wenig runter kam und sie sich zumindest etwas entspannte. Dennoch fühlte sie, wie sie etwas rot anlief. Obwohl sich die zwei Schauspielerinnen schon so lange kannten wurde sie bei Masa immer noch so kribbelig wenn sie ihr nahe kam.

„Spiel doch einfach eine Weile mit. Lass dich mal drauf ein. Sie mag vielleicht ein Tyrann sein, aber sie ist immer noch dein Boss, Asa. Ob es dir passt oder nicht, du wirst tun müssen, was sie will.“

Erneut wanderte der Blick des Tsukigumi-Vice etwas nach unten.

„Du hast ja Recht.“

„Ich weis. Also sei brav. Immerhin hast du Hanagumi noch mit zu vertreten. Auch wenn du offiziell in Tsukigumi bist.“

„Mein Herz wird immer in Hanagumi sein“, murmelte die Jüngere, lächelte etwas und legte die Hände an Masa's Oberarme, krallte sich leicht hinein und legte die Stirn an die ihrer Freundin. „Bei dir.“

Die Mundwinkel ihrer Freundin zuckten zu einem weiteren Lächeln, doch sie löste sich dann wieder von ihr, wobei Asako ein enttäuschtes Seufzen unterdrückte. Schon wieder raste ihr Herz und sie hätte die andere am liebsten festgehalten.

„Geht es dir jetzt besser?“, fragte Osa dann doch wieder und sie nickte etwas.

„Ja. Aber ich denke ich geh wieder in mein Zimmer. Ich bin müde und wenn ich nicht genug Schlaf bekomme drehe ich morgen durch.“

„Ach ja. Ich glaube, dass du demnächst sogar ein wenig Ruhe vor Saeko haben wirst?“

„Was? Wieso das?“

Dann wurde Asako doch hellhörig. Sie würde ihre Ruhe vor dem Top Star haben? Beim Training auch noch? Das wäre zu schön um wahr zu sein.

„Wao meinte, dass sie, Mari und Saeko zusammen ein Fotoshooting hätten. Sie wird also demnächst mindestens den halben Tag weg sein.“

Die Laune des Tsukigumi-Vice hob sich schlagartig. Das war ja mehr als wunderbar. Vielleicht...

„Hast du denn an besagtem Tag Zeit?“

Osa lachte etwas, nickte leicht.

„Dachte mir, dass du das fragst. Ich habs einrichten können. Also ja.“

Fröhlich umarmte die Tsukigumi-Darstellerin ihre Freundin kurz, lächelte glücklich. Und Osa lachte leicht.

„Danke. Ich brauch das denke ich dringend. Wir sehen uns dann.“

„Bis dann. Komm einfach her wenn du die Zeit findest. Und schlaf gut.“
 

An den darauf folgenden Tagen hatte nichtmal Ayaki es geschafft ihre Laune wieder runter zu ziehen. Zumindest nicht so arg, wie es gewöhnlicherweise der Fall gewesen wäre. Dank ihrer Laune investierte sie auch mehr Arbeit in das, was sie tat, sodass der Top Star auch nicht wirklich etwas an ihr rum zu mäkeln hatte, auch wenn Asako die andere mit ein paar sarkastischen Bemerkungen auf die Palme gebracht hatte. Kashi hatte sie damit mehr als verwirrt, aber ihre Freundin hatte es einfach so hingenommen. Ihre Laune nur noch weiter unterstützend hatte sie in Tsukigumi noch eine neue Bekanntschaft gemacht, Kiriya Hiromu. Die quirlige, junge Frau war gänzlich auf ihrer Wellenlänge und auch sie schien mit Ayaki's ewiger Rumscheucherei nicht viel anfangen zu können. Zwar schniefte die minimal kleinere Otokoyaku etwas durch die Gegend, sie war wegen Grippe eine Zeit abwesend gewesen, doch das hinderte sie nicht daran mit ihr zu albern und sie hier und da ab zu lenken wenn ihre Stimmung zu kippen drohte. Schnell hatte sie angefangen sich mit Kiriyan und Kashi auch ausserhalb des Trainings zu treffen und Asako und Kashi waren sich einig, dass Kiriyan ein Bischof wäre, wenn es zum Schach käme. Eher weil sie in einer Bischofsrobe sicherlich lustig aussähe anstelle ihrer Charaktereigenschaft, wobei ihr Charakter da auch mit in die Wahl reinfiel. Kiriyan, verwirrt wieso ihre zwei Freundinnen Schachfigurrollen verteilten, nahm es einfach hin. Sie hatte etwas erzählt in der Richtung, dass Yuuhi, Asako vermutete Oozora Yuuhi dahinter, und eine gewisse Beni das Selbe behauptet hatten.

Besonders an dem Tag, von dem sie wusste, dass sie nur den halben Tag trainieren würden und die andere Hälfte mit Osa verbringen konnte, wurde der Tsukigumi-Vice hibbelig, doch strengte sich nicht sonderlich an, wesshalb sie von Ayaki einen erneuten Anschiss bekam. Asako überspielte es mit einem Lächeln.

„Darf man fragen, was es da zu grinsen gibt?“, fragte der Top Star sichtlich gereizt, obendrein heiser, doch der Vice grinste immer nur noch. Sie wollte zu einem sehr viel weiterem Schlag ausholen, wollte sagen, dass der Tag ohne sie der beste werden würde, den sie seit einer Ewigkeit gehabt hatte, dass es ihr egal war, wenn sie an die Decke ging, aber sie entschied sich für etwas anderes.

„Tut mir leid, aber mit den tiefen Augenringen, die du hast kann ich dich nicht ernst nehmen. Und die Ladies von der Maske werden dir sicher auch noch einen Vortrag halten.“

„Andere Leute arbeiten im Gegensatz zu dir auch Nachts.“

„Ach arbeiten nennst du das? Deinem Gekrächze nach hast du heute Nacht ganz andere Sachen getrieben.“

Es war ihr bewusst, dass es ein Schlag unter die Gürtellinie war, doch sie war so ruhig geblieben, dass es ausser Ayaki selbst und Kiriyan, die direkt hinter ihr stand, keiner mitbekommen hatte. Dem sonst so gefasste Top Star schlich sich dann doch plötzlich ein kleiner Rotstich auf die Wangen und sie zog von dannen. Es war ein persönlicher, wenn auch nur kleiner Triumph gewesen, doch Asako grinste etwas mehr.

„Wow Asa. Das war gemein“, meinte Kiriyan, die zu dem Vice hoch sah. Selbige setzte sich zu ihrer Freundin, sah zu ihr.

„Na aber es ist doch wahr. Ist Milady eigentlich vergeben?“

„Soweit ich weis nicht. Aber wette da nicht mit mir. Du weist, dass das innerhalb Takarazukas...“

Asako rollte mit den Augen.

„Ja ja. Ich weis.“

Innerhalb Takarazukas waren zwischenmenschliche Beziehungen jeglicher Art, die über Freundschaft hinaus gingen, strickt untersagt, sei es mit einer anderen Schauspielerin, dem Direktorium oder zu jemand Aussenstehendem. Auch das Geschlecht spielte dabei keine Rolle. Unter den Schauspielerinnen kam es dennoch hier und da angeblich zu Beziehungen, immerhin verkörperten die Otokoyakus perfekte Männer und waren auch von den Takarazuka-Darstellerinnen selbst sehr begehrt, nicht aus. Wer mit wem und wann und warum, das blieb jedoch meistens unter den Pärchen. Gerüchte waren dennoch immer und überall. Besonders die Top Stars bekamen immer die übelsten Gerüchte ab.

„Und du triffst dich mit Haruno?“

„Sobald wir hier fertig sind, ja.“

Wenn sie daran dachte, dann hibbelte es in dem Tsukigumi-Vice und sie musste wieder lächeln. Sie hatte die ganze vergangene Zeit damit verbracht wie sie diesen Tag gestalten sollte. Sie hatte so ziemlich alles genaustens durchgeplant, hatte sogar das Mittag-/Abendessen vorbereitet, welches Osa so gerne mochte, hatte die Klamotten angezogen, die sie zusammen gekauft hatten und hatte eine Weile länger vorm Spiegel gestanden als normalerweise. Ihre Kleidung bestand aus einem weißem Hemd, einer schwarzen Jeans und ein paar weißen Stiefeletten, ebenso einer Halskette mit einem kleinem, weißen Stein daran.

„Na dann hast du ja viel vor.“

„Ja ich...“

Ayaki unterbrach sie, indem sie ihren üblichen Platz in der Mitte des Raums einnahm wenn sie etwas zu sagen hatte. Sie klatschte in die Hände und in Asako kam die Vorfreude auf.

„Nun meine Lieben“, begann der Top Star und Asako lies das Script in ihre Tasche gleiten. „Wie ihr wisst hab ich heute ein Shooting. Ich werde für den Rest des Tages nicht da sein. Ihr könnt von mir aus ein wenig früher schluss machen, aber ich habe den Direktor angewiesen euch noch ein paar Stunden zu beschäftigen.“

Asako schnaubte etwas. Diese Frau wusste es ihr die Vorfreude zu vermiesen. Aber gut. Osa würde ihr nicht weglaufen. Der Abend gehörte ihr.
 

Der Rest des Trainings verlief so viel ruhiger als sonst, wahrscheinlich gerade weil Ayaki nicht dabei war. Sie, Kiriyan und Kashi hatten dabei wohl den meisten Spaß. Sie unterhielt sich auch ab und an mit Yuuhi, mit der sie sonst überhaupt gar keinen Kontakt hatte, doch kaum, dass der Direktor das Ende des Trainings verkündet hatte war sie aus dem Raum. Sie wollte endlich zu Masa und den langersehnten Abend mit ihr verbringen. Sie war nervös, doch sie war dann doch mehr oder minder zuversichtlich. Hoffendlich.

Der Weg zu der Wohnung ihrer Freundin war ihr nie so lang vorgekommen, besonders, weil sie vorher noch bei sich vorbeigeschaut hatte und ihre Tasche abgelegt hatte, ebenso wie ihre Jacke, die würde sie ja nicht brauchen, und schnappte sich stattdessen die Dosen mit dem Essen und Nachtisch, ein paar gezuckerte Aprikosen und ein paar Törtchen, und machte sich auf den Weg zu ihrer Freundin. Dort begrüßte sie Masa schon mit einem freudigem Gesichtsausdruck.

„Das hat aber gedauert. Hast du nicht gesagt du kommst früher?“

Asako trat in die Wohnung ein, entledigte sich ihrer Stiefeletten.

„Eigentlich schon, aber Ayaki meinte ein Miststück sein zu müssen und hat uns länger machen lassen obwohl sie es nicht kontrollieren kann.“ Masa rollte mit den Augen. „Was?“

„Wolltest du dich nicht zusammenreisen?“

„Mach ich doch. Ich hab mich benommen die letzten Tage.“

„Ja davon hab ich gehört.“

Asako sah kurz auf den Boden, sah etwas bedrückt drein. Von Ayaki zurechtgestutzt zu werden war eine Sache, bei Osa eine andere.

„Tut mir leid.“

„Egal“, seufzte ihre Freundin und warf einen Blick auf die Dose.

„Was hast du mitgebracht?“

Wieder besserer Laune öffnete sie die größere der Dosen.

„Unser Abendessen. Ich hab auch die Törtchen gemacht, die du so magst.“

„Na du hast dich ja ziemlich ins Zeug gelegt.“

Der Tsukigumi-Vice wurde etwas rot und lächelte leicht.

„Ach was. Lass uns essen, ja? Ich schiebe gewaltigen Kohldampf.“

Die zwei Freundinnen traten in die Wohnung ein, wobei Asako sich an den schon gedeckten Tisch setzte und anfing das Essen zu verteilen. Auch Osa hatte eine Kleinigkeit gemacht. Es würde reichen dass sie beide satt wurden.
 

„Die Törtchen sind wirklich gut“, schwärmte Masa, als sie in eines der glasierten Törtchen biss und sich wohl besonders über die Füllung freute. Asako war eine bessere Bäckerin als Köchin, aber die Törtchen waren selbst für sie ein Meisterwerk. Etwas verträumt sah sie ihre so begeisterte Freundin an, lachte etwas.

„Schön, dass sie dir schmecken. Ich hab mir damit immerhin Mühe gegeben.“

„Sie sind fantastisch. Ist das ein neues Rezept?“

„Mehr oder minder. Ich hab mich mal an einer anderen Füllung versucht. Ist sie gut? Ich wusste ja dass du Aprikosen magst...“

„Mehr als gut. Probier mal.“

Masa hielt ihr den restlichen Teil des Muffins hin, wobei Asako einmal abbiss und sich mit dem Finger über die Lippen fuhr, sich den übrig gebliebene Füllung von den Fingern leckte. Es fehlte noch ein bisschen Zucker, aber wenn es nach ihr ging, dann hätte sie schon von Anfang an die doppelte Menge rein gepackt. Nur Masa ass nich so wirklich gerne Süßes.

„Vielleicht kann ich die ja öfter machen, wenn ich die Zeit dafür finde.“

„Mir würdest du damit eine helle Freude machen.“

Ihre Freundin lächelte und Asako fühlte, wie die Wärme in ihr wieder hochkroch. Den Hanagumi-Star so glücklich zu sehen wärmte ihr Herz und sie vergaß den Stress der ganzen letzten paar Tage für einen Moment. Die Frau ihr gegenüber schob sich den Rest des Törtchens in den Mund. Vielleicht war das ein ganz guter Augenblick...

„Sag mal Masa... kann ich mal mit dir über was reden?“

„Klar. Um was geht’s?“

„Kennst du eigentlich die Gerüchte, dass ein paar von den anderen Schauspielerinnen eine Beziehung haben sollen?“

Masa kratzte sich an der Wange, lehnte sich zurück und streckte sich angeblich ausgiebig.

„Ist doch offensichtlich, dass ein paar von uns was miteinander haben. Wir sind auch nur Menschen, wenn auch berühmte. Desshalb hällt sich sowas ja auch hinter geschlossenen Türen. Wieso fragst du?“

„A-ach“, stammelte die Jüngere. „Weist du... ich dachte... uhm...“ Jetzt auf einmal wurde sie doch etwas nervös, fühlte, wie sie rötlich anlief und stand stattdessen auf. „Lass uns das Geschirr in die Küche bringen. Hier steht es doch nur rum.“

Sie fühlte die verwirrten Blicke Masa's im Rücken als sie das Geschirr zusammenräumte und sich in die Küche verzog. Dort angekommen stellte sie die dreckigen Teller und das Besteck in die Spüle, lehnte sich auf der Theke auf und atmete durch. Sie hatte sich geschworen das durch zu ziehen. Es würde schon alles gut gehen. Diese ganzen kleinen Anspielungen, die sie sich immer zuwarfen, die Blicke, die sie manchmal von Masa bekam und wie sie sich immer freute, wenn Asa ihr etwas gutes tat... Der Hanagumi-Star musste ihre Gefühle einfach erwiedern. Diese Nacht vor wenigen Jahren hatte ihr gezeigt, dass da einfach etwas sein musste. Wenn nicht, dann wusste sie nicht, was sie wohl tun würde.

„Asa?“ Asako fuhr herum und sackte etwas in sich zusammen als Masa im Türrahmen stand, sich an aben diesen gelehnt hatte. „Ist wirklich alles okay?“

„Ich... ja“, sate sie knapp und lächelte.

„Hm... na gut... Ich hab einen Film ausgeliehen. Wollen wir uns den ansehen?“

Der Tsukigumi-Vice nickte nur etwas und Masa machte im Türrahmen kehrt, ging zurück in die Wohnung. Das war doch zum verrückt werden. Sie sollte einfach mit der Sprache rausrücken. Wenn sie das ganze noch mehr in die länge ziehen würde, dann würde sie es wieder ein paar Jahre nicht tun. Asako biss sich auf die Zunge, sties sich von der Theke ab und folgte ihrerm König. Diese stand am Esstisch, hatte die Hülle der DVD geöffnet, die sie ausgeliehen hatte, und blätterte in dem Heft, welches sich darin befunden hatte. Auf leisen Socken trat sie hinter die andere, wobei Masa noch in den Text vertieft zu sein schien, legte die Hände an deren Seite. Für eine Sekunde sprang die gleichgroße Frau auf der Stelle.

„Man Asako. Erschreck mich doch nicht so.“ Den Schock, den sie ihrer Freundin verpasst hatte ignorierend schob sie die Hände über das weiße Shirt ihrer Freundin, lies sie erst auf dem Bauch ruhen und legte dabei die Stirn an deren Hinterkopf. „Asa? Was ist?“

„Ich liebe dich“, hauchte sie leise und für eine Sekunde schien die Zeit still zu stehen. Asako festigte ihren Griff etwas, traute sich nach einer gefühlten Ewigkeit erst wieder zu sprechen. „Schon so lange. Schon seit...“

„Hatten wir das Thema nicht schon durchgekaut?“, kam es von der anderen, unterkühlt, sodass der Tsukigumi-Vice etwas verschreckt zusammenzuckte und ihren Griff lockerte. Masa drehte sich in ihrem Arm und sah sie an. Den Blick, den die andere hatte konnte sie aber nicht deuten. Er war so neutral, was sie nicht minder schön machte, doch das machte es Asako schwer zu deuten, was die andere gerade dachte.

„Masa...“

„Ich hab dir gesagt, dass der Kuss nur ein Versehen war. Wir hatten beide ziemlich viel Alkohol intus und es war spät.“

Die Tsukigumi-Darstellerin merkte, wie ihr die Gesichtszüge entgleiten mussten und wie ihre Beine weicher wurden. Sie verstand nicht so ganz, worauf ihre Freundin hinaus wollte, starrte stattdessen zu Boden, versuchte es irgedwie zu fassen. „Asako.“ Sie sah wieder auf. „Das ganze ist jetzt schon... wie viele Jahre her? Du steigerst dich da in was rein.“

„Ich steigere mich in gar nichts rein!“, platzte es aus der Jüngeren heraus. Sie bereute es sofort, doch ihr Temperament tat den Rest und ging erneut mit ihr durch. Wenn es um Masa ging wurde sie leicht emotional. „Ich weis doch, was ich fühle. Ich weis, dass ich mir nichts einbilde.“

Der Hanagumi-Star seufzte schwer, fuhr sich durch die Haare und hielt sie dann an den Oberarmen fest.

„Asa hör mir zu. Ich liebe dich. Aber nicht so, wie du es vielleicht denkst. Du bist meine beste Freundin und wirst es immer bleiben. Aber mehr als Freundschaft wird es einfach nicht.“

Erneut fühlte die Vice etwas in sich zerbrechen, auch wenn sie den Inhalt von dem, was ihre Freundin da sagte nicht ganz fassen konnte, obwohl ihre Worte so klar waren.

„A-aber Masa...“ Sie trat einen Schritt zurück, fühlte die Tränen in den Augenwinkel und fasste sich an die Stirn. Sie biss die Zähne aufeinander und wurde, gewollt oder nicht, laut. „Du kannst mir nicht erzählen dass da nichts ist! Das kann einfach nicht!“

„Hör auf zu schreien...“

„Den Teufel werd ich tun! Jahrelang machst du mir Hoffnungen mit allem was du tust! Du lässt mich in dein Bett, die ganzen Blicke, die Komplimente? Du kannst mir nicht erzählen, dass dir der Kuss gar nichts bedeutet hat!“

„Ich sagte doch das war der Alkohol!“, auch Osa wurde lauter.

„Scheiß auf den Alkohol! Das ist doch nur Ausrede!“

„Hör gefälligst auf, Asako! Akzeptier einfach, dass es über Freundschaft nie hinaus gehen wird!“

„Ich will aber nicht nur Freundin für dich sein!“

„Es geht nicht immer nur nach deinem Kopf!“ Der durchaus wütende Tonfall der anderen lies sie dann doch zurückzucken. „Du bist eine erwachsene Frau, also hör auf die Prinzessin zu spielen. Ich kann nicht mehr Gefühle für dich entwickeln nur, weil du es willst. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht vorhabe irgendeine Beziehung ein zu gehen solange ich noch Takarazuka angehöre.“

Den letzten Teil hatte sie schon gar nicht mehr gehört, starrte ihre Freundin nur fassungslos an. Deutlicher hätte Osa es dann doch nicht machen können. Asako fühlte, wie ihre Hand zitterte und ihr Körper sich taub anfühlte. Sie hatte ihre Hoffnungen gänzlich in diesen Abend gesetzt und Osa hatte sie abgewiesen. Fast tranceartig setzte sich ihr Körper fast automatisch in Bewegung nachdem sie den Blick von den Augen der anderen losgerissen hatte. Der Hanagumi-Star wollte sie am Arm festhalten, doch der Vice zuckter zurück als die Fingerspitzen sie berührten.

„Ich... sollte gehen“, murmelte die Jüngere monoton, war sich nicht so sicher, ob das wirklich sie war, die da sprach. Ihre Stimme kam ihr mit einem Mal so fremd vor. Was genau die andere noch sagte, als sie ihr den Rücken zugedreht hatte, vernahm sie nur noch dumpf, ging stattdessen in den Eingangsbereich, wo sie ihre Stiefeletten überzog und die Wohnung verlies ohne weiter auf die andere zu achten.
 

Wie von selbst steuerte ihr Körper durch die inzwischen stockdusteren Gänge des Takarazuka-Dorms. Ihr Kopf und Geist versuchten immer noch irgendwie ein zu ordnen, was da zwischen ihr und Osa vorgefallen war, doch sie kam nicht dahinter. Den Fehler suchte sie bei sich. Was hatte sie falsch gemacht? War sie zu voreilig gewesen, zu direkt? Oder hatte sie einfach die falschen Worte gewählt? Osa verärgert? Sie wusste es nicht. In ihrem Kopf überschlug sich alles und Asako fühlte die Tränen von ihrem Kiefer tropfen. Dabei versuchte sie sich zusammen zu reisen. Sie wollte die Zeit zurückdrehen, verhindern, dass dieser Abend jemals passiert war und Osa einfach von weitem weiter anhimmeln, flehen, dass diese irgendwann ihre Bitte erhören würde. Aber so konnte sie ihrem König nicht mehr unter die Augen treten. Bei jedem anderen hätte sie wohl einfach mit den Schultern gezuckt und hätte mit ihrem Leben weiter gemacht, doch seit Takarazuka war Osa ihr ganzer Lebensinhalt gewesen. Sie hatte alles nach dieser Frau ausgerichtet.

Ihre Beine stoppten und Asako hob den inzwischen trübe gewordenen Blick. Es war stockfinster, doch sie wusste genau, wo sie sich befand. Unter diesem Baum, der um diese Jahreszeit nichts anderes trug als ein paar knochige, fast gruselig wirkende Äste, hatte sie Osa kennen gelernt. Damals hatte sie unter diesem Baum gesessen, hatte frustriert geweint und ihre Probleme in sich hinein gefressen. Die damalige Schülerin hatte sich einfach zu ihr gesetzt, stundenlang, hatte ruhig gewartet bis ihre Tränen versiegt waren und sich alles angehört, was die Jüngere zu sagen gehabt hatte. Wieso sie diese früher fremde Frau in ihr Leben gelassen hatte wusste sie bis heute nicht, doch sie war zu ihrer besten Freundin geworden. Freunde. Nicht mehr.

Mit dem Rücken lehnte sich Asako gegen die Borke, rutschte dabei hinunter und fühlte, wie der rauhe Kork an ihrem Rücken durch das dünne Hemd hindurch kratzte. Ihr war kalt, viel zu kalt, doch ihre Glieder protestierten dagegen sich zu rühren, die Umgebung war matt und schwarz, verschwommen. Sie schloss die Augen und sackte etwas weiter in sich zusammen. Die umliegenden Geräusche nahm sie nur durch einen dumpfen Schleier hindurch war und auch das Gefühl wich schnell aus ihren Gliedmaßen. Sie fühlte sich so wertlos wie nie zuvor in ihrem Leben.
 

Wie viel Zeit vergangen war wusste sie nicht, doch sie glaubte unterschwellig eine Stimme zu hören. Inzwischen machte sie ihr eigenes Atmen taub und ihr Brustkorb tat fürchterlich weh. Obendrein schaffte sie es kaum die Augen zu öffnen, doch als sie es dann doch tat, wohl nur einen Spalt, half es ihr gar nichts. Sie fühlte sich, als ob man sie in eiskaltes Wasser geworfen hätte, welches sie stockend ein und aus atmete und durch welches sie sehen musste. Ihre Lider fielen wieder zu und erneut überrannte ein Schmerz ihren Brustkorb. Nochmals hörte sie diese Stimme, etwas deutlicher, aber immer noch übertönt durch den Atem, der in ihren Ohren wiederhallte. Für einen Moment glaubte ihr verwirrter Verstand, dass es Osa sei. War ihre Freundin vielleicht doch zu ihr gekommen? Hatte sie es sich nochmal überlegt?

Asako fühlte einen plötzlichen Ruck an ihrem Körper, der so sehr schmerzte, dass sie am liebsten geschrien hätte, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Auf den Schmerz folgte jedoch eine ganz angenehme Wärme, leicht und flüchtig. Aus Angst, dass diese Wärme auf einmal einfach verschwinden könnte versuchte sie ihre Arme etwas zu bewegen, diese fest zu halten, doch jetzte Bewegung zog sich wie ein Blitz durch ihren Körper. Sie nickte wohl einen Augenblick weg oder ihr Kopf entschied sich für eine Weile einfach aus zu setzen, doch als ihr Kopf wieder aufmerksamer wurde war diese stechende Kälte, die sich wie Nadeln in ihre Haut gebohrt hatte, weg. Sie fror noch immer, doch nicht mehr so heftig. Sie spürte, wie ihr Gewicht verlagert wurde und wie etwas unter ihr nachgab, wesshalb sie erneut versuchte die Augen ein wenig zu öffnen nur um kurz darauf geblendet zu werden. Da war schon wieder diese Stimme, doch noch immer konnte sie kein Wort davon verstehen. Eine Zeit lang darauf passierte nichts. Dann jedoch wurden ihre Arme bewegt und Asako entwich ein leises Wimmern, dass in ihren Ohren so viel lauter war als normalerweise. Die Bewegung schmerzte und diese unterträgliche Hitze auf ihrer Haut machte es nur schlimmer.

