Foreigner
Theodore Nott hatte nach seinem Freispruch eine neue Lebensfreude erlangt. So suchte er in den folgenden Wochen immer wieder die Nähe zu anderen, besonders aber zu Hermine. Die junge Hexe war ihm in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen. Zudem kümmerte er sich darum eine Arbeitsstelle zu finden, was in seiner Situation schwierig war, denn die meisten wollten nichts mit einem Todesser zu tun haben, da half ihm auch nicht der Freispruch des Ministeriums weiter. Er war gebrandmarkt. Nicht einmal Hermine war es gelungen daran etwas zu ändern. Endlich hatte er es geschafft und wollte es der Hexe so schnell wie möglich mitteilen. Am liebsten persönlich. Also hatte er sie eingeladen in den Tropfenden Kessel zu kommen. Hermine reagierte etwas anders als er erwartet hätte, sie schrieb ihm Eulenwendend das er doch bitte noch jemanden mitbringen solle und das Ron sie begleiten würde. Theo wurde bewusst das Ron bisher nie bei ihren Unternehmungen anwesend war. Doch konnte er sich das plötzlich abweisende Verhalten der jungen Dame nicht erklären.
Trotz der Hilfe, die ihm während der Verhandlung von Blaise Zabini und Pansy Parkinson zuteil geworden war, hatte sich ihre Freundschaft nicht verbessert. Nach der Verhandlung hatte sich aber Daphne Greengrass überraschend bei ihm gemeldet. In ihrer Schulzeit war sie eine sehr gute Freundin gewesen, doch zu Zeiten des dunklen Lords hatte sie sich zurückgezogen. Theodore hatte sie einige Male an ihrem Arbeitsplatz besucht, bis die zuständige Ausbilderin ihm davon abgeraten hatte. Nach dieser Konfrontation hatte er immer einige Straßen vom St.Mungo entfernt auf die angehende Heilerin gewartet. Doch heute ging er wieder in die Empfangshalle um sie abzuholen. Gemeinsam wollten sie in den Tropfenden Kessel um dort Ron und Hermine zu treffen. Daphne war sehr neugierig auf Theos Retter in der Not. Sie hatte sich sogar bei ihm entschuldigt ihm nie geglaubt zu haben und hatte ihm versichert ihre Freundschaft wieder zu festigen.
Theodore öffnete die Tür zum Pub und ließ Daphne zuerst eintreten. Als er sich neben seine Begleitung stellte und sich umsah, entdeckte er Ron und Hermine an einem Tisch an der gegenüberliegenden Wand. Hermine hob in diesem Moment ihren Arm und winkte ihnen entgegen. Theodore wandte sich an Daphne und bedeutete ihr ihm zu folgen. Lächelnd kam sie der Aufforderung nach.
„Das ist Daphne Greengrass.“, stellte er sie den sitzenden vor, als sie an den Tisch getreten waren. Ron stand auf und reichte dem Mädchen seine Hand.
„Ron Weasley.“, sagte er zu ihr.
„Und das ist Hermine.“, stellte Theo die andere vor.
Anschließend setzten sich alle und Ron fragte sogleich nach Getränken, die er von der Theke holte. Kurze Zeit später tauchte er bereits wieder auf und unterbrach endlich das unangenehme Schweigen, welches sich unter den dreien aufgebaut hatte.
„Warst du denn auch auf Hogwarst? Es tut mir leid, aber erinnern kann ich mich nicht an dich. Vermutlich ist das ein gutes Zeichen...“, plauderte Ron, bis Hermine ihm unsanft ihren Ellenbogen in die Rippen stieß.
„Au.“, beschwerte er sich noch. Doch Daphne winkte ab und kicherte.
„Schon gut. Aber wenn er damit meint das ich nicht unangenehm aufgefallen bin, so ist das schon in Ordnung.“, sagte das Mädchen und zwinkerte Ron zu, während sie nebenbei einige blonde Strähnen zurückwarf.
