Zum Inhalt der Seite

Living In A Toy Box

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gewohnheitsding

Piep. Piep. Piep.

Ein weiterer Tag in der Geschichte der Zeitrechnung näherte sich dem Ende. Er war nicht unbedingt schön gewesen, man hatte nichts verpasst, aber er war doch ganz nett gewesen.

Piep. Piep. Piep.

Ein wenig Regen, hier und da, eigentlich war es sogar nur Niesel, der still und heimlich kam und fast gar nicht auffiel.

Piep. Piep. Piep.

Auch die Sonne schien ein wenig. Nur ein bisschen. Lugte mal von Zeit zu Zeit hinter den Wolken hervor und verschwand sogleich auch wieder.

Piep. Piep. Piep.

Also wie man sieht, der Tag hatte von allem ein bisschen und doch nichts ganzes. Aber er war doch ganz okay gewesen.

Alles was einen an diesem doch eigentlich recht netten Tag störte, war dieses verdammte Piepen, dass die ganze Zeit erbarmungslos sein Unwesen trieb und sich wie ein fürchterlicher Tinitus in die Ohrmuschel vergrub.
 

Dabei war es noch gar nicht solange da. Erst seitdem die Vöglein begannen zu zwitschern und die Autos begannen mit ihrem lauten Motor auf der Straße herumzurollen. Doch es wollte und wollte nicht aufhören und fand einfach kein Ende.

Was zur Hölle war das bloß?

Es störte die Ruhe, sie seither den stummen Geist, der durch den Raum schwebte erfüllte und riss ihn aus seinem Schlaf.

Piep. Piep. Piep.

Der Geist wurde immer unruhiger, schwebte von Ecke zu Ecke, drehte und wendete sich, hielt sich die Ohren zu, die unter dieser Qual litten, bis er schließlich erschöpft zu Boden sank und sich mit dem leblosen Körper auf dem Krankenbett verband.

Der Puls des Körpers begann schneller zu schlagen, die Brust hob und senkte sich und die Augenlider begannen ganz leicht zu zucken, genau wie die Fingerspitzen, die ruhig auf den weißen Laken lagen.
 

Jazmin öffnete die Augen, erst langsam, schloss sie wieder und öffnete sie erneut, um dem einfallenden, grell weißen Licht, das von oben hinab schien, zu entkommen. Sofort fiel ihr ein, wo sie war und was passiert ist. Der Gedanke war weder verschwommen noch unvollständig, er war glasklar und die Bilder waren so scharf, als stünden sie im Bilderrahmen vor ihr. Sie riss die Augen auf und im Schein des unbarmherzigen stechenden Lichts zogen sich ihre Pupillen so weit es ging zusammen. Sie schreckte auf, als sie sich an diese schreckliche Clownsfratze erinnerte, ihr wurde übel beim Gedanken an das ganze Blut. Es schien überall gewesen zu sein. Auf dem Boden, an ihrem Kleid, an ihrem Körper. Überall.

Doch im Eifer des Gefechts, ließ sie sich sofort wieder nach hinten fallen, als ein stechender Schmerz ihre Bauchhöhle erfüllte. Sie knallte zurück auf das Kopfkissen und reflexartig schnellte ihre Hand auf den Platz, wo sie den unangenehmen Schmerz verspürte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nichts weiter als einen der schicken Operationskittel trug. Ihre Hand grub sich unter den Stoff. Ganz langsam, sie wollte gar nicht wissen, was sie erwartete. Über den gesamten Bauch, von den Beckenknocken bis zu den Rippen zog sich ein riesiger Verband. Schon der sachte Druck ihrer dürren Hand verursachte ein schreckliches Ziehen, als würde einem in den Bauch geschlagen werden. Sie zog ihre Hand zurück und legte sie nun über ihr Gesicht. Durch ihre Finger starrte sie zur Decke und versuchte sich kein Stück zu bewegen, sodass der Schmerz fern blieb.