„Ich bin gleich fertig“, hörte sie dumpf, konnte aber nicht sagen, wem diese Stimme gehörte. Sie wollte etwas sagen, doch wieder verweigerte ihr Körper ihr den Dienst, der dumpfe Laut kehrte in ihre Ohren zurück und ihre Umgebung wurde still. Der Druck löste sich um ihren Brustkorb, gefolgt von einem weiterem, intensiverem Schmerz, der Asako nach vorne kippen lies, doch etwas hielt sie in der aufrechten Position. Wie schon zuvor wurde es vor den Augen der anderen schwarz, doch als sie wieder einigermaßen zu sich kam, die Muskeln ihres Körpers fühlten sich noch immer zerrissen und durchstochen an, fühlte sie eine angenehme Wärme, die sie einmummelte und zum Schlafen einlud. An ihrem Oberkörper war nochmal eine intensivere Hitze, die ihren so gereizten Brustkorb etwas beruhigte und nach der sie nochmals griff, es irgendwie schaffte diese Hitze im Arm zu behalten und daraufhin die Augen zu schliesen. Alles in ihr schrie nach Ruhe, nach Schlaf um die Ereignisse des Abends zu vergessen. Bevor ihr Körper den Geist aufgab und sich dem Bedürfnis hingab spürte sie weiche, warme Finger auf ihrer Stirn, die ihren dröhnenden Kopf zumindest für einen Augenblick etwas beruhigten.

Black Queen: Fifth Action

Das nervtötende Klingeln des Weckers riss die beiden Top Stars aus dem so süßem Schlaf, wobei die Frau, die gerade auf ihrem Rücken lag, sich leise stöhnend von ihr hinunter rollte und auf den Störenfried schlug. Saeko selbst, noch immer mit dem Gesicht im Kissen, vergrub die Nase in den weichen Federn und stemmte sich nur sehr langsam hoch.

„Guten Morgen“, hauchte sie heiser, wobei sie kurz husten musste. Da war wohl ihre Stimme gestorben. Wataru kicherte etwas und setzte sich gänzlich auf.

„Dir auch guten Morgen. Ich glaube wir haben vergessen das Fenster zu zu machen.“

Noch immer im Halbschlaf, heiser und frierend vergrub sich der Tsukigumi-Star wieder unter die Decke. Das hatte ihr noch gefehlt. Ohne wirkliche Stimme zur Probe zu erscheinen war eigentlich nicht drin, aber sie hatte ja sowieso nur den halben Tag. Das Fotoshooting mit Wao und Mari stand an, wo sie unbedingt auftauchen musste. Um schön aus zu sehen brauchte sie immerhin keine Stimme. Wataru neben ihr kicherte und strich ihr über den Rücken, löste bei ihr eine Gänsehaut aus und sie stöhnte sanft ins Kissen.

„Ich mach dir einen Tee“, flüsterte der Hoshigumi-Star in ihr Ohr, wobei Saeko den Kopf etwas auf die Seite drehte und sie durch einen schmalen Augenschlitz heraus ansah. „Vielleicht geht’s dir dann besser.“

Eigentlich wollte Saeko zustimmend brummen, doch sie bekam keinen Ton heraus. Wie sie das hasste. Doch trotz ihres ziemlich zwielichtigen Gemütszustands kam sie nicht darum herum Wataru dabei zu zu sehen wie sie sich aus dem warmen, weichen Bett erhob, noch immer nackt wohlgemerkt. Saeko grinste. Wenn sie den temporären Verlust ihrer Stimme mit dem abwog, was Wataru sie in der Nacht hatte fühlen lassen, dann kam ihr die Heiserkeit gar nicht mehr so überaus schlimm vor. Singen könnte sie den Tag über nicht, damit konnte sie aber leben. Die Nacht mit Wataru war genau das gewesen, was sie mal wieder gebraucht hatte. Die Hoshigumi-Darstellerin hatte eine wirklich gute Idee gehabt als sie Yuuhi mal wieder zu Kiriya und Freundin schickte, jemand aus Hoshigumi, den Saeko aber nicht so genau kannte, und dafür zu sorgen, dass der Tsukigumi-Star den ganzen Frust, der sich dank Sena so bei ihr aufgestaut hatte, im Bett auslies. Das Ergebnis waren der Stimmverlust, ein paar puddingartige Beine und ein kaputtes Hemd, aber was solls. Der jetzt sehr viel zufriedenere Top Star rollte sich auf die Seite, zog sich schlussendlich doch aus dem Bett und fröstelte erst einmal. Das Fenster im Schlafzimmer war zwar zu, dafür kam ein nur zu deutlicher Zug aus der Richtung des Wohnzimmers und es war eiskalt. Kein Wunder, dass sie sich einen Zug geholt hatte. Grummelnd ging sie zu ihrem Schrank, fischte dort nach einem schwarzen Pulli, ein paar Socken und einer Jogginghose, die sie flüchtig überzog und sah sich dann in ihrem Zimmer um. Wo war eigentlich Harvey geblieben? Der Top Star tappste zwischen den zerknitterten und teils kaputten Klamotten umher, kickte hier und da etwas davon beiseite, bis sie sich vor dem Bett kniete und druntersah. Sie schmunzelte als sie Harvey dort unten liegen sah, streckte den Arm nach ihm aus und zog den fetten, blauen Kuschelhasen unter dem Bett hervor. Sie wollte gar nicht wissen wie das so geliebte Stück dorthin gekommen war. Der Hase war kein gewöhnliches Kuscheltier, nicht nur, weil es ein Geschenk ihrer Eltern zum Einstieg in Takarazuka gewesen war, Harvey funktionierte auch gerne mal als Ersatz für eine Wärmeflasche. Warf man das blaue Tierchen für ein bis zwei Minuten in die Mikrowelle heizte sich die spezielle Füllung derart auf, dass Harvey ein paar Stunden lang Wärme spendete. Da Saeko zu Bauch- und Unterleibsschmerzen tendierte war der gute auch oft in Benutzung. Dass das ungewöhnlich gefärbte Fell flauschig weich war, war nur ein kleiner Bonus.

Mit Harvey im Arm ging sie aus dem Schlafzimmer in die Küche, wo Wataru, sie hatte sich ihre Sachen inzwischen angezogen, schon dabei war den Tee zu kochen. Kurzerhand stopfte Saeko Harvey in die Mikrowelle, lies sich anschliesend auf einem der Stühle nieder. Der Hoshigumi-Star sah zunächst irritiert zu dem nun laufenden Gerät, schmunzelte kurz darauf dieses unglaublich anziehende Lächeln und sah zu Saeko.

„Was du an diesem Ding findest werde ich nie verstehen.“

Saeko zuckte nur mit den Schultern. Sie wollte so wenig wie möglich sprechen um ihre Stimme zu schonen. Dennoch winkte sie den anderen Top Star zu sich, die die Kanne mit dem kochendem Wasser zurück in die Aperatur stellte und sich nach der Einladung auf ihrem Schoß platzierte. Saeko fuhr mit der Hand in den Nacken der größeren Frau, zog sie zu sich und küsste sie sanft auf die Lippen. Am liebsten hätte sie blau gemacht, sich mit Wataru zurück ins Bett verzogen und dort den Tag verbracht, aber das war leider nicht drin. Sie hatten beide Verpflichtungen, denen sie nachgehen mussten. Die andere brachte sich in eine etwas bequemere Position, liebkoste die Seiten des Tsukigumi-Stars, woraufhin diese nur genüsslich seufzte. Da kam ihre Stimme doch langsam zurück. Erst bei einem leisem 'Pling'-Geräusch lösten sich die zwei wieder voneinander und Saeko sah zu der Mikrowelle, dessen Licht gerade ausgegangen war.

„Willst du mich wirklich für Harvey runter werfen?“, fragte Wataru sarkastisch und die kleinere von beiden grinste nur etwas bestialisch. Der Hoshigumi-Star rollte mit den Augen, stand auf, grinste dann aber etwas. „Harvey ist der einzige Mann, den ich in unserer Beziehung dulde. Sei froh darum.“

Der Tsukigumi-Star rollte nur ironisch mit den Augen, grinste dabei schief und stand auf, fischte den blauen Hasen aus dem Gerät und vergrub die Nase an dem flauschigem Fell. Er war nicht nur warm, roch auch leicht nach Lavendel.
 

„Na so wie du dich anhörst war die Nacht lohnenswert“, flüsterte Yuuhi frech zu ihr nachdem Saeko ihre Troupe begrüßt hat. Sie schnaubte daraufhin nur und schlug ihrer Freundin leicht in die Seite.

„Mach dich nicht über mich lustig...“

„Ich sage ja nichts. Ich gönn es dir doch“, meinte die Jüngere und lachte etwas und auch der Top Star lächelte wieder. „Und später gehst du zum Shooting?“

„Ja“, bestätigte die Ältere und nickte kurz. „Hab dabei ein wenig ein Auge auf die anderen während ich nicht da bin.“

„Hey sag das Sena, nicht mir. Sie ist dein Vice.“ Saeko hob nur die Augebrauen, runzelte die Stirn und legte den Kopf etwas auf die Seite. Yuuhi wusste genau, was sie von der jungen Prinzessin hielt. „Schon gut, schon gut. Ich schau, was sich machen lässt. Frag Wao und Mari doch mal ob sie nicht Lust haben mal wieder mit uns weg zu gehen. Wir waren schon eine Weile nicht mehr zusammen unterwegs.“

„Mach ich. Wenn die beiden nicht zu sehr... miteinander beschäftigt sind.“ Saeko sprach sehr gedämpft, sodass sie sonst keiner hörte. „Apropos.“ Sie warf einen Schulterblick zu dem Dreiergespann mit Sena, Kashi und Kiriya, dass sich seit neustem gebildet hatte. „Würdest du für mich herausfinden warum Madame in letzter Zeit so gute Laune hat?“

„Was? Wieso ich? Frag sie selbst.“ Abermals erntete Yuuhi von ihr einen sehr offensichtlichen Blick, doch nochmals seufzte ihre beste Freundin. „Hey ich hab zu ihr genauso wenig Kontakt wie du.“

„Dir springt sie aber nicht an die Gurgel. Frag notfalls Micchan.“ Yuuhi rollte mit den Augen, doch Saeko schüttelte leicht den Kopf. „Stell dich nicht so an. Egal. Fangen wir an. Wir haben noch Arbeit vor uns.“

Es war schon ein wenig traurig, dass Yuuhi und Micchan, deren voller Name Hokushou Kairi war, sich nicht wirklich vertrugen, denn wie auch Yuuhi zählte der Tsukigumi-Star Micchan zu ihren besten Freunden. Die junge Shinko war erst recht kurze Zeit dabei, gerade mal fünf Jahre, aber nach Saeko's Wiedereintritt in Tsukigumi war sie so ziemlich die erste gewesen, der sie sich zugewendet hatte, nach Yuuhi, die sie ja schon eine Weile länger kannte über Wataru. Doch Yuuhi's eher ruhiger und gradliniger Charakter vertrug sich nicht sonderlich mit Micchan's Sprunghaftigkeit und ihrem leicht verträumten Denken, dass sie hier und da an den Tag legte. Zwar wusste die Shinko, wann sie ernst zu bleiben hatte, doch alles in allem lockerte sie die Stimmung gerne etwas auf. Saeko schmuzelte. Ein kleines Pferd. Das musste sie bei Gelegenheit Wataru erzählen.
 

An sich verlief das Training, zumindest der Teil, an dem sie teilnehmen konnte ohne ihre Stimme übermäßig zu strapazieren, ganz gut. Doch um ihr den Tag in gewisser Weise zu ruinieren war die ach so tolle Hanagumi-Prinzessin der Meinung gewesen sich einfach nicht beteiligen zu müssen so wie sie es sollte. Eigentlich wurde es Zeit, dass diese Frau endlich mal etwas Verantwortung übernahm.

„Micchan“, sagte sie und die junge Frau kam zu ihr gelaufen. Kurzerhand drückte sie der anderen ihr Script in die Hand. „Ich überlasse dir für den restlichen Tag die Verantwortung für die Shinkos. Ich muss kurz was erledigen gehen.“

„Uhm...“ Die Shinko schien unsicher.

„Du schaffst das schon.“ Der Top Star klopfte der anderen aufmunternd auf die Schulter. „Der Direktor sagt dir, was ihr noch machen müsst. Ansonsten wiederholt noch ein bisschen etwas.“

„Okay. Steht das nächste Woche eigentlich noch?“

„Klar. Du kannst ja noch jemanden mitbringen wenn du willst.“

„Ich denk drüber nach. Hab noch Spaß beim Shooting.“

Saeko lächelte, nickte der Frau flüchtig zu, die sich wieder mit neuer Kraft zu den Shinkos begab. Blieb nur noch das Prinzessinen-Problem. Der Top Star seufzte, denn eigentlich hatte sie gar keine Lust Sena schon wieder die Selbe Standpauke zu halten, doch drumrum kam sie wohl nicht. Dass ihre Stimme kaputt war machte es nicht besser.

„Augen zu und durch“, schnaubte sie leise zu sich, ging auf die Jüngere zu, die mit dem Rücken zu ihr stand und mit Kiriya tratschte. Sie tippte ihrem Vice auf die Schulter, sah etwas verärgert drein. „Hast du vor den ganzen Tag nur ein Schwätzchen zu halten? Geh gefälligst wieder zurück an die Arbeit. Du hällst die ganze Truppe auf!“ Doch statt eines bösen Kommentares, Saeko fühlte geradezu wie dieser sich anbahnte, was ihr Blut wieder in Wallung geraten lies, grinste die Prinzessin sie nur frech an. „Darf man fragen, was es da zu grinsen gibt?“

Die Hanagumi-Prinzessin verschränkte nur trotzig die Arme, beäugte sie für einen Augenblick, wobei das Grinsen geradezu in ihrem Gesicht klebte. Gut, dass sie das Script abgegeben hatte, denn sonst hätte sie es Sena sicherlich ins Gesicht geworfen.

„Tut mir leid, aber mit den tiefen Augenringen, die du hast, kann ich dich nicht ernst nehmen. Und die Ladies von der Maske werden dir sicher auch noch einen Vortrag halten.“

Das war doch unerhört. Es konnte mal passieren, dass man heiser wurde. Den Grund dafür, wieso Saeko noch bis tief in die Nacht wach gewesen war und wieso ihre Stimme so ausgelaugt war musste sie dem Vice ja nicht unter die Nase reiben.

„Andere Leute arbeiten im Gegensatz zu dir auch Nachts.“

Sena kratzte sich an der Wange und runzelte die Stirn etwas als müsse sich für ein paar Sekunden über ihre Worte nachdenken.

„Ach arbeiten nennst du das? Deinem Gekrächze nach hast du heute Nacht gan andere Sachen getrieben.“

Irgendwie... fühlte Saeko sich ertappt und ihr Blick wanderte automatisch auf den Boden. Obendrein fühlte sie, wie ihre Wangen heiß wurden. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Das erste Mal seit Sena in die Troupe eingetreten war hatte sie keine schlagkräftige Antwort. Sie holte Luft um doch noch etwas zu sagen, sah dabei auf, entschied sich dann doch anders und machte auf dem Absatz kehrt. Sollte sich wer anders damit rumschlagen. Sie hatte anderes zu tun als sich vor einer verwöhnten Prinzessin rechtfertigen zu müssen. Den Sieg gönnte sie der anderen einfach mal. Immerhin würde sie noch genug Gelegenheit dazu haben die Frau auf ihre rechtmäßige Größe zurecht zu stutzen.

„Na so sonderlich elegant war das aber nicht“, meinte Yuuhi mit breitem Grinsen. Die Frau hatte wohl mitbekommen, was sich da abgespielt hatte.

„Ach halt die Klappe“, raunte die Ältere nur etwas heißer und ging zu den Direktoren um mit ihnen weitere Schritte ab zu sprechen. Es lief darauf hinaus, dass sie die Troupe wohl vorerst früher entlassen konnte, da sie ohne den Top Star selbst sowieso nicht wirklich trainieren konnten. Dennoch bestand Saeko darauf, dass die Troupe zumindest noch ein paar Stunden übte. Sie ging gelassenen Schrittes in die Mitte des Raumes, sprach so laut, wie es ihr nunmal möglich war. Da die Troupe ihr jedoch an den Lippen klebte, wenn sie etwas zu verkünden hatte, stellte es sich als nicht allzu schwer heraus.

„Nun meine Lieben“, begann der Top Star und Asako lies das Script in ihre Tasche gleiten. „Wie ihr wisst hab ich heute ein Shooting. Ich werde für den Rest des Tages nicht da sein. Ihr könnt von mir aus ein wenig früher schluss machen, aber ich habe den Direktor angewiesen euch noch ein paar Stunden zu beschäftigen“, sagte sie ruhig, sah im Augenwinkel, wie Sena enttäuscht die Schultern sacken lies, schmunzelte desshalb etwas für sich. Selbst Schuld.
 

Erst eine Weile später kam der Tsukigumi-Star an der Halle an, an der ihr Shooting stattfinden sollte, sah sich dort erst einmal um. Die Halle war erst kürzlich neu gebaut worden, wesshalb sich der Top Star erst einmal zwischen den ganzen ungeöffneten Kartons, den engen, zugestellten Gängen und den gänzlich weiß gestrichenen Wänden verlief. Irgendwie fand sie dennoch den Weg in die etwas größere Haupthalle, wo ihr schon der Fotograf entgegen lief.

„Da sind sie ja endlich. Guten Tag. Wir warten schon auf sie.“

„Entschuldigung“, sagte der Tsukigumi-Star und verbeugte sich kurz. „Hier rein zu finde ist nicht ganz so leicht.“

Der Fotograf lachte etwas.

„Das habe ich heute schon einmal gehört. Die Soragumi-Stars sind bereits in der Umkleidekabine. Ich würde ihnen gerne eine eigene anbieten, aber wie sie sehen befinden wir uns noch beim Auspacken und die meisten Räume sind noch nicht verfügbar.“

„Das ist in Ordnung.“ Saeko winkte kurz ab. „Wao und Mari sind gute Freunde von mir. Sie werden sich nicht daran stören mit mir den Raum zu teilen.“

So ganz sicher war sie sich da nicht, aber das konnte sie dem Fotografen ja nicht sagen. Es war nicht so, als ob es den dreien peinlich wäre sich voreinander um zu ziehen, hinter der Bühne sah man oft genug nackte Haut, aber das Pärchen nahm es nicht ganz so ernst mit der Regel, dass Beziehungen in den eigenen vier Wänden bleiben sollten.

„Dann bin ich ja beruhigt.“ Der Fotograf drehte sich eine Vierteldrehung, zeigte ans andere Ende der kleinen Halle. „Die Umkleidekabinen finden sie den Gang hier hinunter. Wir haben an ihre Tür ein Schild gehangen, also dürften sie es nicht verfehlen. Wenn sie sich umgezogen haben bringen sie bitte die Soragumi-Stars mit. Die Maske ist hier am anderen Ende der Halle.“

Saeko nickte nur kurz, schulterte ihre Tasche erneut und ging durch die Halle, grüßte nebenbei die Mitarbeiter, mit denen sie den Tag verbringen würde. Eigentlich war es ganz angenehm in einer so kleinen Runde zu bleiben, aber so wie sie Mari kannte würden sie trotzdem bis spät Abends arbeiten müssen. Der Musumeyaku-Top Star war recht pingelig, was Bilder anging und normalerweise würden mit ihr so lange Fotos geschossen bis diese zufrieden war. Während der Tsukigumi-Star an den immer gleichen Türen vorbei lief, hier und da über einen Karton stieg aus denen Requisiten herausquillten, sah sie sich nach besagtem Schild um, fand es aber erst fast ganz am Ende des Ganges. Zuerst spielte sie mit dem Gedanken einfach ein zu treten, denn immerhin war es auch ihre Umkleide, aber das wäre wohl unhöflich ihren Freunden gegenüber. Stattdessen klopfte sie kurz, wartete einige Sekunden ehe sie eintrat. Sofort musste sie grinsen als sie eine ziemlich zerwühlte Wao sah, die ihr den Rücken zugedreht hatte und die Hände an ihrem Hemd hatte, und ebenso Mari, die gerade in dem Moment mehr oder minder elegant vom Tisch sprang, als Saeko den Raum betrat. Der Tsukigumi-Star grinste breiter und schloss die Tür hinter sich und Wao drehte sich mit hochrotem Kopf zu ihr. Mari machte ebenso einer Tomate Konkurenz.

„Ihr solltet euch echt mal etwas zurücknehmen. Keine Sorge ich sag keinem was.“

„Musst du gerade sagen. Du und Wataru seid nicht besser“, meinte Mari und richtete sich die Haare etwas.

„Wir bleiben wenigstens bei uns im Bett.“ Auf ein freches Grinsen seitens Wao hob sie die Augenbraue. „Was ist?“

„Dafür bist du umso lauter. Die Wände sind nicht gerade die dicksten und deine Wohnung ist immer noch direkt neben meiner.“

Saeko fühlte, wie ihre Wangen sich zart purpur färbten. Schon das zweite Mal an diesem Tag fühlte sie sich erwischt. Zwar hatte jede der Top Star Wohnungen einen eigenen Zugang, doch grenzten aufgrund des Aufbaus des Dorms jeweils zwei der Wohnungen an einem Raum aneinander. Unglücklicherweise lag das Schlafzimmer des Tsukigumi-Stars an der Küche der Soragumi-Otokoyaku. Normalerweise kamen sie sich dadurch nicht in die Quere, es sei denn Wao wurde mal wieder kreativ. Das, oder Saeko, beziehungsweise Wataru, wurde laut.

„Auch egal.“ Saeko räusperte sich und stellte ihre Tasche ab. „Machen wir uns fertig. Der Fotograf hat mich eben schon ein wenig runtergemacht, dass ich zu spät bin.“

„Von mir aus hättest du gern noch etwas später kommen können“, sagte Mari und zupfte an dem Kleid, dass sie sich angezogen hatte ehe sie sich zu Wao stellte, sich an die größere lehnte. Im Vergleich zu Wao war Mari ungefähr fünf bis zehn Zentimeter kleiner, ganz wie es sich für eine Musumeyaku gehörte, aber den Größenunterschied so deutlich zu sehen war immer wieder irgendwie amüsant. Nebenbei entledigte sich Saeko ihrer Kleidung, zog stattdessen den bereitgelegten Anzug über.

„Noch später und ich hätte richtig Ärger bekommen. Beeilen wir uns einfach mit dem Shooting und dann kann ich euch hier gerne etwas Zweisamkeit lassen.“
 

Durch das kleine Versprechen schien sie die zwei Soragumi-Stars doch irgendwie motiviert zu haben, denn das Shooting verlief mehr als reibungslos. Die drei Top Stars brachten sich ebenso ein wie der Fotograf und es kamen ein paar Bilder dabei heraus, die Saeko sich sicherlich auch gern irgendwo hinhängen würde. Am schönsten waren jedoch die Fotos, die es wohl nicht ins Fotoalbum schaffen würden, aber die sie für private Zwecke nutzen konnten. Sie alberten herum und die beiden Soragumi-Stars schafften es Saeko's Laune doch wieder recht weit an zu heben, auch, wenn sich zu späterer Stunde doch langsam ihre Müdigkeit bemerkbar machte. Wenigstens war ihre Stimme wieder da. Sie hatte sich obendrein einen Scherz daraus gemacht nach dem Shooting nochmal mit Wao und Mari in die Umkleide zu gehen und dort das Kleid an zu probieren, welches dem Musumeyaku-Star eigentlich viel zu groß gewesen war und welches sie beim Shooting provisorisch enger gemacht hatten. Mit dem schwarzem Rüschenkleid stellte sich der Tsukigumi-Star vor den Spiegel, Wao machte sich ziemlich darüber lustig, aber die Otokoyaku belies es mal dabei. Immerhin hatte sie schon eine ganze Weile kein Kleid mehr an gehabt. Schlussendlich lies sie die Soragumi-Stars alleine, schmunzelte etwas, als sie noch im Augenwinkel sah, wie Wao ihre Musumeyaku erneut auf den Tisch drückte als sie gerade die Tür schloss, und informierte den Fotografen, dass die zwei nicht gestört werden sollten. Angeblich wegen 'zwischenmenschlicher Differenzen'. Standartausrede. In einen Streit zwischen Top Stars mischte sich keiner ein, nicht einmal das Direktorium. Sie waren immerhin erwachsen genug um ihre Differenzen alleine zu klären, wobei es bei manchen einfacher war als bei anderen.

Kaum aus der Halle raus, sie hatte sich sogar auf dem Weg nach draußen verlaufen, empfing sie erst einmal ein heftiger Regenschauer und Saeko fluchte lautstark. Das hatte ihr auch noch gefehlt. Sie hatte keinen Schirm dabei und ihre Jacke war auch nicht die dickste. Was sie dazu getrieben hatte bei diesen Graden, die am Nullpunk kratzten, nur einen dünnen Pulli und eine nicht minder dünne Jacke zu tragen war ihr schleierhaft. Obendrein war sie zu Fuß gekommen. Normalerweise war der Weg bis zum Dorm, der durch den Hintergarten gerade mal zehn Minuten betrug, kein Problem, bei diesem Wetter aber eine Tortour. Der Regen war eiskalt und schmerzte auf der Haut wie kleine Nadelstiche. Saeko neigte den Kopf, versuchte so wenigstens das Gesicht vor dem Regen zu schützen und lief sehr zügig in Richtung des Dorms, versuchte sich unterwegs so oft wie es ging durch einen Dachvorsprung oder durch einen Baum zu schützen. Bis auf die Knochen nass wurde sie trotzdem. Warum zogen sich die Wege eigentlich immer noch mehr, wenn es kalt war und wurden sogar noch länger, wenn es obendrein regnete? Sie konnte sich gut daran erinnern, dass sie beim tratschen auch oft das Dorm schlichtweg verpasst hatte und jetzt zog es sich in so unendliche Ferne, dass sie glaubte unterwegs zu erfrieren. Wenigstens hatte sie das Eingangstor zum Hintergarten, eher wohl ein kleiner Park hinter dem Dorm, hinter sich gelassen. Die Bäume dort waren zwar etwas auseinander gezogen, sodass sie mehr Rasenfläche hatten, doch wenigstens baten sie etwas Schutz. Spärlich, denn der Regen war so stark, dass die Blätter das Wasser kaum zurückhalten konnte und es wie kleine Sturzbäche von den Ästen prasselte.

Ihr Ziel vor Augen lief sie noch einen Schritt zügiger, doch ein Geräusch, dass nicht von den Tropfen kam, die hart auf den Kies aufschlugen, riss sie aus den Gedanken und sie hob den Kopf etwas. Ihr Make-Up war sowieso hin, also was solls. Doch in der Dunkelheit und dem nur sehr spärlich beleuchtetem Weg, der Regen verwischte ihre Umgebung nur noch mehr, konnte sie nichts erkennen, wesshalb sie das als Einbildung abtat. Doch kaum setzte sie sich wieder in Bewegung hörte sie es wieder. Ein Husten. Da sie dieses Mal genauer hingehört hatte konnte sie auch die ungefähre Richtung sagen. Wer war denn bei dem Wetter bitte noch drausen? Seufzend fuhr sie sich durch die nassen Haare, die an ihren Wangen klebten. Egal wer das war, der würde gehörig was von ihr zu hören bekommen. Auf dem Takarazuka-Gelände waren nur Schauspielerinnen geduldet und diese mussten immer in Top Form sein. Erst als sie vom Weg runter war und sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten bemerkte sie den Schatten, der unter einem der Bäume hockte wie ein Häufchen Elend. Naja mehr als einen Teil vom Hemd und eines der Beine sah sie nicht, denn die Person saß halb hinter dem Stamm. Leise fluchte der Tsukigumi-Star zu sich, ging zügigen Schrittes auf die Frau zu, ging um den Stamm herum.

