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Chihiros Rückkehr ins Zauberland

von

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Eine überraschende Entdeckung

Kurz vorab: eine Gissha ist ein traditioneller japanischer Ochsenkarren, der nur für Adelige als luxuriöses Transportmittel bestimmt war. Normalerweise (nicht aber in meiner Geschichte) wird so ein Wagen durch Mitgehen gesteuert.
 

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Die abendliche Dämmerung wurde im ständigen Zyklus auch diesmal ausnahmslos von der Nacht eingeholt. Flankiert von einer kaum erkennbaren flachen Landschaft, schien der breite Feldweg kein Ende zu nehmen. Die Stunden strichen ungezählt vorbei. Chihiro, allmählich von der ewigen Lauferei müde geworden, fragte sich zusehends, wann sie denn endlich einem Zeichen der Zivilisation begegnen würden. Und als hätten ihre mentalen Flehen sich materialisiert, ließ sich in der Ferne ein stetiges Hufgetrappel, gefolgt von einem schwerfälligen Rattern, wie aus dem Nichts auf einmal immer deutlicher vernehmen. Eine unförmige Gestalt bildete sich aus der unüberschaubaren Finsternis langsam heraus und zwei schwere große Räder einer fast schon skurril anmutenden Gissha blieben geräuschvoll vor den zwei Reisenden stehen. Wortfetzen wurden von einem plötzlichen und beinahe schon unerträglich lang andauernden Windstoß mitgerissen.

„Könnten Sie uns bitte sagen, wo wir uns hier befinden, Toshio-San?“, fragte Haku den alten Fuhrmann der Karosse, den sie gerade kennen gelernt hatten.

Nachdenklich zwirbelte der menschlich wirkende Geist seinen dünnen weißen Bart mit einer dreifingrigen, in scharfen Krallen endenden Hand, während die Zweite fest die Zügel umfasste. „Wir befinden uns hier in Inari-Samas Herrschaftsgebiet, an der westlichen Grenze der von Yuudai-Sama verwalteten Provinz.“, erklärte er knapp und ausführlich zugleich, wobei beim Sprechen jedes Mal die langen Eckzähne seines Untergebisses hervorblitzten. Chihiro starrte nahezu unhöflich lange auf das einzelne große Auge in der Mitte des Kopfes ihrer neuen Bekanntschaft, die von einem breiten Vorsprung aus auf sie runterblickte.

Das Einzige was sie nun vielleicht noch mehr zu verblüffen vermochte, war wahrscheinlich der im Gespräch gefallene Name des mysteriösen Gottes, den sie aus zahlreichen japanischen Legenden her kannte.

„Wie weit ist es noch bis zum nächsten Ort?“, erkundigte ihr Begleiter sich, da er die eben beschriebene Gegend nicht genau genug kannte.

„Noch ein gutes Stück. Mit dem Karren hier bräuchte ich die Nacht und einen ganzen weiteren Tag mindestens.“, lautete die alles andere als erfreuliche Auskunft.

Chihiro stöhnte resigniert auf. Mittlerweile schmerzten ihre Füße höllisch und sie fühlte sich völlig entkräftet. Bei dem Gedanken an das Übernachten im Freien konnte sie nicht anders, als nochmals einen mutlosen Laut von sich zu geben. Deprimiert sehnte sie sich ein warmes, weiches Bett herbei.

„Aber, aber. Nicht verzagen, junges Fräulein. Ich fahre zufällig in dieselbe Richtung und könnte euch beiden ein Stückchen mitnehmen.“, krächzte Toshio.

„Das würden Sie tun?“, ungläubig strahlte Chihiro ihren alten Retter dankbar an. Indessen holte Haku einen seidenen Beutel aus seiner Ärmeltasche.

„Ich würde gerne dafür bezahlen…“, bot er an, wurde aber jäh unterbrochen.

