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Chess

Das Leben ist wie ein Schachspiel...
von

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White Queen, Black Queen: Seventh Sin

Das Erste, was Saeko bemerkte als sie wieder aufwachte waren ihre kalten Füße, wobei sie diese leise stöhnend zurück unter die Decke zog, drückte das Gesicht noch etwas mehr ins Kissen. Noch immer hatte sie keinen Wecker gehört, also musste sie wohl noch Zeit haben, aber besser sie sah mal auf die Uhr. Wenn sie nicht mehr so viel Zeit hatte bis ihr Wecker losging, dann würde es besser sein, wenn sie gleich aufstand. Mit noch immer geschlossenen Augen drehte sie sich auf den Rücken, doch sties auf halbem Wege gegen etwas weiches. Was war denn jetzt schon wieder? Sie schielte zwischen halb zusammengekniffenen Augen hinter sich, sah ein nur allzu bekanntes Muster direkt vor ihrer Nase.

Warum lag sie auf der Couch? Leise gähnend drückte sich der Tsukigumi-Star auf, bibberte etwas aufgrund der plötzlichen Kälte und zog die Decke hoch. Nicht nur, dass sie auf der Couch lag, sie lag auf der kleinen. Was zur...

„Ach ja...“, murmelte sie als sie sich daran erinnerte, wieso sie sich an dem ungewohnten Ort befand. Sie hatte Sena auf dem Weg nach Hause aufgegabelt, in einem mieserablem Zustand und klitschnass obendrein. Saeko rieb sich ausgiebig die Augen, sah zu der gegenüberliegenden Couch.

Leer. Ganz einfach leer. Keine Sena, sondern nur die zurückgeklappte Bettdecke und einen inzwischen wohl kalt gewordenen Harvey. Der Tsukigumi-Star sah sich, auf einmal hellwach, im Wohnzimmer um während sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnten. Nur langsam zog sie sich unter der Decke heraus von der Couch, fiebte dabei kurz als die nackten Füße den kalten Teppich berührten und streckte sich ausgiebig. Vielleicht war sie ja im Badezimmer, denn ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass das Training bald anstand. Jedoch würde sie Sena wohl eher zum Arzt fahren wenn sie nicht wieder im top Zustand war. So wie sie am Vortag geklungen hatte konnte sie noch nicht wirklich wieder auf den Beinen sein. Der Tsukigumi-Star ging aus dem Wohnzimmer zum Bad, klopfte kurz.

„Sena?“, fragte sie bevor sie die nicht abgeschlossene Tür öffnete. Leer. Erneut. Wo konnte die Frau nur sein? So groß war die Top Star-Wohnung nun auch wieder nicht. Dennoch wurde der Top Star etwas nervös. Immerhin wollte sie verhindern, dass ihrem Vice irgendetwas passierte. Wenn jemand herausfand, dass sie die junge Frau mitgenommen hatte ohne sie gleich ins Krankenhaus zu fahren würde das auf sie zurückfallen. Daraus resultierte, dass sie jeden Raum ihrer Wohnung absuchte nur um alle leer vor zu finden. Im Schlafzimmer gab sie schließlich auf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah sich irritiert um. Die nassen Klamotten von Sena waren ebenso weg. War die andere einfach gegangen? Das, oder sie war vom Balkon gesprungen, aber da die Tür noch fest verschlossen war, war das eher unwahrscheinlich. Inzwischen hatte sie nicht wirklich mehr viel Zeit, war eigentlich schon zu spät zum Training, aber das musste jetzt mal warten. Zunächst musste sie irgendwie Sena finden.
 

Noch immer etwas schwankend trat die Tsukigumi-Vice in ihre Wohnung, stieg aus den feuchten Stiefeletten und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, wo sie die nassen Klamotten in die Dusche schmiss. Der Morgen war für sie furchtbar verlaufen. Nicht nur, dass sie in einer völlig fremden Wohnung aufgewacht war, sie hatte furchtbare Kopfschmerzen, ihre Lunge und ihr Hals brannten und kratzten, ihr war schwindelig und eiskalt. Der schlimmste Moment am Morgen war aber gewesen als sie bemerkt hatte, dass sie in Ayaki's Wohnung aufgewacht war, unter ihrer Decke, in ihren Klamotten und mit diesem verdammt peinlichem Plüschtier im Arm. Sie trug noch immer die Klamotten ihres Top Stars, wohl hauptsächlich weil ihre Kleidung noch immer klatschnass war und so nicht tragbar. Glücklicherweise hatte sie es noch geschafft ihren Schlüssel heraus zu fischen, die Kleidung in eine Plastiktüte zu packen, die im Badezimmer gelegen hatte, und war so schnell wie möglich aus der Wohnung geflüchtet. Wie sie schlussendlich zu ihrer Wohnung zurückgefunden hatte war ihr jedoch schleierhaft. Ihr noch immer etwas verschleierter Blick wanderte zu der kleinen Uhr auf ihrem Tisch. Sie hatte gerade noch Zeit um sich um zu ziehen, die Kleidung in eine Tasche zu stopfen und sich auf zum Training zu machen. Sie würde Ayaki den Triumph nicht gönnen und einfach zuhause bleiben. Der Pulli und die Hose waren schnell entfernt und Asako merkte in diesem Moment, dass sie nichts weiter drunter trug ausser dem Slip, welcher noch nicht einmal ihrer war. Sie wurde rot. Hatte Ayaki sie auch noch ausgezogen?

„Das ist doch...GRRR“, fauchte sie leise zu sich, stampfte auf und machte sich noch immer hochrot auf den Weg in ihr Schlafzimmer. Gerade als sie sich einen weiteren Pulli überzog, den zweiten, klingelte das Telefon, doch sie ignorierte es gekonnt. Ihr war nicht nach Sprechen, wobei ihre Stimme sowieso noch nicht so ganz da war. Dennoch war sie kurz darauf auf dem Weg zur Halle, eingepackt in eine dicke Jacke, ihrem Lieblingsschal, ein paar warmen Stiefeln und Ayaki's Klamotten in der Tasche. Sie würde der anderen die Dinger einfach in die Tasche stecken wenn keiner hinsah und damit hatte es sich.

Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie unbemerkt ihren Tag verbringen konnte, am besten ohne Kiriyan und Kashi. So gern sie die beiden auch hatte, sie würden wohl nachfragen, was nur zu noch mehr Kopfschmerzen führen würde. Das Schicksal machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung.

„Morgen Asako“, rief Kiriyan schon auf einige Entfernung, doch Asako brummte nur leise. Sie wollte mit keinem reden. „Ist alles okay bei dir?“ Sah sie so aus? „Wie war der Abend bei Osa.“

Osa... Die Frau hatte sie schon gänzlich aus dem Gedächnis gestrichen gehabt nach dem, was am Vorabend passiert war. Jetzt wo sie so drüber nachdachte wäre sie wohl elendig erforen, wenn der Tsukigumi-Star sie nicht aus dem Regen geholt hätte. Das, oder sie läge mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Vielleicht war sie gar nicht so eingebildet und egoistisch...

„Hallo? Guten Morgen!“

Erschrocken hob sie den Blick von der Tasche, den sie auf den lilanen Pulli gerichtet hatte, den sie in ihrer Eile nicht ganz in die Tasche gepackt hatte. Kiriyan legte die Hand auf ihre Schulter. Asako belies es erst einmal dabei.

„Mir geht’s gut. Ich hab mir nur einen Zug geholt. Das gibt sich wieder.“

Was besseres fiel ihr nicht ein? Sonst war sie doch nicht so unkreativ. Innerlich schlug sich der Vice, war dabei unter den prüfenden Blicken ihrer Freunde.

„Bist du sicher? Du wirkst ziemlich blass.“

Ihre Freundin hob die Hand, wollte wohl testen ob sie Fieber hatte, doch Asako schob die Hand beiseite. Es musste keiner wissen dass sie krank war. So rührend die Fürsorge der anderen auch war, es nervte sie dann doch irgendwo, was auf ihre Stimme schlug. Auch wenn diese noch nicht so ganz da war.

„Ich sagte es geht schon.“

Die beiden Tsukigumi-Schauspielerinnen sahen sich flüchtig an als Kashi den Pulli in ihrer Tasche entdeckte. Asako widerstand dem Drang ihn tiefer rein zu stopfen.

„Was hast du denn bitte da mitgebracht? Noch mehr Klamotten fürs Training?“

„Nein. Ein Pullover.“ Wieder total kreativ. Innerlich schnaubte sie. „Falls mir kalt wird. Das Wetter ist heute echt mies.“
 

Auch bei Sena zuhause ging keiner ans Telefon, wesshalb Saeko nur noch etwas nervöser wurde. Was, wenn ihr tatsächlich etwas passiert war? Verdammt und sie konnte keinen von ihren Freunden anrufen um nach zu fragen, denn das würde sie verraten. Mal ganz davon abgesehen, dass sie keine Nummer von Sena's Freunden hatte. Nochmals warf sie einen Blick auf die Uhr. Sie war schon viel zu spät, wesshalb sie fluchend ins Badezimmer rannte, sich schnell umzog und flüchtig fertig machte ehe sie geradezu zum Trainingsraum rannte. Sie würde Sena den Kopf abreisen wenn diese Frau zum Training kam! Selbst wenn es ihr einigermaßen wieder gut ging, sie hätte wenigstens bleiben können bis sie aufwachte oder sie zumindest wecken können! Wütend, verwirrt, müde und irgendetwas zwischen Sorge und noch mehr Wut trat sie in den Probenraum, wobei sofort Micchan und Yuuhi zu ihr kamen. Die beiden ignorierte sie zunächst, sah sich im Raum nach Sena um.

„Warum bist du so spät, Saeko? Ist was passiert?“

Am liebsten hätte sie die Jüngere angeschrieen, dass es sie nichts anginge, wohl am meisten weil Saeko keine Ausrede hatte, doch sie entschied sich für das Naheliegendste.

„Ich...bin aufgehalten worden. Musste telefonieren.“

Noch während sie ihre Tasche verstaute scannte sie weiter den Raum nach der Vice ab, sah sie schließlich dick eingepackt zwischen den Schauspielerinnen, halb verdeckt durch Kiriyan. Mehr oder minder erleichtert lies sie die Schultern fallen, seufzte schwer. Wenigstens war sie nicht weggelaufen oder schlimmer noch war irgendwo umgekippt. Dennoch würde sie die andere nach Hause schicken, ob es ihr passte oder nicht. Es half keinem wenn sie die halbe Troupe ansteckte da ihnen sowieso schon so viele fehlten.

„Jetzt sag schon. Was ist los?“

„Nichts.“ Sie verschränkte die Arme, sah zu Yuuhi und Micchan. „Na gut. Machen wir uns warm und teilen die Gruppen ein.“
 

Dass allein das Aufwärmtraining so anstrengend sein würde hatte sie Vice nicht erwartet. Sie bekam kaum Luft und es fühlte sich an als ob Messer in ihre Lunge stechen würden. Doch trotz des ständigen Hustens, sie machte das so leise wie möglich obwohl ihre eigene Kehle in ihren Ohren schallte, zwang sie sich durch zu halten. Ihr war ganz und gar nicht nach Training oder etwas in der Richtung. Am liebsten wäre sie zu Osa gegangen, hätte sich in ihr Bett gelegt und sich von ihr umsorgen lassen. Nochmals fühlte sie die Tränen in sich hochsteigen, die sie aber wieder runterkämpfte. Osa würde sie wohl nie mehr sehen wollen. Dass die Gruppen neu eingeteilt wurden kam dem Tsukigumi-Vice auch gerade recht. Vielleicht kam sie so auf etwas Abstand zu Kiriyan und Kashi, die mit den Blicken geradezu an ihr klebten. Doch im Verlauf der Gruppeneinteilung fühlte sie sich merkwürdig ignoriert. Noch mehr als sonst. Obendrein wurde sie nicht eingeteilt. Was sollte das denn schon wieder? Kurzerhand stand die Vice auf, ging zu ihrem Top Star.

