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After The Rain

von

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Platzregen

Einige Tage später war Taki wieder beim Basketballfeld der Kashiwa, es hatte ihn dorthin gezogen, ohne dass er genau gewusst hätte, wie er hingekommen war. Schweigend sah er beim Training zu, grinste ab und zu vor sich hin.

Go war gut darin, die Jungen umher zu scheuchen. Es passte irgendwie zu ihm, er war sportlich und hatte eine offene, heitere Natur. Taki erinnerte sich daran, dass Go den Job als Drogendieb nie besonders gemocht hatte, und am Ende nur damit weitergemacht hatte, um mit Taki zusammen zu sein und auf ihn Acht geben zu können.

Nach kurzer Zeit verließ Taki die Zuschauertribüne, weil er befürchtete, von dem Dunkelhaarigen entdeckt zu werden. Und was dann geschehen sollte, davon hatte er im Moment absolut keine Vorstellung.
 

Einige Tage später saß Taki auf seinem Sofa, es war nach Feierabend. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, seine Ellenbogen lagen auf dem Sofarücken, die Arme ließ er baumeln. Er versuchte sich zu entspannen, aber es gelang ihm nicht, trotz des Qualms, den seine Zigarette durch die Wohnung schickte.

Als er sich zum x-ten Mal daran hindern musste, zu grübeln anzufangen, wurde die Haustür mit Schwung aufgerissen. Yuki war in einem Wohnheim bei ihrer Schule, hatte aber seinen Wohnungsschlüssel und heute war Donnerstag, der Tag, an dem sie gewöhnlich zusammen zum Abendessen ausgingen, außer es fiel einem von beiden ein, den anderen mit einem neuen Rezept zu bekochen.

„Hallo!!“ Fröhlich wirbelte das junge Mädchen herein, die Schuhe hatte sie schon im Flur ausgezogen, Jacke und Schultasche wurden auf den nächsten Stuhl geworfen.

Taki lächelte sie begrüßend an, sah aber gleich darauf etwas verlegen drein.

„Taki?!“ Mit einem Satz war sie bei ihm und nahm ihm die Zigarette aus dem Mund. Der blonde Mann protestierte leicht, fing dann an zu husten.

„Siehst du, du verträgst es nicht,“ mahnte sie ein wenig altklug, wie eine Tochter, die auf ihren Vater aufpassen muss. „Was soll denn das? Du hattest mir doch versprochen, nicht mehr zu rauchen!“

„Tue ich normalerweise auch nicht.“ Taki stand auf, reckte sich und versuchte, ein paar Verspannungen zu lösen. „Hast du dir schon was überlegt für heute abend, Yuki?“

„Was ist denn mit dir los?“ Sie trug die Zigarette mit spitzen Fingern in die Küche und entsorgte sie im Mülleimer. Als sie zurückkam, stand Taki in der Mitte des Wohnzimmers und rieb sich den Nacken. Es mochte am Licht der untergehenden Sonne liegen, das ins Zimmer strömte, aber er sah mitgenommen aus. „Irgendwie tickst du zur Zeit nicht richtig,“ stellte sie fest und pflanzte sich mit beiden Händen in den Hüften vor ihm auf. „Also, jetzt sag schon. Was hast du?“

„Nichts, Yuki. Ich bin nur etwas nachdenklich zur Zeit. Das ist ganz normal.“

„Bei dir nicht.“ Das Mädchen zog die Stirn kraus. Irgend etwas stimmte hier nicht. „Du bist so komisch, seit wir bei diesem Basketballspiel waren.“

Taki riss die Augen auf, drehte gleich darauf sein Gesicht weg. Verdammt, manchmal hatte er das Mädchen im Verdacht, eine Art Röntgenblick zu haben. Sie kannte ihn einfach zu gut.

Yuki ging auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Arm. Er wich ihrem Blick aus.

„Takamichi hat was gesagt... Dass er dich und seinen Trainer zusammen sprechen gehört hat. Was hat dir der erzählt?“

„Wir haben nicht gesprochen,“ stellte Taki richtig, aber etwas zu schnell.

Yuki’s Augen weiteten sich. „Ist er etwa...!“

Taki drehte sich wütend weg und entzog ihr seinen Arm.

„Taki, wenn der... Dann ist das doch toll, dass ihr euch wieder begegnet seid!“

„Meinst du...“ Taki stützte sich mit beiden Händen am oberen Fensterrahmen ab und schaute in den Abendhimmel.

„Ja!“ Sie grinste. Zwar war sie in solchen Dingen noch unerfahren, aber sie erkannte die Anzeichen. Ihr väterlicher Freund litt an Liebeskummer, oder zumindest an einer Vorstufe davon.