„Nicht nötig, junger Mann.“, winkte der Alte ab. „Kauf lieber deiner Freundin etwas Schönes.“, meinte er und schaute die gänzlich ahnungslose Chihiro an, fuhr dann aber unbeirrt fort: „Übrigens kenne ich ein nettes Nest für euch zwei, die Übernachtungen dort sind allerdings nicht gerade billig. Du wirst das Geld brauchen.“, richtete er an Haku und beobachtete gleichzeitig, nicht ohne einer Spur an Verwunderung, den entgleisten Gesichtsausdruck dessen Begleiterin.

„Vielen Dank“, sagte der Flussgott mit einem freundlichen Lächeln, innerlich höchst amüsiert, weil ihm Chihiros Reaktion nicht weniger entgangen war. „Wir sind Ihnen wirklich sehr verbunden.“, und umarmte die zur Säule erstarrte Chihiro, der die Proteste aufgrund des Schocks im Hals stecken geblieben waren, von hinten – wie um die missverstandene Beziehung zwischen ihnen zu untersteichen.

Chihiros Verstand raste, während sie an einem ochsenähnlichen Tier vorbei zum hinteren Teil der Gissha geschoben wurde. Sie waren doch kein Paar, also warum zur Hölle widersprach er nicht? Was sollte das nun wieder?!

Zwar war sie verwirrt, begriff aber eines auf niederschmetternde Art und Weise ganz klar, nämlich dass derjenige, der sich Haku schimpfte, nicht mal Magie nötig hatte, um sie völlig sprachlos zu machen und ihr obendrein noch eine versteinerte Mimik aufzuzwingen. ‚Das ist ja regelrecht manipulativ!’, schoss es ihr voller Entrüstung durch den Kopf.

Als sie endlich wieder zur Besinnung kam, stand sie auch schon vor der Öffnung ins Innere der seltsamen Karosse.

„Was sollte das?!“, zischte sie Haku zu, der ihr wohl auf ewig ein unlösbares Mysterium bleiben würde, „Das ist doch völliger Blöds-“ Das besagte Mysterium hielt ihr mit ernster Mine einen Finger an die Lippen, um sie verstummen zu lassen, und schüttelte nur leicht den Kopf.

Chihiro runzelte verärgert die Stirn. Es war wohl mal wieder zuviel verlangt eine normale Begründung zu bekommen. Wieso musste sie sich das eigentlich gefallen lassen?

„Wir sollten jetzt einsteigen.“, sein endgültiger Ton setzte ihrer stillen Rebellion einen Schlussstrich vor. Ein Aufbegehren würde jetzt nichts bringen, sah sie zerknirscht ein, was aber nicht heißen sollte, dass sie ihm nicht anderswo eine Szene machen würde. Worauf er sich verlassen konnte!

Chihiro bedachte ihn mit einem zornigen Blick, dann wandte sie sich mürrisch und beleidigt der Gissha zu. Die Öffnung lag viel zu hoch für sie und die ganze Vorrichtung schrie geradezu nach einer Leiter, fand sie. Seufzend wandte sie dem schmalen lackierten Vorsprung den Rücken zu und versuchte sich darauf, durch gleichzeitiges Abstützen und Hochspringen, aufzusetzen. Unglücklicherweise jedoch machte ihr Körper diese Art von Anstrengung für diesen Tag nicht mehr mit. Sie war einfach zu erschöpft, ihre Arme konnten ihr eigenes Gewicht nicht lange genug halten. Schlimmer noch, jetzt fühlte sie sich auch noch als wären zwei Bleiklötze an ihren Schultern festgewachsen.

Genervt blickte sie Hilfe suchend zu Haku, nur um festzustellen, dass er sie mit einer überheblich gehobenen Augenbraue beobachtete. ‚Keinen Kommentar, bitte.’, dachte sie sich bissig.

„Ich kann nicht.“, gab sie sich dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) geschlagen und war umso wütender auf ihre Mattheit.

