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Chihiros Rückkehr ins Zauberland

von

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Einsicht

„Konzentriere dich auf irgendwas.“, hatte Haku gesagt und so versuchte Chihiro krampfhaft ihre Gedanken baumeln zu lassen, um auf dieses ‚irgendwas’ zu stoßen. Ganz in dem Bemühen endlich diesem unheimlichen Tunnel zu entfliehen zwang sie sich also ihren Geist auf eine innerliche Reise zu schicken – woran sie kläglich scheiterte. Ob ihre Konzentrationsschwierigkeiten etwas mit dem Tunnel zutun hatten? Die ungewöhnlichsten Gedankensprünge vermischten sich nämlich zu einem unentwirrbaren Durcheinander. Müde geworden stellte Chihiro sich die Frage ob an gar nichts zu denken auch als ‚irgendwas’ gelten könnte und bemerkte, dass ihre Augen immer schwerer wurden.
 

Und dann passierte es, wieder ohne jegliche Vorwarnung. Ihr Körper versteifte sich plötzlich und Chihiros Herz begann aus ihr unerfindlichen Gründen zu rasen. Zusammenzuckend vernahm sie eine weit entfernte Stimme, undeutlich und leise, wobei sie nicht ein Wort davon verstand. Sie versuchte auszumachen, wo sie war, doch ihre Umgebung war nichts anderes als ein verschwommenes Grau und die Person, die auf sie einredete, nur ein Schemen vor ihrem geistigen Auge. Chihiro hatte das Bedürfnis etwas zu sagen, doch sie wusste nicht wirklich was und ihre Hilflosigkeit drückte sich in einem ihren ganzen Körper durchlaufenden Zittern aus. Mit einem Mal fühlte sie sich elend, eingeschüchtert und mutterseelenallein, geradezu den Tränen nahe. Die gesenkte Stimme klang sorgenvoll. „…hast du denn?“, hörte Chihiro mühevoll heraus, weil vor ihr ein alles verdeckender Schleier in endloser Langsamkeit zu verschwinden schien. Doch gerade als das Mädchen feststellen konnte, dass diese Stimme einer Frau gehören musste, blendete sich diese Szene genauso schnell wie sie gekommen war wieder aus.
 

Spuren hinterließ das Ganze nichtsdestoweniger an ihr, weswegen Chihiro immer noch zitterte, als ihre Gedanken daran sich wieder verflüchtigten. Und mit einem Mal wechselte vor ihren geschlossenen Augen die Lichtstärke von dunkel auf hell, begleitet von einem dumpf widerhallenden Ausruf ihres Namens. Mühevoll öffneten sich ihre Lider gerade in dem Moment als Haku seine Begleiterin mit sich ins Freie hinauszog.

„Chihiro!“, wiederholte er lauter, was bei ihr etwa einen Effekt wie durchgeschüttelt zu werden hatte. „Was hast du denn?“ In seinem bestimmten Tonfall schwang unterschwellig Besorgnis mit, als er bemerkte, wie geistesabwesend sie durch ihn hindurch schaute.

Immer noch verwirrt spürte Chihiro wie das letzte Zittern in ihren Händen langsam abklang und fragte sich gleichzeitig, ob sie ihm von dem beunruhigenden Geschehnis erzählen sollte, welches sie sogar noch im Nachhinein beeinflusst hatte. Doch noch ehe sie ihre Entscheidung gefällt hatte, antwortete sie automatisch „Es ist nichts.“, ohne ihn direkt anzusehen, denn sie hatte das Gefühl sofort von seinen grünen Augen durchschaut zu werden. Chihiro wusste nur zu genau, warum sie so reagiert hatte und biss sich daraufhin schmerzhaft auf die Unterlippe.

„Bist du sicher?“, fragte er nachdrücklich. Ein Blick auf ihre Mimik und ihr unbehagliches Zappeln war ihm eigentlich schon Antwort genug.

„Mir war nur kalt.“, antwortete sie konsequent um das Thema fallen zu lassen. Irgendwie war es ihr unangenehm.

Er erwiderte nichts mehr darauf, ob nun aus Taktgefühl oder Desinteresse, jedenfalls hätte er ihr damit keinen größeren Gefallen tun können.
 

Erleichtert atmete Chihiro die ihr entgegen strömende, frische Abendbrise ein, die wie eine Woge der Entspannung über sie hinwegspülte. Tief in Gedanken versunken bekam sie den vor ihr gebotenen Anblick auf einen wie von Flammen verschlungen Himmel, in dessen Mitte eine glühende Kugel schien, nur halb mit. Unbewusst bemerkte sie aber dennoch, dass etwas um sie herum nicht stimmen konnte.

„Das kann nicht sein.“, murmelte ihr Begleiter und riss das Mädchen aus ihren innerlichen Aufruhr. Stirnrunzeln schaute sie ihn an, auf eine Vertiefung seiner Aussage wartend. Den Kopf ihr gegenüber halb weggedreht starrte der ehemalige Flussgott jedoch stumm ins Leere. Durch die letzten Strahlen der Sonne streiften weiche Schatten die Züge seines in sich versunkenen Gesichtsausdrucks, die nichts von seinen Gedanken preisgaben. Mit einem nicht ungeringen Maß an Faszination musterte sie sein Profil näher. Doch noch ehe ihre Gedanken völlig abzuschweifen drohten, rief sie sich – nicht ohne Verwirrung – räuspernd zur Ordnung.