Sie ordnete ihre Gedanken und atmete schwer ein und aus. Sie spürte, dass sie kaum Kraft hatte, schon das bisschen Aufregung ließ ihr Herz pochen, dass sie es bis in den Kopf spüren konnte. Sie bekam Kopfschmerzen, als das Blut durch ihre Schläfen gepresst wurde. Plötzlich hörte sie wieder das Piepen, das nun schneller wurde. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und ließ dabei ihre Hand auf das Kopfkissen sinken. Neben ihr standen verschiedene Apparaturen unterschiedlicher Größen. Direkt neben ihrem Kopf war ein Gerüst auf dem eine Art Fernseher thronte, der in sinusförmigen Kurven ihre Herzschlagfrequenz anzeigte. Etwas dahinter stand der Tropf, durch den verschiedene Flüssigkeiten durch dünne Schläuche in ihre Venen gepumpt wurden. Sie drehte den Kopf nun zur anderen Seite, auf der sie ein wunderschöner Ausblick auf das nächtliche Gotham City erwartete. Sie konnte die Skyscraper sehen, die mit ihren erleuchteten Fenstern aussahen wie kleine Sternschnuppen. Ihr Zimmer war ebenfalls komplett erleuchtet, was sogleich wieder dazu beitrug, die Paranoia in ihr zu erwecken. Am liebsten hätte sie die Vorhänge zugezogen oder das Licht ausgeschaltet. So hätte man auch den Ausblick viel mehr genießen können. Denn jetzt spiegelte sich nur eine bleiche Gestalt mit tiefen Augenringen im Fenster, die erschöpft und müde in die Nacht hinein starrte.

Sie legte sich wieder hin und schloss die Augen. Sie war so müde. Wer weiß, mit was sie sie zugedröhnt hatten.
 

Soweit hätte es nicht kommen dürfen. Was war geschehen? Was hatte sie falsch gemacht? Wo war der Punkt ihres Handelns, an dem sie sich hätte anders entscheiden sollen? Und leider fiel ihr auf diese Frage sofort die Antwort ein, die sie lieber verdrängt hätte. Es musste soweit kommen. Sie hatte einfach keine Wahl gehabt. Das war vorhersehbar, so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche. Und sie war so dumm und hatte gedacht, sie könne ausbrechen. Aber anscheinend gab es kein Ausbrechen. Es war ihre eigene Schuld gewesen. Sie war gefangen, gefangen in dieser Welt, in der es einfach kein Glück und vor allem keine Zukunft gab. Vielleicht hatte der Joker recht gehabt. Sie hätte am Boden bleiben sollen, man sieht ja, was sie nun davon hatte, was ändern zu wollen. Sie war nicht für das Leben außerhalb der Spielzeugkiste bestimmt, sie sollte am besten darin bleiben. Schließlich konnte ihr dort nichts passieren. Die Dunkelheit war ihr Schutz, ihr eiserner Mantel, den sie abgelegt hatte, als sie an das Tageslicht kam. Der warme Schatten, der sie umhüllte, war sowieso viel angenehmer als der kalte Wind auf der zugigen Spitze der Realität. Sie hatte es verdient.
 

Als Jazmin gerade dabei war, wieder in einen leichten Schlaf zu verfallen, öffnete sich auf einmal die Tür des Krankenzimmers. Herein kam eine kleine, dickliche Krankenschwester. Sie hatte ihre langen, braunen Haare zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden. Ihr nettes, rundes Gesicht brachte ein wenig Wärme in die kalte Atmosphäre. Sie trug ein Tablett, auf dem verschiedene Medikamente standen. Als sie Jazmin erblickte, die ihr nun etwas ärgerlich entgegen starrte, zog sich das Erstaunen durch ihr Gesicht. Sie stellte das Tablett schnell auf dem kleinen Tisch ab, der dem Bett gegenüber stand und ging sogleich zu Jazmin.

„Sie sind wach! Wie geht es Ihnen? Haben sie schmerzen?“ Jazmin war leicht überfordert, da mehr als eine Frage in ihrem Kopf ein kleines Chaos verursachte und starrte ihr nur leicht verwirrte entgegen.

Die Schwester nahm Jazmins Handgelenk in Beschlag und maß den Puls, der tobte wie eine Horde wilder Pferde. Doch das tat der Erleichterung der Schwester keinen Abbruch.

„Ich werde sofort Mr. Wayne informieren. Er wartet schon seit Tagen, dass sie aufwachen“ und mit diesen Worten verschwand sie auch wieder.

Nett, dass Sie fragen, ob ich überhaupt jemanden sehen will…, dachte sich Jazmin.