„Dann müsst ihr euch mal aussprechen!“

„Yuki, das ist alles so lange her...“

„Das ist doch egal, ich merk doch, dass es dir nahe geht. Ich rufe Takamichi an.“

„Nein!“

„Doch! Kein Widerspruch. Wie heißt er... Go... ist sein Trainer. Ich sage Takamichi, dass du ihn sehen willst, das ist doch alles kein Problem.“

„Moment...!“ protestierte Taki, aber er war nicht mehr so schnell wie früher. Er war aus der Übung, der einfachere Job und das bürgerliche Leben hatten dafür gesorgt. Yuki schnappte sich einfach das tragbare Telefon und verschwand in sein Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich ab, bevor er sie erreichen konnte.

Hinter der Tür konnte er ihre helle Mädchenstimme hören, die in den Hörer sprach.

Seufzend lehnte er seine Stirn an die Tür. Nein, es half wohl alles nichts. Er konnte nicht vor seiner Vergangenheit davonlaufen, oder vor dem, was er fühlte. Er hatte es immer wieder versucht in seinem Leben, und war jedes Mal damit gescheitert.
 

Missmutig ging Taki einige Tage später wieder in Richtung der Kashiwa-Schule: Yuki und Takamichi («Diese Intriganten...» fluchte er in Gedanken vor sich hin, aber nicht sehr überzeugt) hatten eine Verabredung nach der Arbeitszeit für ihn und den Schultrainer arrangiert. Trainer, wie Takamichi ihn nannte. Für Taki ein Mann, den er nur allzu gut kannte.

Es fing wieder an zu regnen, ein leichter, erfrischender Sommerregen. Aber er sollte sich beeilen, oder sie würden beide bis auf die Knochen nass werden.

Go stand unter einem Baum am Eingang des Parks, der an das Schulgelände angrenzte, die Jacke hielt er an einer Hand lässig über die Schulter geworfen.

«Er weiß immer noch genau, wie er wirkt,» dachte Taki. «Oder er will mich beeindrucken...»

Einen Augenblick fühlte er den Impuls, loszurennen. Er fühlte sich für kurze Zeit um Jahre jünger, vor allem sein Herz war leichter, als es lange gewesen war.
 

Am folgenden Tag ging Taki allein im gleichen Park spazieren, in dem er sich zum ersten Mal wieder mit Go getroffen hatte. Er hatte nur ein wenig Luft schnappen wollen, aber in Gedanken ließ er das, was er am Abend zuvor erfahren hatte, auf sich wirken.

Go hatte Tsunega die Situation mit wenigen Worten erklärt und Hatozaki hatte ihm heimlich neue Papiere zukommen lassen, aus denen seine Vergangenheit als Dieb nicht hervorging. Er hatte ebenfalls seine Sachen gepackt und hatte die Wohnung und das Café verlassen, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Es tat ihm leid um seinen ehemaligen Chef, um Hatozaki trotz seiner Spezialaufträge, auch ein wenig um die kleine Mimi und um Mari, Tsunega’s Tochter, die sie nach ihrer überraschenden Rückkehr auch näher kennen gelernt hatten. Kanji war besonders traurig über die ganze Situation, aber Go hielt mit ihm wenigstens sporadischen Kontakt. Inzwischen hatte dessen Interesse für sein eigenes Geschlecht abgenommen und er entdeckte die Vorzüge der Mädchen. Jetzt hatte er eine Freundin und ging einer geregelten Ausbildung nach.
 

Taki’s Gedanken schweiften ab.

Nein, er war nicht perfekt, und Go war es auch nicht, und das Zusammenleben mit ihm war nie vollkommen gewesen.

Er hatte in diesen Jahren auf Wanderschaft einige Paare zusammen beobachtet, gemischte Paare, aber auch Männer mit Männern und Frauen mit Frauen.

Eines hatte er begriffen: mit wem auch immer man zusammen war, man konnte immer jemanden finden, der einem besser vorkam. Jemand, der besser aussah, intelligenter war oder andere Eigenschaften hatte, die man im eigenen Partner vermisste.

Go hatte ihm vieles nicht geben können, im Gegenteil, er hatte ihn oft genervt. Aber von Anfang an, seit sie einander kennen lernten, als sie anfingen, zusammen für Tsunega zu arbeiten, hatte Go ihm einen Ort angeboten, an den er zurückkehren konnte. Die Wohnung war oft ein Chaos, und Go hatte eine Neigung dazu, Junkfood zu kochen, eine andere dazu, viel zu laut Musik zu hören und eine andere, den Fernseher einfach laufen zu lassen; wenn er da war, war er nicht zu überhören. Von seinen sexuellen Vorlieben ganz zu schweigen: Taki hatte der Gedanke nie gefallen, bei einem Kerl zu leben, dessen Lieblingshobby es offenbar war, minderjährige Jungs zu verführen. Aber Go hatte Taki vom ersten Moment an so angenommen, wie er war, nie danach gefragt, woher er kam und wie er geworden war, wer er war; er hatte Taki von Anfang an vertraut und ihm das Gefühl vermittelt, dass er ihn respektierte und annahm. Und nach einer Weile hatte er von sechzehnjährigen Jungen nichts mehr wissen wollen und nur noch Augen für ihn gehabt, für seinen spröden Mitbewohner.