Im schweigenden Einverständnis umfasste er schließlich ihre Taille fest, hob sie hoch und setzte sie ab – alles in einer einzelnen fließenden Bewegung.

‚Danke für’s Erbarmen!’, schimpfte Chihiro in Gedanken, besann sich dann aber eines besseren und kletterte wortlos, die Bambusvorhänge nach oben schiebend, hinein.
 

Das Innere des Reisewagens war geräumig genug, sodass sich zwei Personen gegenüber auf den Holzboden setzen konnten. Im Seiza sitzend lehnte Chihiro ihren Kopf und ihre Schulter gegen die glatt polierte Wand, wobei sie bei jeder Bewegung auf ihren langen Haori, rein aus angeborener Sorgfalt, achtete. ‚Ein wirklich seltsames Stück Stoff.’, dachte sie sich bei der flüchtigen Erinnerung an ihr Gespräch mit Haku, als sie noch das Regenmeer auf der Suche nach dem Ufer durchquert hatten.
 

Rückblende:

Eine eisige Böe ließ Chihiro fröstelnd Zenibas Haori enger um sich ziehen, während sie weit tiefer liegende Stellen, als es die Umgebung der Gleise gewesen war, passierten. Dem Mädchen wurde schnell klar, warum die so genannten Wasserlöcher so gefährlich werden konnten. Indem sie sich der reflektierenden Meerfläche widmete, versuchte sie diese beunruhigende Erkenntnis so gut es ging zu vertreiben. Und es war teilweise auch wirklich unterhaltsam genau abgebildete Wolken unter den eigenen Füßen davon gleiten zu sehen.

In der Spiegelung verschmolz das Rot ihres Haoris beinahe mit den, von den letzten Strahlen der Sonne in die gleiche Farbe getauchten, Wolken. Eigentlich hatte sie ja gehofft dieses überaus auffallende Kleidungsstück so wenig wie möglich zu gebrauchen, aber andererseits wollte sie nicht vor Kälte frieren, wenn sie die Möglichkeit hatte es umgehen zu können.

„Warum gerade Rot…?“, hätte sie Zeniba am liebsten gefragt und murmelte es unbewusst laut vor sich hin.

„Was sagst du?“, jagte Haku sie dank seines scharfen Gehörvermögens aus den Gedanken.

„Ich, äh, habe mich nur gerade gewundert, wieso Zeniba-San mir ausgerechnet ein so rotes Kleidungsstück wie diesen Haori gegeben hat.“, antwortete sie, verwirrt über seine Aufmerksamkeit. „Soetwas sticht doch wahnsinnig ins Auge.“, erklärte sie ihm ihre Sorge.

Hakus Stirn legte sich leicht in Falten, da er offensichtlich Chihiros Problem nicht verstand. „So viel Rot ist in den Haori doch gar nicht eingearbeitet.“, wunderte er sich, „Außerdem habe ich noch nie davon gehört, dass Hellrosa auffällig sein sollte.“ Er fragte sich, wie sehr sich der Zeitgeist der Menschen noch ändern könne.

Chihiros Verwirrung wurde nur größer. Rosa? Auch noch hell? Hatte sie sich vielleicht verhört?

„Das ist eindeutig Rot!“, beharrte sie, „Ich werde die zwei Farben wohl noch von einander unterscheiden können!“, und beendete ihren Protest innerlich mit ‚Ich bin doch nicht bescheuert!’.

Ihre Befangenheit schien ansteckend zu sein, beziehungsweise ihre Hartnäckigkeit zäh, denn Haku nahm sich ergebend ein Stück ihres Ärmels zwischen die Finger, um es genauer betrachten zu können. Einen kurzen Moment später jedoch blinzelte er überrascht, als er endlich realisierte, was Chihiro meinen könnte.

„Hm…ja, Rosa enthält schließlich einen gewissen Anteil an Rot…“, sagte er mehr zu sich selbst, als würde ihn diese banale Feststellung faszinieren.