„Sag mal bist du des Wahnsi-...“

Saeko stockte. Das war Sena, die da in sich zusammengesunken hockte. Das weiße Hemd war gänzlich durchnässt, gab damit die Umrisse der Abbinde preis, die sie darunter trug, die nasse Hose klebte an den schlanken Beinen und die Absätze der Stiefel waren im Matsch vergraben. Sie hatte den Kopf gesenkt und die Hände neben sich im Gras liegend. Sie sah aus als hätte man sie verprügelt, auch, wenn sie keine Verletzungen hatte. Gerade holte der Top Star Luft um erneut ein Donnerwetter los zu lassen, den ihr Vice eindeutig verdient hatte, doch der Brustkorb der Frau krampfte und sie hustete erneut kehlig. Dann war das also von ihr gekommen. Saeko biss sich auf die Zunge, sah kurz in Richtung des Dorms. Es war nur ein paar Meter entfernt, vielleicht zwei Minuten. Sie konnte reingehen, irgendjemanden dazu verdonnern Sena rein zu schleppen und sie auf die Krankenstation zu bringen. Dann aber war es weder ihr noch Sena nützlich. Es würde nur sowohl ihr als auch Tsukigumi schaden wenn rauskam, dass jemand in ihrer Position in diesem Zustand war. Kurzerhand kniete sie sich vor die Jüngere.

„Du kannst froh sein, dass du zu Tsukigumi gehörst. Sonst würde ich dich hier liegen lassen.“

Zwar wusste der Top Star, dass sie sich selbst anlog, aber das musste Sena ja nicht wissen. Vielleicht suchte sie nur eine Entschuldigung um das zu rechtfertigen, was sie dann tat. Sie packte das Handgelenk der Jüngeren, drehte ihr den Rücken zu und nahm auch das Zweite des Vice. Mit einem Ruck hatte sie das Leichtgewicht auf ihren Rücken gezogen, beugte sich nach vorne und schob die Hände unter den Unterschenkel der anderen um sie Huckepack mit sich mittragen zu können. Kaum, dass der Kopf der anderen neben ihrem Ohr und der Brustkorb an ihrem Rücken war hörte Saeko auch, wie der Atem der anderen rasselte. Ihre Lunge musste furchtbar schmerzen so, wie sie sich anhörte. Wieder quillte der Ärger in ihr hoch. Was ging diese dumme Prinzessin auch bei diesem Wetter raus und schlief auch noch dabei ein? Die Arme, die mehr oder minder lose über ihren Schultern hingen, zuckten für einen Augenblick als ob Sena sich festhalten wollte als Saeko sich in Bewegung setzte, doch hingen dann wieder schlapp hinunter. Die andere hatte wohl das Bewusstsein verloren. Kein Wunder, so unterkühlt wie sie war. Immerhin spürte sie die Kälte noch durch ihre Sachen hindurch, doch auch der stockende Atem und die heiße Haut an ihrem Hals waren ihr nicht entgangen. Wahrscheinlich hatte die Prinzessin Fieber. Schöner Schlamassel.

Glücklicherweise fuhr ein Aufzug fast bis zu ihrem Stockwerk, denn den ganzen Weg die Treppen nach oben zu laufen, das hätte der Top Star wohl nicht mehr geschafft bei ihrer Müdigkeit. So viel zu einem ruhigen Abend und einer erholsamen Nacht. Wie auch immer sie schlieslich die Tür zu ihrer Wohnung aufbekommen hatte, sonderlich elegant würde es nicht gewesen sein. Die nächste Frage war, wo hin mit der jungen Frau? Zuerst spielte sie mit dem Gedanken die Frau einfach in eine heiße Wanne zu setzen, doch Saeko fürchtete, dass die andere ihr dabei eher ertrinken würde, da sie sich ja kaum auf ihrem Rücken halten konnte. Doch ein paar andere Sachen würde sie dem Neuling geben müssen. In den nassen Klamotten würde sie völlig auskühlen und sich den Tod holen. Mehr oder minder vorsichtig kniete sich die Ältere vor ihre Couch, lies Sena nach hinten fallen und verfrachtete sie so auf das breite, schwarz-weise Sofa. Kurz darauf sah sie, wie sich die Augen der anderen einen winzigen Spalt öffneten.

„Bleib blos wach“, meinte Saeko etwas drohend. „Osa dreht mir den Hals um wenn dir etwas passiert.“

Noch auf dem Weg in ihr Schlafzimmer entledigte sie sich der völlig durchnässten Jacke, jetzt wo Sena von ihrem Rücken war, war ihr auf einmal doppelt kalt, warf diese einfach über einen Holzstuhl und krämpelte die Ärmel ihres klebenden Pullovers hoch, ging zu ihrem Kleiderschrank. Von dort zog sie einen dunkelila, sehr weiten Pulli heraus, sie würde Sena schlagen wenn sie wieder zu sich kam und ihren Lieblingspulli verurteilte, ebenso wie ein paar warmer Jogginghosen und einen trockenen Slip. So wie die andere aussah war nicht nur der obere Teil ihrer Kleidung nass. Die Wechselkleidung in der Hand machte sie sich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer, blieb aber noch in der Tür stehen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Sena sich nicht selbstständig umziehen konnte. Das hieß...

„Na wunderbar“, schnaubte der Top Star und ging zu der immer noch in sich zusammengesunkenen Frau. Ein paar Regentropfen fielen von ihren Haarspitzen auf ihre Haut und bis auf den Rotschimmer auf den Wangen war sie kreidebleich. Erneut kniete sich die Ältere vor die Prinzessin, sah sie für ein paar Sekunden streng an, auch, wenn die Jüngere durch die erneut zugefallenen Lieder das nicht sehen konnte. „Wehe dir du weist das nicht zu schätzen. Dann mache ich dir richtig die Hölle heiß.“

Die Wechselkleidung platzierte sie zunächst auf dem Tisch hinter ihr, entschied sich das einfachste zuerst aus zu ziehen, begann das weiße und inzwischen durchsichtige Hemd der anderen auf zu knöpfen und es ihr über die Schultern zu streifen. Als sie den Arm der anderen anhob um den Ärmel entgültig darüber zu streifen entfuhr dieser jedoch ein wehleidiges Wimmern und für einen Moment wich die kalte Miene des Top Stars. Sena war wirklich bemitleidenswert und Saeko konnte nicht verhindern sich zu fragen, was die andere in diesen Zustand versetzt hatte.

„Ich bin gleich fertig“, sagte sie nur ruhig, entfernte auch den zweiten Ärmel und warf das Hemd einfach ein wenig entfernt neben den Teppich aufs Laminat. Darum würde sie sich später kümmern. Da der Kopf ihres Vice erneut nach vorne kippte vermutete der Top Star, dass sie schon wieder bewusstlos geworden ist. Vielleicht vorerst besser, denn wenn sie weiterhin wie ein Welpe bei jeder Bewegung jammerte wurde sie nie fertig. Kurzerhand zog sie die matschigen Stiefel und die Socken von den Füßen der anderen, hatte auch schon den Knopf der Jeans geöffnet und den Reisverschluss runter gezogen als sie erneut stockte. Sie biss sich auf die Lippen als sie merkte wie klebrig die Hose der Jüngeren tatsächlich war. Vielleicht sollte sie sich die bis zum Schluss aufheben. Erst einmal war es besser, die andere konnte richtig atmen. Sie tastete nach dem seitlichem Verschluss der hautfarbenen Abbinde, die noch immer den Brustkorb der anderen umschloss und löste diesen. Sena reagierte sofort indem sie erneut gequält und heftiger anfing zu husten als vorher, sodass Saeko fürchtete, dass jeden Moment die Lunge der Jüngeren platzen musste, die Jüngere kippte nach vorne doch der Top Star konnte sie noch an den Schultern und Schlüsselbein festhalten und drückte sie zurück ehe sie von der Couch kippte. Der doch so plötzliche, direkte Hautkontakt warf sie nur eine Sekunde aus der Bahn und lange Zeit um sich den doch zugegebenermaßen hübschen Körper der anderen an zu sehen lies sie sich nicht, griff nach hinten zu dem Pulli und fädelte ihn irgendwie, Saeko wunderte sich selbst wie, über den Kopf der Jüngeren, striff ihn so weit runter wie es ihr möglich war. Blieb nur noch die Hose und die Unterwäsche. Vorher aber sollte sie was gegen diese tropfenden Haare unternehmen, sonst war der Pulli gleich wieder nass und sie musste das Spiel wieder von vorne spielen. Mit dem letzten Hustenanfall schien die Jüngere sich obendrein selbst ausgeknockt zu haben. Sie lehnte leicht auf die Seite und Saeko fischte nach dem Handtuch, dass sie unterwegs noch mitgehen gelassen hatte, und rieb die kurzen Haare der anderen provisorisch trocken. Anschliesend legte sie die ohnmächtige Frau auf die Seite. Drumrum kam sie doch nicht, also Augen zu und durch. Sie schob die Finger unter den Bund des Slips, zog diesen mitsamt der Hose über die Beine der Jüngeen, konnte dabei nicht anders als sich einen Moment über die weiche Haut am Po und den Beinen der anderen zu wundern. Für eine Otokoyaku war diese Frau verdammt weiblich.

Kaum die Hose endlich von dem Vice geschält schüttelte Saeko den Kopf, kniff für eine Sekunde die Augen zusammen. Wataru würde sie für diesen Gedanken schlagen. Ihre Freundin durfte nicht erfahren, dass sie gerade die Frau auf ihrer Couch liegen hatte und auszog, die sie noch die Tage zuvor so verdonnert hatte und geradezu Schimpftriaden vor ihren Freunden ihretwegen veranstaltet hatte. Und dann lag sie so bemitleidenswert da, so mitleidserregend, so unschuldig und so süß gleichzeitig. Saeko schlug sich mit dem Handballen an die Stirn. Der Gedanke musste weg. Statt weiter über ihre Gedanken den Kopf zu zerbrechen schaffte sie es Sena auch den Slip, die Hose und die Socken an zu ziehen, woraufhin sie aufstand und zunächst ins Schlafzimmer ging. Dort schnappte sie sich eins der dicken Federbettdecken, Sena würde sie heute Abend nicht mehr von der Couch weg bewegen, und schleppte es zurück zu der inzwischen etwas ruhiger atmenden Frau. Glücklicherweise hatte sie die warme Bettwäsche draufgezogen für den Winter. Nach einem kurzen, prüfendem Blick warf sie die Bettdecke über die andere, zog sie ihr bis hoch zu den Schultern. Der Atem der anderen rasselte immer noch und Saeko wunderte sich erneut, ob sie wohl Schmerzen hatte. Dagegen wusste sie jedoch noch etwas. Sie schnappte sich Harvey, der noch immer auf dem Sessel hockte, wo Saeko ihn am Morgen zurückgelassen hatte, und warf das inzwischen erkaltete Stofftier in die Mikrowelle. Die Zeit, die der Hase brauchte um warm zu werden nutzte sie um sich selbst etwas trockenes an zu ziehen, warf dabei immer wieder einen prüfenden Blick ins Wohnzimmer und lauschte nach eventuellen weiteren Hustenanfällen. Wenn es sich bis zum Morgen nicht besserte, dann würde sie die Frau wohl oder übel ins Krankenhaus fahren müssen, ob es ihr nun passte oder nicht. Jetzt war es nicht so, als ob sie sich großartig wehren konnte, doch man sollte ihr nicht nachsagen, dass sie ein schlechter Top Star war. Sie seufzte.

„Einmal und nie wieder“, murmelte sie zu sich, rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch trocken und legte es um ihre Schultern als die Mikrowelle leise piepte. Kaum aus dem Gerät fühlte sie die Hitze des Stoffhasens und sie ging mit dem Tier im Arm wieder zu Sena, hockte sich vor sie. Die Wärme würde ihrer gereizten Lunge sicherlich gut tun. Vorsichtig hob sie den Arm der anderen nochmals an, platzierte Harvey in den Armen der Jüngeren, die wohl instinktiv nach der Wärmequelle griff, und zog schlussendlich die Decke bis über ihre Schultern. Vorsichtig legte sie die Finger an die überhitzte Stirn. Wieder hatte sie Recht gehabt, denn das Fieber der anderen war durchaus bedenklich. Schon kurz darauf schien sich die andere etwas mehr zu entspannen und ein zu schlafen. Vielleicht erholte sie sich ja bis zum nächsten Tag. Sie selbst würde von Erholung wohl nicht viel merken. Jetzt wo sie Sena so sah fing auch ihr Körper an nach Ruhe zu schreien und Saeko rieb sich die Augen. Es wurde Zeit, dass auch sie ins Bett ging, doch konnte sie Sena so einfach alleine liegen lassen? Bevor sie sich darüber Gedanken machte verfrachtete sie die nasse Kleidung jedoch einfach ins Bad, warf alles zusammen ungeachtet in die Badewanne. Sie hatte keine große Lust mehr zu trocknen. Stattdessen ging sie erneut ins Schlafzimmer, nahm die zweite Decke und das Kissen, schliff beides zurück ins Wohnzimmer. Die zweite Couch die sie besaß, war um einiges kleiner und ihre Füße würden sicherlich darüber ragen sobald sie eingeschlafen war, doch es würde für eine Nacht reichen. Falls es der anderen besser gehen sollte würde sie die junge Frau einfach rauswerfen. Sie seufzte etwas, krabbelte auf die kleine Couch und rollte sich dort unter der Decke ein, kuschelte den Kopf in das weiche Kissen und schloss die Augen. Ihr Körper dankte es indem sie sich nicht großartig drehen musste, sondern recht schnell in den Schlaf abglitt.

White King, White Bishop - Black King, Black Knight: Sixth Sickness

Noch immer etwas neben der Spur stand Osa in ihrer Wohnung, starrte auf die Tür, die Asako gerade hinter sich gelassen hatte. War das gerade tatsächlich passiert? Sie hatte gewusst, dass der Tag irgendwann kommen würde an dem sie ihre beste Freundin zurückweisen musste, aber sie hatte nicht geglaubt, dass er schon so bald da war. Die Ältere war sich der ganz offensichtlichen Gefühle der Jüngeren durchaus bewusst, doch dass ihre weiße Königin tatsächlich den Mut aufgebracht hatte diese auch preis zu geben hatte sie dann doch sehr aus der Bahn geworfen. Schon ein paar Mal hatte sie sich etwas zurechtgelegt, was sie in dieser Situation sagen würde, Asako's derart ausladende Reaktion hatte sie aber nicht mit einberechnet. Der weiße König setzte sich auf die Couch, lies das Gespräch nochmals Revue passieren. War sie zu hart gewesen? Dann jedoch war Osa immer für ihre sehr direkte und ehrliche Art bekannt gewesen. Sie wollte keine Beziehung zu Asako, nicht die Art die sich die Jüngere wohl wünschte doch verlieren oder gar verletzen wollte sie die andere dann auch wieder nicht. Die junge Frau musste wie eine Blume gepflegt und gehütet werden, sonst würde sie daran zugrunde gehen. Schon an dem Tag, an dem sie ihre Freundin zusammengesunken, weinend und schluchzend unter diesem Baum vorgefunden hatte, stand ihr Beschluss sich ihrer an zu nehmen bis sie auf eigenen Füßen stehen konnte. Nicht karrieretechnisch, denn Asako konnte sich durchaus gegen Konkurenz zur Wehr setzen, eher emotional. Trotz der Versetzung nach Tsukigumi war die Jüngere immer noch von ihr abhängig, ob sie sich dessen bewusst war oder nicht. Das wollte Osa jedoch nicht, doch sehr gefördert hatte der Hanagumi-Star die Unabhängigkeit ihres ehemaligen Vice nicht. Sie hatte die andere eher noch mehr von sich abhängig gemacht mit dem, was vor Monaten, wenn nicht Jahren nach einer Premiere im alkoholisiertem Zustand geschehen war. Damals waren Osa und Asako, schon ziemlich betrunken, früher von der After-Show-Party abgehauen, hatten sich in Osa's damals noch kleinere Wohnung in der Nähe von Asako's nieder gelassen und dort ein wenig für sich weiter gefeiert. Irgendwann im Verlauf des Abends saßen die zwei Hanagumidarstellerinnen nebeneinander hinter der Couch auf dem Boden, Asako mit einem halb geleertem Cocktail in der Hand und Osa's wirre Gedanken hatten sich gefragt ob sie nicht doch etwas für ihre beste Freundin empfand. Für sie hatte es nur eine Möglichkeit gegeben das heraus zu finden. Asako selbst hatte diese Geste, diese Neugier, die zu dem Kuss geführt hatte doch etwas falsch aufgefasst.

Osa seufzte. An der ganzen Situation war sie allein Schuld. Aus Scherz flirtete sie oft mit ihrer Freundin, war strunzehrlich wenn ihr ein Outfit der Jüngeren gefiel oder wenn sie stolz auf sie war. Damit hatte sie in Asako wohl falsche Hoffnungen geweckt. Kurzerhand griff der Hanagumi-Star nach dem Telefon. Wie viel Zeit vergangen war seit die Jüngere aus der Wohnung gestürmt war wusste sie nicht, doch inzwischen war es stockduster. Es konnten genausogut Stunden als auch nur wenige Minuten sein. Sie wählte eine nur allzu bekannte Nummer.

„Komu?“, fragte sie als ihr ein sehr müdes Stöhnen aus dem Hörer entgegenschlug.

„Warum weckst du mich bitte um die Uhrzeit, Osa?“

„Ich hab dich geweckt? Ist Asako nicht bei dir?“

„Nein was soll sie auch hier? Ich dachte sie ist bei dir.“ Osa schwieg und Komu schnaubte etwas genervt. „Was ist passiert?“

„Kann ich dir das ein andermal erklären? Wenn sie bei dir auftaucht, bitte ruf mich an.“

„...Na gut. Aber spätestens morgen verlange ich eine Erklärung.“

Ohne weitere Worte legte Komu einfach auf und Osa erhob sich von ihrem Platz. Die Nervosität stieg in ihr hoch, denn normalerweise war Komu Asako's allererste Anlaufstelle wenn es ihr schlecht ging und Osa aus dem Weg ging. Hastig tiegerte der Hanagumi-Star durch ihre Wohnung während sie die zweite Nummer tippte, die ihr in den Sinn kam. Wenn Asa dort nicht war, dann wusste sie auch nicht weiter. Sie musste zwei Mal anklingeln ehe Mizu endlich den Hörer abnahm.

„Du gönnst einem aber auch keinen Schlaf, oder?“, kam es mehr als genervt vom anderen Ende. Die Soragumi-Darstellerin wurde immer so grantig wenn man sie weckte.

„Tut mir auch wirklich leid. Aber wenn ich dich geweckt habe gehe ich nicht davon aus, dass Asako bei dir ist, oder?“

„Nein. Ich dachte sie wäre bei dir.“

„Falls sie bei dir aufkreuzen sollte sag mir bitte Bescheid.“

„Wieso? Osa was ist passiert?“

„Chika ein andermal...“

„Wag es nicht jetzt einfach auf zu legen und sag mir was passiert ist. Ich dachte ihr wolltet einen DVD Abend machen.“

Osa seufzte schwer. So gern sie Mizu auch hatte, die andere war manchmal ziemlich aufdringlich. Wenn sie nicht sagte, dann würde ihre Freundin in spätestens fünf Minuten vor ihrer Tür stehen, egal wie müde sie war.

„Wir haben uns gestritten. Sie ist aus der Wohnung abgehauen.“

„Und bei Komu ist sie nicht?“

„Da hab ich doch zuerst angerufen.“

„Dann hat sie sich bestimmt in ihrem Zimmer eingesperrt. Das hat sie das letzte Mal auch gemacht.“

Ein wenig schnaubte der Hanagumi-Star in den Hörer. Streit konnte ihre Freundin eigentlich ganz gut ab, es sei denn Osa stutzte sie zurecht.

„Ja schon...“

„Jetzt hör mal“, unterbrach sie ihre Freundin. „Ihr geht’s bestimmt gut. Lass sie erst mal in Ruhe und lass sie sich ein wenig ausheulen. Morgen schneist du nochmal bei ihr vorbei und dann könnt ihr in Ruhe reden.“

Osa fuhr sich durch die Haare. Vielleicht hatte die andere Recht.

„Wahrscheinlich. Halt trotzdem mal Augen und Ohren offen. Ich will nicht, dass ihr was passiert.“

„Wollen wir doch alle nicht. Wenn du Komu wirklich schon angerufen hast wird sie sowieso die ganze Nacht kein Auge zu bekommen. Hast du mal bei Kashi nachgefragt?“

„Nein. Ich hab ihre Nummer nicht.“

„Dann mach ich das mal. Vielleicht ist Asa bei ihr. Da oder bei ihrer neuen Freundin. Wie hieß sie noch? Kiriya?“

„Die kenne ich genauso wenig wie Kashi. Du weist, dass ich nicht wirklich Kontakte zu Tsukigumi habe.“

„Ich dachte du und Ayaki seid ganz gute Bekannte?“

„Saeko hatte doch heute das Photoshooting. Desshalb war Asako doch bei mir. Ich bezweifle, dass sie schon zuhause ist und wenn, dann wird sie wohl im Bett liegen.“

„Dann ruf sie halt morgen an. Asa wird wohl spätestens beim Training wieder auftauchen.“

„Das hoffe ich.“

Das hoffte sie sogar sehr.
 

Mit der Nase im Script hockte die Tsukigumi-Darstellerin an der Heizung, lehnte sich mit dem Rücken daran und genoss etwas die Wärme. Irgendwie war es heute noch kälter als sonst und Kiriyan fror sich nach allen Regeln der Kunst den Hintern ab. Dabei hatte sie sich schon auf ihre Jacke gesetzt, doch der kalte Boden tat seinen Teil. Eigentlich wollten sie sich alle aufwärmen, doch ihr Top Star, warum auch immer, war noch immer nicht da. Saeko war normalerweise eine der ersten, die den Raum betraten, machte sich mit den Schauspielerinnen meist schonmal warm, auch wenn die Direktoren noch nicht da waren oder noch mit ihren eigenen Unterlagen beschäftigt waren.

„Ich wette trotzdem sie hat verschlafen“, sagte sie zu Yuuhi, die neben ihr saß und ebenso versuchte die Kälte etwas zu überbrücken. Die schmalen Heizungskörper waren voll besetzt von den Schauspielerinnen und diejenigen, die keinen so begehrten Platz abbekommen hatten hüpften oder liefen durch den Saal. Wer auch immer über Nacht die Heizungen abgestellt hatte war ein absoluter Volltrottel gewesen.

„Sie wird schon ihre Gründe haben. Nach dem Shooting gestern hat sie immerhin auch noch was auf zu holen. Sena ist immerhin auch noch nicht da“, meinte die Otokoyaku neben ihr und Kiriyans Blick wanderte durch den Raum. Sie erkannte Kashi, die noch immer versuchte sich einigermaßen warm zu halten, dick eingepackt in ihre Winterjacke und mit einem flauschig, weißem Schal. Selbst der Abstand zum Boden durch die Absätze verhinderten die kalten Füße aber nicht. Die junge Otokoyaku sah auf als noch jemand den Raum betrat, nicht minder eingepackt. Wenn man vom Teufel sprach. Zwar gab Kiriyan ihren Platz an der Heizung nicht sonderlich gerne auf, aber als sie sah, wie auch Kashi in Asako's Richtung lief erhob sie sich mit knirschenden Knochen, wie war wohl etwas eingefroren, und lief zu der jungen Vice.

„Morgen Asako“, sagte sie fröhlich, erntete aber nur ein leises Brummen von der anderen. Sie war bis zu den Ohren in einen gestreiften Schal gewickelt und wirkte allgemein etwas blass. Obendrein leicht steif in der Art und Weise wie sie sich bewegte. „Ist alles okay bei dir? Wie war der Abend bei Osa?“

Keine Antwort.

„Ich glaube du wirst krank“, ergänzte Kashi nur, doch Asako starrte etwas gedankenverloren auf ihre Tasche. „Hallo? Guten Morgen!“

Der Vice schreckte hoch als Kiriyan sie an der Schulter berührte, doch schüttelte dann leicht den Kopf.

„Mir geht’s gut“, murmelte sie nur leise, doch ihre Stimme kratzte ziemlich. „Ich hab mir nur einen Zug geholt. Das gibt sich wieder.“

„Bist du sicher? Du wirkst ziemlich blass.“ Kiriyan wollte die Stirn ihrer Freundin fühlen, überprüfen, ob sie nicht eventuell Fieber hatte, doch Asako schob ihre Hand beiseite ehe es dazu kam.

„Ich sagte es geht schon.“

Der leicht wütende Tonfall lies die zwei Freunde verstummen und Kiriyan warf einen flüchtigen Blick zu Kashi, die nur kurz mit den Schultern zuckte und Kiriyan seufzte etwas. Zwar kannte sie Asako noch nicht so lange, aber der Vice war manchmal wirklich stur. Der Blick der kleineren Frau fiel auf die Tasche, aus der etwas lilafarbener Stoff herausblitzte.

„Was hast du denn bitte da mitgebracht? Noch mehr Klamotten fürs Training?“

„Nein“, erwiederte die andere etwas schneller kaum, dass Kiriyan den Satz zuende geführt hatte. „Ein Pullover. Falls mir kalt wird. Das Wetter heute ist echt mies.“

„Wem sagst du das?“ Kiriyan warf einen Blick über die Schulter. Ihr Platz an der Heizung war schon wieder besetzt.
 

Kaum dass Kiriyan sich erhoben hatte pflanzte sich Micchan an deren Stelle neben Yuuhi, bibberte leicht vor sich hin und kuschelte sich etwas weiter in den wohl etwas dünn geratenen Mantel. Das Wetter hatte die Shinko eindeutig unterschätzt. Dabei war ihr auf dem Weg zum Probenraum nicht einmal so sonderlich kalt gewesen aber das Nichtstun kühlte sie nur noch weiter aus. So sonderlich wild direkt neben der besten Freundin Saekos zu sitzen war sie nicht, jedoch war die Verlockung sich an der Heizung etwas auf zu wärmen doch verlockender. Sie konnte mit ihrer Vorgesetzten arbeiten, doch sie unterhielten sich nicht sonderlich oft, wesshalb ein 'Guten Morgen' oder jegliche andere Konversation zunächst ausblieb. Das hieß bis die Shinko das Gespräch von Kei, Kiriya und Sena mitbekam. Sie hörte sie nicht, aber so, wie sich die Vice verhielt kränkelte sie wohl etwas rum.

