Judgement
„Nott?! Dieser schleimige Slytherin? Der war doch ein Schatten von Malfoy. Warum sollten wir ihm glauben.“, rief Ron sofort aus, nachdem Harry ihm und Hermine erklärt hatte warum er sie um einen Besuch gebeten hatte.
„Aber Ron...“ Hermine versuchte ihn zu beruhigen und strich sanft über seine Schulter.
„Nichts aber. Der war so dreist bei dir aufzukreuzen? Das ist einfach...“ Der rothaarige fand einfach keine Worte mehr. Wie oft hatte Harry in den letzten Monaten Besuch von fremden Hexen und Zauberern bekommen, die allesamt irgendetwas von ihm wollten. Manchmal waren es Reporter die irgendeine neue Enthüllungsgeschichte über den Helden der Zaubererwelt erfahren wollten, doch noch mehr waren es Leute, die in jedweder Art und Weise Hilfe benötigten. Es war sogar vorgekommen dass Harry um Geld angefleht wurde. 'Der Krieg hat uns alles genommen', sagten sie.
Ein Klopfen an der Tür riss Ron aus seinen Gedanken. Während Harry sich zur Tür begab, stellten sich Hermine und Ron wartend an den Kamin.
„Hallo.“, sagte Theodore zurückhaltend und blieb unschlüssig im Türrahmen stehen.
„Hallo. Komm rein. Hermine und Ron sind bereits da.“ Harry trat einen Schritt zur Seite und sah ihn dabei freundlich lächelnd entgegen. Zögernd trat der ehemalige Slytherin ein und blieb auf dem Flur stehen. Harry ging ihm voraus ins Wohnzimmer. Theodore folgte ihm in gebührendem Abstand. Als er kurz nach Harry den Raum betrat, blickte er in die Gesichter der beiden Anwesenden. Hermine lächelte ihm warm entgegen, zwar verhalten, aber sie lächelte. Ron dagegen hatte seine Augenbrauen zusammengezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Mit schwindender Hoffnung senkte Theo seinen Blick wieder. Darauf reagierte der rothaarige mit einem abwertenden schnaufen.
„Setzt euch doch.“, durchbrach Harry die Stille. „Vorzustellen brauche ich euch ja nicht.“
Theodore schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Langsam ging er weiter auf die Gruppe zu und setzte sich, wie am Abend zuvor, auf die Couch. Dieses Mal jedoch saß jemand neben ihm. Hermine schaute ihm neugierig entgegen. Theodore konnte in ihren Augen keine Verachtung erkennen. Sie schien sich selbst ein Urteil bilden zu wollen. Diese Erkenntnis ließ in dem jungen Mann neue Hoffnung aufkommen.
„Okay, Nott. Was also hast du uns mitzuteilen.“ Ron sprach in einem abweisendem Ton, so als wolle er es gar nicht wirklich wissen. Theodore schluckte und sah ihm direkt in die Augen.
„Ich bin unschuldig.“, sagte er. Seine erhoffte feste Stimme, schwankte, zitterte, wie auch seine Hände. Wenn er nur an das Zauberergefängnis Askaban dachte, lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Der Ort den ein Vater seit zwei Jahren bewohnte, eingesperrt, jeglichen Glückes beraubt. Doch er hatte es verdient, hatte doch ... dem dunklen Lord zu viele grausame Dienste erwiesen. Hatte er doch mit Erhalt des dunklen Mals sein Leben verwirkt. Hatte er doch seinen Sohn im Stich gelassen, Menschen gefoltert, ermordet. So war Theodore nicht, und wollte es auch nie sein. In seinen Augenwinkeln glitzerten Tränen als er wieder aufsah, direkt in Hermines braune Augen.
„Ich bin unschuldig.“, wiederholte er sich, beinahe verzweifelt, flehend.
Hermines gutmütiger Gesinnung und Harrys Sanftmut war es zu verdanken, das Theodore seine Geschichte erzählen konnte, unterbrochen von einigen Schluchzern. Ron beobachtete dies verächtlich. In seinem Gesicht war nur allzu deutlich zu lesen, was er davon hielt. Doch alles in allem schien auch er nicht darauf aus zu sein, Theodore Nott in sein Verderben zu schicken, was Askaban ohne jeden Zweifel bedeuten würde.