Theodore runzelte seine Stirn. Anscheinend hatten Ron und Daphne schon einen guten Draht zueinander. Er lächelte. Als er aufsah begegnete er Hermines Blick und hielt inne. Sie schien über etwas nachzudenken, doch holte ihn die Stimme von Ron wieder zurück ins Geschehen.
„Und was machst du so?“, wollte dieser von Theos Freundin wissen.
„Oh, ich mache eine Ausbildung zur Heilerin im St. Mungos.“
„Wirklich? Hermine wollte ja auch immer Heilerin werden, erzähl doch mal.“, forderte der rothaarige das Mädchen auf weiterzureden.
So vertieften sich Ron und Daphne in ein Gespräch über ihre Aufgaben, Patienten, Kollegen und Vorgesetzte. Theos Blick blieb immer wieder an Hermine hängen, die an diesem Tag sehr still war.
„Und was ist mit dir?“, wurde er plötzlich von Ron angesprochen.
„Mit mir?“, fragte er verwirrt nach.
„Ja, arbeitest du inzwischen?“, erklärte Ron seine Frage.
„Mmmh. Ja, in einem Geschäft für magische Tiere.“, antwortete Theodore schüchtern und suchte abermals den Blick der Brünetten. Dieses Mal hatte er Glück. Sie sah ihn direkt an und ihre Augen funkelten ihm entgegen.
„Wirklich? Das ist ja toll? Wo ist es denn?“, fragte sie auch schon drauflos.
Theodore ließ seinen Kopf ein wenig sinken, zögerte die Antwort etwas hinaus.
„In der Nokturngasse.“, gab er schließlich kleinlaut zu.
„Was?“, hörte er sofort die entsetzte Stimme von Ron. Abermals machten seine Rippen Bekanntschaft mit Hermines Ellenbogen. Doch dieses mal beschwerte er sich nicht, wurde sogar leicht rot um die Nase.
„Eigentlich ist es doch nun wirklich nicht wichtig wo sich das Geschäft befindet. Hauptsache ist doch Theo hat Spaß an der Arbeit.“, kam ihm auch Daphne zu Hilfe. Ron nickte daraufhin stumm. Gegen zwei Frauen konnte er nichts ausrichten.
Theo wollte der Situation entfliehen und bot der Gruppe eine weitere Runde Butterbier an. Schnell ging er an den Tresen.
Hannah Abbot kam in jenem Moment aus der Tür zum Hinterzimmer. In ihren Armen lag ein Kind. Ein Baby. Theodore stockte kurz. In den vergangenen Wochen war er einige Male hier gewesen, hatte erfahren das Hannah das Lokal übernommen hatte und mit Neville Longbottom in die Wohnung darüber gezogen sei, aber von einem Kind hatte er noch nichts gesehen oder gehört. Kurzerhand ging er auf die rothaarige zu.
„Guten Tag.“, begrüßte er sie, woraufhin sie ihm freundlich entgegen lächelte und zunickte.
„Guten Tag, eine Sekunde bitte.“, sprach sie aus und Theo setzte sich auf einen Hocker. Plötzlich hatte er ein komisches Gefühl. Von seinem Nacken aus machte sich eine Gänsehaut breit. Das Gefühl beobachtet zu werden, brachte ihn dazu sich umzusehen. Die drei am Tisch unterhielten sich, beachteten ihn nicht, so sah er sich weiter um und entdeckte am Ende des Tresens eine Person mit Kapuze. Dadurch konnte er das Gesicht nicht erkennen. Theodore überlegte ob es sich um einen freigelassenen Todesser handelte, einen Erben oder einen Fanatiker, oder einfach nur Zufall war das er eine schwarze Kutte trug und gerade ihn musterte. Unwillkürlich schüttelte sich Theo und verwarf alle schlechten Gedanken.