„Was kann nicht sein? Wo sind wir?“, fragte sie, in der Hoffnung, dass er nicht das meinte, was sie befürchtete.

„Das wüsste ich auch gern.“, lautete die erschreckend lakonische Antwort.

„Du weißt nicht, wo wir sind?“, sie schnappte trotzdem ungläubig nach Luft. Als ob sie das gespürt hätte. „Sag mir bitte, dass du scherzt.“, murmelte Chihiro, obwohl sie sich der Ernsthaftigkeit der Lage sicher sein konnte.

„Das ist nicht die Station, die normalerweise nach diesem Tunnel kommt.“, erklärte sich ihr Gegenüber.

Wieso nur lief alles schief, was überhaupt schief laufen konnte? Sie gab sich große Mühe nicht auszurasten. ‚Was kommt denn noch?’, fragte sie sich frustriert, wollte diesen Gedanken aber eigentlich gar nicht weiter verfolgen.

„Sondern?“, Chihiro klang mehr als resigniert, weshalb Haku abzuwägen schien, ob er ihr seine Vermutung überhaupt offenbaren sollte.

„Du kannst es ruhig aussprechen. Mich schockiert so leicht nichts mehr.“, versicherte sie, nachdem sie den Grund seiner Zurückhaltung erkannt hatte.

„Ich fürchte, wir wurden etliche Stationen zurückgeworfen.“

Chihiro hätte am liebsten zynisch unter Tränen losgelacht. Das war einfach nicht fair.

„Aber du bist dir nicht sicher.“, ein ihrerseits aufkeimender Hoffnungsschimmer – der eine eher zweifelhafte Bestätigung in Hakus Kopfnicken fand.

„Wenn wir hier allerdings weiterhin stehen bleiben“, fuhr er fort, „ können wir schlecht herausfinden, wo wir nun wirklich sind. Lass uns erst einmal an Land gehen.“, und versuchte sich zu orientieren.

An Land? Sie starrte ihn mit großen Augen an und sein letzter Satz wiederholte sich eindringlich in ihrem Kopf, bis ihr Verstand endlich 'klick' machte und sie endlich erkannte, was die ganze Zeit über nicht gestimmt hatte. (Wobei ein etwas genauerer Blick auf ihre Umgebung auch gereicht hätte, was man ihr in jenem Moment aber nicht vorwerfen konnte.) Wie in Zeitlupe wanderte ihr Blick zu ihren Füßen, begleitet von ihrem von Sekunde zu Sekunde erbleichenden Gesichtsausdruck.

„Was hast du mit mir gemacht?“, flüsterte sie fast, beinahe unbeholfen auf ihre ‚Standfläche’ starrend.

Der Angesprochene drehte sich wieder zu ihr um, für einen kurzen Moment nicht nachvollziehend, was sie meinte.

„Wärest du lieber versunken?“, bemerkte er dann trocken.

„Du hättest mich wenigstens warnen können!“, zischte sie empört, holte tief Luft, wie um sich selbst zu beruhigen, und schimpfte wütend weiter, „Es könnte nämlich sein, dass es für normale Menschen abnormal ist auf dem Wasser zu stehen!“ Sie konnte einfach nicht glauben, dass er ohne ihr Wissen mir nichts dir nichts Zauberei auf sie anwandte!

Haku hob lediglich eine Augenbraue. „Ich kann die Magie jederzeit rückgängig machen.“, antwortete er unbeeindruckt, und für einen Sekundenbruchteil hatte Chihiro tatsächlich das Gefühl wie ein Stein zu sinken.

„Aber das würde ich an deiner Stelle nicht von mir verlangen.“ Seine Augen leuchteten amüsiert auf. Er war ihr einfach über, auch wenn sie es nicht akzeptieren wollte.

‚Was du nicht sagst.’, dachte sie sarkastisch, verbiss sich aber mit Mühe einen schnippischen Kommentar, da sie die Sinnlosigkeit dieses Gesprächs bemerkte. Haku würde schon seine Gründe gehabt haben – die sie nicht unausgesprochen lassen würde –, aber außen vor gelassen zu werden war nicht gerade ein angenehmes Gefühl.
 

„Bleib dicht bei mir.“, sagte er schließlich, während Chihiro mit Argwohn die Wasseroberfläche betrachtete, welche den tiefroten Himmel spiegelte und sich trügerisch solide anfühlte, bei jeder noch so kleinen Gewichtsverlagerung aber mit wellenartigen und in ihrer Größe variierenden Wasserkreisen reagierte.

„Warum?“, fragte sie gedehnt und schaute mit heimlichem Interesse nach unten, wie sich ihre Füße von den mindestens anderthalb Meter unter ihr liegenden und von Algen umrankten Gleisen auf dem bis zum Grund klaren Wasser abhoben.