„Also gut, Nott, wir werden dich zur Anhörung begleiten. Das Zaubergamot wird sich deine Verteidigung anhören, und wenn sie dir eine Chance geben, so werden wir ihre Fragen weiter beantworten. Doch glaube nicht, dass Harry dich freisprechen kann, oder wird. Ich möchte nicht einmal das er uns begleitet.“, sagte der rothaarige schließlich.
Theodore sah ihn aus feuchten Augen an.
„Danke.“, war alles was er sagen konnte.
In den darauffolgenden Tag kümmerte sich Hermine darum mit einigen ehemaligen Hogwartsschülern über Theodore Nott zu sprechen. Keiner von ihnen konnte den Verdacht, dass er ein Todesser war, bestätigen, aber es konnte auch niemand einen Gegenbeweis liefern. Seine Chancen vor dem Zaubergamot standen also weder gut, noch besonders schlecht. Pansy Parkinson und Blaise Zabini würden zu der Anhörung erscheinen. Vielleicht könnten sie keine besonders positiven Aussagen machen, jedoch besser als gar nichts.
Am Tag der Verhandlung trafen Hermine, Ron und Theo sich an der Telefonzelle, welche den Besuchereingang zum Ministerium darstellte. Gemeinsam beraten sie die Zelle und meldeten sich für die Anhörung an. Außer Hermine und Ron war niemand außenstehender gekommen, um Theodore beizustehen. Für Ron war es keine Überraschung, doch Hermine macht diese Tatsache mehr zu schaffen als sie sich eingestehen wollte. Beinahe zärtlich ergriff sie Theodores Arm und hakte sich bei ihm ein. Einträchtig begaben sich Ron, Hermine und Theodore in den zehnten Stock. Vor der Tür des Gremiuns hielten sie inne.
„Du wirst sehen, der Gamot wird keinen Unschuldigen verurteilen.“, flüsterte Hermine ihm besänftigend ins Ohr. Theo fühlte sich wohl in ihrer Nähe und war dankbar für jedes nette Wort, welches Hermine an ihn richtete. Auch Ron brachte es zu einem aufmunternden Nicken, als sich ihre Blicke kurz begegneten. Beklommen betraten sie den Raum für die Anhörung.
Hermine löste sich von dem Angeklagten und suchte sich mit Ron einen Platz in den mittleren Reihen, wo bereits die Parkinson und Mr. Zabini saßen. Zu dieser Anhörung waren nicht viele Hexen und Zauberer erschienen, der Fall von Theodore war nicht so weitgreifend wie zum Beispiel über Lucius Malfoy. Theo wurde von zwei Ministeriumsangestellten zu seinem Platz gebracht, dem Anklagestuhl, jedoch wurde darauf verzichtet die magischen Ketten anzulegen, so wie auch schon die Untersuchungshaft für ihn ausgefallen war. Eine Fluchtmöglichkeit hatte es nicht gegeben, so auch keinen Platz in den Zellen. Wurde doch jeder verdächtige dieser Tage eingesperrt. Theodore blickte sich um. Die dunklen Steinwände erdrückten ihn förmlich und er atmete tief ein. Die Schatten der von Fackeln beschienenen Mitglieder des Zaubergamots wirkten unnatürlich verzerrt, bedrohlich. Leise Stimmen drangen an sein Ohr, doch die Worte konnte und wollte er nicht verstehen.
„Ruhe.“, forderte der Vorsitzende und augenblicklich wurde es totenstill.
„Heute ist der 27. November 1998. Verhandlung über Theodore Nott, wohnhaft Campbell Road, New Ham, London. Geboren am 5.8.1980 in London. Sind diese Angaben richtig?“ Der Vorsitzende hob den Blick von seinem vor ihm liegenden Pergament und sah Theodore auffordernd an.
„Ja.“, antwortete er.