„Saeko reist ihr doch den Kopf ab wenn sie hier krank rumspringt“, meinte Micchan nebensächlich und Yuuhi blickte kurz zu ihr ehe sie von ihrem Script aufsah und dem Blick der Shinko folgte. Diese sah dann doch zu ihrer Vorgesetzten. „Wo bleibt unser Star eigentlich?“

Für ein paar Sekunden schwieg die andere, entschied sich dann doch zu antworten.

„Keine Ahnung. Sie dürfte aber gleich kommen.“ Yuuhi warf einen Blick auf die Uhr. „Wenn sie in fünf Minuten nicht da ist rufe ich mal an.“

Micchan seufzte etwas für sich, sah sich im Raum um. Dass Saeko noch nicht da war schien Yuuhi weniger zu beunruhigen als sie selbst. Saeko kam nie zu spät, wenn es nichts ernstes war. Statt sich weiter darum Gedanken zu machen sah sie zu der kleinen Dreiergruppe. Sena hatte inzwischen ihre Sachen etwas weiter von der Tür weg zwischen die von Kiriya und Kei gestellt, wobei die Vice merklich dem Blick ihrer Freunde auswich. Selbst so dick eingepackt und mit dem gestreift-grüem Schal konnte die Shinko auf die Entfernung sehen, dass es dem Vice nicht gut ging. Bissher hatte sie noch kein wirkliches Wort mit der Frau gewechselt, dennoch hieß das nicht, dass ihr das Verhalten ihrer Vorgesetzten nicht aufgefallen war. Obendrein hätte sie entweder taub oder blind sein müssen um nicht zu sehen, wie sie sich ständig mit Saeko zoffte, dass die Fetzen flogen. Dass Top Star und Vice sich derartig hassten war ihr neu. Normalerweise verstanden sich die Frauen in den Positionen immer ganz gut soweit sie das mitbekommen hatte bei ihrer doch noch recht kurzen Zeit bei Takarazuka, das, oder sie konnten zumindest neutral miteinander arbeiten. Auch wenn sie sich untereinander nicht alle lieben mussten, so mussten sie zumindest so weit miteinander arbeiten können dass eine gute Show dabei rauskam.

Kaum, dass die Shinko den Gedanken zuende geführt hatte kam Saeko durch den Haupteingang direkt nach dem Direktor in den Probenraum gestolpert, sah etwas durch den Wind aus, war nur notdürftig geschminkt und ihre Haare waren ebenso nur flüchtig gemacht. Micchan sah für einen Moment zu Yuuhi, die genauso irritiert schien wie sie selbst und die zwei standen auf und die Shinko folgte ihrer Vorgesetzten auf dem Fuße zu dem Top Star.

„Warum bist du so spät, Saeko?“, fragte Yuuhi und blinzelte verwirrt. „Ist was passiert?“

„Ich... bin aufgehalten worden. Musste telefonieren“, stammelte der Top Star nur, rieb sich die Schläfen und stellte ihre Tasche auf ihrem Platz in der Ecke des Raumes ab, direkt neben dem Klavier. Als sie sich aufrichtete sah sie sich ausgiebig im Raum um.

„Suchst du wen?“ Die Shinko stellte sich zu Saeko, versuchte dem Blick der anderen zu folgen, doch sie kam nicht ganz drauf wen sie wohl suchte. Dazu waren einfach zu viele Menschen im Raum. Erst als Saeko sich an die Stirn fasste, erleichtert seufzte und die Schultern etwas fallen lies sahen ihre beiden Freunde wieder zu ihr. „Jetzt sag schon. Was ist los?“

„Nichts“, kam es nur knapp von dem Top Star. Yuuhi und der Shinko blieb nichts anderes übrig als es so hin zu nehmen. „Na gut. Machen wir uns warm und teilen die Gruppen ein.“

Yuuhi neben ihr hob erstaunt die Augenbraue.

„Einteilen? Neu oder wie? Wir sind doch schon eingeteilt.“

„Wir machen eine Neueinteilung für heute und für den Rest der Woche.“

„Na du bist der Boss.“
 

Kiriyan konnte dem Vice nur stirnrunzelnd dabei zusehen, wie sie sich beim Aufwärmtraining abquälte und die jüngere befürchtete, dass ihre Freundin jeden Augenblick zusammenklappen könnte. Mal ganz davon abgesehen dass die andere kaum aufrecht stehen konnte fing sie immer wieder an in den Schal zu husten, was gerade wegen dieser Geste kaum jemand mitbekam. Der weiße Bischof nahm sich vor diesbezüglich mal zu Saeko zu gehen, die dann doch endlich eingetroffen war, auch, wenn sie etwas durch den Wind wirkte. Vielleicht hatte sie wieder mal Nachts gearbeitet. Dazu tendierte der Tsukigumi-Star in letzter Zeit häufig. Immer wieder versuchte Kiriyan, wobei sich Kashi auch nach sehr kurzer Zeit anschloss, Asako dazu zu bringen sich zumindest eine Weile hin zu setzen wenn sie schon nicht nach Hause gehen wollte.

„Ich werd aus ihr nicht schlau“, sagte das weiße Pferd, als sie und Kiriyan zusammen in eine Gruppe eingeteilt worden waren. Zwar sollte Kiriyan bei den Shinkos aushelfen, aber Saeko hatte ihr aufgetragen ein wenig die Gruppe von Kashi zu überwachen.

„Ich auch nicht. Und mir hällt sie noch einen Vortrag dass ich hier mit einem Schnupfen nichts verloren habe.“

„Es scheint ihr wohl seit gestern Abend nicht gut zu gehen. Mizu hat bei mir angerufen ob sie bei mir eingetrudelt wäre.“

„War sie gestern nicht bei Osa?“

Kashi zuckte nur fragend die Schultern. Abermals fiel Kiriyan auf wie ausgewechselt die Tsukigumi-Vice im Vergleich zum Vortag war, aber sie schob es auf ihre Krankheit. Als Saeko die Gruppen eingeteilt hatte stellte sich der Top Star nach vorne, schickte die einzelnen Gruppen entweder in Parallelräume oder in jeweils eine Ecke des Raumes. Dann erst fiel dem weißen Bischof auf, dass Asako verwirrt in der Gegend herumblickte während sie noch immer uneingeteilt auf der Bank saß. Kurz darauf erhob sich die Tsukigumi-Vice und machte sich auf den Weg zu Saeko.

„Oh weh“, murmelte Yuuhi, die ebenfalls in ihrer Gruppe eingeteilt war, und die Schauspielerinnen im Raum dämpften etwas wieder ihre Stimmen. Schonn wieder drohten die Giganten aufeinander zu krachen.

„Uhm Ayaki? Wieso bin ich nicht eingeteilt?“, fragte Asako. Da die beiden Köpfe der Troupe nicht sonderlich weit von ihnen entfernt standen war es leicht sie zu verstehen.

„Weil du heute hier sowieso nichts verloren hast.“ Saeko klang patziger, als sie es vielleicht gemeint hatte, oder sie hatte wirklich einfach nur etwas gegen Asako. „Geh nach Hause. Ich kann dich so nicht gebrauchen.“

„Ich hab hier genauso Arbeit zu erledigen wie du!“, kam es nur von dem Tsukigumi-Vice, doch ihre Stimme fiel vergleichsweise erbärmlich aus.

„In deinem Zustand? Bring mich nicht zum lachen. Du hällst uns höchstens noch weiter auf als du es sowieso schon getan hast, Prinzessin.“

„Das ist gar nicht...“

Saeko schnitt ihr das Wort ab indem sie ihrem Vice einfach den Rücken zudrehte und ins Script starrte.

„Komm erst wieder wenn du gerade stehen kannst und dich richtig mit mir streiten kannst. So kann ich dich nicht ernstnehmen. Höchstens auslachen.“

Erneut holte Asako Luft um etwas zuerwiedern, wobei der Schal dabei über ihr Kinn rutschte, doch sie ballte dann nur die Hände zu Fäusten und stampfte frustriert auf, zog sich geschlagen zu ihrem Platz zurück. Kiriyan blinzelte. Das war neu. Normalerweise zogen entweder Kashi oder sie Asako von Saeko weg, doch bissher hatte Saeko noch nie so offensichtlich das letzte Wort gehabt. Mal ganz davon abgesehen, dass Asako sich damit das erste mal untergeordnet hatte und das vor allen anderen. Irritiert sah sie dabei zu, wie Saeko, noch immer in ihr Script stehend, zu einer anderen Gruppe ging um mit ihnen zu üben, wie Asako ihre Sachen packte, sonderlich viel ausgezogen hatte sie sich ja nicht, und wahrscheinlich zu sich selbst fluchend aus dem Raum stürmte. Dabei schwankte sie noch immer verächtlich. Kashi neben ihr runzelte leicht die Stirn.

„Hatte sie nicht noch einen Pulli dabei?“
 

„Du warst jetzt schon die ganze Woche nicht hier, Saeko. Ich weis, dass ihr im Stress seid, aber ich will dich auch mal wieder zu Gesicht bekommen. Sogar Yuuhi ist öfter hier als du.“

„Wataru es ist grade wirklich schwierig...“

„Das weis ich doch. Es muss ja nicht lange sein. Ich will nur sehen, dass du noch lebst.“

Schweigen am anderen Ende, gefolgt von einem Seufzen.

„Na gut. Ich komme nach dem Training mit Yuuhi und Micchan vorbei.“

Wataru legte auf, sah noch immer etwas irritiert auf ihr Handy. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass ihre schwarze Königin irgendetwas bedrückte. Das ging schon so, seid ihre Freundin vor etwas über einer Woche das Fotoshooting hatte. Seither bekam sie den Tsukigumi-Star kaum noch zu Gesicht, dabei hasste der Tsukigumi-Star es alleine zu sein. Micchan hatte ihr erzählt, dass Saeko immer noch sehr lange nach dem Training blieb und von Yuuhi wusste sie, dass sie zuerst immer alle anderen wegschickte bevor sie selbst ging. Als Top Star vorbildlich, denn Saeko war gewöhnlicherweise die Erste, die den Probenraum betrat, doch bedenklich, wenn man sie als Mensch sah. Der schwarze König wusste genau, dass ihre Königin nur so viel arbeitete, wenn sie etwas bedrückte. Was, das wollte Saeko ihr nicht sagen. An dem Fotoshooting selbst konnte es nicht gelegen haben, denn Wao und Mari hatten noch in aller ausführlichkeit berichtet wie toll es gewesen war und wie gut sie vorran gekommen waren.

„Und? Was hat sie gesagt?“

Beni, die vor dem Raum, in dem Wataru noch telefoniert hatte, Schmiere gestanden hatte sah auf, als ihr Top Star den Raum verlies und etwas stirnrunzelnd dreinsah.

„Sie kommt vorbei, aber irgendwas stimmt mit ihr nicht.“

Die jüngere Hoshigumi-Darstellerin fuhr sich durch die kurzen Haare, hob eine Augenbraue und streckte sich während sie und Wataru sich auf den Weg zurück in ihren Probenraum machten.

„Dabei sollte es ihr doch eigentlich super gehen.“

Der schwarze König wurde aufmerksam und sah zu ihrem Turm.

„Was? Wieso?“

„Yuuhi hat erzählt, dass Sena sich wohl langsam damit abgefunden hat, dass Saeko den Ton angibt. Die Streitereien haben sich angeblich auf ein Minimum reduziert.“

„Hm...“

Wataru betrat zusammen mit Beni wieder den Probenraum, wo ihre Troupe sich eine wohlverdiente Pause gönnte. Wenigstens sie hatte ihre Troupe im Griff. Ihr Vice machte ihr keinerlei Probleme, im Gegenteil. Sie waren sogar ganz gute Freunde, wenn auch nicht so enge wie Beni, Yuuhi oder Micchan. Von Wao und Mari mal ganz abgesehen. Von den beiden Soragumi-Top Stars hatte sie auch gehört, dass es Ärger bei dem Hanagumi-Königspärchen geben sollte, was vielleicht erklärte, wieso Sena so ruhig war. Sie würde Saeko mal darauf ansprechen müssen.
 

Micchan konnte nur dabei zusehen, wie ihr Top Star leise seufzend das Handy beiseite legte und den Kopf leicht in den Nacken legte. Die ganzen letzten Tage war Saeko irgendwie merkwürdig. Sie schien noch müder als sonst, hatte sich obendrein einen leichten Schnupfen eingefangen. Sie schien glücklicherweise aber nicht ganz so übel gelaunt wie sonst, was wohl mehr oder minder daran lag, dass Sena in der ganzen letzten Woche so gut wie gar keine Probleme gemacht hatte. Wieso die Laune ihrer Freundin dennoch so tief war konnte ihr auch Yuuhi nicht erklären nachdem sich die Shinko mal dazu durchgerungen hatte die andere zu fragen. Sena selbst konnte sie ja schlecht fragen, denn die andere würde wohl kein Wort mit ihr wechseln. In den ersten zwei oder drei Tagen nach Saeko's Fotoshooting hatte der Top Star ihren Vice ständig nach Hause geschickt, aus gutem Grund. Sena war sichtlich krank obwohl sie sich immer zum Training schleppte und versichte, dass es ihr gut ginge, doch sie schwankte oft. Als es Sena wieder gut genug ging, dass sie am Training teilnehmen konnte ohne Gefahr zu laufen jeden Augenblick um zu kippen, schafften die beiden Köpfe von Tsukigumi es sogar sich zu unterhalten ohne sich gleich zu zerfleischen oder so laut zu werden, dass die ganze Halle mithören konnte. Zwar bekam man hier und da noch einige sehr zerknirschte Antworten von beiden Seiten mit, doch wenn sich zwei Leute so offensichtlich verachteten wie Sena und Saeko es taten, dann war das sowieso kein Wunder und durchaus akzeptabel. Der doch recht schlappe Zustand des Tsukigumi-Stars hielt noch den Rest des Tages an ehe sie, Micchan selbst und Yuuhi sich auf den Weg zu Wataru machten um ihr einen kleinen Besuch ab zu statten. Saeko hatte schon angekündigt, dass sie nicht lange bleiben würde.

„Da seid ihr ja endlich“, meinte Wataru als die drei schlussendlich bei ihr eintrudelten, wobei der Tsukigumi-Star selbst das Schlusslicht bildete, und der Hoshigumi-Star ihre Freundin kurz umarmte.

„Es ging nicht schneller“, meinte Saeko, wobei Micchan das nur nebenbei mitbekam. Sie und Yuuhi traten in die Wohnung ein, Yuuhi setzte sich zu Beni an den kleinen Esstisch, Micchan hingegen zu Wao und Mari, die die Shinko freundlich begrüßten. Es war eine ganze Weile her gewesen, dass die kleine Gruppe so zusammensaß, auch, wenn noch immer eine Figur im schwarzem Satz Spielfiguren fehlte. Doch das andere schwarze Pferd, Micchan war noch immer sehr fasziniert, dass man ihr diese Figur aufgedrückt hatte, lag noch immer mit Grippe in ihrem Bett und kurrierte sich aus.
 

Zwar war Wataru froh, dass ihre Freundin mal wieder bei ihr war und dass sie sich mal wieder mit ihren Freunden treffen konnte, doch so ganz glücklich war sie mit der Stiuation trotzdem nicht. Saeko war fast die ganze Zeit abgelenkt, brachte sich nicht wie üblich in die Gespräche der anderen ein und zog es vor über ihrem Tee am Fenster zu sitzen und nach drausen in den Regen zu starren. Wieso sie das tat war dem Hoshigumi-Star ein absolutes Rätsel, denn es gab kaum etwas, was Saeko so sehr hasste wie den Regen, besonders um diese Jahreszeit, wo der Regen kurz davor stand zum Schnee zu werden. Ob sie schlechte Laune hatte weil sie nicht nach drausen konnte, denn ihre Freundin hatte einen Faible dafür sich auf dem Dach den Nachthimmel an zu sehen wenn es bitterkalt war, oder ob sie einfach nur schlecht gelaunt war wusste sie nicht. In den vergangenen Tagen hatte es hier und da Abends sehr heftig geschüttet. Die Hoshigumi-Darstellerin entschied sich dafür der anderen mal ein wenig den Kopf zu waschen, ging desshalb zu ihr und setzte sich ihr gegenüber auf das Fensterbrett.

„Sag schon. Was ist los mit dir? Du bist sonst nicht so.“

„Mir geht es einfach nicht ganz so prickelnd. Vielleicht werde ich krank“, murmelte die kleinere, wandt dabei aber den Blick nicht von der Fensterscheibe ab. Ihre Stimme klang etwas gedrückt von der leichten Erkältung, die sie sich zugezogen hatte. Wataru folgte ihrem Blick flüchtig, sah aber nichts als die tiefe Schwärze der Nacht.

„Das glaube ich dir nicht. Hör mal, wir sind alle mal wieder zusammen und du sitzt hier und bläst Trübsal.“

„Ich blase kein Trübsal. Mir ist nur einfach nicht nach feiern.“

„Selbst dann warst du noch nie so niedergeschlagen.“ Saeko schwieg, starrte in ihre Teetasse und lehnte sich leicht nach hinten. „Macht dir Sena immer noch Ärger?“

„Nein.“

„Dann erzähl mir endlich was los ist wenn du es schon nicht Yuuhi sagst.“

„Wataru lass es. Es ist kompiziert und ich will nicht darüber sprechen.“ Erneut warf die Tsukigumi-Darstellerin einen flüchtigen Blick nach drausen. Anschließend stellte sie die noch immer volle Teetasse beiseite. „Ich sollte gehen. Ich will mal etwas früher ins Bett und mich ausruhen.“

„Bleib wenigstens noch fünf Minuten.“

Ihre Freundin sah auf, schnaubte leise und fuhr sich durch die Haare. Einige Momente schien sie ernsthaft nach zu denken.

„...Na gut. Ach ja. Wenn ich schonmal da bin: hast du meine Jogginghose noch? Die bräuchte ich wieder?“

„Die blaue?“

„Genau die.“

„Ja aber warum? Du hast doch genug von den Dingern und die war schon immer hier.“

„Ich brauch sie einfach. Hast du sie nun da oder nicht?“

Wataru schwieg einen Augenblick auf den mehr oder minder aggressiv klingenden Tonfall ihrer Freundin. Jetzt war sie der Meinung, dass Saeko definitiv an Schlafmangel litt. Das war zumindest die einzige logische Erklärung. Der Hoshigumi-Star stand auf, ging mit der Tsukigumi-Schauspielerin im Schlepptau ins Schlafzimmer und dort an den Schrank, wo sie die dunkelblaue Hose mit den kleinen Monden an der Hüfte herauszog.

„Danke“, sagte Saeko, wollte gerade nach dem Stoff greifen als Wataru diese wegzog und Saeko leise genervt aufstöhnte. „Wataru was soll das?“

„Küss mich.“

Die Tsukigumi-Darstellerin sah auf, seufzte etwas.

„Wataru...“

„Das ist meine Bedingung, meine schwarze Königin. Als dein König habe ich ein Anrecht darauf.“

Für ein paar Sekunden sah Saeko sie stumm an. Da war etwas in ihren Augen, dass sie nicht so ganz deuten konnte, doch schließlich trat die andere doch an sie heran und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, den Wataru nur zu gern noch verlängert hätte, doch ihre Königin löste sich dafür zu schnell wieder von ihr, hatte ihr dabei die Hose abgeluchst.

„Gute Nacht“, flüsterte die kleinere noch ehe sie Wataru einfach stehen lies und aus dem Schlafzimmer ging. Ohne etwas dagegen tun zu können musste sie dabei zusehen, wie ihre Königin sich von ihr weg bewegte. Ihre Schritte waren nicht groß genug, als dass sie ihr hätte folgen können und aus irgendeinem Grund fühlte sie sich, als ob ihre Königin sich ihr entzog. Irgendetwas hatte sie verändert und Wataru als ihr König hatte fest vor heraus zu finden, ob nicht einer der Bauern die Königin bedrohte.

White Queen, Black Queen: Seventh Sin

Das Erste, was Saeko bemerkte als sie wieder aufwachte waren ihre kalten Füße, wobei sie diese leise stöhnend zurück unter die Decke zog, drückte das Gesicht noch etwas mehr ins Kissen. Noch immer hatte sie keinen Wecker gehört, also musste sie wohl noch Zeit haben, aber besser sie sah mal auf die Uhr. Wenn sie nicht mehr so viel Zeit hatte bis ihr Wecker losging, dann würde es besser sein, wenn sie gleich aufstand. Mit noch immer geschlossenen Augen drehte sie sich auf den Rücken, doch sties auf halbem Wege gegen etwas weiches. Was war denn jetzt schon wieder? Sie schielte zwischen halb zusammengekniffenen Augen hinter sich, sah ein nur allzu bekanntes Muster direkt vor ihrer Nase.

Warum lag sie auf der Couch? Leise gähnend drückte sich der Tsukigumi-Star auf, bibberte etwas aufgrund der plötzlichen Kälte und zog die Decke hoch. Nicht nur, dass sie auf der Couch lag, sie lag auf der kleinen. Was zur...

„Ach ja...“, murmelte sie als sie sich daran erinnerte, wieso sie sich an dem ungewohnten Ort befand. Sie hatte Sena auf dem Weg nach Hause aufgegabelt, in einem mieserablem Zustand und klitschnass obendrein. Saeko rieb sich ausgiebig die Augen, sah zu der gegenüberliegenden Couch.

Leer. Ganz einfach leer. Keine Sena, sondern nur die zurückgeklappte Bettdecke und einen inzwischen wohl kalt gewordenen Harvey. Der Tsukigumi-Star sah sich, auf einmal hellwach, im Wohnzimmer um während sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnten. Nur langsam zog sie sich unter der Decke heraus von der Couch, fiebte dabei kurz als die nackten Füße den kalten Teppich berührten und streckte sich ausgiebig. Vielleicht war sie ja im Badezimmer, denn ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass das Training bald anstand. Jedoch würde sie Sena wohl eher zum Arzt fahren wenn sie nicht wieder im top Zustand war. So wie sie am Vortag geklungen hatte konnte sie noch nicht wirklich wieder auf den Beinen sein. Der Tsukigumi-Star ging aus dem Wohnzimmer zum Bad, klopfte kurz.

„Sena?“, fragte sie bevor sie die nicht abgeschlossene Tür öffnete. Leer. Erneut. Wo konnte die Frau nur sein? So groß war die Top Star-Wohnung nun auch wieder nicht. Dennoch wurde der Top Star etwas nervös. Immerhin wollte sie verhindern, dass ihrem Vice irgendetwas passierte. Wenn jemand herausfand, dass sie die junge Frau mitgenommen hatte ohne sie gleich ins Krankenhaus zu fahren würde das auf sie zurückfallen. Daraus resultierte, dass sie jeden Raum ihrer Wohnung absuchte nur um alle leer vor zu finden. Im Schlafzimmer gab sie schließlich auf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah sich irritiert um. Die nassen Klamotten von Sena waren ebenso weg. War die andere einfach gegangen? Das, oder sie war vom Balkon gesprungen, aber da die Tür noch fest verschlossen war, war das eher unwahrscheinlich. Inzwischen hatte sie nicht wirklich mehr viel Zeit, war eigentlich schon zu spät zum Training, aber das musste jetzt mal warten. Zunächst musste sie irgendwie Sena finden.
 

Noch immer etwas schwankend trat die Tsukigumi-Vice in ihre Wohnung, stieg aus den feuchten Stiefeletten und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, wo sie die nassen Klamotten in die Dusche schmiss. Der Morgen war für sie furchtbar verlaufen. Nicht nur, dass sie in einer völlig fremden Wohnung aufgewacht war, sie hatte furchtbare Kopfschmerzen, ihre Lunge und ihr Hals brannten und kratzten, ihr war schwindelig und eiskalt. Der schlimmste Moment am Morgen war aber gewesen als sie bemerkt hatte, dass sie in Ayaki's Wohnung aufgewacht war, unter ihrer Decke, in ihren Klamotten und mit diesem verdammt peinlichem Plüschtier im Arm. Sie trug noch immer die Klamotten ihres Top Stars, wohl hauptsächlich weil ihre Kleidung noch immer klatschnass war und so nicht tragbar. Glücklicherweise hatte sie es noch geschafft ihren Schlüssel heraus zu fischen, die Kleidung in eine Plastiktüte zu packen, die im Badezimmer gelegen hatte, und war so schnell wie möglich aus der Wohnung geflüchtet. Wie sie schlussendlich zu ihrer Wohnung zurückgefunden hatte war ihr jedoch schleierhaft. Ihr noch immer etwas verschleierter Blick wanderte zu der kleinen Uhr auf ihrem Tisch. Sie hatte gerade noch Zeit um sich um zu ziehen, die Kleidung in eine Tasche zu stopfen und sich auf zum Training zu machen. Sie würde Ayaki den Triumph nicht gönnen und einfach zuhause bleiben. Der Pulli und die Hose waren schnell entfernt und Asako merkte in diesem Moment, dass sie nichts weiter drunter trug ausser dem Slip, welcher noch nicht einmal ihrer war. Sie wurde rot. Hatte Ayaki sie auch noch ausgezogen?

„Das ist doch...GRRR“, fauchte sie leise zu sich, stampfte auf und machte sich noch immer hochrot auf den Weg in ihr Schlafzimmer. Gerade als sie sich einen weiteren Pulli überzog, den zweiten, klingelte das Telefon, doch sie ignorierte es gekonnt. Ihr war nicht nach Sprechen, wobei ihre Stimme sowieso noch nicht so ganz da war. Dennoch war sie kurz darauf auf dem Weg zur Halle, eingepackt in eine dicke Jacke, ihrem Lieblingsschal, ein paar warmen Stiefeln und Ayaki's Klamotten in der Tasche. Sie würde der anderen die Dinger einfach in die Tasche stecken wenn keiner hinsah und damit hatte es sich.

Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie unbemerkt ihren Tag verbringen konnte, am besten ohne Kiriyan und Kashi. So gern sie die beiden auch hatte, sie würden wohl nachfragen, was nur zu noch mehr Kopfschmerzen führen würde. Das Schicksal machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung.