„Theodore Nott, richtig?“, wandte sich Hannah wieder an ihn, nachdem sie mit dem Barkeeper gesprochen hatte.
„Richtig.“, erwiderte er und nahm ihre Hand an. „Herzlichen Glückwunsch.“ Theo sah auf das Baby.
„Oh danke. Sie ist ein Waise, der Krieg... du verstehst? Ihr Zwillingsbruder ist oben in der Wohnung. Die beiden quält im Moment eine furchtbare Erkältung.“, erklärte die Hexe.
„Oh, tut mir leid. Zuerst hatte ich gedacht...“, stotterte Theo, vermied es allerdings den Satz zu Ende zu sprechen. Sicherlich war es unhöflich ihr mitzuteilen das er dachte es sei das Kind von Neville und ihr gewesen. Er war allerdings nicht im Stande zu begreifen wie viele gute Seelen er in den wenigen Wochen getroffen hatte. Harry Potter, Hermine, Daphne, jetzt Hannah, ja, sogar Ron hatte ein gutes Herz. Wie hatte er das all die Jahre übersehen können. Sein Blick schweifte wieder zum Ende des Tresens. Der Fremde beobachtete ihn immer noch. Langsam machte ihn das nervös. Schnell bestellte er vier Butterbier und wünschte Hannah alles Gute, die sich bereits wieder verabschieden wollte, da das Baby laut um Aufmerksamkeit schrie.
Der Mann hinter der Theke stellte die bestellten Getränke ab. Theodore wandte seinen Blick von dem Fremden ab und sah zum Barkeeper.
„Entschuldigung, aber wissen Sie wer die Person in der Kutte ist?“, fragte er leise.
Angesprochener sah kurz in die Richtung in die Theo deutete und schüttelte sogleich seinen Kopf.
„Nein, den sehe ich zum ersten Mal hier.“
„Danke.“, sagte Theodore, nahm die vier Krüge und ging zurück zum Tisch.
Die Spannung hatte sich wieder gelöst und sie verbrachten eine angenehme Stunde in Gesprächen über dies und das. Die Stimmung drohte jedoch schnell wieder umzuschwenken, als der Name Harry Potter fiel. Theodore hatte eigentlich nur gefragt was genau den jungen Helden derzeit beschäftigte, wo er arbeitet, doch schien er damit einen wunden Punkt getroffen zu haben. Hermine berichtete traurig, dass sie ihn sehr selten zu Gesicht bekamen. Er zöge sich immer mehr zurück, erklärte Ron. Theo stimmte es nachdenklich. Ob Harry wohl immer noch mit den Erinnerungen an den dunklen Lord und dessen Gnadenlosigkeit kämpfte? Er bekam ein schlechtes Gewissen, weil er ihn so egoistisch um Hilfe gebeten hatte, ohne darüber nachzudenken wie es ihm ergangen war.
Daphne schaffte es schließlich das Thema wieder in eine andere Richtung zu lenken und schlug vor sich doch die Zeit noch ein wenig in der Stadt zu vertreiben. Hermine stimmte dem sofort zu, da sie noch diverse Bücher besorgen wollte. Ron verdrehte dabei die Augen, was ihn ein weiteres Mal einen Dämpfer der jungen Hexe einbrachte. Doch beide lachten daraufhin.
Theo tauschte einen verwirrten Blick mit Daphne, doch sie zuckte nur die Schultern. Schon an der Tür angekommen, wandte sich Theodore noch einmal um.
„Geht doch schon mal nach draußen, ich komme sofort nach.“, sagte er zu den dreien.
Kaum hatte sie das Lokal verlassen, drehte er sich um und schritt auf den Fremden am Tresen zu.
Wieder spürte er das der Fremde ihn ansah. Theo wusste nicht was er davon halten sollte. Mit jedem Schritt wurde das Gefühl der Unsicherheit stärker. Je näher er ihm kam, desto mehr konnte er erkennen. Unter der Kapuze lugten einige schwarze Strähnen hervor. Alles an ihm schien dunkel, auch die Augen, die er zuerst nicht erkannt hatte, waren dunkel. Schwarz, würde er sagen, doch wusste er das die Lichtreflektion ihm einen Streich spielte.
