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After The Rain

von

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Tropfen ~ Flashback ~ drei Monate zuvor ~

Auf dem Spielfeld der Kashiwa-Jungenschule wimmelte es von Schülern, Eltern und Freunden, die dem Basketballspiel der neunten Klasse zusehen wollten. Irgendwo in der Mitte war ein großer, gutaussehender blonder Mann, ungefähr dreißig Jahre alt, in Begleitung eines Mädchens, das vielleicht vierzehn war. Sie trug eine Schuluniform und die blonden Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr über die linke Schulter fiel. Auf den ersten Blick hätte man sie für seine Tochter halten können.

„Taki?” sagte das Mädchen und sah zu ihm hoch. „Sollen wir uns hierher setzen?” Sie hatte zwei gute Plätze ergattert, recht weit oben, aber von hier konnte man das Feld gut überblicken.

„Ja.” Die beiden fanden ihre Plätze und er legte einen Arm um das Mädchen. Sie lehnte sich an seine Schulter.

„Wer ist der Junge, der dich zu dem Spiel eingeladen hat?“ fragte Taki.

„Der da hinten. Er heißt Takamichi.“ Sie zeigte auf einen mittelgroßen, fröhlich aussehenden Jungen, kastanienbraune Haare fielen ihm fast bis auf die Schultern.

„Freut mich, wenn er dir gefällt.“

„Nein, nicht was du meinst!“ lachte sie. „Ich habe ihn auf dem Sportplatz kennen gelernt, und wir haben zusammen ein paar Bälle gespielt. Dann hat er gefragt, ob ich heute herkommen will. Das war alles.“

„Bist du dir sicher, Yuki?“ fragte der junge Mann scherzend.

„Klar doch. Außerdem ist er schwul.“

Der Blonde sagte darauf nichts, aber ihm schoss eine leichte Röte ins Gesicht, und das Mädchen lachte.

„Er hat’s zwar nicht gesagt, aber ich hab’s ihm an der Nasenspitze angesehen,“ grinste sie.

Taki seufzte innerlich. Vielleicht hatte er dem aufgeweckten Mädchen ein bisschen zu viel über sich erzählt in letzter Zeit.
 

Das Spiel begann.

Der Trainer schob seine Sportkappe über das schwarze Haar in seinen Nacken, die Sonne ließ seine dunklen Augen blitzten, er rief den Spielern immer wieder Kommandos zu, kameradschaftlich und gleichzeitig frech. Er sah selbstsicher und zufrieden mit sich selbst aus, etwas großtuerisch, aber das war so verspielt, dass man es ihm nicht übel nehmen konnte.

Taki’s Herzschlag setzte kurz aus.
 

Nach dem Spiel leerten sich die Zuschauerreihen langsam. Yuki war vorausgerannt, um mit Takamichi zu sprechen, seine Mannschaft hatte gewonnen und sie wollte ihm gratulieren.

Taki ging Schritt für Schritt die Reihen hinunter, fast ohne es zu merken. Vor dem Maschenzaun blieb stehen.

Der Trainer sah kurz zu ihm hin, zuckte dann die Achseln und wollte sich abwenden. Auf einmal schien ihm etwas aufzufallen, und schnell drehte er sich wieder um.

Langsam näherte er sich dem Zaun. Bei jedem Schritt fing Taki’s Herz an, heftiger zu schlagen. Schließlich stand der andere vor ihm, nur durch die Maschen von ihm getrennt.

„Hallo...“ sagte der Blonde fast zu leise.

„Taki.“ Der Dunkelhaarige griff mit einer Hand in die Maschen und sah ihn so direkt an, dass der Blonde leicht verlegen wurde, obwohl er eigentlich nicht zu Schüchternheit neigte.

Sie maßen einander mit Blicken. Sie waren beide etwas älter geworden, Taki’s Haar war kürzer geschnitten und fiel ihm nicht mehr in den Nacken, und Go trug eine helle Jeans und ein weißes T-Shirt, während er früher gern schwarz getragen hatte.

Eine Weile sahen sie sich an, aber keiner sagte ein Wort.