„Morgen Asako“, rief Kiriyan schon auf einige Entfernung, doch Asako brummte nur leise. Sie wollte mit keinem reden. „Ist alles okay bei dir?“ Sah sie so aus? „Wie war der Abend bei Osa.“

Osa... Die Frau hatte sie schon gänzlich aus dem Gedächnis gestrichen gehabt nach dem, was am Vorabend passiert war. Jetzt wo sie so drüber nachdachte wäre sie wohl elendig erforen, wenn der Tsukigumi-Star sie nicht aus dem Regen geholt hätte. Das, oder sie läge mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Vielleicht war sie gar nicht so eingebildet und egoistisch...

„Hallo? Guten Morgen!“

Erschrocken hob sie den Blick von der Tasche, den sie auf den lilanen Pulli gerichtet hatte, den sie in ihrer Eile nicht ganz in die Tasche gepackt hatte. Kiriyan legte die Hand auf ihre Schulter. Asako belies es erst einmal dabei.

„Mir geht’s gut. Ich hab mir nur einen Zug geholt. Das gibt sich wieder.“

Was besseres fiel ihr nicht ein? Sonst war sie doch nicht so unkreativ. Innerlich schlug sich der Vice, war dabei unter den prüfenden Blicken ihrer Freunde.

„Bist du sicher? Du wirkst ziemlich blass.“

Ihre Freundin hob die Hand, wollte wohl testen ob sie Fieber hatte, doch Asako schob die Hand beiseite. Es musste keiner wissen dass sie krank war. So rührend die Fürsorge der anderen auch war, es nervte sie dann doch irgendwo, was auf ihre Stimme schlug. Auch wenn diese noch nicht so ganz da war.

„Ich sagte es geht schon.“

Die beiden Tsukigumi-Schauspielerinnen sahen sich flüchtig an als Kashi den Pulli in ihrer Tasche entdeckte. Asako widerstand dem Drang ihn tiefer rein zu stopfen.

„Was hast du denn bitte da mitgebracht? Noch mehr Klamotten fürs Training?“

„Nein. Ein Pullover.“ Wieder total kreativ. Innerlich schnaubte sie. „Falls mir kalt wird. Das Wetter ist heute echt mies.“
 

Auch bei Sena zuhause ging keiner ans Telefon, wesshalb Saeko nur noch etwas nervöser wurde. Was, wenn ihr tatsächlich etwas passiert war? Verdammt und sie konnte keinen von ihren Freunden anrufen um nach zu fragen, denn das würde sie verraten. Mal ganz davon abgesehen, dass sie keine Nummer von Sena's Freunden hatte. Nochmals warf sie einen Blick auf die Uhr. Sie war schon viel zu spät, wesshalb sie fluchend ins Badezimmer rannte, sich schnell umzog und flüchtig fertig machte ehe sie geradezu zum Trainingsraum rannte. Sie würde Sena den Kopf abreisen wenn diese Frau zum Training kam! Selbst wenn es ihr einigermaßen wieder gut ging, sie hätte wenigstens bleiben können bis sie aufwachte oder sie zumindest wecken können! Wütend, verwirrt, müde und irgendetwas zwischen Sorge und noch mehr Wut trat sie in den Probenraum, wobei sofort Micchan und Yuuhi zu ihr kamen. Die beiden ignorierte sie zunächst, sah sich im Raum nach Sena um.

„Warum bist du so spät, Saeko? Ist was passiert?“

Am liebsten hätte sie die Jüngere angeschrieen, dass es sie nichts anginge, wohl am meisten weil Saeko keine Ausrede hatte, doch sie entschied sich für das Naheliegendste.

„Ich...bin aufgehalten worden. Musste telefonieren.“

Noch während sie ihre Tasche verstaute scannte sie weiter den Raum nach der Vice ab, sah sie schließlich dick eingepackt zwischen den Schauspielerinnen, halb verdeckt durch Kiriyan. Mehr oder minder erleichtert lies sie die Schultern fallen, seufzte schwer. Wenigstens war sie nicht weggelaufen oder schlimmer noch war irgendwo umgekippt. Dennoch würde sie die andere nach Hause schicken, ob es ihr passte oder nicht. Es half keinem wenn sie die halbe Troupe ansteckte da ihnen sowieso schon so viele fehlten.

„Jetzt sag schon. Was ist los?“

„Nichts.“ Sie verschränkte die Arme, sah zu Yuuhi und Micchan. „Na gut. Machen wir uns warm und teilen die Gruppen ein.“
 

Dass allein das Aufwärmtraining so anstrengend sein würde hatte sie Vice nicht erwartet. Sie bekam kaum Luft und es fühlte sich an als ob Messer in ihre Lunge stechen würden. Doch trotz des ständigen Hustens, sie machte das so leise wie möglich obwohl ihre eigene Kehle in ihren Ohren schallte, zwang sie sich durch zu halten. Ihr war ganz und gar nicht nach Training oder etwas in der Richtung. Am liebsten wäre sie zu Osa gegangen, hätte sich in ihr Bett gelegt und sich von ihr umsorgen lassen. Nochmals fühlte sie die Tränen in sich hochsteigen, die sie aber wieder runterkämpfte. Osa würde sie wohl nie mehr sehen wollen. Dass die Gruppen neu eingeteilt wurden kam dem Tsukigumi-Vice auch gerade recht. Vielleicht kam sie so auf etwas Abstand zu Kiriyan und Kashi, die mit den Blicken geradezu an ihr klebten. Doch im Verlauf der Gruppeneinteilung fühlte sie sich merkwürdig ignoriert. Noch mehr als sonst. Obendrein wurde sie nicht eingeteilt. Was sollte das denn schon wieder? Kurzerhand stand die Vice auf, ging zu ihrem Top Star.

„Uhm Ayaki? Wieso bin ich nicht eingeteilt?“

Der Tsukigumi-Star machte sich nicht einmal die Mühe sich zu ihr zu drehen, starrte stattdessen in ihr Script.

„Weil du heute hier sowieso nichts verloren hast. Geh nach Hause. Ich kann dich so nicht gebrauchen.“

Was sollte das schon wieder heißen? Manchmal kam es Asako so vor als ob sie absichtlich einen Streit provozierte.

„Ich habe hier genauso Arbeit zu erledigen wie du!“, fauchte sie nur, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst.

„In deinem Zustand? Bring mich nicht zum lachen. Du hällst uns höchstens noch weiter auf als du es sowieso schon getan hast, Prinzessin.“

„Das ist doch gar nicht...“

Ayaki unterbrach sie indem sie ihr den Rücken zudrehte.

„Komm erst wieder, wenn du wieder gerade stehen kannst und dich richtig mit mir streiten kannst. So kann ich dich nicht ernst nehmen. Höchstens auslachen.“

Nochmals wollte Asako Kontra bieten, doch ihr fiel tatsächlich nichts ein. Schlimmer noch. Ayaki hatte Recht. Sie war der Troupe so keine Hilfe. Sie konnte kaum stehen, singen konnte das Goldkehlchen auch nicht ohne dass es schmerzte und ihr Körper tat weh. Besiegt stampfte sie auf dem Boden auf, ging zu ihrer Tasche. Diese packte sie und noch während sie durch den Raum ging stopfte sie unbemerkt Ayaki's Kleidung in deren Tasche.
 

Bei dem einem Mal war es jedoch nicht geblieben wo Saeko Sena nach Hause schicken musste. Am darauffolgenden Tag stand ihr Vice schon wieder auf der Matte. Ihr schien es ein wenig besser zu gehen, sodass der Top Star sie geradezu aus dem Raum prügeln musste, doch schlussendlich hatte Saeko doch ein Machtwort gesprochen. Noch immer fragte sie sich, wieso Sena so niedergeschlagen war, sie konnte ja schlecht fragen, aber es schien sich in ihrer Gesundheit wieder zu spiegeln. Am Abend drei Tage später hockte Saeko in ihrer Wohung, saß in ihrem Sessel und hatte ein Buch im Schoß liegen. So wirklich konzentrieren konnte sie sich darauf aber nicht. Der Regen prasselte schon wieder gegen ihre Fenster und sie wurde irgendwie davon abgelenkt. Schon wieder waren ihre Gedanken bei der Nacht drei Tage zuvor. Es ging ihr nicht aus dem Kopf. Wieso hatte Sena unter diesem Baum gesessen? Auch noch so spärlich bekleidet. Sena war ihr immer so stark vorgekommen, frech, aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Irgendetwas machte ihr gehörig zu schaffen. Saeko starrte nach drausen. Wenn sie einmal raus gegangen war, was hinderte sie daran es nochmal zu tun?

„Das ist doch Unsinn“, murmelte der Top Star zu sich, schüttelte den Kopf und stand auf, ging in die Küche und machte einen Tee, doch noch ehe sie das Wasser aufgesetzt hatte schnaubte sie. Sie würde es sich nicht verzeihen wenn Sena nochmal auf diese dumme Idee kam. Vielleicht bekam sie dann auch mal etwas aus der Jüngeren heraus. Saeko trat gegen die Tür eines Schrankes, lies das Wasser einfach sein und ging aus der Küche, hatte sich schnell die Stiefel angezogen, ebenso wie eine Jacke und schnappte sich den nächstbesten Regenschirm. Eigentlich war es total unsinnig, geradezu hirnrissig, aber sie war sich sicher, dass sie keinen Schlaf finden würde wenn sie nicht klarstellte, dass Sena nicht schon wieder unter diesem Baum hockte und sich den Tod holte. Verdammte Prinzessin. Es war keiner in den Gängen, bei den Graden wahrscheinlich alle auf ihren Zimmern unter den warmen Decken und hier war sie, im Hechtschritt durch die Vorhalle zum Dorm laufend und nach drausen, wo es nicht nur bitterkalt war, sondern auch noch regnete wie aus einer Gießkanne. Dann aber hatte Saeko schon wieder vergessen wo sie Sena aufgegabelt hatte, sah sich desshalb um, aber konnte gerade wegen der Dunkelheit nichts erkennen. Langsam kehrte die Erinnerung dann doch zurück, insbesondere als sie tatsächlich jemanden an einen Baum gelehnt stehen sah. Saeko verfluchte sich, dass ihre Intuition manchmal so gut war. Langsam trat sie durch den Matsch, blieb vor Sena stehen, die etwas den Kopf hob. Sie war nicht mehr ganz so blass und sie hatte dieses Mal wenigstens eine Jacke an, aber sie war dennoch klitschnass, sodass ein paar Tropfen von ihren Haarspitzen und ihrem Kinn fielen, der Schal und ihre Kleidung an ihr klebten.

„Darf man fragen, was du schon wieder hier machst? Du bist schon krank genug.“

„Warum interessiert es dich?“

„Es interessiert mich nicht.“

„Dann wärst du nicht hier raus gekommen.“

Touché.

„Es ist für uns beide schlecht wenn man dich hier morgen früh tot auffindet.“ Sena schwieg. „Komm jetzt.“

„Was?“, fragte die andere dann doch irritiert.

„Desshalb bist du doch hier, oder?“

Erneutes Schweigen seitens ihres Vice. Saeko machte einfach auf dem Absatz kehrt, ging wieder Richtung Dorm. Sie sah kurz über die Schulter um zu überprüfen ob Sena ihr auch folgte. Sie tat es.
 

Was hatte Asako nur nach drausen getrieben? Sie hatte keine Ahnung. In einem Moment hatte sie noch am Fenster gesessen, hatte den Rest des Tees getrunken, den sie sich gemacht hatte nachdem Ayaki sie erneut nach Hause geschickt hatte und hing ihren Gedanken nach. Im nächsten hatte sie sich in ihre Klamotten gezwängt, in ihre Stiefel und eine Jacke und war schon auf halben Weg nach drausen gewesen. Unterwegs hatte sie nur kurz gestoppt, hatte mit dem Gedanken gespielt um zu drehen, dennoch war sie nach drausen gegangen, wohl noch immer in der Erwartung, dass Osa vor ihr stehen würde. Letztendendes war es Ayaki, die auf einmal den Regenschirm über sie hielt und den Regen von ihr ab, der sich in erstaunlicher Geschwindigkeit in ihre Kleidung gesogen hatte. Schlimmer noch, sie folgte dieser arroganten Kuh wie ein verlorener Hund. Wieso sie sich von dem Tsukigumi-Star mitnehmen lies war ihr schleierhaft, genau wie der Moment, in dem sie Ayaki's Wohnung betrat. Sie hatte hier nichts verloren. Etwas fehl am Platze blieb sie in der Eingangshalle stehen nachdem der Top Star schon ihre Schuhe, die Jacke und den Schal ausgezogen und den Schirm beiseite gestellt hatte. Diese drehte sich zu ihr um.

„Was ist? Mit Schuhen und tropfender Jacke kommst du mir nicht in die Wohnung.“

„Wieso?“

„Wieso was?“

„Wieso tust du das?“

Die Ältere drehte sich weg, ging in die Wohnung und schnaubte etwas unter ihrem Atem, was sie nicht verstehen konnte. Asako zog daraus, dass sie selbst keine Ahnung hatte, denn immerhin konnten die beiden Frauen sich nicht leiden. Dennoch musste die Vice zugeben, dass diese Art von Aufmerksamkeit irgendwie schmeichelhaft war. Auch wenn sie Ayaki verachtete wie keinen anderen, vielleicht konnte sie sich wenigstens einen Abend umsorgen lassen. Eigentlich war es ihr recht egal, dass es der Top Star war, der sie mitgenommen hatte, ihr Kriterium war eher, dass sie einfach da war. Asako war kein Mensch, der gerne allein blieb, aber auch niemand, der sich gerne unterhielt. Es reichte ihr vollkommen wenn einfach eine andere Person im Raum war. Seufzend fuhr sich die Jüngere durch die nassen Haare, zog die Schuhe von den Füßen und entfernte Jacke und Schal. Erst dann merkte sie, wie sehr die Kleidung an ihrem Körper klebte und sie bibberte leicht.

„Das Bad ist da hinten“, hörte sie den Top Star, der erneut zu ihr sah und dann den Gang hinunter zeigte als Asako den Blick zu ihr richtete. „Geh duschen und dich aufwärmen. Ich leg dir ein paar neue Sachen hin.“

Wortlos tat die Vice so, wie ihr gehießen war, stand keine fünf Minuten später unter der doch beeindruckend großen Dusche, lies sich das heiße Wasser über die Haut laufen und fühlte, wie langsam das Blut zurück in ihre Glieder floss. Und schon wieder fragte sie sich wieso Ayaki sie in ihre Wohnung, in ihr Leben lies. Gut sie waren zusammen in einer Troupe und sie waren nunmal Vice und Top Star, aber das allein konnte nicht der Grund sein, oder? Asako musste sich leider eingestehen, dass es ganz angenehm war die andere um sich zu haben wenn sie nicht gerade von ihr angeschrieen wurde.

Den Gedanken im Hinterkopf, der sie irgendwie verschreckte, stieg sie nach einer Weile aus der Dusche, fand auf dem kleinen Stuhl ein Häufchen Klamotten. Ein schwarzer, weiter Pullover und eine warme Jogginghose, die ihr wahrscheinlich etwas zu groß war, sowie ein paar Socken und Unterwäsche. Die nasse Kleidung hing sie über der Heizung an einen Haken. Bis zum Morgen würden die trocken sein. Kaum aus dem Badezimmer roch sie schon etwas, was sie an Essen erinnerte und auf dem Tisch stand eine kleine Schlüssel. Ayaki selbst saß im Sessel und hatte die Nase in einem Buch, wobei auf der Couch bereits die Decke und das Kissen lagen.

„Die Suppe wird deinen Hals beruhigen bevor es schlimmer wird. Du solltest wirklich aufhören dich raus zu setzen. Der Regen ist nicht gut für dich. Besonders bei dieser Kälte.“

Die Vice sagte nichts, setzte sich nur an den Tisch und begann die Suppe zu verspeißen, die erstaunlicherweise sogar schmeckte. Sie hatte nicht erwartet, dass der Top Star kochen konnte. Sie hatte die Flüssigkeit halb weggelöffelt als der Tsukigumi-Star sich erhob und das Buch auf die Seite legte und zu ihr an den Tisch kam.

„Ich gehe nicht davon aus, dass du vor hast morgen früh hier zu bleiben?“ Die Ältere machte eine Pause und Asako schüttelte den Kopf. Es musste immerhin nicht sein, dass sie jemand eventuell in der Wohnung des Top Stars erwischte. „Dann sehen wir uns beim Training. Ich gehe schlafen.“ Ayaki wollte an ihr vorbei als Asako fast aus Reflex nach dem Handgelenk der anderen griff. Sie wollte nicht alleine im Wohnzimmer bleiben. Generell war sie nie gerne alleine und auch wenn sie sich nicht unterhalten hatten war die blose Anwesenheit der anderen doch angenehm gewesen. Obendrein würde sie nicht schlafen können wenn sie sich alleine im Wohnzimmer in fremder Kleidung unter einer fremden Decke auf einer fremden Couch hin und her rollte. Ayaki sah verwirrt zu ihr hinunter. „Was ist?“

„Bleib.“

„Ich werde nicht nochmal auf der kleinen Couch schlafen.“

„Ich lass dir die große. Aber bitte. Bleib.“

Die Jüngere sprach nur sehr leise, wollte sich die Bitte dann doch noch nicht so ganz eingestehen, aber sie war ihr über die Lippen gekommen ehe sie etwas dagegen hätte tun können. Am liebsten hätte sie sich geschlagen. Erst als der Top Star resigniert die Schultern sacken lies hob sie den Blick zu sah zu der Älteren hoch. Diese warf einen Blick zum Sofa, machte dann auf dem Absatz kehrt und ging wortlos zum großen Sofa, legte sich dort unter die Decke und drehte sich zur Lehne. Dann würde sie sich wohl die dünne Decke nehmen müssen, die am Fußende der kleinen Couch lag. Wenigstens war Ayaki's Wohnung warm genug und die Suppe hatte sie auch ordendlich aufgeheizt. Sie brachte die Schüssel noch in die Küche ehe sie die kleine Couch ansteuerte um sich dann auch schlafen zu legen.

„Jetzt komm schon rüber.“ Die Stimme des Tsukigumi-Stars war etwas gedämpft, da sie gegen das Kissen sprach und für einen Augenblick hatte Asako geglaubt sich verhört zu haben. Kurz darauf sah die Ältere über die Schulter zu ihr. „Die Couch ist breit genug und ich werde dich schon nicht auffressen.“
 

Als Saeko wieder aufwachte fand sie sich wieder alleine auf der Couch vor. Sena war wieder abgehauen bevor sie aufgewacht war. Dennoch hing ihr gerade diese Nacht ziemlich nach, denn mitten in der Nacht, wohl durch einen Donnerschlag oder ähnlichem, war Saeko etwas hochgeschreckt, wurde jedoch durch den Körper in ihren Armen hinuntergedrückt. Sie hatte sich auch nicht die Mühe gemacht Sena von sich runter zu schieben, denn der warme Körper war dann doch ganz angenehm. Sena wurde Nachts geradezu zur Heizung. Doch müde und in einer durchaus bequemen Position dachte sie sich nichts weiter dabei, war nur verwirrt, dass zuletzt Wataru dieses Gefühl bei ihr ausgelöst hatte.

Ein paar Tage später hockte Saeko bei Wataru auf der Fensterbank, fuhr sich leicht abwesend durch die Haare und fixierte den Regen, der drausen aus den tiefschwarzen Wolken fiel. Sie drehte nur etwas den Kopf, sah aber weiterhin nach drausen als die Hoshigumi-Darstellerin auf einmal neben ihr stand.

„Sag schon. Was ist los mit dir? Du bist sonst nicht so.“

Sie hatte doch keine Ahnung. Sena und diese süße, verzückende Art, die sie hatte wenn sonst keiner da war weigerte sich aus ihren Gedanken zu verschwinden.

„Mir geht es einfach nicht ganz so prickelnd. Vielleicht werde ich krank“, sagte sie leise. Durch die Aktion im Regen hatte sie sich eine Erkältung eingefangen und das letzte, was sie wollte, war entgültig heiser zu werden. Dann würden ihr die Chefs den Kopf abreisen.

„Das glaube ich dir nicht. Hör mal, wir sind alle mal wieder zusammen und du sitzt hier und bläst Trübsal.“

„Ich blase kein Trübsal“, maulte sie nur etwas. Wieso ihre Stimmung so schlecht war wusste sie selbst nicht. „Mir ist nur einfach nicht nach feiern.“

„Selbst dann warst du noch nie so niedergeschlagen.“ Saeko entschied sich darauf zunächst nichts zu erwiedern in der Hoffnung, dass Wataru es dabei belassen würde.. „Macht dir Sena immer noch Ärger?“

„Nein.“ Im Gegenteil. Sie war bezaubernd. Zwar krachte es beim Training immer noch ab und an, jedoch war es auf so ein Minimum heruntergefahren worden, dass der Tsukigumi-Star sogar angefangen hatte diese kleinen Kebbeleien zu geniesen. So hatte sie mal einen ebenwürdigen Gegner.

„Dann erzähl mir endlich was los ist wenn du es schon nicht Yuuhi sagst.“

„Wataru lass es. Es ist kompiziert und ich will nicht darüber sprechen.“ Langsam übertrieb es ihre Freundin mit der Fürsorge. Saeko war immerhin eine erwachsene Frau und wusste, wann sie Lust hatte sich mit jemandem zu unterhalten und wann nicht. Ihr Blick wanderte erneut nach drausen. Es regnete wieder wie in Strömen und der Tsukigumi-Star kam nicht darum herum sich zu fragen ob Sena wieder unter dem Baum wartete. Osa würde nicht kommen, so viel war klar, auch wenn die ehemalige Hanagumi-Darstellerin dies vielleicht hoffte. Saeko wusste, dass sie nicht die Wunschgesellschaft der Jüngeren war, aber vielleicht bekam sie endlich mal mehr als zwei Sätze aus der Vice heraus. Noch immer kam sie um die Frage nicht herum wieso Sena sich im Regen nach drausen stellte und neugierig wie sie war wollte sie eine Antwort. Blieb nur die Frage ob die Jüngere jetzt auch wieder drausen war oder ob sie sich gefangen hatte. Es gab nur eine Möglichkeit das raus zu finden. Saeko stellte die Teetasse beiseite. „Ich sollte gehen. Ich will mal etwas früher ins Bett und mich ausruhen.“

Wataru schien da andere Pläne zu haben.

„Bleib wenigstens noch fünf Minuten.“

Manchmal konnte ihre Freundin wirklich aufdringlich sein. So vernarrt sie auch in ihre Freundin war, die Hoshigumi-Darstellerin tendierte zum Klammern. Da fiel ihr ein, dass sie gar nicht mehr genug Kleidung hatte, da das meiste in der Wäsche war oder, zumindest ihre bequeme Kleidung, noch bei Sena war.

„...Na gut. Ach ja. Wenn ich schonmal da bin: hast du meine Jogginghose noch? Die bräuchte ich wieder.“

„Die blaue?“

„Genau die.“

„Ja aber warum? Du hast doch genug von den Dingern und die war schon immer hier.“

„Ich brauch sie einfach. Hast du sie nun da oder nicht?“

Saeko hatte nicht verhindern können einen doch etwas aggressiveren Tonfall ein zu schlagen, doch es schien zu helfen. Einige Sekunden sah Wataru sie stumm an, stand dann auf und die kleinere folgte ihr ins Schlafzimmer, wo Wataru ihr die Hose reichte. Die dunkelblaue Hose mit den kleinen Monden drauf war eine ihrer ältesten und meist geliebten, denn sie hatte diese bekommen als sie in Tsukigumi eingetreten war. Sie stand ein wenig für die Troupe.

„Danke“, sagte Saeko, wollte gerade nach dem Stoff greifen als Wataru diese wegzog und Saeko leise genervt aufstöhnte. „Wataru was soll das?“

„Küss mich.“

Jetzt wurde sie auch noch kitschig. Saeko seufzte leise.

„Wataru...“

„Das ist meine Bedingung, meine schwarze Königin. Als dein König habe ich ein Anrecht darauf.“

Erneut stockte die kleinere. Jetzt fing sie mit dem Spiel schon wieder an. In dem Moment fiel ihr auch etwas ein, was sie flüchtig beim Training mitbekommen hatte. Kiriyan hatte Asa-... Sena 'White Queen', also weiße Königin gerufen. Hieß das, dass die kleine Gruppe, die sich um Sena sammelte, auf dieselbe absurde Idee gekommen waren wie sie? Und wenn sie als schwarze und Sena als weiße Königin bezeichnet wurden, dann stand sie tatsächlich jemand ebenwürdigem gegenüber. Das... musste sie nochmal überdenken. Flüchtig hauchte sie Wataru einen Kuss auf die Lippen, nahm ihr dabei die Hose ab und trat anschliesend einen Schritt zurück.

„Gute Nacht“, kam es simpel von ihr und sie verlies die Wohnung nachdem sie sich auch von den anderen Anwesenden verabschiedet hatte. Sie wusste zwar, dass es vielleicht etwas hart gegenüber Wataru war, aber sie musste erst einmal ihre eigenen Gedanken ordnen bevor sie sich um andere kümmerte. Schnell hatte sie ihre Wohnung erreicht, immerhin musste sie nur einmal quer durchs Stockwerk, warf die Hose durch den Gang auf die Couch, freute sich dabei etwas, dass diese auf der Rückenlehne liegen blieb, und schnappte sich ihren Regenschirm und eine dickere Jacke ehe sie nach unten ging. Der Regen war inzwischen so laut, dass sie fürchtete die dünnen Fenster würden jeden Moment eingeschlagen werden. Sie würde wohl erst Ruhe vor diesem verdammten Regen haben wenn sie sicher stellte, dass Sena nicht wieder unter diesem verfluchtem Baum hockte und wartete, auf was auch immer sie warten mochte. Zu ihrer Verwunderung musste sie nicht einmal nach drausen gehen, denn Sena hockte neben der Eingangstür an die Wand gelehnt, hatte den Kopf vorgelegt und die Augen geschlossen.

„Versuchst du jetzt etwas neues?“, sagte sie nur unterkühlt, blieb vor der anderen stehen und Sena sah zu ihr hoch. Sie war noch völlig trocken, hatte so wie es aussah ihre Schlafklamotten an, die aus einer schwarzen Jogginghose und einem etwas weiterem Sweatshirt bestand. Dabei hatte sie noch diesen komischen, grün gestreiften Schal um den Hals geschlungen und ein paar absolut nicht passende Flauschsocken an den Füßen. „Warum sitzt du hier? Wenn du nicht vor hast raus zu gehen kannst du genausogut in deinem Zimmer bleiben statt mir den Schlaf zu rauben.“

„...Ich wollte raus“, kam es nur etwas leiser, woraufhin die Jüngere den Kopf senkte. Saeko erwartete, dass sie weiter sprach, doch da kam nichts.