Seit Tagen…Wie lange war sie denn nicht wach gewesen?

Eigentlich waren es nur zwei Tage. Sie wurde noch in derselben Nacht operiert und lag einen Tag im künstlichen Koma, um sich zu erholen. Die Krankenschwester schien zur leichten Übertreibung zu neigen.
 

Jazmin vergrub sich wieder unter der Decke, als sich die Tür zu ihrem Zimmer erneut öffnete. Es war ihr mehr als peinlich in diesem Aufzug gesehen zu werden. Schwäche war etwas, dass sie schon oft genug verspürt hatte, doch es nie zeigen wollte.

Bruce kam hinein, blieb kurz an der Tür stehen, ihm schien die Situation ebenfalls unangenehm zu sein. Es bestand kein Zweifel, dass er sich die Schuld an dem ganzen gab. Schließlich hatte er sich es ja selbst zur Aufgabe gemacht, sie vor allem zu beschützen, bis sie allein in dieser gottlosen Welt zu Recht kam. Er hatte sich geschworen, einmal nicht mit Waffen zu kämpfen sondern mit bloßer Menschlichkeit. Und er hatte versagt.

Doch Bruce machte gute Miene zum bösen Spiel, mit einem bedrückten, aufgesetzten Lächeln trat er näher und setzte sich auf den Stuhl, der direkt neben Jazmins Bett stand. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Dazu war diese Situation zu absurd. Jazmin versuchte nicht, sich ein gekünsteltes Lächeln abzuringen. Was würde das schon bringen. Sie standen vor vollendeten Tatsachen. Was geschehen war, konnten jetzt auch keine aufgesetzten Floskeln wieder gut machen.

Bruce schaute Jazmin aus gesenktem Blick an und begann mit zögerlichen Worten:

„Es tut mir Leid. Ich meine, dass ich nicht da war. Ich hätte…“ Doch Jazmin winkte ab. „Das brauch dir nicht Leid zu tun. Ich war schon so oft kurz davor zu sterben. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dass es wohl einfach nicht klappen soll“

Bruce schien nicht den Sarkasmus darin zu erkennen, viel mehr hatte er sich in seiner geistigen Verzweiflung verbissen und fand nun keinen Weg aus dieser Misere.

„Was ist eigentlich passiert?“ Jazmin versuchte sich ganz dumm zu stellen, um zu sehen, wie weit Bruce über den Verlauf des gestrigen Abends wusste. Wusste er, dass der Joker der Täter war?
 

Bruce räusperte sich und blickte auf den Boden.

„Naja, du wurdest gefunden, du lagst auf dem Boden des Parkhauses, blutend. Ein Zivilist hatte dich entdeckt und sofort den Notarzt gerufen. Du wärst fast verblutet“

Ihm fiel es sichtlich schwer, darüber zu reden. Nervös strich er sich über die Hosenbeine.

„Schade“, flüsterte Jazmin. So kurz vorm Ziel…

„Man wird dich vernehmen, sobald es dir wieder besser geht. Man braucht noch deine Seite der Geschichte. Hast du eine Ahnung, wer der Täter war?“ Er blickte besorgt auf, in der Hoffnung, Jazmin könnte ihm weiter helfen. Schließlich war es nun sein Job, Rache zu üben. Denn schließlich war er der „Racheengel Gothams“. Keine Rücksicht auf Verluste.

Jazmin zögerte und schüttelte schließlich langsam den Kopf.

„Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich bin ins Parkhaus gegangen und dann hat mich jemand von hinten überfallen. Ich konnte niemanden sehen“

Bruce runzelte die Stirn. „Warum warst du eigentlich im Parkhaus?“ Jazmin krallte sich nervös in ihre Bettdecke. „Ich-ich wurde verfolgt und da bin ich die Treppen hinunter gerannt“, beschwichtigte sie mit zittriger Stimme. Sie log ja nicht, sie sagte nur nicht die ganze Wahrheit.
 

Doch Bruce blickte sie immer noch misstrauisch an. „Von hinten, sagst du? Hm…“, doch er wollte seine Vermutungen nicht aussprechen, damit würde er sein Misstrauen gegenüber ihr nur noch deutlicher zeigen und dazu war er nicht im Recht. Schließlich vertraute er Jazmin, sie müsse sicherlich erst ihre Gedanken ordnen, ehe sie alles schildern könnte.