„Theodore Nott.“, knurrte der Fremde. Erschrocken blieb der angesprochene stehen.
„Ja, ich kenne dich.“, fügte der Fremde hinzu. Er stand auf und kam noch einen weiteren Schritt auf ihn zu. Er wirkte zierlicher als Theo vermutet hätte. Schmal und sogar ein Stückchen kleiner als er selbst.
„Du kannst mir sicher verraten wo die Lestranges sind.“, zischte der Kuttenträger ihm ins Ohr. Theodore zuckte zusammen, er hatte nicht bemerkt wie nah der andere ihm bekommen war.
„Wer will das wissen?“, fragte Theodore zurück. Der Fremde ließ die Kapuze hinuntergleiten und Theodore sog zischend die Luft ein. 'Das kann nicht sein', dachte er erschrocken.
„Balthasar Lestrange.“, sagte der andere. Theodore schüttelte seinen Kopf. Er war den Lestranges wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur um einige Jahre jünger. 'Wer ist Balthasar Lestrange?', fragte er sich, dachte an seinen Vater, doch plötzlich spürte er einen Ruck, ein grobes Zerren an seinem Kragen und er stieß mit dem Rücken gegen den Tresen. Keinen Laut vermochte er von sich geben, nur seine Augen und der geöffnete Mund gaben sein Entsetzen preis.
„Du wirst mir jetzt verraten wo meine Onkel sind, verstanden?“, fauchte Balthasar.
„Aber ich weiß es nicht.“, gab Theodore zurück.
„Natürlich weißt du es . Du bist einer von uns. Wer sonst könnte mir die Information geben?“, gab der andere zurück.
„Aber ich bin kein Todesser.“, flüsterte Theo. Grob wurde er zurückgestoßen und Balthasar entfernte sich einen Schritt. Geschockt hielt Theodore sich am Tresen fest.
„Die Wahrheit kriege ich schon aus dir raus.“, wurde ihm gedroht und Balthasar Lestrange machte sich davon. Theodore atmete einige Male tief ein und aus. Balthasar Lestrange. Der Neffe von Rabastan und Rudolphus. Letztlich erinnerte er sich wieder an Dinge die ihm sein Vater erzählt hatte. Viele Namen waren gefallen. Theo wurde wieder bewusst, dass die Lestranges noch eine Schwester hatten. Sie sei aus England verschwunden, doch mehr wusste er nicht. War dies nun ihr Sohn? Diese kalten Augen ließen Theo nicht los. Was hatte das alles zu bedeuten?
„Alles in Ordnung?“, drang eine besorgte Stimme in seine Gedanken. Hermine war zurückgekommen um zu sehen wo er blieb.
„Ja ja, klar.“, sagte Theo schnell und versuchte das Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bringen.
Er schenkte der Brünetten ein verkrampftes Lächeln, hoffte jedoch das es ihr genügen würde.
„Dann lass uns jetzt gehen. Ron und Daphne warten.“, sagte Hermine und sah sich unsicher im Lokal um. Theo trat an ihre Seite und sie verließen gemeinsam den Pub.
„Was hat dich aufgehalten?“, fragte Ron.
„Nichts weiter.“, versuchte Theodore unbekümmert zu antworten. Wieder spürte er einen Blick in seinem Nacken. Als er sich umdrehte sah er noch den Stoff einer Kutte, dessen Träger hinter dem Tropfenden Kessel verschwand. Er runzelte die Stirn und hoffte das all das nichts schlimmes nach sich ziehen würde. Mit einem etwas zu fröhlichem Lachen drehte er sich wieder zu seinen Freunden und machte die ersten Schritte in die Stadt hinein.