„Aber? Wieso tust dus nicht?“

„Du hast gesagt, dass ich nicht mehr raus soll.“

Saeko's harte Miene wich. Da war dieses merkwürdige Pochen wieder. Schon wieder zeigte Sena dieses Gesicht, dass sie vor den anderen verbarg und was sich so in ihr Gedächnis gebrannt hatte. Sie seufzte etwas.

„Ist neu, dass du auf mich hörst.“ Sie beugte sich etwas vor, hielt der Jüngeren die Hand hin. „Komm schon. Ich mach uns was zu Essen.“

Ihr Vice sah etwas irritiert auf, griff nur zögerlich nach ihrer Hand und sie zog die zusammengekauerte Frau auf die Füße. Wenigstens konnte sie aufrecht stehen und war nicht so unterkühlt wie die letzten Male. Sie war sogar ziemlich warm, angenehm. Kurz räusperte sich die Ältere. Was dachte sie da nur schon wieder?

„Komm schon“, meinte sie noch ehe sie mit Sena im Schlepptau, sie merkte erst auf halbem Weg, dass sie ganz vergessen hatte die Hand der anderen los zu lassen, zu ihrer Wohnung.
 

Asako starrte die ganze Zeit auf den Boden, traute sich nicht wirklich die andere an zu sehen. Schon wieder war sie durch den Regen nach unten gelockt worden. Es war wie ein Blackout gewesen und als sie wieder zu sich gekommen war hatte sie die Türklinke zum Eingang des Dorms schon in der Hand gehabt. Wie lange sie so neben der Tür gesessen hatte wusste sie schon nicht mehr, aber sie war froh, dass jemand gekommen war. Dass es schon wieder Ayaki war verwunderte sie zwar, aber so störend wie beim ersten grausigem Erwachen war es bei weitem nicht gewesen. Noch immer hatte sie gehofft, dass es Osa war, die sie mit auf ihr Zimmer nahm, sie umsorgte, pflegte, festhielt, küsste... Asako biss die Zähne aufeinander, errötete etwas. Sie hatte nie in Betracht gezogen, dass Ayaki das tat, was sie sich so sehr von Osa wünschte. Der Hanagumi-Top Star hatte sich zwar oberflächlich mit ihr versöhnt, doch noch immer spürte sie die Distanz, die ihre Freundin zu ihr aufbaute. Doch noch nicht einmal ihr, noch Komu oder Mizu, noch Kiriyan oder Kashi hatte sie erzählt was nach ihrem Streit mit Osa passiert war. Dass sie bei Ayaki aufgewacht war, war ihr höchstpeinlich, obendrein war es so bizarr, dass es schon wieder surreal war. Besonders, wenn man den heftigen Streit bedachte den die beiden an jenem Vormittag noch gehabt hatten. Und jetzt betrat sie schon das dritte Mal die vier Wände des Tsukigumi-Stars. Zuerst fiel ihr Blick auf die scheinbar flüchtig hingeworfene Hose, tiefblau und sie sah einen kleinen Mond darauf aufgestickt. Asako lächelte etwas schief. Und da dachte sie dieser blaue Hase wäre peinlich gewesen. Dafür fiel ihr keine passendere Beschreibung ein als: kitschig. Irgendwie süß. Noch immer in Socken trat der Vice auf den Teppich, setzte sich auf das breite Sofa und sah auf eben jenen blauen Hasen.

„Soll ich dir Harvey warm machen?“

Asako hob irritiert den Kopf.

„Was?“

„Wenn ich ihn in die Mikrowelle stecke, dann hat er die Eigenschaften einer Wärmflasche.“

Die Jüngere konnte nicht anders als daraufhin zu grinsen. Davon hatte sie ja noch nie etwas gehört.

„Ernsthaft?“

„Probier es doch einfach aus. Die Küche ist die erste Tür rechts.“

War das ihr Ernst? Sie lies ihr freien Handlungsspielraum in der Wohnung? Und sei es nur die Mikrowelle. Sie wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau. Doch statt das zu hinterfragen fischte sie nach dem blauen Stofftier, dass merkwürdigerweise ziemlich angenehm roch, und ging damit in den besagten Raum, sah sich in der Küche um. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, denn eine so abgeschlossene Küche kannte sie gar nicht. Selbst zuhause war sie nur die offenen, an den Wohn- beziehungsweise Essbereich angeschlossenen Kochecken gewohnt. Dabei rutschte der Ausschnitt ihres Shirts, der dann doch recht weit war einfach aus bequemlichkeit, über ihre Schulter, aber da er das ständig tat dachte sie nicht weiter drüber nach. Stattdessen ging sie zu der Mikrowelle, stopfte das Stofftier, Harvey, wenn sie sich richtig erinnerte, in den kleinen Raum und stellte den Timer auf zwei Minuten. Das sollte wohl oder übel reichen. Während sie wartete hockte sie sich auf einen kleinen Stuhl, beobachtete den Timer, wie er langsam runterlief. Nebenbei kam sie mit dem Gedanken nicht los, dass Ayaki dann doch gar nicht so schlecht war, wie sie es war der Troupe gegenüber. Der Troupe und insbesondere ihr. Geistesabwesend wippte sie mit den Beinen, wobei ihre Zehen immer wieder den Boden beführten und sie lächelte etwas. Eigentlich war diese Aufmerksamkeit schon irgendwie angenehm. So anders als sie es von ihren Freunden gewohnt war. Das Piepen der Mikrowelle riss sie aus den Gedanken, woraufhin sie den flauschigen Hasen wieder aus der kleinen Kammer zog und erst einmal erstaunt war, dass dieser tatsächlich einiges an Wärme abstrahlte. Obendrein roch dieses Ding wunderbar. Kurzerhand schloss sie das Häschen in die Arme, schnupperte daran und lächelte etwas.
 

Saeko sah nur dabei zu wie sich Sena an Harvey erfreute, schmunzelte dabei etwas. Harvey hatte schon viele glücklich gemacht. Die Jüngere war definitiv süßer, wen sich sonst keiner in der Nähe aufhielt, doch schien sie Saeko noch nicht bemerkt zu haben. Sie nutzte die Gelegenheit etwas um sich ihren Vice genauer an zu sehen. Die weiten Klamotten liesen den schönen Körper, der darunter steckte, nur erahnen und der Top Star errötete etwas dabei wenn sie sich daran erinnerte, wie sich die weiche Haut unter ihren Fingern angefühlt hatte. Inzwischen war es schon so lange her, dass sie es fast vergessen hatte. Der Ausschnitt, der um einiges verrutscht war, gab jedoch eine recht verzückende Schulter frei, ebenso einen schwarzen Träger. Vielleicht trug sie noch ein Hemd darunter, was sie aber schnell verwarf, denn der Träger gehörte eindeutig zu einem Bh. Die Abbinden der Otokoyakus waren hautfarben.

„Ich wusste er würde dir gefallen“, sagte sie dann laut und Sena drehte sich zu ihr, errötete etwas und sah auf den Hasen in ihrem Arm.

„Er ist wirklich warm.“

„Sagte ich doch.“ Die Ältere trat in die Küche. „Was willst du essen?“

„Ich hab nicht wirklich hunger.“

„Tee?“

„Gerne.“

Die Jüngere ging an ihr vorbei wieder ins Wohnzimmer und Saeko machte sich daran einen Tee zu kochen. Sie wusste nicht so ganz was die andere wohl mögen würde, doch sie tippte stark auf Früchtetee.

Wie harmonisch der Abend zwischen den beiden Tsukigumi-Darstellerinnen verlief überraschte Saeko dann aber doch. Während sie den Tee tranken, mit dem Früchtetee hatte sie obendrein Recht behalten, konnte die Ältere sogar ein Lächeln aus der anderen herauskitzeln, welches sie nur automatisch erwiederte. Dabei hielt sie die ganze Zeit Harvey im Arm, schnupperte hier und da an ihm, der Lavendelgeruch war immerhin sehr betörend, und drückte ihn an ihren Oberkörper. Wenigstens hatte die andere den Schal in der Zwischenzeit ausgezogen und Saeko kam nicht drum herum ihr doch recht ausgeprägtes Schlüsselbein zu bestaunen. Dabei lies sie sich von Sena etwas aus ihrer Schulzeit erzählen, wobei sie herausfand, dass Yuuhi und die Jüngere sich sogar näher kannten, sich nach der Schule aber aus den Augen verloren hatten. Kashi kannte sie ebenso aus dieser Zeit. Dennoch wirkte der Tee irgendwann und Saeko fühlte, wie ihre Augenlieder schwer wurden.

„Ich denke ich werde schlafen gehen“, sagte sie und erhob sich von ihrem Platz. Noch etwas unschlüssig hockte ihr Vice auf ihrem Platz, sah auf die Seite und knetete dabei eins von Harvey's Ohren. Den Blick kannte sie schon, aber sie hatte nicht vor, wieder auf der Couch zu bleiben. „Geh doch schonmal vor.“
 

Asako hob verwundert den Blick. Vorgehen? Was meinte sie jetzt schon wieder? Eigentlich hatte die Jüngere damit gerechnet, dass Saeko... Ayaki sie einfach rauswerfen würde sobald diese müde genug war.

„Wohin?“, fragte sie dann doch, drückte den blauen Hasen etwas fester an sich.

„Ins Bett. Ich bleibe nicht nochmal auf der Couch.“

Mit verdattertem Blick sah die Vice ihrem Top Star nach, hockte weiterhin unentschlossen auf der Stelle. Sie wollte mit ihr das Bett teilen? War das ihr ernst? Allerdings würde sie es willkommen heißen mal wieder in einem großen Bett zu schlafen anstelle der provisorischen Matratze auf einem Bettgestell. Die Ältere verschwand ins Badezimmer und erst ein paar Sekunden später erhob Asako sich, ging schwebenden, leisen Schrittes in Richtung Schlafzimmer als ob sie fürchtete jemanden wecken zu können. Sie machte das Licht gar nicht erst an, denn der Mond schien direkt durchs Fenster und erhellte den Raum. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen und die Wolkendecke war aufgerissen. Die Jüngere trat ans Fenster, sah hinaus und genoss etwas die Aussicht. Sie hatte zwar Höhenangst, doch sie sah gern in die Ferne. Nur runter war bei ihr nicht drin. Hinter sich hörte sie, wie Ayaki den Lichtschalter betätigte, wodurch die Wohnung entgültig dunkel wurde, ehe der Tsukigumi-Star den Raum betrat und sich aufs Bett setzte. Die Bettdecke raschelte dabei etwas.

„Sena?“

„Asako“, korregierte die Vice, drehte sich dabei halb zu der anderen und beobachtete sie einen Augenblick. Sie hatte die blaue Hose angezogen, darüber ein weißes Kragenshirt. Sie sah etwas fragend drein. „Das heißt... wenn du mich so nennen willst.“

Ayaki lächelte etwas und im Mondschein hatte diese Frau etwas wahrlich magisches an sich.

„Nur wenn du bei Saeko bleibst.“

Asako lächelte etwas.

„Na gut.“

„Dann hätten wir das ja geklärt. Komm ins Bett.“ Die Tsukigumi-Vice trat ans Bett, zögerte jedoch einen Moment. „Was ist?“

„Ich hab dir nie gedankt, oder? Ohne dich läge ich wohl jetzt im Krankenhaus.“

„Ich wäre ein verdammt schlechter Top Star, wenn ich dich da hätte liegen lassen.“

„Ich möchte dir aber danken. Irgendwie. Ich weis, dass ich mich nicht zusammenreisen kann wenn die anderen dabei sind aber...“

„Komm her.“

Asako hob den Blick von der Bettdecke und zu Saeko, die ihr die Hand entgegen hielt. Beinahe schüchtern griff die Jüngere nach ihrer Hand, wurde kurz darauf von ihrem Top Star aufs Bett gezogen und fand sich halb auf Saeko liegend wieder. Sie errötete und fühlte etwas in sich eine Sekunde aussetzen. Damit hatte sie nicht gerechnet.

„Ich will nur nicht...“, begann die Ältere leise, raunte dabei geradezu in ihr Ohr. „...dass dir etwas passiert. Hör auf im Regen nach drausen zu gehen und komm gleich hierher, wenn dir etwas auf der Seele liegt.“

Fast wie in Trance stützte sich die Jüngere neben Saeko ab, stemmte den Oberkörper etwas hoch und sah die aufgerichtete, an die Wand gelehnte Frau an.

„Wieso...“

„Weil du mir etwas bedeutest. Ich weis nicht was es ist, aber du bedeutest mir etwas. Sogar sehr viel.“

Sie fühlte, wie ihre Arme etwas unter ihr nachgaben, sah hilflos in die Augen der anderen. Sie waren so tiefgründig, wie sie es selten vorher gesehen hatte. Für einen Moment fühlte sie sich besonders, gebraucht und dieses Gefühl wollte sie am liebsten festhalten. Am liebsten hätte sie gesagt, dass Saeko ihr auch etwas bedeutete, wieso sonst wäre sie ständig nach drausen gegangen und hätte gewartet, doch sie bekam nichts heraus. Ihr Kopf verhinderte, dass sie das, was sie dachte, in Worte fasste. Stattdessen zog sie die Beine etwas näher, lehnte die Stirn an die der Älteren und schloss einen Moment die Augen. Kurz darauf fühlte sie die Wärme an ihren Oberschenkeln, den sanften Zug, wodurch sie breitbeinig auf dem Schoß ihrer Vorgesetzten hockte, die schlanken Finger an ihrem Hals, wesswegen sie leise stöhnte. Mit zitternden Atem und noch stärker zitternden Fingern legte sie die rechte Hand auf die Schulter der anderen, öffnete die Augen einen Spalt. Der Augenblick war einfach so perfekt wie er sein konnte, eingehüllt von Stille, dem Mondschein und der Dunkelheit, die das Zimmer mit sich brachte. Da fiel ihr etwas Besseres ein als Worte. Asako beugte sich etwas hinunter, merkte kurz darauf den heißen Atem, der gegen ihre Lippen schlug bevor sie die Ältere am Nacken in einen zärtlichen Kuss zog, bei dem sie glaubte für einen Bruchteil einer Sekunde Sterne zu sehen und ihr Körper begann zu kribbeln.

Black Set: Eighth Affection

So wirklich glücklich war Wataru mit dem plötzlichem Abgang ihrer Freundin nicht gewesen, was sich merkbar den Rest des Abends in ihrer Laune bemerkbar machte. Der Hoshigumi-Star saß mit zusammengebissenen Zähnen bei ihren Freunden, die sich angeheitert unterhielten. Doch dass Wao und Mari es für nötig hielten ihr unter die Nase zu reiben wie glücklich sie zusammen doch waren lies bei ihr dann doch irgendwann die Hutschnur hochgehen und sie hatte ihre Freunde rausgeworfen. Noch immer lies es sie nicht los. Sie hatte immerhin den ganzen Abend gesehen, dass Saeko irgendetwas beschäftigt hatte, doch sie konnte den Finger nicht so ganz darauf legen was es war. Frustriert kickte sie gegen ihren Sessel, was ihr Fuß ihr mit einem stechenden Schmerz dankte und Wataru setzte sich, noch immer leise fluchend und mit zusammengebissenen Zähnen, wieder zurück in die schwarze Couch. Der Abend war eine einzige Katastrophe. Dabei hätte es anders verlaufen sollen.

Ihre Türklingel riss sie aus den leisen Flüchen heraus und Wataru sah durch den Wohnbereich zur Tür. Hatte sie nicht deutlich gemacht, dass sie kein Interesse daran hatte mit irgendwem zu sprechen? Trotzdem stand sie auf, humpelte zur Tür und fand die um einen Kopf kleinere Mari davor vor. Ohne Wao.

„Was willst du denn noch? Ich sagte doch lasst mich allein.“

„Du brauchst gar nicht so angenervt zu sein. Wir haben dir nicht wehgetan.“ Mari drückte sich an ihr vorbei ungefragt in die Wohnung. Wataru seufzte. Das war Mari wie sie leibt und lebte. „Nur weil Saeko irgendwas gebissen hat musst du es nicht an deinen Freunden auslassen.“ Der Hoshigumi-Star kam gar nicht so schnell hinterher, da war die Soragumi-Musumeyaku schon Richtung Küche verschwunden. Was hatte sie denn jetzt schon wieder vor? Manchmal war ihre Freundin einfach undurchschaubar. Gerade als Wataru erneut zum Sprechen ansetzen wollte hörte sie schon das Klappern von Töpfen und ein leises 'Huch', gefolgt von einem Ton, von dem sie vermutete, dass Mari, mal wieder, ein paar der Schüsseln mit zu Boden gefegt hatte. Schnaubend ging die Jüngere von ihnen in die Küche, beobachtete wie ihre Freundin die Plastikschüsseln aufhob und den Topf auf den Herd stellte und an ein paar Reglern drehte, den Ofen damit mit vorheizte.

„...Was soll das werden?“, fragte sie dann doch als Mari einen Blick in den Kühlschrank warf. Da die Tür zum Ausgang hin aufging konnte sie nicht wirklich erkennen, was die Soragumi-Schauspielerin darin suchte, aber Tee würde es wohl nicht werden.

„Ich rege mich ab, wonach siehts denn aus? Und wir haben nichts in der Wohnung.“ Wataru hob nur ungläubig die Augenbraue und Mari verschränkte trotzig die Arme. „Ich backe.“

Daraufhin schmunzelte die Hoshigumi-Darstellerin nur. Sie verstand gerade in diesen Momenten wieso Wao so auf die Musumeyaku stand.

„Na dann viel Glück. Lass dich nicht aufhalten.“

Gerade machte sie auf dem Absatz kehrt und wollte ins Badezimmer, eine heiße Dusche würde ihr gut tun, da würgte Mari sie mit einem gezieltem Ruck am Kragen schon ab und zerrte sie zurück in die Küche.

„Nichts da. Du bleibst. Und du wirst mir helfen.“

„Mari ich kann aber nicht...“

„Papperlapapp. Red dich nicht raus. Siehs als Strafe dass du uns einfach rausgeworfen hast. Jetzt hilf mir mal mit der Schüssel da oben. Ich komm da nicht ran.“

Wie ein zurechtgestutztes Schulmädchen fing Wataru an zu schmollen, ging zu dem Schrank, an dem Mari gescheitert war und reckte sich nach besagter Schüssel. Dabei hoffte sie nur, dass Mari sie nicht schlug wenn sie mal vom Teig naschte.
 

Noch immer etwas überrumpelt von dem plötzlichem Rausschmiss tappste Yuuhi den Gang hinunter, steuerte zielstrebig auf eine der Türen zu, klopfte daran. Keine Reaktion. Schlief sie schon? Aber das konnte nicht sein. Sonst ging sie nie um die Uhrzeit ins Bett. Kurzerhand drückte der schwarze Turm auf die Türklingel, hörte von drinnen ein dumpfes Geräusch und hörte kurz darauf ihre Freundin schon fluchend an die Tür laufen. Als die Tür sich dann öffnete grinste Yuuhi nur schief.

„Hast du dir wehgetan?“

„Nein. War nur die Plastiktasse. Und die war eh fast leer.“

„Na glücklicherweise“, kicherte die Tsukigumi-Darstellerin und trat nach Aufforderung in die Wohnung der anderen ein. Neben der Tasse auf dem Boden lagen noch einige Kekse auf dem Tisch, ein paar davon auf dem Boden und ein Script halb weggeworfen auf der Couch. „Du musst hier drin echt mal umstellen. Du fegst immer alles mit runter wenn du aufschrickst.“

„Ich bin beim Lernen eingeschlafen. Aber solltest du heute nicht bei Wataru sein?“

„Unser toller schwarzer König hatte ein wenig Krach mit seiner Königin und hat uns arme Bauern dabei rausgeworfen.“

Die andere kicherte und setzte sich zu ihr nachdem sie die Flüssigkeit vom Boden aufgewischt und die Tasse in die Spüle gestellt hatte.

„Ärger im Paradis? Warum gings diesmal?“

„Sei nicht immer so neugierig, Beni. Das geht uns gar nichts an.“

Die Hoshigumi-Darstellerin zog eine Schmolllippe und verschränkte trotzig die Arme. Es war eigentlich nicht gut, dass ihre Freundin so neugierig war, aber das machte sie ur noch süßer.

„Nicht nur, dass ich nicht eingeladen werde, jetzt hällst du mir das auch noch vor.“

„Wataru hat dich zum Lernen verdonnert. Nur desshalb warst du nicht eingeladen.“

„Selbst Kairi durfte mit. Und dann bin ich einmal nicht da, dann passiert was spannendes.“

Yuuhi schnippte ihrer Freundin gegen die Schläfe, die mit einem leisem 'Au' den Handballen dagegen presste.

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen meine Liebe.“

„Ich schmeise die Zeilen doch nur hier und da mal durcheinander. Wenn wir das noch ein oder zwei Mal durchgespielt haben gibt sich das auch. Das weis Wataru.“

„Ich weis es auch, aber sie ist nunmal dein Boss.“

„Ja ja. Weis ich doch.“

Die Tsukigumi-Darstellerin grinste leicht, wuschelte durch die kurzen Haare der anderen und lächelte etwas.

„Wie wärs, wenn ich uns was kleines zum Essen mache?“

Beni sprang geradezu auf der Stelle, Yuuhi glaubte sogar ein leises, freudiges Fiebsen zu hören, und nickte heftig.

„Au ja. Was süßes bitte!“

„Du und dein Süßkram. Du weist aber, dass ich ausser Milchreis nichts in der Richtung hinbekomme“, lachte die Tsukigumi-Darstellerin.

„Weis ich doch. Aber ich liebe deinen Milchreis.“
 

Micchan saß am nächsten Tag neben der Heizung auf dem Boden und streckte sich ausgiebig. Noch immer waren die Heizkörper abgeschaltet und der Probenraum desshalb arschkalt. Glücklicherweise war sie am Vortag früh ins Bett gegangen, war dementsprechend früh aufgewacht, ausgeschlafen und eine der ersten im Probenraum um sich den heißbegehrten Platz an der Heizung zu sichern. Inzwischen fühlte sich ihr Rücken durchgeschmort an, war schon fast wieder unangenehm heiß, doch wenn sie sich jetzt bewegte, dann würde sie wieder einmal frieren. Yuuhi saß neben ihr und auch wenn sie sich nicht wirklich verstanden merkte die Shinko doch sehr deutlich wie müde ihre Vorgesetzte war. Da sie den selben Freundeskreis hatten, irgendwie über ein paar Ecken also auch befreundet waren, und Micchan sowieso kein Blatt vor den Mund nahm musste sie breit grinsen.

„Wieder die ganze Nacht bei Beni gewesen?“, fragte sie gedämpft und beugte sich dabei zu der Frau, die angestrengt und mit tiefen Augenringen in ihr Script starrte. Nachdem Wataru sie so rüde rausgeworfen hatte lag es auf der Hand, dass Yuuhi mal wieder zu Beni gegangen war, so wie immer. Die Gerüchte hielten sich in ihrer kleinen Gruppe, dass Yuuhi insgeheim auf die Hoshigumi-Darstellerin stand, aber sie stritt es ab. Micchan vertrat die Meinung dass sie entweder log oder sich dessen selbst noch nicht bewusst war. Dabei passten die zwei zusammen wie die Faust aufs Auge. Yuuhi brummte nur, schielte zu ihr und legte sich ihr Script auf den Schoß.

„Geht dich doch nichts an. Was soll die dumme Anspielung?“

„Du weist doch ich bin neugierig. Wann wird das endlich mal mehr zwischen euch?“ Der schwarze Turm lief tiefrot an und Micchan schubste die Ältere in die Seite. „Komm schon. Früher oder später bekomm ichs doch sowieso raus.“

„Ach halt doch die Klappe und konzentrier dich auf deinen Text.“

Die Jüngere streckte ihr nur die Zunge raus, sah auf als ihr Top Star schlieslich eintrat und ihre Tasche auf ihren Platz stellte. Sie sah etwas blass aus und gähnte ausgiebig. Vielleicht war sie mal wieder die ganze Nacht wach gewesen. Merkwürdig wenn man bedachte dass sie so früh von Wataru wieder abgehauen war. Hoffendlich vertrugen die zwei Top Stars sich bald wieder. Es war nie schön wenn die zwei, die so offensichtlich füreinander geschaffen waren, sich stritten. Letztenendes entschied sich Micchan doch dafür auf zu stehen und mal nach zu fragen. Kaum war sie zwei Meter von ihrem Platz entfernt pflanzte sich die nächste Schauspielerin an deren stelle, Kashi.

„Guten Morgen, Black Queen“, sagte die Shinko frech und grinste ihre Vorgesetzte an. Saeko hob die Augenbrauen, sah zu ihr und lächelte leicht.

„Guten Morgen.“

„Du siehst nicht gerade gesund aus. Wirst du krank?“

„Ich glaube ich steuere auf eine Erkältung zu. Das geht wieder weg. Ein dicker Pulli, viel Suppe und Tee.“

„Na wenn du das sagst.“
 

Eine zweite Shinko beobachtete ihre Freundin die Truppe während des eigentlichen Trainings. Sie saß etwas entfernt bei den anderen Shinkos, sah wie Sena Jun, ihr Neuling und Hanagumi-Prinzessin, erneut etwas verspätet in den Raum stolperte. Anders als sonst bekam sie aber keinen Anschiss von ihrem Top Star, aber sie schob es darauf, dass es Saeko wohl selbst nicht ganz so rosig ging. Momentan zog sich die Grippe durch die Troupe wie ein Lauffeuer, doch glücklicherweise war sie davon verschont. Irgendwann in einer kleinen Pause gesellte sich die junge Shinko zu einer ihrer Freunde, Micchan, und sties sie an der Seite an.

„Sag mal was ist heute mit Saeko los?“, fragte sie und Micchan stellte ihre Flasche beiseite.

„Keine Ahnung, Magee“, bekam sie als Antwort. Magee, mit vollem Namen Seijou Kaito, gehörte mit ihren gerade mal vier Jahren in Tsukigumi zu den Shinkos, die ein bisschen Erfahrung hatten, aber noch nicht wirklich große Rollen bekamen. Desshalb war sie umso glücklicher, dass sie sich als Micchan's Freundin bezeichen konnte, die ja immerhin ihrem Top Star sehr nahe stand. „Ich glaube sie wird krank.“

„Das mein ich nicht. Sena ist genauso komisch heute. Ich meine wenn man es mal mit gestern vergleicht.“

„Vielleicht hat ihr König ihr einen Korb gegeben“, scherzte die andere Shinko und Magee kicherte etwas. Es war innerhalb Takarazukas ein Running-Gag dass Sena Jun und Haruno Sumire zwar als King und Prinzessin bezeichnet wurden, aber die beiden es irgendwie nie schafften zusammen zu kommen. Dabei war es offensichtlich wie sehr die Prinzessin auf ihren König stand.