„Das ist nichts Neues.“, unterbrach sie ihn, seine Intention völlig missverstehend.

„Was ich damit meine“, entgegnete er ruhig, „ist, dass…deine Wahrnehmung so nicht korrekt ist.“

Jetzt war es an Chihiro die Stirn zu runzeln. Wollte er sich etwa über sie lustig machen?

„Hierbei handelt es sich um einen wirklich besonderen Stoff.“, fuhr Haku fort, wobei er Zeniba in Gedanken seinen vollsten Respekt zollte, währenddessen Chihiro noch immer im Unwissen verblieb.

„In diesen Haori ist nämlich allerfeinste Magie mit eingewoben. Es ist geradezu ein Musterbeispiel für versteckte Magie.“, erklärte er endlich.

Chihiro konnte seine Begeisterung nicht teilen. „Und was bedeutet es für meine Wahrnehmung? Was ist daran falsch?“, stutzte sie indes alarmiert.

„Ich sagte nicht, sie wäre falsch, sondern lediglich so nicht korrekt.“, wiederholte er sich wie ein geduldiger Lehrer, der seinem begriffsstutzigen Schüler ein Thema näher bringen wollte.

Ihre Stirnfalten vertieften sich deutlich. War das nicht dasselbe? ‚Das ist doch Haarspalterei!’

„Ich bin erstaunt, dass du die magische Farbe so deutlich siehst.“, sagte er, da ihr Verständnislosigkeit auf der Stirn geschrieben stand. „Eigentlich müsstest du, wie jeder andere, die hellere, vermischte Farbe sehen, nicht die Intensivere, Reine.“ Er musterte sie so eindringlich, dass es ihr schon unangenehm wurde. Es wurde wohl langsam an der Zeit sie mehr in die hiesigen Denkmuster einzuweihen, ging ihm durch den Kopf.

„Das heißt?“, fragte sie verunsichert.

„Du hast dich nicht blenden lassen.“, über seine Lippen huschte kurz ein zufriedenes Lächeln. „Allerdings wäre es nur normal dieselbe Farbe zu sehen, wie ich auch.“, wurde er wieder ernst.

So langsam verstand sie, worauf er hinaus wollte. Das also meinte er mit ‚so nicht korrekt’.

„Ist das jetzt gut oder schlecht?“

„Es ist ungewöhnlich.“, lautete seine Antwort stattdessen und Chihiro stellte fest, dass der Mann es wirklich ausgezeichnet verstand sie mit paradoxen Gefühlen zu konfrontieren. Einerseits wusste sie nun nicht, wie sie das wieder verstehen sollte, andererseits machte es sie wütend, wenn er ihren Fragen so schamlos auswich.

„Der helle Ton ist demnach eine Täuschung und der intensivere die Tatsache, oder wie?“, erriet Chihiro und erntete Hakus Kopfnicken dafür.

„Versteckte Magie bedeutet, dass sie nämlich nur in einem entscheidenden Augenblick wirksam und somit sichtbar wird.“, bestätigte er, „Dafür gibt es unzählig viele Möglichkeiten und deshalb ist sie so schwer zu erkennen.“

„Und um was für eine Art handelt es sich hier?“ Wissbegierde war in der Tat eine ihrer größten (und wohlgemerkt ungesündesten) Stärken.

„Ich weiß es nicht. Es liegt an dir dies herauszufinden. Wahrscheinlich bist du sogar die Einzige, die das könnte.“ Er versank in Gedanken. ‚Das ist möglicherweise sogar der Sinn der Sache…’

„Aber du hast es doch jetzt erkannt...“, merkte sie an.

„Nicht auf dieselbe Weise wie du.“, lächelte er unbestimmt.

Chihiro war irgendwie von dem Gesprächsverlauf enttäuscht, beließ es aber dabei, da er das Thema nicht weiter anschnitt. Wenigstens wusste sie nun, dass sie scheinbar nur für sich selbst auffällig aussah.
 