„Uhm Ayaki? Wieso bin ich nicht eingeteilt?“

Der Tsukigumi-Star machte sich nicht einmal die Mühe sich zu ihr zu drehen, starrte stattdessen in ihr Script.

„Weil du heute hier sowieso nichts verloren hast. Geh nach Hause. Ich kann dich so nicht gebrauchen.“

Was sollte das schon wieder heißen? Manchmal kam es Asako so vor als ob sie absichtlich einen Streit provozierte.

„Ich habe hier genauso Arbeit zu erledigen wie du!“, fauchte sie nur, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst.

„In deinem Zustand? Bring mich nicht zum lachen. Du hällst uns höchstens noch weiter auf als du es sowieso schon getan hast, Prinzessin.“

„Das ist doch gar nicht...“

Ayaki unterbrach sie indem sie ihr den Rücken zudrehte.

„Komm erst wieder, wenn du wieder gerade stehen kannst und dich richtig mit mir streiten kannst. So kann ich dich nicht ernst nehmen. Höchstens auslachen.“

Nochmals wollte Asako Kontra bieten, doch ihr fiel tatsächlich nichts ein. Schlimmer noch. Ayaki hatte Recht. Sie war der Troupe so keine Hilfe. Sie konnte kaum stehen, singen konnte das Goldkehlchen auch nicht ohne dass es schmerzte und ihr Körper tat weh. Besiegt stampfte sie auf dem Boden auf, ging zu ihrer Tasche. Diese packte sie und noch während sie durch den Raum ging stopfte sie unbemerkt Ayaki's Kleidung in deren Tasche.
 

Bei dem einem Mal war es jedoch nicht geblieben wo Saeko Sena nach Hause schicken musste. Am darauffolgenden Tag stand ihr Vice schon wieder auf der Matte. Ihr schien es ein wenig besser zu gehen, sodass der Top Star sie geradezu aus dem Raum prügeln musste, doch schlussendlich hatte Saeko doch ein Machtwort gesprochen. Noch immer fragte sie sich, wieso Sena so niedergeschlagen war, sie konnte ja schlecht fragen, aber es schien sich in ihrer Gesundheit wieder zu spiegeln. Am Abend drei Tage später hockte Saeko in ihrer Wohung, saß in ihrem Sessel und hatte ein Buch im Schoß liegen. So wirklich konzentrieren konnte sie sich darauf aber nicht. Der Regen prasselte schon wieder gegen ihre Fenster und sie wurde irgendwie davon abgelenkt. Schon wieder waren ihre Gedanken bei der Nacht drei Tage zuvor. Es ging ihr nicht aus dem Kopf. Wieso hatte Sena unter diesem Baum gesessen? Auch noch so spärlich bekleidet. Sena war ihr immer so stark vorgekommen, frech, aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Irgendetwas machte ihr gehörig zu schaffen. Saeko starrte nach drausen. Wenn sie einmal raus gegangen war, was hinderte sie daran es nochmal zu tun?

„Das ist doch Unsinn“, murmelte der Top Star zu sich, schüttelte den Kopf und stand auf, ging in die Küche und machte einen Tee, doch noch ehe sie das Wasser aufgesetzt hatte schnaubte sie. Sie würde es sich nicht verzeihen wenn Sena nochmal auf diese dumme Idee kam. Vielleicht bekam sie dann auch mal etwas aus der Jüngeren heraus. Saeko trat gegen die Tür eines Schrankes, lies das Wasser einfach sein und ging aus der Küche, hatte sich schnell die Stiefel angezogen, ebenso wie eine Jacke und schnappte sich den nächstbesten Regenschirm. Eigentlich war es total unsinnig, geradezu hirnrissig, aber sie war sich sicher, dass sie keinen Schlaf finden würde wenn sie nicht klarstellte, dass Sena nicht schon wieder unter diesem Baum hockte und sich den Tod holte. Verdammte Prinzessin. Es war keiner in den Gängen, bei den Graden wahrscheinlich alle auf ihren Zimmern unter den warmen Decken und hier war sie, im Hechtschritt durch die Vorhalle zum Dorm laufend und nach drausen, wo es nicht nur bitterkalt war, sondern auch noch regnete wie aus einer Gießkanne. Dann aber hatte Saeko schon wieder vergessen wo sie Sena aufgegabelt hatte, sah sich desshalb um, aber konnte gerade wegen der Dunkelheit nichts erkennen. Langsam kehrte die Erinnerung dann doch zurück, insbesondere als sie tatsächlich jemanden an einen Baum gelehnt stehen sah. Saeko verfluchte sich, dass ihre Intuition manchmal so gut war. Langsam trat sie durch den Matsch, blieb vor Sena stehen, die etwas den Kopf hob. Sie war nicht mehr ganz so blass und sie hatte dieses Mal wenigstens eine Jacke an, aber sie war dennoch klitschnass, sodass ein paar Tropfen von ihren Haarspitzen und ihrem Kinn fielen, der Schal und ihre Kleidung an ihr klebten.

„Darf man fragen, was du schon wieder hier machst? Du bist schon krank genug.“

„Warum interessiert es dich?“

„Es interessiert mich nicht.“

„Dann wärst du nicht hier raus gekommen.“

Touché.

„Es ist für uns beide schlecht wenn man dich hier morgen früh tot auffindet.“ Sena schwieg. „Komm jetzt.“

„Was?“, fragte die andere dann doch irritiert.

„Desshalb bist du doch hier, oder?“

Erneutes Schweigen seitens ihres Vice. Saeko machte einfach auf dem Absatz kehrt, ging wieder Richtung Dorm. Sie sah kurz über die Schulter um zu überprüfen ob Sena ihr auch folgte. Sie tat es.
 