„Sei nicht so gemein. Ist doch schon ein bisschen traurig wie Sena immer um sie rumtänzelt. Ich hab gehört die beiden hatten gestern sowas wie ein Date.“

„Ich glaube nicht, dass du deine Nase da rein zu stecken hast“, kam es auf einmal von der Seite und die beiden Shinkos sprangen fast von der Bank. Kashi stand neben ihnen, ziemlich grimmig dreinblickend obendrein und die Arme verschränkt mit dem Script in einer Hand. „Ihr solltet aufhören über die Älteren zu lästern oder es kommt irgendwann zu euch zurück.“

Magee wurde auf ihrem Platz kleiner, ebenso wie Micchan als Kashi dann doch wieder davonstolzierte. Die Frau war zwar ziemlich zierlich gebaut, wirkte sonst immer sehr schüchtern, aber wenn es drauf ankam konnte sie ziemlich furchteinflösend werden. Die beiden Shinkos sahen dem weißen Pferd nach und Magee sah dann wieder zu ihrer Freundin.

„Scheint als verteidigte da jemand seine Königin“, flüsterte Micchan zu ihr und erneut hob die andere ihre Augenbraue.

„Königin?“

„Erzähl ich dir irgendwann mal. Aber...“

Ihr Gespräch wurde unterbrochen als sich eine nur allzu vertraut gewordene Szene anbahnte. Top Star und Vice waren gerade dabei noch einmal ihre Schritte durch zu gehen als mal wieder nichts funktionierte, Saeko wutentbrannt aufstampfte und sich sofort zu Sena umdrehte um sie lautstark an zu schnauzen. Obwohl es dem Vice noch offensichtlich schlecht ging, sie war bleich und nur spärlich zurecht gemacht, bot sie mal wieder paroli.

„Kannst du dir den Takt eigentlich immer noch nicht merken?“, rief der Top Star ihrem Vice entgegen. Eigentlich war das die Aufgabe des Choreographen. „So schwer ist das doch nicht!“

„Ich kann den Takt nicht halten? Wer reiht denn bitteschön die falschen Schritte aneinander?!“

Der Choreograph versuchte sich ein zu mischen, wurde aber von den sich anschauzenden Frauen einfach ignoriert.

„Die Schritte sind richtig! Du bist einfach auf der falschen Position!“

„Was kann ich denn dafür wenn du ständig auf meine rennst?!“

„Ich wäre vielleicht rechtzeitig an der richtigen Stelle wenn du mir nicht ständig vor die Füße läufst!“

Yuuhi und Kiriyan rannten zu ihren Freunden, versuchten sich dann doch nochmal ein zu mischen.

„Saeko...“, begann Yuuhi, doch der Top Star drehte ihr einfach den Rücken zu.

„Jetzt hör doch mal...“ Kiriyan zupfte an Sena's Ärmel, doch die entriss ihr diesen.

„Ich halte mich nur an meine Choreo!“

„Hört doch mal einen Augenblick zu!“

Magee hob die Augenbraue. Die vier Köpfe der Troupe verhielten sich wie Kindergartenmädchen.

„Ich halte mich auch nur an meine! Also hör auf mich an zu brüllen!“

„Ich brülle nicht!“ Saeko fasste sich an die Stirn. „Ich versuche dir hier nur etwas bei zu bringen.“

„Eigentlich macht ihr es genau falsch herum“, platzte Yuuhi dann doch raus und Top Star und Vice drehten sich zu ihr.

„Bitte?“ Sena blinzelte verwirrt.

„Eure Schritte sind richtig“, begann Kiriyan. „aber ihr steht genau falsch herum.“

Die Momente des betretenen Schweigens machten sich in der Halle breit und es war totenstill für einen Augenblick. Sena und Saeko sahen sich an, beide mit neutraler Miene bevor sie etwas betreten lächelten. Sena kratzte sich an der Wange.

„Wenn ich so drüber nachdenke stehen wir beide wirklich falsch“, sagte sie in etwas gedämpfterem Ton. Saeko lachte etwas.

„Na dann machen wirs halt nochmal.“ Der Top Star nahm ihren Vice am Handgelenk, zog sie mit auf ihre Ursprungspositionen. „Ach ja und versuch deinen Arm etwas mehr durch zu strecken. Sonst sieht das so unprofessionell aus.“

Sena lachte.

„Ich versuchs.“

Den Umstehenden fiel geradezu die Kinnlade herunter. Waren die beiden da gerade... nett zueinander? Seit Sena in Tsukigumi eingetreten war, war das noch nie passiert. Selbst wenn Saeko sich dazu entschied nett zu ihrem Vice zu sein, eine Seltenheit, geschah dies immer mit kalter Schulter und viel Widerwillen.
 

Bei dieser kurzen Nettigkeit blieb es jedoch nicht bei den beiden. Immer wieder beobachtete Yuuhi wie die beiden Königinnen sich miteinander unterhielten, gesittet, und sich nicht anschrieen wie sonst. Sie lachten hier und da sogar mal. Was war denn in die gefahren? Am Vortag hatten sie sich noch nicht riechen können, Asako hatte sogar einen Witz über Saeko gerissen, der weit unter die Gürtellinie ging, und einen Tag später kamen sie wunderbar miteinander aus. Auch in den nachfolgenden Tagen schien sich das nicht zu ändern und wenn Yuuhi es nicht besser wüsste, sehr viel besser, würde sie die Kebbeleien, die durchaus hier und da mal entstanden, fast als Flirt abtun. Jedoch schien sich Saeko wieder etwas einbekommen zu haben was Wataru anging und auch wenn sie sich mal wieder in Arbeit vergrub antwortete sie nicht mehr so patzig wenn sie mit dem Hoshigumi-Star und ihren Freunden bei dem Tsukigumi-Star waren.

Ein oder zwei Wochen später, Yuuhi hatte inzwischen ein bisschen ihr Zeitgefühl verloren wie eigentlich immer wenn sie Stress hatten während der Proben, beobachtete die junge Frau wie Top Star und Vice zusammen auf der Bank am anderen Ende des Raumes saßen und über einem Skript hingen. Es war wieder einer dieser Momente an denen die beiden fast freundschaftlich rüber kamen, ab und zu lächelten, lachten und Saeko legte ihre Hand ab und an auf den Oberarm der anderen.

„Die beiden wirken fast wie ausgewechselt“, sagte Kiriyan als sie mit Yuuhi zusammen noch ein paar Schritte durchgingen und für einen Augenblick ihre Beine ausruhten. Sie waren große Anstrengungen gewohnt, doch irgendwann brauchten sie auch mal eine Pause. „Schon fast gruselig.“

„Ist vielleicht auch besser so. Das ständige Geschrei von den beiden geht mir sowieso auf den Keks.“

„Nicht nur dir. Sag mal wann kommen du und Beni mal wieder vorbei? Ihr lasst euch schon eine Ewigkeit nicht mehr blicken.“

Yuuhi lachte etwas und nahm einen Schluck aus ihrer Flasche.

„Wenn du willst kommen wir mal wieder vorbei. Aber ich dachte du bist momentan mehr bei Kashi?“

„Schon. Ich bin auch viel bei Osa und co. Aber der Hanagumi-König ist immer noch etwas bedrückt weil Asako sich nicht bei ihr blicken lässt. Obendrein geht sie nicht dran wenn sie versucht an zu rufen. Selbst Mizu und Komu bekommen sie kaum zu Gesicht. Osa heult sich desshalb ziemlich oft bei Mayu aus.“

„Mayu?“

Yuuhi war nicht wirklich vertraut mit Spitznamen und 'Mayu' sagte ihr rein gar nichts.

„Ranju Tomu.“ Da klingelte es dann doch. Eine weitere Hanagumi-Darstellerin, die ziemlich weit oben in der Rangliste stand. Zumindest wenn man dem allgemeinem Getratsche Glauben schenken konnte. Sie war noch nicht ganz soweit Top Star zu werden, aber definitiv nahe dran. „Die beiden hängen momentan ziemlich viel zusammen.“

„Echt? Hätte nicht gedacht dass sich der Hanagumi-König mal dazu herablässt.“

„Hör auf sie so zu nennen, Yuuhi. Sie hasst diesen Titel. Reicht, dass Mizu und Komu sie ständig 'weißer König' rufen. Die beiden haben einen ziemlichen Spaß an diesem blödem Spiel entwickelt.“

„Schach? Sag mir nicht du hast auch einen Spitznamen bekommen.“

„Leider schon. Weißer Bischof. Ist das zu fassen?“

Yuuhi konnte nicht anders als laut in Gelächter aus zu brechen, beugte sich vornüber und hielt sich den Bauch. Der Gedanke an Kiriyan in einer weißen Bischofsrobe war einfach zu göttlich. Die Jüngere schubste sie an und schmollte, wurde obendrein rot.

„Lach mich nicht aus“, grummelte sie und verschränkte kurz darauf die Arme.

„Tut mir leid. Aber... der Gedanke... Es ist zu göttlich.“

Kiriyan fing an breit zu grinsen und beugte sich etwas runter um Yuuhi richtig an zu sehen.

„Du solltest den Mund vielleicht nicht zu weit aufreisen, Türmchen.“

Blinzelnd sah die Ältere zu Kiriyan und hob die Augenbrauen.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Beni hat geplappert. Ich hab gehört dass ihr genauso gerne Schach spielt und dass du ihr das beigebracht hast. Und sie hat mir verraten dass Wataru dir den Spitznamen 'schwarzer Turm' aufgedrückt hat.“

„Huh?“ Yuuhi merkte wie ihr etwas die Kinnlade runterfiel. Beni hatte geplappert? Na schönr Schlamassel. „Und worauf willst du hinaus?“

„Ich glaube nicht, dass du mit deiner Figur gut als Turm aussehen würdest.“

Nun war es Yuuhi, die eine Schmolllippe zog, verschränkte die Arme.

„Da muss ich wohl ein Wörtchen mit Beni reden.“

Irgendwie musste sie die Aufmerksamkeit ihrer Freundin woanders hinlenken, also sah sie sich erst einmal ausgiebig im Raum um. Wo waren die beiden Streithennen eigentlich hin? Weder Saeko noch Asako waren im Raum. Naja eigentlich fehlten aufgrund der Pausen ein paar der Schauspielerinnen, die sich die Beine vertraten, etwas zu Essen holten oder kurz zu ihren Zimmern verschwanden um etwas zu holen. Eine Jacke beispielsweise. Der Probenraum war immer noch verdammt kalt obwohl die Heizung inzwischen auf Hochtouren lief damit sie nicht gänzlich erfroren. Yuuhi erhob sich von ihrem Platz.

„Wo gehst du hin?“

„Kurz zur Toilette.“

„Schon wieder?“

„Ich hätte die dritte Tasse Kaffee heute morgen nicht trinken sollen.“

Sie hörte Kiriyan nur im Rücken lachen als sie sich an einigen jüngeren Mitgliedern vorbei schob und die Probenhalle verlies. Anstatt jedoch auf die nächstliegende Toilette zu gehen, die gerade vier Meter von der Probenhalle entfernt war, entschied sie sich eine längere Strecke durchs Gebäude zurück zu legen um ein sehr viel größeres und vor allem saubereres Klo zu finden. Es war ein ziemlicher Umweg da erst einmal hin zu kommen, wesshalb die meisten der jüngeren Schauspielerinnen keine Ahnung davon hatten und die Älteren so ungestört waren. Sie öffnete die Tür und trat ein, doch kaum hatte sie den Raum geöffnet hörte sie schon ein paar Absätze auf dem Boden hallen. Verwirrt sah sie auf und blickte sich in dem weiß gekachtelem Raum um. War noch jemand ausser ihr hier oder hatte sie sich das eingebildet? Auf der linken Seite waren lediglich zwei offene Türen zu den Toiletten, rechts zwei weitere Waschbecken mit Spiegeln. Kurz darauf hörte sie das Rascheln von Kleidung und ein gedrücktes Stöhnen. Hier war sie wohl falsch. Auf Zehenspitzen drehte sich die Tsukigumi-Darstellerin um, wollte gerade wieder die Tür hinaus durch die sie gerade hineingekommen war als sie nochmals ein leises Stöhnen hörte. Irgendwie packte sie dann doch die Neugier. Es war mehr als verdammt selten dass sich Liebeleien mal nicht auf das eigene Schlafzimmer beschränkten, es sei denn man hieß Wao und Mari, und eigentlich passierte sowas immer nur den Neuen. Die Älteren hatten ein paar Wetten am laufen wer sich wohl in wen verschauen würde und mit Kiriyan hatte die Tsukigumi-Darstellerin so einige. Eine davon beinhaltete Kiriyan als kleines Hündchen verkleidet. Erneut ging Yuuhi auf die Zehenspitzen, trat ein paar Schritte vor. Hinter der letzten Kabinentür war eine ziemliche Lücke wo einmal noch eine weitere Kabine gewesen war bevor sich das Direktorium dazu entschieden hatte diese nach einem Wasserschaden einfach zu entfernen. Jetzt stand einfach nichts da. Der schwarze Turm reckte den Hals etwas um einen Blick in den Spiegel zu werfen und um die Ecke zu schauen. Zunächst sah sie ausser zwei Schatten nicht wirklich viel. Eine davon an die Wand gedrückt, die Hände in den Schultern der zweiten Person vergraben, die ein wenig größer war. Die Hände der Größeren waren schon in die Hose der anderen verschwunden, lagen an deren Hintern. Dann hörte sie ein leises Flüstern, gefolgt von einem weiterem Stöhnen von der kleineren Person. Moment mal. Die Stimme. Obendrein die Stiefel an dem Bein, dass sich um die Hüfte der Größeren geschlungen hatte. War das Asako?

„Aua... nicht beisen“, flüsterte es sachte, gefolgt von einem leisem Keuchen. Das war definitiv Asako. Aber wer war da bei ihr? Ein schwarzer Pulli und Jeanshose sagten leider nicht viel bei der momentanen Wetterlage und der Braunton der Haare war momentan wieder sehr beliebt. Gerade als sie noch einen Schritt näher kommen wollte ob die andere Person den Kopf und Yuuhi riss sich zusammen nicht scharf die Luft ein zu ziehen und sich zu verraten. Das war Saeko. Sie lächelte sachte und drückte sich etwas mehr an die kleinere Darstellerin.

„Tut mir leid“, hauchte sie gegen die Lippen ihres Vice bevor sie diese mit den eigenen versiegelte. Was zur Hölle...? Betrog der Tsukigumi-Star etwa Wataru? Yuuhi stolperte fast rückwärts aus den Toiletten, gab sich alle Mühe nicht laut zu werden. Es durfte keiner wissen, dass sie die beiden gesehen hatte. Sie fühlte, wie sie bleich wurde. Das würde erklären wieso die beiden auf einmal so gut miteinander auskamen, aber wusste Wataru davon? Wenn nicht, war es richtig wenn sie es ihr einfach sagte? Zwar war Wataru nach außen hin eine sehr coole, ausgelassene und ausgeglichene Person, doch wenn es um Saeko ging, dann wurde der Top Star sehr schnell zur wilden Bestie. Was zur Hölle hatte Asako dazu gebracht zu dem Tsukigumi-Star zu gehen? Solange sie die andere Schauspielerin kannte und solange sie denken konnte wollte Asako schon immer Osa. Sie hatte immer und immer wieder gesehen wie die junge Schauspielerin ihre beste Freundin angeschmachtet hatte, wie sie immer wieder versucht hatte sich ihr zu nähern. Sie rannte fast zurück zum Probenraum. Sie musste sich irgendwie ablenken und womit ging das besser als mit Arbeit? Sie würde sich einfach tief in Arbeit vergraben und ihren Top Star und den Vice einfach ignorieren. Kaum rannte sie um die Ecke stolperte sie, traf einen anderen Körper und fiel damit zu Boden.

„Au...“, jammerte sie, drückte sich auf und starrte auf Beni hinunter.
 

Die Hoshigumi-Darstellerin errötete etwas als sie merkte wer sie da gerade mit allen Regeln der Kunst umgerannt hatte, blinzelte etwas und drückte sich auf. Yuuhi hockte sich schnell auf die Knie und starrte auf ihre Hände.

„Yuuhi? Alles okay?“ Keine Reaktion, nur ein verwirrtes hin und her sehen von der Tsukigumi-Darstellerin. „Hey... Hallo?“ Vorsichtig berührte sie ihre Freundin an der Schulter. Diese zuckte zurück und sah auf wie ein erschrecktes Reh. „Was ist los?“

„Du... wo wolltest du hin?“

„Zur Toilette. Wohin denn sonst um die Uhrzeit?“

„Geh besser nicht hin.“

„Wieso?“

„Tus... tus einfach nicht...“

Sie sah Yuuhi schlucken und Beni runzelte die Stirn. Es gab eigentlich nur eine Erklärung wenn sie nicht das Klo aufsuchen sollte. Sie grinste.

„Na wer hat sich denn diesmal dahin verirrt?“

„Kann ich dir das ein andermal erklären? Geh einfach nicht hin.“

Black Queen, Black King: Ninth Present

Sanft atmete der Top Star gegen die Haare der Frau, die da in ihren Armen lag, zog den warmen Körper nur noch enger an sich und seufzte zufrieden. Etwas mehr vergrub sie die Nase in den weichen Haaren, sog tief den Duft ein. Nur sehr langsam öffnete sie die Augen, entschloss sich aber schnell wie noch zu zu lassen. Dabei umgriffen die Finger ihre eigenen nur noch etwas fester, woraufhin Saeko etwas lächelte. Die Frau in ihren Armen rollte sich etwas weiter zusammen, seufzte im Schlaf etwas und kuschelte den Rücken etwas mehr an sie. Saeko nutzte die neu freigewordene Fläche, beugte sich etwas hinunter und ihre Nasenspitze fand den Nacken der anderen, den sie sanft mit Küssen liebkoste und etwas hinunterwanderte, mit den Lippen über die nackte Schulter striff und der Jüngeren damit ein leises Stöhnen entlockte. Vorsichtig löste sie die Finger von denen der anderen, wobei die Frau neben ihr etwas nach vorne kippte, und legte sie stattdessen an die schlanken Seiten. Schlussendlich öffnete Saeko die Augen doch wieder, beugte sich etwas über die Jüngere und tupfte sanfte Küsse zwischen deren Schulterblätter, besah sich den nackten, wundervoll geformten Körper etwas mehr. Die Frau unter ihr erbebte und abermals stöhnte sie auf, etwas lauter als vorher.

„Guten Morgen“, raunte Saeko gegen deren Ohrmuschel, unterlies es dabei nicht über die Seiten und den Rücken der anderen zu streichen, löste damit eine Gänsehaut aus. Dabei merkte sie dass sie, wie schon einmal zuvor, ziemlich heiser war. Irgendwie tendierte sie dazu. Die Frau unter ihr schielte nur etwas verschlafen über die Schulter zu ihr hoch, drehte sich unter ihren Händen und zog Saeko am Nacken zu sich hinunter, drückte ihr einen heißen Kuss auf die Lippen ehe sie ein heiseres 'Guten Morgen' hinterherhauchte. Sie schien nicht minder heiser zu sein als Saeko selbst, aber dennoch konnte die Ältere daraufhin nur grinsen.

„Gut geschlafen?“

Noch immer stützte sie sich über der Jüngeren ab, die sich mit den Handrücken die Augen rieb und einen undefinierbaren Laut von sich gab. Asako war einfach zu süß. Sie hob die Hand, strich ein paar der wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht der anderen und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Erst als sie einen Zug auf dem nackten Rücken spürte erbibberte sie und merkte, dass ihre Nase etwas verstopft war und sie sich etwas fiebrig fühlte. Wahrscheinlich nur eine Erkältung, die sie sich von Asako abgeholt hatte. Asako unter ihr grinste nur etwas selbstgefällig, zog die Decke über Saeko's Schultern und zog sie etwas hinunter, sodass die Ältere mit dem Kopf auf deren Schulter lag und sich etwas enger an den Körper kuschelte. Die Wärme fühlte sich wundervoll auf der blosen Haut an.

„Ich will heut im Bett bleiben“, brummte die Jüngere gegen ihre Haare und Saeko kicherte etwas.

„Ich doch auch“, flüsterte sie zurück, zeichnete mit der Fingerspitze ein paar Kreise auf dem Schlüsselbein der Jüngeren. „Aber wir müssen. Leider.“

Sie fühlte wie sich Asako's Brustkorb einmal intensiv hob und senkte als sie gegen ihren Kopf seufzte. Ihr war sogar sehr danach einfach liegen zu bleiben, insbesondere nach der vergangenen Nacht. Ihr war obendrein kalt und der Körper der anderen war eine einzige Heizung.

„Danke“, hörte sie mit einem Mal fast gehaucht. Saeko hob den Kopf, fand schließlich die dunklen, müden Augen.

„Für was?“

„Für letzte Nacht. Ich meine... dass du gekommen bist, mein Gejammer ertragen hast und...“ Die Jüngere wurde etwas rot. „...für alles einfach.“

Saeko rutschte mit einem verschmitztem Lächeln nach oben, lag mit dem Oberkörper auf dem der anderen und strich mit den Fingerrücken über die schmalen Gesichtszüge.

„Ich denke ich habe zu danken. Und du bist dir sicher, dass du das das erste Mal gemacht hast? So wirklich glauben kann ich dir das nicht.“

Asako wurde nur noch röter im Gesicht, versteckte sich hinter ihren Fingern und sah sie zwischen zweien heraus an.

„S-sag das nicht so.“

„Ich sage doch nur die Wahrheit.“

„Mir ist das aber peinlich...“

Saeko lachte nur, zog die Hände der anderen aus dem schönen Gesicht und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, den die Jüngere gierig erwiederte. Wie sie es schon am Vorabend getan hatte wurde die Jüngere schnell intensiver und Saeko verinnigte den Kuss nur zu gern weiter. Ehe sie es sich versah lag sie wieder auf ihrem Rücken, hatte Asako auf sich hocken, die die Hände über ihren Oberkörper gleiten lies und dem Top Star ein leises Japsen entlockte. So süß und unschuldig ihr Vice auch wirken mochte, im Bett wurde sie geradezu zum Tier und Saeko gefiel diese abwechselnde Dominanz. Es war so anders als bei Wataru. Doch bevor sie die Gelegenheit bekam diese wundervollen Beine und den noch viel schöneren Hintern weiter zu befühlen rappelte der Wecker neben ihnen auf dem Nachttisch und genervt fiel der Kopf der Jüngeren neben ihr aufs Kissen.

„Müssen wir wirklich?“, murmelte sie und lies die Hände auf Saeko's Bauch.

„Leider. Stehen wir besser auf...“

Seufzend rappelten sich die beiden Schauspielerinnen auf, wobei dem Top Star nicht entgangen war wie schwer sich Asako beim Aufstehen wirklich tat. Sie warf der Jüngeren nur ein Grinsen zu ehe sie über die Kleidung am Boden stieg, sich auf dem Weg zum Schrank machte und etwas herausfischte. Über die Schulter warf sie einen Blick zu Asako, die ihr Zeug vom Boden aufsammelte und wandt sich kurz darauf zu ihrem Schrank um ein zweites Set Kleidung heraus zu suchen. Dabei versuchte sie es so neutral wie möglich zu halten. Ein einfaches weißes Hemd, eine Jeans und insbesondere ein Schal sollte es eigentlich tun. Beides hielt sie der Jüngeren entgegen.

„Hier.“ Asako sah verwirrt auf, drückte die Kleidung in ihrem Arm etwas an den nackten Körper. Sie hatte einen Rotschimmer auf den Wangen. „Schau nicht so. Du hast sowieso keine Zeit zum zurückgehen.“

„Ist das okay? Ich meine... wird das nicht jemand merken?“, fragte sie kleinlaut und starrte auf den Boden. Es war einfach zu sehen dass sie fürchtete, es würde jemand nachfragen. Leicht drehte Saeko den Kopf.

„Bereust du es etwa?“

Ein kurzer Moment der Stille.

„Das... das hab ich nicht gesagt.“

„Sondern?“

„Ich... will nicht dass jemand dahinter kommt. Immerhin dürfen wir das nicht...“

„Also hast du Angst.“ Saeko legte die Sachen beiseite, trat an die Jüngere heran, die den Blick von ihr abgewendet hatte und nahm ihr ebenso die Kleidung aus den Armen, die sie achtlos auf den Boden fallen lies und anschließend die Arme um die Jüngere schlang. Asako lehnte den Kopf an ihren, die Hände auf ihre Schultern. „Es wird keiner nachfragen, Asako. Wenn es uns gut tut, dann ist es okay. Wir sind auch nur Menschen.“

Sagte sie, die sie ganz bewusst und gewollt Wataru betrogen hatte. Doch obwohl sie sich dessen so bewusst war fühlte sie keine Reue. Die Art und Weise wie Asako in ihrem Kopf war, sie dazu brachte sie noch immer zu wollen wusch jegliches Bedenken weg. Sie wollte die Jüngere einfach festhalten, ein Lächeln aus ihr heraus zaubern und sie nahe bei sich wissen so wie sie es zuletzt beim Hoshigumi-Star gewollt hatte. Die einzigen Bedenken in ihrem Kopf war, wie sie es Wataru beibringen sollte. Bissher war ihre Liebe zu der größeren Frau seit Jahren unbestritten gewesen, doch jetzt zu fühlen wie eine andere sie um den Verstand brachte würde Wataru an die Decke gehen lassen. Oder war es vielleicht nur eine Phase? Es konnte jederzeit wieder weg gehen. Sanft drückte sie die Jüngere an sich. Solange es dauerte würde sie es wohl vor der anderen geheim halten bis sie wusste, was sie genau wollte.

Nur langsam löste sie sich wieder von der Jüngeren, besah sich ihre Gesichtszüge genauer. Sie wirkte erleichterter als vorher und lächelte sie vorsichtig an. Auch Saeko lächelte etwas, hauchte ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen. Als sie niesen musste drehte sie sich für einen Augenblick auf die Seite und sie hörte Asako lachen.

„Scheint als hätten wir uns gegenseitig angesteckt.“

Schmunzelnd drehte sich Saeko zu ihr.