„Wegen der Wasserlöcher.“, sagte der Angesprochene kurz angebunden. Schon wieder so ein unbekanntes Hindernis. Chihiro gab ein gequältes Stöhnen von sich, hackte letzten Endes allerdings nach.

„Wasserlöcher sind… ein wenig vergleichbar mit Treibsand in der Wüste. Mit bloßem Auge sind sie unsichtbar, tritt man aber hinein“, sagte Haku, „so kann eventuell nicht nur Magie entkräftet, sondern auch ein sehr starker Sog erzeugt werden. Weshalb die meisten Betreffenden letztlich ertrinken.“

Dass das unter Umständen noch die harmlose Variante war, enthielt er ihr nur in seinen Gedanken nicht vor.

Diese Variante hingegen reichte Chihiro schon vollkommen, um ihr vor Augen zu führen, wie abhängig sie von ihrem Begleiter doch war. Sie hatte sich die Reise zwar nicht einfach vorgestellt – von Optimismus konnte hier wirklich keine Rede sein –, aber deshalb nicht weniger gehofft, dass alles nur halb so schlimm kommen würde. Auch wenn sie dem Flussgott immer noch böse war, so wusste sie dennoch alles was er bisher für sie getan hatte zu schätzen und wollte seine Zeit möglichst wenig stehlen, was ihr wirklich Kopfschmerzen bereitete. Schließlich war sie an ihrer Situation selbst schuld, daher war es ganz allein ihre Sache es alleine auszubaden und sich ihrer Lage zu stellen, anstatt auf andere angewiesen zu sein. Im Zug hatte sie sogar mit dem (eigentlich schon von vornherein unverwirklichbaren) Gedanken gespielt sich nach der Ankunft irgendwie alleine durchzuschlagen, ob Haku nun wollte oder nicht und ganz egal, was Zeniba gesagt hatte. Dies allerdings schien ihr unter gegebenen Umständen geradezu absurd, wenn man bedachte, dass in dieser Welt kein Normalsterblicher auch nur eine Stunde ohne Hilfe überleben könnte.

Zwar wusste sie, dass dem nicht so war, doch allmählich kam sie sich vor, als würde sie nach einer Entschuldigung suchen. Was das Ganze auch nicht besser machte.

Tatsachen aber waren Hakus Auflistung der vielen Gefahren (die sie zwar nicht abstritt, jedoch nach anfänglichem Schreck und darauf folgenden rationalen Überlegungen für leicht übertrieben hielt), plus verfluchte Tunnel, plus irgendwelche Wasserlöcher, plus weiteres Ungewisse ergaben nicht gerade eine beruhigende Summe. Höchstens eine Verzweiflungstat. Und verzweifelt war sie, zumindest noch, nicht.

Haku streckte ihr seine leere Hand zu ihrem Schutz entgegen und sie legte widerwillig die ihrige hinein, weil ihr bewusst wurde, dass sie keine andere Wahl hatte als alles so hinzunehmen wie es gekommen war. Ihr einziger Trost war, dass das was noch kommen würde abänderlich sein könnte.
 

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Tja, da bin ich nach langer langer Zeit wieder. Ich hoffe ihr habt mich nicht vergessen *g*. (Könnts aber auch keinem verübeln...)
 

Jedenfalls wie immer ein großes Danke an meine Kommischreiber! Ihr seid wirklich lieb.
 

Dann also bis zum nächsten Kapitel!



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Sathi
2007-10-24T12:52:17+00:00 24.10.2007 14:52
was für eine wunderschöne ff alle achtung mach weidder so*beide daumen hochhalt*
Von:  Shani
2007-10-16T18:56:32+00:00 16.10.2007 20:56
hallo!!^^....also ich find deine ganze ff (die ich erst vor kurzem entdeckt hab) total schön und würd mich freuen, wenn du mir bescheid sagst, wenn das nächste kapitel on kommt^^

by: sahara
Von: abgemeldet
2007-09-08T13:46:21+00:00 08.09.2007 15:46
Was soll ich sagen. Sehr gut gelungen.
Haku könnte aber ruhig etwas freundlicher zu ihr sein.
Behandelt sie nicht gerade zuvorkommend.
Aber er hat bestimmt seine Gründe für sein Verhalten.
Wie auch immer.
Lass uns nicht wieder so lange warten.
Von:  Eventus
2007-09-06T14:13:09+00:00 06.09.2007 16:13
Ein Super Kap^^ mach weiter so. Ich hab keine Ahnung, welche Superlative ich hier noch verwenden soll, deswegen schließe ich mich einfach mal meiner Vorgängerin hier an^^

gruß

Daniel
Von:  vilpat
2007-09-06T12:18:27+00:00 06.09.2007 14:18
Und wiedermal der Erste:D

Ich hab dich natürlich nicht vergessen und bin froh das du weiterschreibst.
War ein gutes Kapitel, bin schon gespannt wie es weitergeht.
Warte aber nicht wieder solange:D

Gruß
Vil




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