Was hatte Asako nur nach drausen getrieben? Sie hatte keine Ahnung. In einem Moment hatte sie noch am Fenster gesessen, hatte den Rest des Tees getrunken, den sie sich gemacht hatte nachdem Ayaki sie erneut nach Hause geschickt hatte und hing ihren Gedanken nach. Im nächsten hatte sie sich in ihre Klamotten gezwängt, in ihre Stiefel und eine Jacke und war schon auf halben Weg nach drausen gewesen. Unterwegs hatte sie nur kurz gestoppt, hatte mit dem Gedanken gespielt um zu drehen, dennoch war sie nach drausen gegangen, wohl noch immer in der Erwartung, dass Osa vor ihr stehen würde. Letztendendes war es Ayaki, die auf einmal den Regenschirm über sie hielt und den Regen von ihr ab, der sich in erstaunlicher Geschwindigkeit in ihre Kleidung gesogen hatte. Schlimmer noch, sie folgte dieser arroganten Kuh wie ein verlorener Hund. Wieso sie sich von dem Tsukigumi-Star mitnehmen lies war ihr schleierhaft, genau wie der Moment, in dem sie Ayaki's Wohnung betrat. Sie hatte hier nichts verloren. Etwas fehl am Platze blieb sie in der Eingangshalle stehen nachdem der Top Star schon ihre Schuhe, die Jacke und den Schal ausgezogen und den Schirm beiseite gestellt hatte. Diese drehte sich zu ihr um.

„Was ist? Mit Schuhen und tropfender Jacke kommst du mir nicht in die Wohnung.“

„Wieso?“

„Wieso was?“

„Wieso tust du das?“

Die Ältere drehte sich weg, ging in die Wohnung und schnaubte etwas unter ihrem Atem, was sie nicht verstehen konnte. Asako zog daraus, dass sie selbst keine Ahnung hatte, denn immerhin konnten die beiden Frauen sich nicht leiden. Dennoch musste die Vice zugeben, dass diese Art von Aufmerksamkeit irgendwie schmeichelhaft war. Auch wenn sie Ayaki verachtete wie keinen anderen, vielleicht konnte sie sich wenigstens einen Abend umsorgen lassen. Eigentlich war es ihr recht egal, dass es der Top Star war, der sie mitgenommen hatte, ihr Kriterium war eher, dass sie einfach da war. Asako war kein Mensch, der gerne allein blieb, aber auch niemand, der sich gerne unterhielt. Es reichte ihr vollkommen wenn einfach eine andere Person im Raum war. Seufzend fuhr sich die Jüngere durch die nassen Haare, zog die Schuhe von den Füßen und entfernte Jacke und Schal. Erst dann merkte sie, wie sehr die Kleidung an ihrem Körper klebte und sie bibberte leicht.

„Das Bad ist da hinten“, hörte sie den Top Star, der erneut zu ihr sah und dann den Gang hinunter zeigte als Asako den Blick zu ihr richtete. „Geh duschen und dich aufwärmen. Ich leg dir ein paar neue Sachen hin.“

Wortlos tat die Vice so, wie ihr gehießen war, stand keine fünf Minuten später unter der doch beeindruckend großen Dusche, lies sich das heiße Wasser über die Haut laufen und fühlte, wie langsam das Blut zurück in ihre Glieder floss. Und schon wieder fragte sie sich wieso Ayaki sie in ihre Wohnung, in ihr Leben lies. Gut sie waren zusammen in einer Troupe und sie waren nunmal Vice und Top Star, aber das allein konnte nicht der Grund sein, oder? Asako musste sich leider eingestehen, dass es ganz angenehm war die andere um sich zu haben wenn sie nicht gerade von ihr angeschrieen wurde.

Den Gedanken im Hinterkopf, der sie irgendwie verschreckte, stieg sie nach einer Weile aus der Dusche, fand auf dem kleinen Stuhl ein Häufchen Klamotten. Ein schwarzer, weiter Pullover und eine warme Jogginghose, die ihr wahrscheinlich etwas zu groß war, sowie ein paar Socken und Unterwäsche. Die nasse Kleidung hing sie über der Heizung an einen Haken. Bis zum Morgen würden die trocken sein. Kaum aus dem Badezimmer roch sie schon etwas, was sie an Essen erinnerte und auf dem Tisch stand eine kleine Schlüssel. Ayaki selbst saß im Sessel und hatte die Nase in einem Buch, wobei auf der Couch bereits die Decke und das Kissen lagen.

„Die Suppe wird deinen Hals beruhigen bevor es schlimmer wird. Du solltest wirklich aufhören dich raus zu setzen. Der Regen ist nicht gut für dich. Besonders bei dieser Kälte.“

Die Vice sagte nichts, setzte sich nur an den Tisch und begann die Suppe zu verspeißen, die erstaunlicherweise sogar schmeckte. Sie hatte nicht erwartet, dass der Top Star kochen konnte. Sie hatte die Flüssigkeit halb weggelöffelt als der Tsukigumi-Star sich erhob und das Buch auf die Seite legte und zu ihr an den Tisch kam.

„Ich gehe nicht davon aus, dass du vor hast morgen früh hier zu bleiben?“ Die Ältere machte eine Pause und Asako schüttelte den Kopf. Es musste immerhin nicht sein, dass sie jemand eventuell in der Wohnung des Top Stars erwischte. „Dann sehen wir uns beim Training. Ich gehe schlafen.“ Ayaki wollte an ihr vorbei als Asako fast aus Reflex nach dem Handgelenk der anderen griff. Sie wollte nicht alleine im Wohnzimmer bleiben. Generell war sie nie gerne alleine und auch wenn sie sich nicht unterhalten hatten war die blose Anwesenheit der anderen doch angenehm gewesen. Obendrein würde sie nicht schlafen können wenn sie sich alleine im Wohnzimmer in fremder Kleidung unter einer fremden Decke auf einer fremden Couch hin und her rollte. Ayaki sah verwirrt zu ihr hinunter. „Was ist?“

„Bleib.“

„Ich werde nicht nochmal auf der kleinen Couch schlafen.“

„Ich lass dir die große. Aber bitte. Bleib.“

Die Jüngere sprach nur sehr leise, wollte sich die Bitte dann doch noch nicht so ganz eingestehen, aber sie war ihr über die Lippen gekommen ehe sie etwas dagegen hätte tun können. Am liebsten hätte sie sich geschlagen. Erst als der Top Star resigniert die Schultern sacken lies hob sie den Blick zu sah zu der Älteren hoch. Diese warf einen Blick zum Sofa, machte dann auf dem Absatz kehrt und ging wortlos zum großen Sofa, legte sich dort unter die Decke und drehte sich zur Lehne. Dann würde sie sich wohl die dünne Decke nehmen müssen, die am Fußende der kleinen Couch lag. Wenigstens war Ayaki's Wohnung warm genug und die Suppe hatte sie auch ordendlich aufgeheizt. Sie brachte die Schüssel noch in die Küche ehe sie die kleine Couch ansteuerte um sich dann auch schlafen zu legen.