Der Karren fuhr schließlich an und sobald eines der Räder über den nächst besten Stein holperte, stieß Chihiro sich schmerzhaft an. Gequält murmelte sie irgendwelche Verwünschungen vor sich hin und massierte die wunde Stelle an ihrer Schläfe.

„So tust du dir nur weh.“, kommentierte der Flussgott sie trocken.

„Aber ich muss mich irgendwo anlehnen“, rechtfertigte Chihiro sich, „sonst kann ich nicht einschlafen!“

„Dann setz dich seitwärts zum Ausgang hin.“, sagte er schließlich nach einer kurzen Pause.

Das Mädchen tat wie geheißen, rätselte aber, was das bringen sollte. Sie zog gerade die Beine wegen fehlenden Platzes leicht an, als sie neben sich ein Stoffrascheln vernahm. Danach, plötzlich und ohne die kleinste Vorwarnung, spürte Chihiro wie eine Hand sie sanft, aber bestimmt, an der Schulter zur Seite drückte, sodass ihr ganzer Oberkörper gegen ihren Nebensitzer kippte und ihr Kopf auf dessen Brust platziert wurde. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, wie nah sie eigentlich beieinander saßen.

„Es war ein anstrengender Tag. Schlaf jetzt.“, war alles, was er dazu sagte.

Überrumpelt und wie erstarrt verblieb Chihiro mit angehaltenem Atem in dieser Position. Der von draußen immer noch kühle Stoff seines Suikans linderte die aufsteigende Hitze in ihrem Gesicht nur geringfügig. Auch wenn Haku ihr noch so vertraut vorkommen mochte, das war eindeutig zuviel der Nähe!, schrie eine aufgebrachte Stimme in ihrem Kopf, doch sie war zu müde, um auf sie einzugehen. Ihre Augen fielen wie von selbst zu und irgendwie war es… ganz bequem so. Die Argumente einfach zu verharren überwogen die Proteste ihrer anderen inneren Stimme.

„Danke.“, flüsterte sie schlicht und schlief – trotz heftigen Herzklopfens – rascher als erwartet ein.
 

Mühselig langsam wachte Chihiro auf. Irgendwie wäre sie am liebsten wieder in ihren Halbschlummer versunken, nicht merkend wie sehr sie etwas unbewusst genoss. Doch eine leise Stimme in ihrem Kopf hörte nicht auf inständig zu flüstern, sie solle gefälligst schleunigst wach werden. Das Mädchen brauchte einen Augenblick um sich zurechtzufinden – und um vor allen Dingen zu verstehen worauf (oder besser gesagt auf wem) sie eigentlich seitlich hingedreht, mit dem Gesicht und einem Arm auf weißem Stoff eines angenehm harten, Wärme ausstrahlenden Untergrunds, lag.

Schlagartig wurden selbst die letzten Geister ihres Unterbewusstseins wach, als sie endlich das ständige leichte Heben und Senken des Brustkorbs unter ihr registrierte, sodass sie am liebsten sofort zurückgewichen wäre. Wenn sie jedes Mal nach dem Aufwachen einen solchen Schock verspüren müsste, so war sie sich sicher auf keine lange Lebensspanne hoffen zu dürfen.

Da Haku noch zu schlafen schien, richtete sie sich jedoch aus Rücksicht langsam und behutsam auf, so schwer es ihr auch fiel. Darauf bedacht ihn nicht aufzuwecken, befreite sie sich vorsichtig aus seiner Umarmung – sein linker Arm hatte auf ihrer Taille geruht – die durch den langen Ärmel seines Suikans den netten Effekt mit sich brachte sie bedeckt zu haben wie eine Decke.

Die durchsichtigen Vorhänge dämpften zwar das Licht, aber es war unverkennbar schon Morgen. Der Wagen fuhr angenehm, ohne nervtötendes Ruckeln wie in der Nacht zuvor.