„Taki!“ rief eine Mädchenstimme aus einiger Entfernung. „Wo bleibst du?!“

„Komme gleich!“ rief er zurück. „Ich... man sieht sich,“ sagte er zu dem Dunkelhaarigen.

„Ja... Nehme ich an.”
 

Einige Wochen später war Go spät nachmittags allein auf dem Spielfeld.

Es war zwar noch Spielsaison, aber Go hatte seinen ehemaligen Partner nicht mehr gesehen und fragte sich, ob dieser jemals wieder herkommen würde. «Wahrscheinlich nicht,» dachte er und spürte eine plötzliche Wut. Er packte den Rechen fester in seine Hand, riss sich einen Splitter in die Haut und fluchte.

Das Spiel war für heute zu Ende und er musste noch das Feld aufräumen. Als er fast fertig war, stand plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, jemand hinter dem Maschenzaun. Impulsiv sah er auf.

Aber es war nicht die Person, mit der er gerechnet hatte. Gehofft hatte, um ehrlich zu sein.

Eine Frau. Normalerweise wäre ihm das gleichgültig gewesen, aber da war irgend etwas an ihr.

Langsam kam er näher. Seine Augen weiteten sich, als er sie wiedererkannte, dann wurden sie wieder schmaler. Was zum Teufel wollte sie?

Er blieb einige Schritte vor dem Zaun stehen, gerade noch in Hörweite. Fast eine Minute lang sahen sie sich nur schweigend an. Schließlich brach sie die Stille.

„Bist du... glücklich?”

Eine lange Pause. Dann sah er an ihr vorbei und schob sich die Kappe tiefer in die Stirn, so dass seine Augen im Schatten lagen und sie sie nicht mehr sehen konnte. Aber er sah sie. Nur allzu gut. Eine Frau im mittleren Alter, gutaussehend, aber mit dem Schatten von Verwundbarkeit um ihre Lippen, den er immer an ihr gekannt hatte.

Er sah ihr nicht in die Augen, er hatte sich geschworen, dass er das nie wieder tun würde. Aber er nickte, wenn auch so leicht, dass man auch hätte meinen können, man hätte es sich eingebildet.

Die Frau sah ihn noch eine kurze Weile an. Dann drehte sie sich um und ging die Stufen nach oben. Er hörte ihre Absätze, während ihre Schritte sich entfernten, und verfluchte jedes einzelne nervtötende Klicken.
 

Go schloss die Augen. Die Gedanken kamen zurück, obwohl er sich dagegen wehrte.

Er sah sich selbst als Jungen, noch keine zehn Jahre alt. Fast gegen seinen Willen sah er sich selbst. Er lag auf einem schmalen Bett. Neben ihm eine Frau.

Eine nackte Frau.

Er presste die Augen zu. Seine Hand packte in die Maschen und griff so fest zu, dass es weh tat. Er wollte sich nicht erinnern, aber die Bilder kamen in seinen Kopf zurück.

Die Frau lächelte ihn beruhigend an. Er lächelte zurück, wenn auch zögernd. Irgend etwas fühlte sich nicht richtig an für ihn.

Langsam begann sie, über seine nackte Brust zu streichen. Er trug nur seine Jeans.

Nach einer Weile nahm sie seine Hand. Hielt sie fest.

Dann, nach einer Pause, führte sie seine Hand zu ihren Brüsten.

Die Augen des Jungen weiteten sich.

Sie begann, seine Hand tiefer zu führen…

An diesem Nachmittag hatte sie ihn zum ersten Mal dazu gebracht, sie zu berühren.

Draußen regnete es. Seitdem hasste er den Regen.

Es war das erste Mal, aber nicht das letzte. Ihm war kalt, der Regen schien nie aufhören zu wollen. Vielleicht ließ er sie nur, damit ihm nicht mehr ganz so kalt war.

„Verdammt!”

Go drückte so fest in die Maschen, dass seine Hand zu bluten begann. Das Blut tropfte auf den Boden, aber er fühlte keinen Schmerz.

Ja, sie war ein knappes Jahr später fortgegangen. Mit einem der Typen aus der Kommune davongerannt. So, wie sie immer vor allem geflohen war.