„Jetzt komm schon rüber.“ Die Stimme des Tsukigumi-Stars war etwas gedämpft, da sie gegen das Kissen sprach und für einen Augenblick hatte Asako geglaubt sich verhört zu haben. Kurz darauf sah die Ältere über die Schulter zu ihr. „Die Couch ist breit genug und ich werde dich schon nicht auffressen.“
 

Als Saeko wieder aufwachte fand sie sich wieder alleine auf der Couch vor. Sena war wieder abgehauen bevor sie aufgewacht war. Dennoch hing ihr gerade diese Nacht ziemlich nach, denn mitten in der Nacht, wohl durch einen Donnerschlag oder ähnlichem, war Saeko etwas hochgeschreckt, wurde jedoch durch den Körper in ihren Armen hinuntergedrückt. Sie hatte sich auch nicht die Mühe gemacht Sena von sich runter zu schieben, denn der warme Körper war dann doch ganz angenehm. Sena wurde Nachts geradezu zur Heizung. Doch müde und in einer durchaus bequemen Position dachte sie sich nichts weiter dabei, war nur verwirrt, dass zuletzt Wataru dieses Gefühl bei ihr ausgelöst hatte.

Ein paar Tage später hockte Saeko bei Wataru auf der Fensterbank, fuhr sich leicht abwesend durch die Haare und fixierte den Regen, der drausen aus den tiefschwarzen Wolken fiel. Sie drehte nur etwas den Kopf, sah aber weiterhin nach drausen als die Hoshigumi-Darstellerin auf einmal neben ihr stand.

„Sag schon. Was ist los mit dir? Du bist sonst nicht so.“

Sie hatte doch keine Ahnung. Sena und diese süße, verzückende Art, die sie hatte wenn sonst keiner da war weigerte sich aus ihren Gedanken zu verschwinden.

„Mir geht es einfach nicht ganz so prickelnd. Vielleicht werde ich krank“, sagte sie leise. Durch die Aktion im Regen hatte sie sich eine Erkältung eingefangen und das letzte, was sie wollte, war entgültig heiser zu werden. Dann würden ihr die Chefs den Kopf abreisen.

„Das glaube ich dir nicht. Hör mal, wir sind alle mal wieder zusammen und du sitzt hier und bläst Trübsal.“

„Ich blase kein Trübsal“, maulte sie nur etwas. Wieso ihre Stimmung so schlecht war wusste sie selbst nicht. „Mir ist nur einfach nicht nach feiern.“

„Selbst dann warst du noch nie so niedergeschlagen.“ Saeko entschied sich darauf zunächst nichts zu erwiedern in der Hoffnung, dass Wataru es dabei belassen würde.. „Macht dir Sena immer noch Ärger?“

„Nein.“ Im Gegenteil. Sie war bezaubernd. Zwar krachte es beim Training immer noch ab und an, jedoch war es auf so ein Minimum heruntergefahren worden, dass der Tsukigumi-Star sogar angefangen hatte diese kleinen Kebbeleien zu geniesen. So hatte sie mal einen ebenwürdigen Gegner.

„Dann erzähl mir endlich was los ist wenn du es schon nicht Yuuhi sagst.“

„Wataru lass es. Es ist kompiziert und ich will nicht darüber sprechen.“ Langsam übertrieb es ihre Freundin mit der Fürsorge. Saeko war immerhin eine erwachsene Frau und wusste, wann sie Lust hatte sich mit jemandem zu unterhalten und wann nicht. Ihr Blick wanderte erneut nach drausen. Es regnete wieder wie in Strömen und der Tsukigumi-Star kam nicht darum herum sich zu fragen ob Sena wieder unter dem Baum wartete. Osa würde nicht kommen, so viel war klar, auch wenn die ehemalige Hanagumi-Darstellerin dies vielleicht hoffte. Saeko wusste, dass sie nicht die Wunschgesellschaft der Jüngeren war, aber vielleicht bekam sie endlich mal mehr als zwei Sätze aus der Vice heraus. Noch immer kam sie um die Frage nicht herum wieso Sena sich im Regen nach drausen stellte und neugierig wie sie war wollte sie eine Antwort. Blieb nur die Frage ob die Jüngere jetzt auch wieder drausen war oder ob sie sich gefangen hatte. Es gab nur eine Möglichkeit das raus zu finden. Saeko stellte die Teetasse beiseite. „Ich sollte gehen. Ich will mal etwas früher ins Bett und mich ausruhen.“

Wataru schien da andere Pläne zu haben.

„Bleib wenigstens noch fünf Minuten.“

Manchmal konnte ihre Freundin wirklich aufdringlich sein. So vernarrt sie auch in ihre Freundin war, die Hoshigumi-Darstellerin tendierte zum Klammern. Da fiel ihr ein, dass sie gar nicht mehr genug Kleidung hatte, da das meiste in der Wäsche war oder, zumindest ihre bequeme Kleidung, noch bei Sena war.

„...Na gut. Ach ja. Wenn ich schonmal da bin: hast du meine Jogginghose noch? Die bräuchte ich wieder.“

„Die blaue?“

„Genau die.“

„Ja aber warum? Du hast doch genug von den Dingern und die war schon immer hier.“

„Ich brauch sie einfach. Hast du sie nun da oder nicht?“

Saeko hatte nicht verhindern können einen doch etwas aggressiveren Tonfall ein zu schlagen, doch es schien zu helfen. Einige Sekunden sah Wataru sie stumm an, stand dann auf und die kleinere folgte ihr ins Schlafzimmer, wo Wataru ihr die Hose reichte. Die dunkelblaue Hose mit den kleinen Monden drauf war eine ihrer ältesten und meist geliebten, denn sie hatte diese bekommen als sie in Tsukigumi eingetreten war. Sie stand ein wenig für die Troupe.