Sein Blick wechselte nun wieder zu besorgt und die Ernsthaftigkeit in seinen Augen ließ Jazmin sofort erraten, was nun käme.

„Also, ich will dich ja nicht beunruhigen, aber ich denke, es könnte der Joker gewesen sein oder einer seiner Handlanger“, er senkte seine Stimme, sodass sie nur noch ganz leise zu Jazmin drang. Diese biss sich auf die Lippe, doch versuchte so souverän es ihr möglich war, darauf zu antworten.

„Nein, nein, dass glaube ich nicht, ich meine, dass hätte ich gemerkt. Ganz sicher“-

„Wie denn, wenn du den Täter nicht gesehen hast. Wäre doch möglich“-

„Nein. Ähm…Ich denke, ich sollte mich noch ein wenig ausruhen“ Jazmin ließ sich tiefer in die Kissen sinken und deutete starke Schläfrigkeit an.

„Ja, du hast Recht. Ruh dich aus. Ich komme wieder, wenn du wieder ganz wohl auf bist“, er erhob sich von seinem Platz und ging Richtung Tür.

Jazmin nickte und legte sich auf die Seite, auf der sie in die Nacht hinaus schauen konnte. Sie merkte nicht, dass Bruce noch stehen blieb und Jazmin mit großer Besorgnis anschaute. Irgendetwas sagte ihm, das nicht alles mit rechten Dingen vor sich ging. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm etwas verschwieg. Die Karten lagen zwar auf dem Tisch, doch irgendjemand schien noch einen Joker zu haben, um ihn im letzten Moment auszuspielen…im wahrsten Sinne des Wortes…
 

Jazmin schloss die Augen und wartete gespannt darauf, endlich die Tür zu hören und sich damit über Bruces Abwesenheit sicher zu sein.

Als sie endlich das sanfte Aufschlagen des Stahls auf dem Rahmen hörte, öffnete sie wieder ihre Augen und drehte sich mit einem Seufzer auf den Rücken.

Egal was sie spielte, sie wusste es ja selbst einmal nicht, sie bräuchte das richtige Blatt um zu Bluffen, sie bräuchte die rettende Karte auf der Hand.
 

Sie war mehr als verwirrt. Vor einigen Tagen noch war sie sich so sicher, nun endlich im richtigen Leben angekommen zu sein, doch nun glaubte sie, geirrt zu haben. Wenn das die richtige Seite wäre, dann ist sie mit sehr viel Schmerz und Leiden verbunden. Da wo sie vorher war, war der Schmerz nicht da. Er wurde erstickt in der drückenden Schwere der Dunkelheit, er wurde ersetzt durch das labende Gefühl der Rache, des Todes, des vergossenen Blutes gebrachter Opfer.

Wäre sie doch nur an jenem Abend gestorben, an dem sie von dem Dach gesprungen ist, dann würden sie jetzt nicht diese Probleme quälen, dann wäre sie allem Übel, aller Hin- und Hergerissenheit entflohen. Dieses ganze Gerede von der richtigen Seite, von Gut und Böse, von Richtig und Falsch bereitete ihr Kopfschmerzen. Was finden nur alle an ihr, dass sie sich so darum reisen, sie auf ihrer Seite zu haben? Ihr war es doch egal wo sie war, Hauptsache, sie müsse nicht mehr dieser schrecklichen Welt ausgesetzt sein. Sie schien gefangen in einem Teufelskreis, ging einen Schritt, wurde wieder zwei zurück geworfen. Sie befand sich auf dem dünnen Grat zwischen Wirklichkeit und Traumwelt, zwischen stupider Engstirnigkeit und dem grenzenlosen Wahnsinn.

Sie kniff die Augen zusammen und hoffte die Erkenntnis im Traum zu finden. Im gefühlslosen, schmerzfreien Schlaf.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-03-06T21:36:57+00:00 06.03.2009 22:36
es geht weiter! *freu*
das Kapitel ist wirklich schön!! Ein Glück das sie es weitgehend unbeschadet überstanden hat!
Ich hoffe das sie sich nicht davon abschrecken lässt, und ihr Glück mit Bruce nochmal versucht.. die beiden sind so toll zusammen!! ^-^
freu mich schon aufs nächste!!
hdl


Zurück