„Ich denke das ist in Ordnung.“
 

Wataru saß noch immer an ihrem Tisch und starrte auf die unangerührten Muffins, die darauf standen. Mari hatte sie die halbe Nacht wach gehalten mit ihrem Backanfall, hatte sie immer wieder abgelenkt doch als die Ältere gegangen war fühlte sie sich mit einem Mal einsam. Sie hatte versucht Saeko nochmals zu erreichen, aber vergeblich. Etwas in ihrem Hinterkopf sagte ihr, dass etwas gehörig falsch lief. Immerhin kannte sie den Tsukigumi-Top Star genug. Sie waren schon jahrelang Freunde gewesen, noch bevor sie inoffiziell ein Paar geworden waren. Sie hatte mit dieser Frau so vieles geteilt in ihrem Leben, eigentlich jedes wichtige Ereignis, jeden Schmerz, jede negative sowie positive Nachricht. Sie teilten den Freundeskreis und das Bett miteinander und doch lies Saeko sie jetzt außen vor. Wataru zog einen der Muffins zu sich, drehte die eingepackte Leckerei in den Händen und starrte auf die bunte Glasur. Ob es etwas mit ihr persönlich war? Immerhin war sie schon eine Weile so. Und obwohl es so offensichtlich war, dass sie etwas in sich hineinfraß weigerte sie sich ihre Freunde mit ein zu beziehen. Es war eine Sache wenn Saeko Stress hatte, doch eine andere wenn das, was wirklich wichtig war vernachlässigte und allen den Rücken zudrehte.

Langsam erhob sie sich, ging hinüber zum Kalender und warf einen Blick hinein, blätterte durch bis zum nächsten Monat und besah sich die eingetragenen Termine. Spontan fiel ihr nur ein Eintrag ins Auge, der für sie zwar recht uninteressant war, für Saeko jedoch fast wie ein zweiter Geburtstag war. Sie musste daraufhin leicht schmunzeln. Dann musste sie demnächst mal einkaufen gehen.
 

„Sag mal...“ Saeko machte auf dem Absatz kehrt. „...warum hast du eigentlich diese Mini-Shirts in der Schublade? Ich dachte da ist dein Tee drin.“

Sie sah zu wie Asako eines der Stofffetzen aus der Schublade zog und es sich einmal kritisch besah. Saeko konnte dabei nur grinsen und ging zu der Jüngeren, hörte aus der Küche wie das Wasser anfing zu kochen. Sie fischte das Shirt aus der Hand der anderen, ging damit hinüber zur Couch und griff nach dem Plüschhasen. Mit geübten Griffen hatte sie dem Stoffhasen das Shirt übergestreift, zupfte noch etwas die Ohren zurecht. Asako besah sich das ganze kritisch, woraufhin Saeko nur etwas lachen konnte.

„Die sind für Harvey. Es sind keine eingelaufenen falls du das fragst. Ich lasse sie extra für ihn anfertigen.“

„Du bist ein bisschen besessen von diesem Hasen, oder?“

„Nein. Ich liebe ihn nur einfach sehr. Und es ist ein ganz lustiger Gag, der sich über die Jahre gefestigt hat. Ein paar meiner Freunde schenken mir diese Shirts und ich hebe sie auf.“ Vorsichtig drückte sie den kleinen Stoffhasen an sich. „Immerhin ist er schon ein alter Mann.“

Im Augenwinkel sah sie ihre Vice breit grinsen.

„Jetzt sag mir nicht du feierst auch noch Harveys Geburtstag.“ Saeko warf ihr einen vielsagenden Blick zu und die Jüngere lachte etwas. „Wow. So hätte ich dich jetzt gar nicht eingeschätzt. Dann sind die Shirts sowas wie Geburtstagsgeschenke?“

„Genau. Obendrein sind es kleine Andenken, die ich sammle.“

Asako nahm es nur mit einem Lächeln, drehte sich um und ging angezogen in die Küche.

Die beiden gingen getrennt voneinander zum Probenraum, denn immerhin wollten sie es nicht ZU offensichtlich machen. Offiziell hassten sie sich immer noch und gerade weil Saeko fühlte, wie ihr Wataru im Nacken sitzen würde wollte sie dem Hoshigumi-Star keinen Grund geben Eifersüchtig zu sein. Die Eifersuchtsanfälle ihres schwarzen Königs waren berüchtigt und gefürchtet von ihren Freunden. Yuuhi konnte ein Lied davon singen.

Etwas schniefend ging der Top Star zu ihrem Platz, gähnte einmal und warf ihre Tasche auf ihren Platz.

„Guten Morgen, Black Queen.“

Verwirrt sah sie sich um, erblickte dann aber Micchan. Eine vielversprechende Shinko und sie kannten sich ganz gut. Dafür dass sie von den Jahren her so weit auseinander entfernt waren konnte Saeko sie fast als Freundin bezeichnen. Eigentlich war Micchan etwas distant, denn die Shinko war wohl mehr ein Fan von ihr und wollte desshalb viel mit ihr zu tun haben.

„Guten Morgen“, antwortete sie und legte die Jacke ab, wogegen sie den Schal um den Hals fester zog.

„Du siehst nicht gerade gesund aus. Wirst du krank?“

Saeko lächelte nur und kratzte sich an der Wange. Es würde nicht schaden die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie nicht sagen musste wo sie sich angesteckt hatte.

„Ich glaube ich steuere auf eine Erkältung zu. Das geht wieder weg. Ein dicker Pulli, viel Suppe und Tee.“

„Na wenn du das sagst.“

Sie unterhielt sich noch ein paar Minuten mit der Shinko, ebenso ein paar anderen Schauspielerinnen ihres Alters und ihren Freunden bevor sie anfing sich warm zu machen. Im Augenwinkel sah sie Asako reinkommen, entschied sich aber dafür so zu tun als ob sie es nicht gesehen hätte, dass sie zu spät war. Micchan trottete an ihr vorbei zu Magee, mit der sie die Köpfe zusammensteckte und sie spürte geradezu die Blicke der beiden Shinkos. Die Älteren begannen damit langsam ihre Texte durch zu gehen, ein paar Tanzschritte, wobei Saeko's Blick immer mal wieder zu Asako wanderte. Sie brauchte etwas länger um sich fertig zu machen, trödelte etwas hinterher und wirkte allgemein etwas down. Vielleicht hatte das, was sie schon seit Tagen so belastete eingeholt. Sie hatte immer noch keine Ahnung von dem 'Warum', doch wenn die Jüngere es ihr nicht freiwillig erzählte, dann würde sie sie nicht dazu zwingen. Stattdessen ging sie einige weitere Tanzschritte durch, ignorierte das, was um sie herum passierte. Irgendwie war doch heute der Wurm drin. Sie kannte die Schritte genau, ging sie immer wieder durch, auch wenn etwas anders war als sonst.

Sie war so in ihrem Element, dass sie gar nicht mitbekam wie Asako sich dazugesellte, einige Schritte durchging. Erst als die Jüngere sie nach allen Regeln der Kunst umrannte und sie auf dem Boden lagen bemerkte sie es.

„Sag mal ansonsten geht’s noch, ja?“, knurrte sie zu der jungen Frau, die da sehr unbequem auf ihr lag. Asako rappelte sich nur wieder auf und brummte unzufrieden. Yuuhi half Saeko wieder auf die Beine, wobei diese sich etwas streckte. „Pass ein bisschen besser auf.“

„Pass doch selbst auf. Ich war richtig.“

„In deinen Träumen vielleicht.“

Yuuhi seufzte und schob sich zwischen die beiden.

„Jetzt komm mal beide runter“, meinte der schwarze Turm und versuchte offensichtlich die Situation zu retten bevor sie eskalierte. Sie tauschte einen Blick mit der Jüngeren. Zumindest schien keiner Verdacht zu schöpfen.

„Zurück auf die Plätze“, sagte der Top Star als Yuuhi nochmal Luft holte um etwas zu sagen. Bei diesem kurzen Unfall blieb es jedoch nicht. Asako lief ihr immer wieder vor die Füße, trat einmal sogar darauf, und sie rannten immer wieder ineinander. Irgendwann platzte ihr doch die Hutschnur.

„Kannst du dir den Takt eigentlich immer noch nicht merken? So schwer ist das doch nicht!“, fauchte sie der Jüngeren entgegen, die etwas verwirrt auf der Stelle stand. Saeko erwartete schon Gegenworte und bekam sie prompt. Sie hatten sich schon oft genug gestritten um zu wissen, was ungefähr ihr Vice ihr antworten würde.

„Ich kann den Takt nicht halten? Wer reiht denn bitteschön die falschen Schritte aneinander?!“

Sie beide ignorierten den kleinen Mann, der sich zu ihnen gesellt hatte. Stattdessen standen die ungefähr gleichgroßen Frauen sich gegenüber. Saeko musste dabei schon sagen, dass die Kleidung des Top Stars ihr außerordendlich gut stande.

„Die Schritte sind richtig! Du bist einfach auf der falschen Position!“

Sie sah, wie das Feuer in die Augen der anderen zurückkehrte, was sie in der Nacht im Licht des Mondscheins gesehen hatte.

„Was kann ich denn dafür wenn du ständig auf meine rennst?!“

Als Top Star stand sie immer vorne. Von ihrem Vice musste sie sich das nicht bieten lassen, egal wie sehr sie die andere am liebsten an diesem Moment gegen die Wand gedrückt und ihr die Kleider vom Leib gerissen hätte.

„Ich wäre vielleicht rechtzeitig an der richtigen Stelle wenn du mir nicht ständig vor die Füße läufst!“

„Saeko...“, hörte sie Yuuhi von der Seite, machte aber eine Handbewegung und brachte sie zum Schweigen. Kiriyan stand neben Asako, versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen indem sie an ihrem Ärmel zog.

„Jetzt hör doch mal...“ Asako riss ihr den Arm einfach weg.

„Ich halte mich nur an meine Choreo!“

„Hört doch mal einen Augenblick zu!“

Die beiden wurden schnell lauter, standen dicht voreinander.

„Ich halte mich auch nur an meine! Also hör auf mich an zu brüllen!“

„Ich brülle nicht!“ Saeko schnaubte, fasste sich reflexartig an die Stirn und versuchte ihre Stimme etwas hinunter zu drücken. „Ich versuche dir hier nur etwas bei zu bringen.“

In mehr als einer Hinsicht.

„Eigentlich macht ihr es genau falsch herum“, platzte Yuuhi dann doch raus und Top Star und Vice drehten sich zu ihr.

„Bitte?“, meinten die beiden gleichzeitig.

„Eure Schritte sind richtig“, mischte sich Kiriyan ein. „aber ihr steht genau falsch herum.“

Stumm starrte der Top Star die Frau vor sich an, dachte einen Augenblick über das nach, was sie gerade gehört hatte. Vielleicht kam es ihr desshalb so falsch vor. Sie hatte sich derart intensiv mit den Schritten der anderen beschäftigt, dass sie diese mit ihren eigenen verwechselt hatte. Sie fuhr sich durch die Haare, lächelt etwas betreten und auch Asako schien ihren Fehler zu bemerken, legte die Spitze des Zeigefingers verlegen an die Wange. Sie war wirklich süß.

„Wenn ich so drüber nachdenke stehen wir beide wirklich falsch“, sagte sie in etwas gedämpfterem Ton. Saeko lachte etwas.

„Na dann machen wirs halt nochmal.“ Sie entschied sich für den einzigen Körperkontakt, der vor allen anderen wohl akzeptabel war. Sie nahm ihre Vice am Handgelenk und zog sie hinter sich her zurück auf die Anfangspositionen. „Ach ja und versuch deinen Arm etwas mehr durch zu strecken. Sonst sieht das so unprofessionell aus.“

Das Lachen der Jüngeren klang an ihr Ohr während sie sich hinter sie stellte.

„Ich versuchs.“
 

Der schwarze König hatte sich an ihrem freien Tag dazu entschieden seit langem mal wieder ein bisschen Einkaufen zu gehen. Ihr Kleiderschrank war immerhin schon wieder vergleichsweise alt und als Otokoyaku-Top-Star hatte man immer top gekleidet zu sein. Nach einiger Zeit jedoch hatte sie sich in eine gänzlich andere Abteilung verirrt, die Tüten mit ein paar neuen Oberteilen, Schmuck, einem Gürtel den sie schon lange haben wollte und diversen anderen Kleinigkeiten in der Hand. Irgendwie war es ihr peinlich wie sie das Regal durchstöberte, sich dabei fast gänzlich runterbeugen musste, denn bei ihrer Größe hatte man es in Japan nicht gerade leicht und sie hatte aus Gewohnheit die hohen Absätze angezogen. Nach einer Weile fand sie was sie suchte, drehte das Stück Stoff in den Händen und lächelte zufrieden. Mit dem winzigem Pullover in der Hand trabte sie zwischen den Regalen der Babyabteilung hindurch, bezahlte und erntete dabei einen mehr als offensichtlichen Blick. Sie würde dieses Ding noch etwas kleiner machen müssen, aber es reichte grob für Harvey. Noch immer wusste Wataru nicht, wieso sie das jedes Jahr mitmachte. Saeko wurde wenn es zu dem Tag kam, an dem das Stofftier 'Geburtstag' feierte noch aufgeregter als bei ihrem eigenem. Das erste Mal, als ihre Königin etwas in dieser Richtung erzählt hatte war es für sie nicht mehr als ein schlechter Scherz gewesen, doch schnell hatte sie gelernt, dass es todernst gemeint war. Seither schenkte sie dem Stofftier jedes Jahr ein anderes Oberteil. Das letzte Mal war es ein buntes T-shirt gewesen und manchmal machte sie sich einen Scherz daraus und missbrauchte einen einfachen Ring als Ohrring für den blauen Stoffhasen. Zwar war das für Saeko so wichtige Ereignis noch eine Weile hin, aber bei ihrem Zeitplan würde sie sowieso erst in ein paar Tagen dazu kommen das Geschenk richtig zu verpacken und zurecht zu machen. Sonderlich begabte Hände für soetwas hatte Wataru nämlich nicht.
 

Nachdem die Streitigkeit beigelegt war konnten es weder Top Star noch Vice verhindern, dass eben jene Streitereien oder die kleinen Keilereien, die sie sich immer wieder leisteten, immer weniger wurden und eigentlich nur noch gelegendlich vorkamen. Einerseits lag es wohl daran, dass sie sich langsam aufeinander einstellten während der Proben, besser aufeinander reagieren konnten, andererseits, dass sie sich in ihrer Freizeit besser kennen lernten. Noch immer verbrachte Saeko den größten Teil ihrer Zeit mit ihren Freunden und mit Wataru, doch fühlte sie die Distanz, die Wataru langsam zu ihr aufbaute. Sie rückte nicht mit der Sprache raus, doch war das für den Tsukigumi-Star völlig in Ordnung. Sie hatte sowieso andere Dinge im Kopf. Wannimmer sie Zeit fand kam sie zu Asako oder die Jüngere kam zu ihr, doch die Zweisamkeit, die zunächst immer gleich endete, änderte sich schnell. Es kam immer häufiger vor, dass Top Star und Vice gemeinsam auf der Couch lagen, vor sich hindösten ohne wirklich auf das zu achten, was sie sich nebenbei vorgenommen hatten. Diese Aktionen reichten von Scripte lernen über Tanzschritte bis hin zum Filme sehen oder Kochen. Saeko hatte rein gar nichts dagegen, den obgleich ihre dösigen Phasen entspannend für sie beide waren, genauso spannend und abwechslungsreich war ihr zwischenmenschliches Zusammenleben. Asako war nicht so unschuldig, zumindest nicht mehr, wie das erste Mal als Saeko den bebenden Körper unter ihren Fingern gespürt hatte. Die Jüngere wusste durchaus wie man dominant war, war entzückend wenn Saeko die Zügel in die Hand nahm, konnte durchaus Zähne zeigen und gleichzeitig so sanft und scheu wie ein Lamm sein. Der Top Star entdeckte so viele neue Seiten an der Hanagumi-Prinzessin die sie gleichermaßen hasste und anbetete. Besonders ihr zickiges Dasein, dass sie durchaus hier und da mal hatte, machte sie wütend, aber nach einiger Zeit lernte sie dem entgegen zu wirken.

Sehr zu ihrem Leidwesen schaffte sie es mit verstrichener Zeit immer weniger die Finger von ihrem Vice zu lassen, konnte es manchmal nicht verhindern der Jüngeren einen heißen Blick zu zu werfen, der von den anderen unbemerkt blieb. Es wurde besonders schlimm nachdem sie sich einige Tage nicht außerhalb der Proben hatten sehen können, denn Asako verbrachte wieder mehr Zeit mit Osa, wenn der Hanagumi-Star selbst denn die Zeit dazu fand, und Saeko schob einige Überstunden.

Den entscheidenden Schritt, bei dem sich das Gehirn des Top Stars aber entgültig abgestellt hatte, ging von Asako selbst aus. Zur Mittagspause eines Probentags steuerte ihr Vice gezielt die Tür an, warf einen Blick über die Schulter in den Raum bis er schließlich an Saeko hängen blieb. Es war nur ein Blick, ein leichtes Zucken des Mundwinkels, aber der Top Star wusste bescheid. Sie hatte wieder das Feuer in den Augen. Kurzerhand schielte Saeko über ihr Script, in dass sie erst Minuten zuvor mit Asako reingeschaut hatte, und suchte den Raum nach den ihr nahestehenden ab. Yuuhi hockte mit Kiriyan zusammen. Die beiden schienen zu tratschen und Yuuhi brach in heiteres Gelächter aus. Kashi saß mit ein paar anderen Mädchen zusammen über deren Bentos und die Shinkos, inklusive Magee und Micchan, konzentrierten sich lieber auf sich. Saeko hob die Augenbrauen etwas, atmete tief durch und legte das Script auf die Seite, erhob sich von ihrem Platz und schlich ohne jemandem bescheid zu sagen und hinter dem Rücken der anderen aus dem Saal. Immerhin hatten sie Pause. Es würde sie keiner vermissen. Ihr Blick wanderte den Gang hinunter, doch keine Asako weit und breit. Inzwischen kannte sie die Jüngere dann doch um ungefähr einschätzen zu können wo sie hinwollte, wesshalb sie sich auf den Weg an diversen Räumen vorbei, durch die Gänge in einen der kleineren Toilettenräume verzog. Dort sah sie ihren Vice auch schon am Übergang zweier Toilettentüren stehen, an das Metall gelehnt und sie sah etwas auf als sie die Tür hörte. Sofort legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen.

„Du hast mich warten lassen“, sagte sie mit etwas vorwurfsvollem Blick und sties sich von der Wand ab, ging ein paar Schritte in Richtung Fenster und blieb dort stehen. Mit galanten Schritten trat der Top Star hinter die Jüngere, beugte sich zu ihrem Ohr.

„Bist du etwa beleidigt?“, raunte sie dagegen und lies die Nasenspitze über die Ohrmuschel der anderen wandern. Prompt fühlte sie das Zittern nahe an ihrem Körper, hörte das sanfte Japsen der Jüngeren.

„Vielleicht. Komm das nächste mal früher.“

„Gibst du mir jetzt Befehle? Ich bin immer noch der Top Star von uns beiden“, raunte die Ältere nur etwas, schob die Hände über die schlanke Taille, die die Jüngere unter dem Hemd verbarg, und konnte geradezu fühlen wie die Fassade des Vice unter ihren Händen brökelte. Asako drehte sich unter ihren Händen, sah ihr ein paar Augenblicke in die Augen und legte den Zeigefinger auf das Kinn des Top Stars.

„... Du hast mir gefehlt“, flüsterte sie bevor sie einen sanften Kuss auf ihre Lippen hauchte, den Saeko gleichermaßen erwiederte. Asako sties sich von der Fensterbank ab und kurz darauf fand sich Saeko mit dem Rücken an der Wand der kaputten Toilettenkabine wieder. Der kleine Machtkampf, der sich zwischen ihnen aufbaute war jedoch schnell entschieden als sich die Ältere dazu entschloss mit einem Ruck an der Schulter der Jüngeren den Platz mit ihr zu tauschen, drückte sie mit dem Körper an die kalte Wand während ihre Hände an deren Rücken ruhten. Je mehr Asako von ihr fühlte umso besser. Deren Arme waren um ihren Hals geschlungen, hielten sie nahe auch wenn sich Saeko immer wieder dem Kuss der Jüngeren entzog, daraufhin nur etwas grinste. Stattdessen beugte sie sich zum verführerischen Hals, presste die Lippen dagegen und entlockte der Jüngeren damit ein leises Stöhnen. Inzwischen wusste die Ältere wie empfindlich sie dort war. Saeko's Finger huschten unter den Saum des Shirts und liebkosten die heißer werdende Haut. Als ob sie Spuren hinterlassen würde drückte sich der Körper der anderen gegen ihren. Der Kopf der Jüngeren sackte auf ihre Schulter als sie den Knopf und den Reisverschluss der so ungeliebten Jeans öffnete, doch ihre Hände zunächst auf den wohlgeformten Hintern unter den Bund der Hose und unter den Slip schob, dabei selbst etwas erschauderte. Das Gefühl, dass in ihr aufstieg, hatte ihr gefehlt und sie nutzte die Haltung um an dem Ohr zu knabbern, dass sich direkt unter ihrer Nase befand. Dabei entlockte sie Asako nur noch ein weiteres, heiseres Japsen. In ihrem Übereifer biss sie etwas fester zu, woraufhin die Jüngere in ihren Armen etwas zusammenzuckte.

„Aua... nicht beisen“, hauchte die Jüngere gegen ihr Ohr und Saeko zog sich einen Augenblick zurück um Asako in die lusttrunkenen Auge zu sehen. Sie war so wunderschön und so einzigartig.

„Tut mir leid“, murmelte sie nur und nahm die Lippen der Jüngeren erneut in Beschlag. Sie fühlte, hörte wie die Jüngere gegen ihre Lippen keuchte als sich ihre Hand erneut auf Wanderschaft begab nur damit sie kurz darauf mit einem Stöhnen den Kopf in den Nacken werfen konnte als sich die Hitze wie schon so häufig in den letzten Wochen um die Finger des Top Stars schloss.

„Sei mein.“
 

Wataru konnte nicht so ganz sagen woran es lag, aber irgendetwas lag im Busch. Etwas war anders als sonst und sie würde herausfinden, was es war. Vielleicht war es nur die Art, wie sich Yuuhi die letzten paar Tage verhielt, dass sich dieses Gefühl nur noch weiter gefestigt hatte. Ihre Freundin wich ihr aus und war eigentlich nur noch bei Beni, die aber auch nichts aus der Tsukigumi-Schauspielerin herauskitzeln konnte. Doch für den Augenblick hatte sie sich dazu entschieden mal wieder etwas für ihre Beziehung zu tun, die gerade in letzter Zeit durch ihren eigenen Stress und Saeko's selbst sehr gelitten hatte. Glücklicherweise stand Harvey's 'Geburtstag' an und sie hatte es tatsächlich geschafft den kleinen Pulli zu stutzen und ihn einzigartig zu machen, ihn in einfaches, blaues Geschenkpapier ein zu packen und das Päckchen mehr oder minder kunstvoll mit ein paar Schleifen zu gestalten. Damit wartete sie am Abend auf ihre Freundin vor deren Wohnungstür, hockte sich vor der Tür auf den Gang und kuschelte sich in ihre dicke Winterjacke. Das Wetter in den letzten Tagen war furchtbar. Es schüttete schon seit Tagen wie aus Eimern und ab und an war es so kalt, dass sich etwas weicher Hagel darunter mischte. Natürlich hätte der Hoshigumi-Star einfach hinein gehen können, denn sie hatte einen Schlüssel, aber sie hatte die Hoffnung, dass Saeko mit zu ihrer Wohnung kommen würde. Erst als sie die Schritte auf der Treppe hörte stand sie auf und sah zum Tsukigumi-Star, die etwas nass an den Beinen und den nassen Regenschirm in der Hand hinaufgetrabt kam und zunächst stehen blieb als sie den Hoshigumi-Star erblickte.

„Wataru? Was willst du hier um die Uhrzeit?“, fragte sie verwirrt und kam zu ihr, steuerte halb die Tür an, doch Wataru stoppte sie ehe sie ehe sie diese erreichte und sie die Tür in ihrem Rücken behielt. Die kleinere Frau sah zu ihr hinauf.

„Brauche ich einen Grund um die Dame meines Herzens zu besuchen?“, antwortete sie nur frech und versuchte sich etwas in den Blick der anderen zu schieben nachdem diese ihrem auswich indem sie auf den Boden starrte. „Was ist los?“

„Ich bin einfach nur müde und will ins Bett. Das ist alles. Also sag mir was du willst.“

Der König seufzte etwas. Sie tat es schon wieder. Sie blockte. Sie zog die Hand etwas beiseite, hielt ihrer Freundin mit leicht traurigem Blick das Geschenk entgegen. Diese nahm es erst nach einigem Zögern.

„Ich hab Harvey's Geburtstag nicht vergessen...“

„Wataru...“

Der Hoshigumi-Star hob leicht die Hand, brachte die Kleinere zum Schweigen.

„Ich hatte einfach gehofft, dass wir mal wieder ein bisschen Zeit miteinander verbringen. Nur wir beide. Das haben wir doch immer an diesem Tag gemacht, oder? Wir sagen zwar immer er ist für Harvey, aber eigentlich ist er doch für uns, oder?“ Saeko schwieg und sah zu ihr hoch. „Oder liebst du mich nicht mehr?“

Der Blick des Tsukigumi-Stars wurde etwas traurig und mit der freien Hand griff sie nach der des Hoshigumi-Stars. Dennoch sprach sie erst nach ewig dauernden Augenblicken des Schweigens.

„Natürlich liebe ich dich noch“, sagte sie und trat einen Schritt näher an den schwarzen König heran. Wataru lächelte etwas. „Tut mir leid, wenn ich dich in letzter Zeit vernachlässigt habe...“

„Schon in Ordnung. Ich weis, dass du Stress hast.“ Sie legte die Finger unter das Kinn der anderen, beugte sich zu ihr. „Aber du bist und bleibst meine schwarze Königin.“

Sie hörte nur ein leises Raunen gegen ihre Lippen als sie diese auf die ihrer Königin legte.



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Von:  Da-chin96
2012-05-02T17:53:40+00:00 02.05.2012 19:53
Yay ein neues Kapitel :D

Darauf habe ich ja lange gewartet. Kann garnicht abwarten, wie es weiter geht >-<
Von:  Emeli_chan
2012-05-01T20:49:19+00:00 01.05.2012 22:49
Ui ein neues Kapitel *.* ,schön. Sehr amüst =)
Von:  Da-chin96
2012-02-03T14:58:52+00:00 03.02.2012 15:58
O.O noch kein Kommentar?
Gibts doch nicht!

Dieses Kapitel ist gut, doch leider war ich am Anfang recht verwirrt mit den Namen und allem, trotzdem sehr gelungen.
(kann auch nur daran liegen das ich dumm bin)

Von:  Da-chin96
2012-02-03T14:57:31+00:00 03.02.2012 15:57
Dieses Kapitel ist so toll.
:) Ich habe die ganze Geschichte bis jetzt verfolgt und ich muss sagen, dein Schreibstil ist einfach toll.

Die verschiedenen Sichtweisen und das Zusammenspiel deiner Worte, einfach großartig.

Bitte schreib schnell das nächste Kapitel >.< ich will es unbedingt lesen.


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