„Danke“, sagte Saeko, wollte gerade nach dem Stoff greifen als Wataru diese wegzog und Saeko leise genervt aufstöhnte. „Wataru was soll das?“

„Küss mich.“

Jetzt wurde sie auch noch kitschig. Saeko seufzte leise.

„Wataru...“

„Das ist meine Bedingung, meine schwarze Königin. Als dein König habe ich ein Anrecht darauf.“

Erneut stockte die kleinere. Jetzt fing sie mit dem Spiel schon wieder an. In dem Moment fiel ihr auch etwas ein, was sie flüchtig beim Training mitbekommen hatte. Kiriyan hatte Asa-... Sena 'White Queen', also weiße Königin gerufen. Hieß das, dass die kleine Gruppe, die sich um Sena sammelte, auf dieselbe absurde Idee gekommen waren wie sie? Und wenn sie als schwarze und Sena als weiße Königin bezeichnet wurden, dann stand sie tatsächlich jemand ebenwürdigem gegenüber. Das... musste sie nochmal überdenken. Flüchtig hauchte sie Wataru einen Kuss auf die Lippen, nahm ihr dabei die Hose ab und trat anschliesend einen Schritt zurück.

„Gute Nacht“, kam es simpel von ihr und sie verlies die Wohnung nachdem sie sich auch von den anderen Anwesenden verabschiedet hatte. Sie wusste zwar, dass es vielleicht etwas hart gegenüber Wataru war, aber sie musste erst einmal ihre eigenen Gedanken ordnen bevor sie sich um andere kümmerte. Schnell hatte sie ihre Wohnung erreicht, immerhin musste sie nur einmal quer durchs Stockwerk, warf die Hose durch den Gang auf die Couch, freute sich dabei etwas, dass diese auf der Rückenlehne liegen blieb, und schnappte sich ihren Regenschirm und eine dickere Jacke ehe sie nach unten ging. Der Regen war inzwischen so laut, dass sie fürchtete die dünnen Fenster würden jeden Moment eingeschlagen werden. Sie würde wohl erst Ruhe vor diesem verdammten Regen haben wenn sie sicher stellte, dass Sena nicht wieder unter diesem verfluchtem Baum hockte und wartete, auf was auch immer sie warten mochte. Zu ihrer Verwunderung musste sie nicht einmal nach drausen gehen, denn Sena hockte neben der Eingangstür an die Wand gelehnt, hatte den Kopf vorgelegt und die Augen geschlossen.

„Versuchst du jetzt etwas neues?“, sagte sie nur unterkühlt, blieb vor der anderen stehen und Sena sah zu ihr hoch. Sie war noch völlig trocken, hatte so wie es aussah ihre Schlafklamotten an, die aus einer schwarzen Jogginghose und einem etwas weiterem Sweatshirt bestand. Dabei hatte sie noch diesen komischen, grün gestreiften Schal um den Hals geschlungen und ein paar absolut nicht passende Flauschsocken an den Füßen. „Warum sitzt du hier? Wenn du nicht vor hast raus zu gehen kannst du genausogut in deinem Zimmer bleiben statt mir den Schlaf zu rauben.“

„...Ich wollte raus“, kam es nur etwas leiser, woraufhin die Jüngere den Kopf senkte. Saeko erwartete, dass sie weiter sprach, doch da kam nichts.

„Aber? Wieso tust dus nicht?“

„Du hast gesagt, dass ich nicht mehr raus soll.“

Saeko's harte Miene wich. Da war dieses merkwürdige Pochen wieder. Schon wieder zeigte Sena dieses Gesicht, dass sie vor den anderen verbarg und was sich so in ihr Gedächnis gebrannt hatte. Sie seufzte etwas.

„Ist neu, dass du auf mich hörst.“ Sie beugte sich etwas vor, hielt der Jüngeren die Hand hin. „Komm schon. Ich mach uns was zu Essen.“

Ihr Vice sah etwas irritiert auf, griff nur zögerlich nach ihrer Hand und sie zog die zusammengekauerte Frau auf die Füße. Wenigstens konnte sie aufrecht stehen und war nicht so unterkühlt wie die letzten Male. Sie war sogar ziemlich warm, angenehm. Kurz räusperte sich die Ältere. Was dachte sie da nur schon wieder?

„Komm schon“, meinte sie noch ehe sie mit Sena im Schlepptau, sie merkte erst auf halbem Weg, dass sie ganz vergessen hatte die Hand der anderen los zu lassen, zu ihrer Wohnung.
 

Asako starrte die ganze Zeit auf den Boden, traute sich nicht wirklich die andere an zu sehen. Schon wieder war sie durch den Regen nach unten gelockt worden. Es war wie ein Blackout gewesen und als sie wieder zu sich gekommen war hatte sie die Türklinke zum Eingang des Dorms schon in der Hand gehabt. Wie lange sie so neben der Tür gesessen hatte wusste sie schon nicht mehr, aber sie war froh, dass jemand gekommen war. Dass es schon wieder Ayaki war verwunderte sie zwar, aber so störend wie beim ersten grausigem Erwachen war es bei weitem nicht gewesen. Noch immer hatte sie gehofft, dass es Osa war, die sie mit auf ihr Zimmer nahm, sie umsorgte, pflegte, festhielt, küsste... Asako biss die Zähne aufeinander, errötete etwas. Sie hatte nie in Betracht gezogen, dass Ayaki das tat, was sie sich so sehr von Osa wünschte. Der Hanagumi-Top Star hatte sich zwar oberflächlich mit ihr versöhnt, doch noch immer spürte sie die Distanz, die ihre Freundin zu ihr aufbaute. Doch noch nicht einmal ihr, noch Komu oder Mizu, noch Kiriyan oder Kashi hatte sie erzählt was nach ihrem Streit mit Osa passiert war. Dass sie bei Ayaki aufgewacht war, war ihr höchstpeinlich, obendrein war es so bizarr, dass es schon wieder surreal war. Besonders, wenn man den heftigen Streit bedachte den die beiden an jenem Vormittag noch gehabt hatten. Und jetzt betrat sie schon das dritte Mal die vier Wände des Tsukigumi-Stars. Zuerst fiel ihr Blick auf die scheinbar flüchtig hingeworfene Hose, tiefblau und sie sah einen kleinen Mond darauf aufgestickt. Asako lächelte etwas schief. Und da dachte sie dieser blaue Hase wäre peinlich gewesen. Dafür fiel ihr keine passendere Beschreibung ein als: kitschig. Irgendwie süß. Noch immer in Socken trat der Vice auf den Teppich, setzte sich auf das breite Sofa und sah auf eben jenen blauen Hasen.