Unbeabsichtigt streifte Chihiro das schlafende Gesicht ihres Begleiters mit einem flüchtigen Blick. Seine teils feinen, aber unverkennbar männlichen Züge wirkten in diesem Moment so entspannt und in sich ruhend wie ein friedlicher See an einem windstillen Tag. Ungewollt betrachtete sie ihn näher, als hätte sein Anblick eine magnetisch anziehende Wirkung auf sie.

Das dumpfe Licht ließ seinen ohnehin schon hellen Teint noch blasser wirken, sein markantes Gesicht war gezeichnet durch hohe Wangenknochen, eine akkurate Nase und leicht schmale Lippen. Strähnig hing sein Pony ihm in die Stirn, die olivgrünen Haare fielen wie ein in der Sonne schimmernder Wasserfall über seine Schultern. Chihiro sinnierte, ob er sich die Haare der seltsamen Zeichen wegen so lang wachsen ließ, damit er sie auf diese Weise besser verdecken konnte.

Als hätte jemand mit den Fingern geschnippt, um sie aus einer Art Trance zu holen, bemerkte die Brünette gerade noch rechzeitig, dass sie ihre Hand bereits gehoben hatte, um ihm eine lose Strähne aus dem Gesicht zu streichen und zog sie blitzartig zurück, als hätte sie sich an der bloßen Luft verbrannt. Was war nur in sie gefahren? Sie war plötzlich über sich selbst erschrocken.

In genau diesem Augenblick gaben seine langen Wimpern den Blick auf stechend grüne Augen frei und Chihiro drängte sich wieder die Frage auf, wie viele Frauen seiner unleugbar attraktiven, nein, charismatischen Erscheinung bereits schon erlegen waren. Kopfschüttelnd schob sie diesen an Frivolität grenzenden Gedanken beiseite.

„Du starrst mir ja noch ein Loch ins Gesicht.“, murmelte Haku, als er sich etwas gerader aufsetzte, ihren Blickkontakt immer noch erwidernd. Harsch strich er sich die störende Strähne beiseite, was nur zur Folge hatte, dass ihm eine andere ins Gesicht fiel.

‚Aussehen ist wirklich nicht alles.’, dachte Chihiro ernüchtert, da sich ihr gerade ein Paradebeispiel mit kompliziertem Charakter dafür bot. „Ich wusste gar nicht, dass ich so gefährlich bin.“, entgegnete sie sarkastisch.

„Du könntest dich noch wundern…“, flüsterte er, allerdings nicht hörbar genug, als dass Chihiro ihn verstehen könnte.

„Wie lange fahren wir noch?“, fragte sie nach einer Weile, um das Schweigen zwischen ihnen zu überbrücken.

Haku zuckte mit den Schultern und hob einen Vorhang an. Sogleich strömte ihnen eisige Luft entgegen, die sonst mittels eines Banns direkt vor den durchscheinenden Vorhängen blockiert wurde.

„Fliegen trifft es wohl eher.“, meinte der Flussgott wenig beeindruckt.

Fliegen? Ungläubig versuchte sie das Schiebefenster aufzubekommen, doch es klemmte irgendwie. ‚Dann eben anders.’, und beugte sich der besseren Sicht wegen über ihren Begleiter hinweg. Und tatsächlich. Sie hatte die Wolken für Nebel missverstanden. Weit unter ihr, wie sie es gerade noch erkennen konnte, weil sowohl der Vorsprung als auch der dichte Dunst ihren Ausblick beschränkten, zog eine dunkle Waldlandschaft vorbei. Deswegen also fühlte sich die „Fahrt“ so angenehm an.

Wortlos setzte sie sich zurück. ‚Ein fliegender Karren’. Wieso überraschte sie das überhaupt noch?
 