„Mister Nott. Ihr Vater wurde vor drei Jahren als bekennender Todesser verurteilt. Heute wird dieses Gremium über Sie urteilen. Wie bekennen Sie sich?“
Ron ergriff Hermines Hand, die unruhig auf ihrem Platz hin und her rutschte. Sie ließ Theo nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Nicht schuldig.“, sagte er, mit zittriger Stimme, nach einigen erdrückenden Momenten.
„Nun gut. Mister Nott. In Ihrer Schulzeit pflegten Sie Kontakt zu mehreren Todesser Nachfolgern. Unter anderem Draco Malfoy und Gregory Goyle. So wie deren Väter, wurden auch diese jungen Männer bereits verurteilt. Haben Sie sich nur die falschen Freunde gesucht, oder waren es doch eher Gleichgesinnte?“ Erklang die schneidende Stimme des Vorsitzenden Zauberers.
„Nachdem mein Vater verurteilt wurde,....“ Theodore hielt inne, kniff seine Augen zusammen und atmete tief durch. „Es war eine schwere Zeit. Mister Malfoy und seine Freunde konnten zumindest nachvollziehen wie ich mich fühlte.“
„Sehr rührselig. Und diese Bekanntschaften brachten Ihnen keinerlei Vorteile, oder gar die Gunst des dunklen Lords ein? Ist es richtig das Sie seit der Verurteilung Ihres Vaters allein in Ihrem Elternhaus wohnen?“
„Ja, das ist richtig. Unsere Hauselfe Tipsy hält alles in Schuß.“, bestätigte der Angeklagte.
„Und ab und zu durften Sie Ihre Freunde besuchen. Ist es so?“, kam eine weitere raue Frage.
„Das ist auch richtig.“
„Und in Ihrer Zeit auf Malfoy Manor, haben Sie da engeren Kontakt zu weiteren Todessern gehabt?“
Theodore blickte auf zu den beinahe fünfzig Zauberern, die über ihn urteilen wollten. Niemand schien ihm freundlich gesinnt zu sein. Sie wirkten herablassend. Stolz.
„Nein, Sir. Mir sind keine weiteren Anhänger der dunklen Seite bekannt.“
Hermine stand von ihrem Platz auf und blitzte finster zu den Hexen und Zauberern des Gremiums.
„Sie können ihm doch keinen Vorwurf daraus machen, dass er einsam war!“, rief sie ihnen wütend entgegen.
Der Vorsitzende blickte von seinen Pergamenten auf in die Reihen der Anwesenden.
„Und Sie sind?“, fragte er.
„Hermine Jean Granger, geboren am 19.09.1979.“ Mit ausgesprochenen Worten trat sie aus der Reihe und schritt die Stufen hinab um näher bei Theodore zu sein. Um ihm zu zeigen das er nicht allein ist.
„Nun, Miss Granger. Sie kannten den Angeklagten gut?“, wollte der unfreundliche Zauberer wissen.
„Nein.“ Ihre Antwort fiel schlicht und deutlich aus.
„Nein? Dann können Sie uns also nicht versichern, dass Mister Nott nicht zu den Reihen um den dunklen Lord gehörte?“
„Nein.“ Klar und deutlich.
„Dann wüsste ich nicht warum wir Sie anhören sollten.“
„Stellen Sie die richtigen Fragen.“, sagte Hermine schroff. Bei diesen Worten wurde aus dem Flüstern in den Reihen der Anwesenden ein regelrechtes Geschnatter. Die Hexen und Zauberer schienen geschockt. Einige sogen zischend die Luft ein, andere verengten lediglich ihre Augen zu Schlitzen und einige wenige begannen wütend auf die junge Hexe einzureden.