„Soll ich dir Harvey warm machen?“

Asako hob irritiert den Kopf.

„Was?“

„Wenn ich ihn in die Mikrowelle stecke, dann hat er die Eigenschaften einer Wärmflasche.“

Die Jüngere konnte nicht anders als daraufhin zu grinsen. Davon hatte sie ja noch nie etwas gehört.

„Ernsthaft?“

„Probier es doch einfach aus. Die Küche ist die erste Tür rechts.“

War das ihr Ernst? Sie lies ihr freien Handlungsspielraum in der Wohnung? Und sei es nur die Mikrowelle. Sie wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau. Doch statt das zu hinterfragen fischte sie nach dem blauen Stofftier, dass merkwürdigerweise ziemlich angenehm roch, und ging damit in den besagten Raum, sah sich in der Küche um. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, denn eine so abgeschlossene Küche kannte sie gar nicht. Selbst zuhause war sie nur die offenen, an den Wohn- beziehungsweise Essbereich angeschlossenen Kochecken gewohnt. Dabei rutschte der Ausschnitt ihres Shirts, der dann doch recht weit war einfach aus bequemlichkeit, über ihre Schulter, aber da er das ständig tat dachte sie nicht weiter drüber nach. Stattdessen ging sie zu der Mikrowelle, stopfte das Stofftier, Harvey, wenn sie sich richtig erinnerte, in den kleinen Raum und stellte den Timer auf zwei Minuten. Das sollte wohl oder übel reichen. Während sie wartete hockte sie sich auf einen kleinen Stuhl, beobachtete den Timer, wie er langsam runterlief. Nebenbei kam sie mit dem Gedanken nicht los, dass Ayaki dann doch gar nicht so schlecht war, wie sie es war der Troupe gegenüber. Der Troupe und insbesondere ihr. Geistesabwesend wippte sie mit den Beinen, wobei ihre Zehen immer wieder den Boden beführten und sie lächelte etwas. Eigentlich war diese Aufmerksamkeit schon irgendwie angenehm. So anders als sie es von ihren Freunden gewohnt war. Das Piepen der Mikrowelle riss sie aus den Gedanken, woraufhin sie den flauschigen Hasen wieder aus der kleinen Kammer zog und erst einmal erstaunt war, dass dieser tatsächlich einiges an Wärme abstrahlte. Obendrein roch dieses Ding wunderbar. Kurzerhand schloss sie das Häschen in die Arme, schnupperte daran und lächelte etwas.
 

Saeko sah nur dabei zu wie sich Sena an Harvey erfreute, schmunzelte dabei etwas. Harvey hatte schon viele glücklich gemacht. Die Jüngere war definitiv süßer, wen sich sonst keiner in der Nähe aufhielt, doch schien sie Saeko noch nicht bemerkt zu haben. Sie nutzte die Gelegenheit etwas um sich ihren Vice genauer an zu sehen. Die weiten Klamotten liesen den schönen Körper, der darunter steckte, nur erahnen und der Top Star errötete etwas dabei wenn sie sich daran erinnerte, wie sich die weiche Haut unter ihren Fingern angefühlt hatte. Inzwischen war es schon so lange her, dass sie es fast vergessen hatte. Der Ausschnitt, der um einiges verrutscht war, gab jedoch eine recht verzückende Schulter frei, ebenso einen schwarzen Träger. Vielleicht trug sie noch ein Hemd darunter, was sie aber schnell verwarf, denn der Träger gehörte eindeutig zu einem Bh. Die Abbinden der Otokoyakus waren hautfarben.

„Ich wusste er würde dir gefallen“, sagte sie dann laut und Sena drehte sich zu ihr, errötete etwas und sah auf den Hasen in ihrem Arm.

„Er ist wirklich warm.“

„Sagte ich doch.“ Die Ältere trat in die Küche. „Was willst du essen?“

„Ich hab nicht wirklich hunger.“

„Tee?“

„Gerne.“

Die Jüngere ging an ihr vorbei wieder ins Wohnzimmer und Saeko machte sich daran einen Tee zu kochen. Sie wusste nicht so ganz was die andere wohl mögen würde, doch sie tippte stark auf Früchtetee.

Wie harmonisch der Abend zwischen den beiden Tsukigumi-Darstellerinnen verlief überraschte Saeko dann aber doch. Während sie den Tee tranken, mit dem Früchtetee hatte sie obendrein Recht behalten, konnte die Ältere sogar ein Lächeln aus der anderen herauskitzeln, welches sie nur automatisch erwiederte. Dabei hielt sie die ganze Zeit Harvey im Arm, schnupperte hier und da an ihm, der Lavendelgeruch war immerhin sehr betörend, und drückte ihn an ihren Oberkörper. Wenigstens hatte die andere den Schal in der Zwischenzeit ausgezogen und Saeko kam nicht drum herum ihr doch recht ausgeprägtes Schlüsselbein zu bestaunen. Dabei lies sie sich von Sena etwas aus ihrer Schulzeit erzählen, wobei sie herausfand, dass Yuuhi und die Jüngere sich sogar näher kannten, sich nach der Schule aber aus den Augen verloren hatten. Kashi kannte sie ebenso aus dieser Zeit. Dennoch wirkte der Tee irgendwann und Saeko fühlte, wie ihre Augenlieder schwer wurden.

