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Gift

Bist du sicher, dass du alle Gifte kennst...?
von

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Zweites Gift - Neid

<3

Danke fürs Lesen!
 

Zweites Gift - Neid
 

Lyschko schloss erschöpft die Augen. Er war müde, so müde. Warum? Weil er nachts stundenlang wach lag und nachdachte. Er dachte über dieses braunhaarige Mädchen nach, das Krabat so sehnsüchtig angesehen hatte, auch wenn sie im Haus gewesen war. Ob das das Mädchen war, was sie hier rausholen würde? Er hoffte es so sehr.

Aber seine Gedanken blieben selten nur bei diesem Mädchen, vielmehr wanderten sie weiter. Was würde er machen, sollte er tatsächlich mit den anderen befreit werden? Würde er weiter Müllersbursche bleiben oder würde er endgültig die Finger davon lassen? Eines stand auf jeden Fall fest; die Schwarze Magie würde er danach nie wieder verwenden können.

Oder aber…er würde wieder Musik machen. Als fahrender Musiker umherziehen…es würde angenehm sein, wieder ganz allein zu sein, niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen und nie wieder verächtliche Blicke auf sich zu spüren.

Freiheit…

Es war so seltsam, dieses Wort auf seiner Zunge zu spüren und gleichzeitig zu wissen, dass man noch schlimmer als ein Vogel im Käfig war; man war wie ein Tier, das rackerte, bis es irgendwann einfach getötet wurde.

Ja, wenn er manchmal hinaus durfte und einen Vogel sah, war er eifersüchtig, denn der Vogel war freier, als er es jemals sein würde. Er würde, angenommen, er würde tatsächlich überleben, noch jahrelang, bis zu seinem Tod und darüber hinaus, von seinen Vorwürfen und Zweifeln geplagt werden. Tondas Tod…und er war schuld daran…er als Verräter von allen…

Er kniff die Augen zusammen und starrte in die Finsternis. Gott sei dank war die Osternacht vorbei, die Plackerei war jedes Mal grässlich und man triefte danach nur so vor Schweiß.
 

Der Morgen kam viel zu schnell, obwohl sie ein wenig länger schlafen durften als sonst.

Lyschko stand widerwillig auf, wie gerne wäre er jetzt liegen geblieben und hätte weitergeschlafen…die Erschöpfung der vergangenen Nacht steckte ihnen allen noch tief in den Knochen. Er schlüpfte in sein Oberteil, dann stieg er die Leiter nach unten, immer darauf bedacht, sich bei der steilen Treppe nicht das Genick zu brechen. Zwar konnten ihm die anderen nicht das Bein stellen und ihn somit töten, aber auf gebrochene Gliedmaßen konnte er durchaus verzichten.

„Lyschko.“

Es war nichts weiter als eine Feststellung, die der Meister von sich gab.

„Nach dem Frühstück wirst du mit Krabat nach Schwarzkollm gehen, er wird dich als Pferd verkaufen.“

Er nickte bloß. Jede Aufgabe war besser als hier in der Mühle den verächtlichen Blicken seiner Mitgesellen ausgesetzt zu sein.
 

Nach dem Frühstück machte er sich auf den Weg nach Schwarzkollm; er hörte, dass Krabat ihm hastig folgte. Krabats Schritte waren einfach zu erkennen: er trat fest auf, sicher, aber dennoch leise, dass er manchmal Mühe hatte, ihn zu hören. Aber dennoch wusste er instinktiv, ob Krabat in der Nähe war. Warum, das wusste er nicht.

„Lyschko, warte.“

Er blieb nicht stehen, als er plötzlich Krabats Schritte viel schneller hörte, dann legte sich eine Hand auf seine Schulter und er wurde herumgewirbelt.

„Warum hast du mir das erzählt?“

„Warum hätte ich es nicht tun sollen?“

Ein winziges, bitteres Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Natürlich, er wusste, was Krabat dachte. Krabat hielt ihn genau für das, was er selbst über sich dachte.

„Ich…weiß nicht. Du kommst mir immer so…so…anders vor.“

Na das war doch eine nette Umschreibung, danke vielmals! Lyschko verzog das Gesicht. Krabat hätte ihm auch anders sagen können, dass…

„Du bist verwirrend, Lyschko.“

Das war das letzte, bevor zwischen ihnen Stille herrschte und sie in der Ferne schon Schwarzkollm ausmachen konnten.
 

Lyschko überlegte den ganzen Tag, was Krabat mit seinen Worten gemeint hatte. Er hatte gesagt „Du bist verwirrend, Lyschko.“, aber es hatte nicht abfällig geklungen, sondern vielmehr wirklich verwirrt.

Er verstand das nicht. Was war an ihm verwirrend? Er war doch ganz einfach; vor den Müllersburschen war er doch die kleine Ratte, was war daran verwirrend? Warum war Krabat so…freundlich?

Kurz durchzuckte ihn ein Gedanke…

Tonda wäre auch so…Tonda würde auch so reagieren.
 

Das Jahr verging und Lyschko beobachtete Krabat. Nicht auffällig, nur Blicke aus dem Augenwinkel. Warum war Krabat so wie Tonda? Eifersucht regte sich in ihm. Tonda war sein ehemaliger, bester Freund. Warum also musste Krabat alle Narben aufreißen? Warum musste Krabat so verdammt perfekt sein? Krabat war wie Tonda. Und Tonda war all das gewesen, was er immer hatte sein wollen.