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Ich weiß, dass die Geschichte echt schleppend vorangeht. Allein schon für dieses Kapitel habe ich drei Versionen geschrieben (Das macht doch kein normaler Mensch, oder?) und hoffe sehr, dass ich euch mit meiner Geschichte nicht langweile. Wie gesagt, Kritik (Lob natürlich auch^^) ist immer willkommen. Geizt bitte vor allen Dingen nicht mit ersterem, ich will mich ja verbessern (da ich das Gefühl habe, dass das bisschen an Schreibniveau, was ich hatte, fröhlich den Bach runter geht).
 

Wenn ihr euch fragt wieso ich das traditionelle Gefährt so verunstaltet habe, dann kann ich nur sagen, dass ich Mitleid mit meinem alten OC hatte. Übrigens, ‚Toshio’ bedeutet in etwa ‚geschätzter Mann’. Ich habe ewig gebraucht um diesen Namen zu finden.
 

Was die Höflichkeitsanreden angeht…ich bin nicht konsequent, hab’s gemerkt >.<. Eventuell werde ich die älteren Kapitel in dieser Hinsicht noch auskorrigieren.
 

Inari ist in der Tat eine mysteriöse Gottheit, denn man ist wahrscheinlich bei keiner anderen so unsicher wer (Mann oder Frau) es ist und wofür (Reis? Wohlstand? Freundschaft?).
 

Ein mächtiges Danke geht wie immer an euch, liebe Kommischreiber ♥. Vielen Dank für eure Unterstützung, ich freue mich immer wie ein kleines Kind auf euere Meinungen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Cedrella
2008-01-21T20:28:40+00:00 21.01.2008 21:28
Deine Story ist echt toll ^^ Ich mag zwar Chihiros Reise ins Zauberland an sich nicht so sehr aber deine Fanfic umso mehr.
Du schilderst die Charaktere sehr genau und dennch bleiben immer Fragen offen, also auch sehr gut die Spannung aufgebaut!
Ich hoffe es geht bald weiter <3 Würde mich über eine ENS sehr freuen.
Grüße, Ced
Von:  Shani
2007-11-04T12:47:43+00:00 04.11.2007 13:47
HEY!!!!
deine story is soooooooooooooooooooooooooo toll!!!!
ich liebe sie^^........*knuddelundknutsch*
und nur ne kleine kritik: ich fänds supa tollo wenn du vielleicht nicht sooft das gleiche wort zum beschreiben benutzen würdest...du sagst dauernd gissha oder wie das heißt....is nich böse gemeint, würd mir aber besser gefallen wenn du öfter maL: KARREN oder so schreiben würdest

das wars dann mal von mir und ein ggggggggaaaaaannnnnzzzzz GRO?ES danke für deine ens.... mach schnell weiter *mitgroßenaugenanschau*
BBBBBIIIIIIITTTTTTTTTEEEEEEEEEEEEEE *vordiraufkniefallunddirdiefüßeküss*

by: shani wunder dich nich das ich so lange *..*-texte schreib^^
Von:  vilpat
2007-11-04T08:35:51+00:00 04.11.2007 09:35
Hi, schreib jetz auch mein Kommi für dich.

Ein fliegender Karren, find ich ja mal gut, warum nicht gleich vom beginn an weg, dann wärs nicht so wackelig beim einschlafen :D
Und das mit dem Haori find ich auch klasse.

Weiter so
bin schon gespannt wo sie landen werden.

Gruß
Vil
Von: abgemeldet
2007-11-02T01:16:53+00:00 02.11.2007 02:16
Wooooow!
Die Story ist sooooooo süüüüüüß! >///<
Bitte, du musst schnell weiterschreiben! @.@
Die beiden sind einfach zu niedlich *herzchenaugen*
Dein Schreibstil ist echt super!
Du formulierst alles so schön *schwärm*
Also, bitte bitte bitte mach schnell weiter!><
*dich anbet* Bitteeeeeeeeeeee xD
Bis dann~^.^~
Dat Sojii~



Ps.: Bin ich die Erste?? *stolz bin*
Haiiiiiiiii ò.Óv


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