„Ich denke ich werde schlafen gehen“, sagte sie und erhob sich von ihrem Platz. Noch etwas unschlüssig hockte ihr Vice auf ihrem Platz, sah auf die Seite und knetete dabei eins von Harvey's Ohren. Den Blick kannte sie schon, aber sie hatte nicht vor, wieder auf der Couch zu bleiben. „Geh doch schonmal vor.“
 

Asako hob verwundert den Blick. Vorgehen? Was meinte sie jetzt schon wieder? Eigentlich hatte die Jüngere damit gerechnet, dass Saeko... Ayaki sie einfach rauswerfen würde sobald diese müde genug war.

„Wohin?“, fragte sie dann doch, drückte den blauen Hasen etwas fester an sich.

„Ins Bett. Ich bleibe nicht nochmal auf der Couch.“

Mit verdattertem Blick sah die Vice ihrem Top Star nach, hockte weiterhin unentschlossen auf der Stelle. Sie wollte mit ihr das Bett teilen? War das ihr ernst? Allerdings würde sie es willkommen heißen mal wieder in einem großen Bett zu schlafen anstelle der provisorischen Matratze auf einem Bettgestell. Die Ältere verschwand ins Badezimmer und erst ein paar Sekunden später erhob Asako sich, ging schwebenden, leisen Schrittes in Richtung Schlafzimmer als ob sie fürchtete jemanden wecken zu können. Sie machte das Licht gar nicht erst an, denn der Mond schien direkt durchs Fenster und erhellte den Raum. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen und die Wolkendecke war aufgerissen. Die Jüngere trat ans Fenster, sah hinaus und genoss etwas die Aussicht. Sie hatte zwar Höhenangst, doch sie sah gern in die Ferne. Nur runter war bei ihr nicht drin. Hinter sich hörte sie, wie Ayaki den Lichtschalter betätigte, wodurch die Wohnung entgültig dunkel wurde, ehe der Tsukigumi-Star den Raum betrat und sich aufs Bett setzte. Die Bettdecke raschelte dabei etwas.

„Sena?“

„Asako“, korregierte die Vice, drehte sich dabei halb zu der anderen und beobachtete sie einen Augenblick. Sie hatte die blaue Hose angezogen, darüber ein weißes Kragenshirt. Sie sah etwas fragend drein. „Das heißt... wenn du mich so nennen willst.“

Ayaki lächelte etwas und im Mondschein hatte diese Frau etwas wahrlich magisches an sich.

„Nur wenn du bei Saeko bleibst.“

Asako lächelte etwas.

„Na gut.“

„Dann hätten wir das ja geklärt. Komm ins Bett.“ Die Tsukigumi-Vice trat ans Bett, zögerte jedoch einen Moment. „Was ist?“

„Ich hab dir nie gedankt, oder? Ohne dich läge ich wohl jetzt im Krankenhaus.“

„Ich wäre ein verdammt schlechter Top Star, wenn ich dich da hätte liegen lassen.“

„Ich möchte dir aber danken. Irgendwie. Ich weis, dass ich mich nicht zusammenreisen kann wenn die anderen dabei sind aber...“

„Komm her.“

Asako hob den Blick von der Bettdecke und zu Saeko, die ihr die Hand entgegen hielt. Beinahe schüchtern griff die Jüngere nach ihrer Hand, wurde kurz darauf von ihrem Top Star aufs Bett gezogen und fand sich halb auf Saeko liegend wieder. Sie errötete und fühlte etwas in sich eine Sekunde aussetzen. Damit hatte sie nicht gerechnet.

„Ich will nur nicht...“, begann die Ältere leise, raunte dabei geradezu in ihr Ohr. „...dass dir etwas passiert. Hör auf im Regen nach drausen zu gehen und komm gleich hierher, wenn dir etwas auf der Seele liegt.“

Fast wie in Trance stützte sich die Jüngere neben Saeko ab, stemmte den Oberkörper etwas hoch und sah die aufgerichtete, an die Wand gelehnte Frau an.

„Wieso...“

„Weil du mir etwas bedeutest. Ich weis nicht was es ist, aber du bedeutest mir etwas. Sogar sehr viel.“

Sie fühlte, wie ihre Arme etwas unter ihr nachgaben, sah hilflos in die Augen der anderen. Sie waren so tiefgründig, wie sie es selten vorher gesehen hatte. Für einen Moment fühlte sie sich besonders, gebraucht und dieses Gefühl wollte sie am liebsten festhalten. Am liebsten hätte sie gesagt, dass Saeko ihr auch etwas bedeutete, wieso sonst wäre sie ständig nach drausen gegangen und hätte gewartet, doch sie bekam nichts heraus. Ihr Kopf verhinderte, dass sie das, was sie dachte, in Worte fasste. Stattdessen zog sie die Beine etwas näher, lehnte die Stirn an die der Älteren und schloss einen Moment die Augen. Kurz darauf fühlte sie die Wärme an ihren Oberschenkeln, den sanften Zug, wodurch sie breitbeinig auf dem Schoß ihrer Vorgesetzten hockte, die schlanken Finger an ihrem Hals, wesswegen sie leise stöhnte. Mit zitternden Atem und noch stärker zitternden Fingern legte sie die rechte Hand auf die Schulter der anderen, öffnete die Augen einen Spalt. Der Augenblick war einfach so perfekt wie er sein konnte, eingehüllt von Stille, dem Mondschein und der Dunkelheit, die das Zimmer mit sich brachte. Da fiel ihr etwas Besseres ein als Worte. Asako beugte sich etwas hinunter, merkte kurz darauf den heißen Atem, der gegen ihre Lippen schlug bevor sie die Ältere am Nacken in einen zärtlichen Kuss zog, bei dem sie glaubte für einen Bruchteil einer Sekunde Sterne zu sehen und ihr Körper begann zu kribbeln.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Da-chin96
2012-02-03T14:57:31+00:00 03.02.2012 15:57
Dieses Kapitel ist so toll.
:) Ich habe die ganze Geschichte bis jetzt verfolgt und ich muss sagen, dein Schreibstil ist einfach toll.

Die verschiedenen Sichtweisen und das Zusammenspiel deiner Worte, einfach großartig.

Bitte schreib schnell das nächste Kapitel >.< ich will es unbedingt lesen.


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