Tonda war freundlich, nett, ruhig, er war einfach…Tonda. Man freundete sich fast automatisch mit ihm an. Warum also war Krabat genauso?!

Er kniff die Augen zusammen. Seine Gedanken drehten sich viel zu oft um die Vergangenheit…er musste lernen, loszulassen. Tonda war tot.

Und dennoch…konnte er es nicht lassen. Krabat gab ihm ein Stück Frieden zurück, indem er einfach ein bisschen so wie Tonda war. Tief in ihm war immer noch das Kind Lyschko, was immer noch nicht über den Verlust des besten Freundes hinweggekommen war…und nun Ersatz wollte. Es rächte sich, dass er einsam war, denn so überfielen ihn solche Gedanken und er hatte niemanden, der ihm Nähe gab.

Noch war er nicht so lächerlich schwach, des Nachts zu weinen, denn das hätte sein Todesurteil hier auf der Mühle sein können – die Burschen hätten ihn gnadenlos gepiesackt -, aber manchmal…wollte er einfach nur zusammenbrechen und alles hinauslassen, was schon seit Jahren in ihm tobte.

Der Selbsthass. Die Trauer. Die Einsamkeit. Dieses Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens.

Er war neidisch auf Krabat, denn Krabat konnte einfach so weinen und es war immer jemand da, der ihm tröstend die Hand reichte. Wie gern würde er das auch so haben…

„Lyschko?“

Er schreckte aus seinen Gedanken und er blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war; zwar konnte er nicht sehen, wer es war, aber er wusste es auch so. Krabat.

„Was willst du!“

„Nichts. Ich wollte mich nur hier hinsetzen.“

Und das sollte er ihm glauben?! Krabat war nicht so. Ganz und gar nicht. Wo Krabat war, war auch bald Spaß, besonders in der Mühle. Jeder in der Mühle hatte irgendwo – egal, wie rabenschwarz, verbittert und eiskalt das Herz war - einen weichen Punkt für den Müllersburschen, auch wenn der das so gut wie nie ausnutzte.

„Was willst du wirklich, Krabat…“

Er fuhr sich durch sein Haar. Das war so absurd…

„Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Kannst du dich noch an die Zeit kurz nach Ostern erinnern, wo wir zusammen nach Schwarzkollm gegangen sind? Ich hatte dich damals als verwirrend bezeichnet…und es stimmt. Bis heute. Dein Verhalten ergibt so wenig Sinn…du hast mir von deiner Vergangenheit erzählt und an diesem Tag warst du so ganz anders als-“

Hastig hatte Lyschko ihm eine Hand auf den Mund gepresst, um so den Wortschwall zu ersticken.

„Krabat! Bist du des Wahnsinns, das so laut rauszuposaunen?!“

„Aber-“

„Kein Aber!“

Lyschko fischte ein kleines Stück Kohle aus den Tiefen einer seiner Hosentaschen, schubste Krabat zu Boden und zog dann einen großen Drudenfuß, in welchen er sich direkt gegenüber von Krabat setzte und nachdem er kurz einen Zauberspruch murmelte, war alles perfekt.

„Wenn du hergekommen bist, um mit mir über meine Vergangenheit zu reden, muss ich dich leider enttäuschen.“

„Das will ich auch nicht, aber…du verwirrst mich. Du ergibst einfach keinen Sinn, deine Handlungen passen überhaupt nicht zu dem, was du mir erzählt hattest, Lyschko.“

„Sollte ich Sinn ergeben?“

„Nein.“

Es herrschte kurze Stille, in der Lyschko den Boden fixierte. Krabat nannte ihn verwirrend, aber selbst war keinen Deut besser.

„…ich will dich doch nur verstehen.“

„Lass es, Krabat. Lass es einfach. Und einen Rat: halte dich von mir fern.“

Damit stand er auf und ging.

Es war besser so, viel besser. Wenn er nicht in Krabats Nähe kam, kam Krabats Mädchen nicht in Gefahr. Ja, er war egoistisch, denn er dachte nur an seine Freiheit…und die war ihm wichtiger, als Krabat, der ihn verstehen wollte. Viel wichtiger.
 


 

Ende "Zweites Gift - Neid"
 


 

Folgend: "Drittes Gift - Freiheit"



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Chai-Cherry-Tea
2010-12-14T17:12:37+00:00 14.12.2010 18:12
Wirklich schön und sehr Gefühlvoll. Ich bin wirklich erstaunt, wie gut sich der Text lesen läßt, obwohl du so viele Emotionen der Charas eingebracht hast. Wriklich toll *freu*
Von:  Izumi-chan
2008-12-13T18:14:39+00:00 13.12.2008 19:14
Bisher habe nur ich kommentiert? *fassunglos aufs letzte Kapitel starr*
Frechheit.
Also viel mehr als beim letzten Mal kann ich leider nicht schreiben, aber ich freue mich, dass es doch recht schnell weiterging ;)
Hoffe mal Krabat hat genau solche Schwierigkeiten sich von jemandem fernzuhalten wenn dieser das sagt wie ich ;D
Okay, das ist nicht viel, aber das wars auch schon wieder von mir :]
Bis zum nächsten Kapitel *wink* ^-^°
(Ja, du wirst mich nicht mehr los *grins*)


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