Taki erinnerte sich daran, wie er sich durch die Beziehung mit Go verändert hatte. Es war so langsam geschehen, dass er es nicht bemerkt hatte, aber rückblickend wusste er es. Die Freundschaft, später die Liebesbeziehung mit Go hatte ihn stärker gemacht, ruhiger. Selbst an jenem traurigen Morgen nach ihrer ersten (und, wie er damals glaubte, einzigen) gemeinsamen Nacht, als er Go verlassen hatte, um zu Mizuki und Katsuro zurückzukehren, hatte er sich gefestigter und ausgeglichener gefühlt denn je. Sich von Go so geliebt und gewollt zu fühlen, hatte ihm gesagt, wer er war.

Go hatte ihn verändert, von Anfang an. Allein durch seine Reaktion auf Taki. Dieser hatte sich gegen Go’s Annäherungsversuche gewehrt, wollte nicht eine von Go’s Eroberungen sein, wollte nicht, dass dieser über sein Liebesleben entschied. Taki war immer mit Frauen zusammen gewesen, wenn auch nichts wirklich ernstes dabei gewesen war. Aber er konnte nichts gegen Go’s stets wachsende, ehrliche Zuneigung tun, und mit der Zeit war sie in seinem Herzen angekommen. Mann oder Frau, das war nicht mehr so wichtig.
 

Ungefähr einen Monat später saß Taki an seinem Schreibtisch und schaute abwesend vor sich hin, anstatt zu arbeiten.

Einer seiner Kollegen sprach ihn an.

„Was ist los mit dir in letzter Zeit?”

„Nichts.”

„Solltest dir vielleicht mal wieder die Haare schneiden lassen.”

„Hmmm?”

„Ach, vergiss es.”



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yu_B_Su
2009-02-21T13:56:42+00:00 21.02.2009 14:56
Ein schönes Kapitel ... Takis Gedankenstrom war echt klasse, Gefühle schildern, das kannst du echt gut!

Endlich ist mir ein Licht aufgegangen und ich weis, wer das Mädchen ist - die Waise, deren Eltern Sandfisch getötet hatten und für die er sich verantwortlich fühlt. Wie immer ist deine Erklärung für ihren Enthusiasmus bezüglich Takis Liebesleben sehr einleuchtend und man kann alles nachvollziehen. Bei dem Gespräch der beiden gibt es aber eine kleine Unlogik: sie fragt ihn, ob er nicht mal mit dem Rauchen aufhören wollte und er antwort irgendwas mit Nicht - das passt nicht ganz, weil die Antwort auf die Frage inhaltlicher ja lautet: Ich wollte aufhören und normalerweise rauche ich auch nicht. Jeder Leser wird es so lesen, aber ... irgendwie drückst du dich da komisch aus...

Toll war wieder der Regen, das wiederkehrende Motiv. Schade, dass man das nicht ein bisschen mehr in den Fokus rücken kann, es kommt immer so beiläufig vor... auch wenn Regen in der Literatur immer sooooooo schön ist.

Takis Monolog war schön! Er reflektiert gut seine pessimistische Einstellung, dass man überall etwas besseres findet, dass ihn an Go so viele Dinge gestört haben. Und im Gegensatz Go, der Taki so akzeptiert hat, wie er ist, vielleicht auch sein Ruhepol. Go hat nie daran gedacht, dass es jemanden geben könnte, der besser wäre, und das nicht, weil er naiv dachte, sondern weil er meinte, das gefunden zu haben, was er gesucht hatte, weil er es liebte, dass er nach Hause kam und jemand da war (eine der schönsten Botschaften in Yellow, finde ich).

Dass du die Begegnung der beiden genauso wie die Reise kurz geschildert hast, um sie später auszuführen, ist ein interessantes Stilmittel, dass sicherlich Takis depressive Grundhaltung unterstützt. Aber ich finde es nicht so gut, ich finde es schöner, wenn man gleich mit den Dingen konfrontiert wird. Aber das ist Ansichtssache.

RGs waren auch keine drin, Schreibstil ist - logisch - nicht perfekt, aber gut und flüssig zu lesen, schönes Ende... ich mag es!



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