„Ich kann Ihnen auch nicht versichern, dass Mister Nott zu den Reihen gehört. Ich kann Ihnen keinen Vorfall nennen, in dem er sich gegen Professor Dumbledore oder Harry Potter gestellt hat. Und ich kann Ihnen keinen Schüler der Hogwartsschule nennen, der Ihnen etwas über Geschehnisse erzählen könnten, welche auf die Schuldigkeit des 'Angeklagten' deuten würden. Dort oben sitzen Miss Pansy Parkinson und Mister Blaise Zabini. Diese zwei waren sogar in einem Haus mit Mister Nott, können jedoch nichts dergleichen bestätigen. Nicht wie es bei Mister Malfoy oder Mister Crabbe war. Diese beiden konnten auch durch Miss Parkinson und Mister Zabini als Todesser identifiziert werden.“ Hermine hatte sich in rage geredet, was ihr zweifelnde Blicke des Gremiums, aber auch von Theodore und Ron einbrachte. Theodore war sich nicht bewusst über das Feuer, welches in der jungen Frau schlummerte. Und Ron konnte nicht verstehen, dass sie eben dieses Feuer bei der Verteidigung eines Slytherins gebrauchte.
Das Gremium schwieg dazu. Sie musterten Theo und Hermine und letztendlich forderten sie Pansy und Blaise dazu auf besagtes zu bestätigen. Ohne zu zögern stimmten sie Hermines Worten zu. Theodore saß auf seinem Stuhl und sah stumm zu dem Podium auf. Hermine wurde dazu aufgefordert sich wieder auf ihren Platz zu begeben, wo Ron ihr verwirrt aber auch bewundert entgegensah.
„Mister Nott. Das Zaubergamot wird nun über Ihr Urteil abstimmen. Haben Sie noch etwas zu sagen?“, fragte der Vorsitzende.
„Nein, Sir. Es wurde schon alles gesagt. Ich bin unschuldig und möchte einfach nur mein Leben leben können.“, antwortete Theodore mit deutlicher Stimme. Er hatte aus Hermines Aussage neuen Mut geschöpft. Hoffnung darauf, dass es nicht immer so sein wird. Nun wusste er, wenn er um Hilfe bittet, so kann er selbige auch bekommen.
„Verehrte Mitglieder. Befinden Sie den Angeklagten für schuldig?“, fragte der Zauberer mit matter Stimme an das Gremium gewandt. Vereinzelte Hände streckten sich in die Höhe.
„Befinden Sie den Angeklagten für NICHT schuldig?“ Nun waren es deutlich mehr Mitglieder. Theodore konnte gar nicht so schnell zählen, aber es waren mindestens 35.
„So sind Sie frei. Aber wir werden Sie im Auge behalten.“, sprach der Zauberer mehr drohend als freundlich aus. Sofort erhob er sich und verließ den Saal. Theodore blieb verdattert aus dem Anklagestuhl sitzen. 'Das war es? Das war das Urteil?', dachte er.
„Theo. Du bist frei.“, rief ihm Hermine entgegen als sie die Stufen hinuntereilte. Angesprochener stand von seinem Stuhl auf und lächelte sie dankbar an. Sobald Hermine ihn erreichte, schloß sie ihn erleichtert in die Arme. Ein wenig erschrocken vertiefte er sich unter der stürmischen Umarmung. Doch im nächsten Moment legte er seine Hände auf den Rücken der jungen Hexe.
„Danke.“, nuschelte er durch ihr dichtes Haar.
Ron stand am Fuß der Treppe und nickte ihm bestätigend zu, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
'So wendet sich doch alles zum Guten', ging es Theodore durch den Kopf. Er fühlte sich plötzlich leichter, glücklicher. Gemeinsam mit Ron und Hermine, ging er den Weg zurück durch das Ministerium. Sie sprachen nicht miteinander, doch erschien es Theodore wie das schönste Schweigen, was er je erlebt hatte. Allein die Näher der beiden ehemaligen Gryffindors brachte ihn zum Lächeln. Und wer weiß, vielleicht war dies der Beginn eines neuen Lebens. Einer weiteren Stufe des Erwachsenwerdens. Vielleicht wurde es Theodore erlaubt, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, das in ihm nicht nur der Sohn eines Todessers gesehen wird, oder gar selbst einer zu sein. Theodore wusste nicht was ihm die Zukunft bringen sollte, doch im dem Moment, als die drei das Ministerium verließen und ihn die Strahlen der Sonne umhüllten, war er für einen Moment einfach nur glücklich.