Niemand hatte je herausgefunden, wohin sie gegangen waren, oder warum sie ihren Sohn einfach zurückgelassen hatte.

Die anderen Männer aus der Kommune kümmerten sich um ihn, zogen ihn groß. Kluge, anständige Männer, gute Kumpels. Auf Männer war Verlass. Mit einigen von ihnen war er bis heute befreundet.

Aber das größte Geheimnis von allen hatte nie jemand herausgefunden.

Er war froh darüber gewesen, dass sie fortgegangen war.

Die Erinnerung an ihren nackten Körper strich er danach für immer aus seinem Gedächtnis.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yu_B_Su
2009-02-21T13:58:37+00:00 21.02.2009 14:58
Oh, die Mutter mit dem Sohne... krass... aber die Kommune ist eine gute Begründung, und das Verlassen-werden umso mehr.

Aber der Reihe nach: das Mädchen am Anfang - wer sie wohl ist... - fand ich cool, ihr Sprachstil passt zu der einer 14-jährigen! Außerdem fand ich die Sache mit dem schwulen Spieler eine gelungene Ablenkung, auch wenn ich mich frage, wie Go zu seinem Job als Trainer kommt. Die Szene am Maschendrahtzaun war toll, das Bild des Zaunes, der die Liebenden trennt, auch wenn er selbst nur 3 mm stark ist und man durchgucken kann, ist klasse! Bei dem - weiteren - Flashback zurück in Gos Kindheit fand ich die poetischen Beschreibungen schön, die Augen, der Schatten, wirklich hübsch!

Dass du die Zeitform gewechselt hast, als er von der Berührung durch seine Mutter erzählt, war problematisch, weil er ja von der Vergangenheit nochmal eine Stufe nach hinten geht, also ins Plusquam-Perfekt. Da er das ganze aber schildert, veranschaulicht, wäre es legitim eine Zeitform nach vorne zu gehen (oder muss man da immer Präsens nehmen... ich weis nicht...). Aber man kann so die Zeitebenen nicht mehr auseinanderhalten. Denn weil du es im Prät./Perfekt schilderst, könnte es die gleiche Vergangenheit sein, in der Taki ihn beim Spiel getroffen hat oder sogar die, in der er schmerzhaft an Gos Schulter liegt... also ich weis es wirklich nicht...

Vom Stil her isses ganz gut, manchmal stören die Absätze, grade bei der Zaun-Szene, weil du den ruhigen Erzählfluss unterbrichst, ein Hauch mehr Details wäre an einigen Stellen noch schöner. Trotzdem war es wieder ein schönes Kapitel, wenig RGs, schön zu lesen, und - was krass ist - ich weis immer noch nicht, wo der Schwerpunkt liegt - wir haben das Spiel, das Mädchen, Gos Kindheit...., den Streit...- mal nachdenken... aber wirklich gut!

Von:  -Isami-
2009-01-10T22:13:06+00:00 10.01.2009 23:13
*umfall* Jetzt liege ich am Boden… i-wie ist es komisch. Du schreibst Dinge, die mir in der Art auch schon durch den Kopf gegangen sind. Echt hammer! O__o Mit einem einzigen, aber riesen Unterschied. Du kannst schreiben! Und wie gigantisch ich hab für einen Moment richtig Gänsehaut bekommen und mit Go gelitten. Q__Q
Man du kommst auf Umschreibungen, die dem ganzen die perfekte Würze geben. *_*b

Baba… ^^
Von:  HiYasha
2008-12-31T19:45:31+00:00 31.12.2008 20:45
Boah. Wahnsinn, hammerhart. Eine echt schlimme Vergangenheit, bedrückend, unbehaglich...und wieder sehr gut und eindringlich beschrieben.

"...aber mit dem Schatten von Verwundbarkeit um ihre Lippen, den er immer an ihr gekannt hatte." Toll, dieser Satz, sagt mit wenigen Worten alles. Man (zumindest ich) weiß erst gar nichts, bis sich das Ausmaß des Vorfalls vor den Augen des Lesers eröffnet. Na, ich hab keine Ahnung, wie viel man aus dem Original her weiß, aber ich bin sehr beeindruckt. Toll, wirklich.


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