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Sherlock Holmes - Der Mann mit dem Flammenkopf

von

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Eine illustre Gesellschaft

Ich hatte an jenem Tag beinahe verschlafen, wäre es nicht den lauten Geräuschen von Straßenkindern zu verdanken gewesen, die sich vor meinem Schlafzimmerfenster vergnügten. Rasch erhob ich mich und legte meine Kleidung an. Ich zog meinen kleineren Reisekoffer aus dem Schrank, da wir wohl nur das Wochenende in Sheffield verbringen würden. Reisefertig traf ich am Bahnhof ein, wo Holmes schon auf mich wartete. Ich erkannte seinen tadelnden Blick, doch er sprach mich nicht auf die Verspätung an. Im Zug verstaute ich unsere Koffer und vertiefte mich in die Tageszeitung, bis wir an der Station Sheffield-North ankamen.

Dort erkannten wir einen jungen Mann, fein gekleidet, mit Brille und einem Schild, das unsere Namen auswies. Er stellte sich uns als Robert Leeds vor, Kensingtons persönlicher Assistent. Er organisierte die Droschke, die uns schließlich zum Herrenhaus des Aktienhändlers bringen sollte.

Dort stiegen wir aus, während sich Leeds sich um unsere Koffer kümmerte. "Ich werde sie in Ihre Gemächer bringen. Sie können diese sofort in Augenschein nehmen, wenn Sie möchten", erklärte er.

Holmes bat jedoch, gleich mit Mr. Kensington zu sprechen, und der Assistent nickte. Er führte uns ins Innere und wies auf die Tür zur Lounge. Während er die Treppe hochstieg, ging die Tür bereits auf, und unser Klient begrüßte uns überschwänglich. "Mr. Holmes! Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Bitte treten Sie doch ein", bat er und führte uns ins Innere.

Die Lounge war größer als erwartet, und es waren bereits einige Gäste eingetroffen. Kensington wies uns einen Platz zu, während auch die anderen auf uns aufmerksam wurden. "Darf ich vorstellen? Das ist Mr. Sherlock Holmes, so wie sein Kollege, Dr. Watson. Ich habe die beiden Herren ja bereits angekündigt", stellte er uns vor.

Die Anwesenden, zwei Männer und zwei Frauen, schienen nicht ganz zu wissen, was Kensington nun von ihnen erwartete.

"Joe, was genau erwartest du denn? Fitzroys Tod war ein Unfall, das hat die Polizei bestätigt", sagte ein jüngerer, attraktiv wirkender Mann mit einem Champagnerglas in der Hand.

Kensington stellte ihn sofort als David Chesterton vor, einen Investor und seinen persönlichen Golffreund.

Holmes räusperte sich.

"Nun, was die Polizei angeht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass aufgrund von Motivation und Überbelastung nicht jedes Urteil immer sofort anzunehmen ist", entgegnete er. Ich stimmte meinem Freund zu. Zu oft war ich anwesend, als er die Theorien der Beamten widerlegte.

"Dem kann ich nur zustimmen. Außerdem wurde doch eine weitere Person bei dem Toten gesehen, nicht wahr?", sagte ich dann.

Sofort veränderten sich die Mienen der Gäste merklich. Ich erkannte Bedrückung und Unsicherheit in ihnen. Bei einer der beiden Damen war es am deutlichsten.

"Nein, Doktor. Keine weitere… Person. Ein… Monster", sagte sie stockend.

Der Mann neben ihr seufzte resigniert.

"Mrs. McLean, lassen Sie diese Geschichte doch endlich gut sein. Vor allem die Herrschaften dürften sich dafür keineswegs interessieren", raunte er ihr zu.

Holmes hob jedoch seine Hand.

"Dem kann ich keineswegs zustimmen, Mr…"

Der Mann wandte sich dem Detektiv zu.

"Thomas Brown, ich schreibe für den Wirtschaftsteil der Times. Vielleicht haben Sie meinen Namen schon einmal gelesen."

Mein Freund nickte.

"Mr. Brown, ich würde die Ausführungen der Dame gerne hören. Mrs. McLean, sagten Sie?", fragte er an die Frau gewandt.

Diese nickte schwach. "Ja, Rebecca McLean, ich arbeite als Anwältin für Clark & Hall. Und ich… habe den armen Mr. Fitzroy an jenem Abend im Garten gefunden. Gott möge seiner Seele gnädig sein. Besonders… nach diesem Ereignis."

Während die anderen Gäste die Köpfe wegdrehten, legte ihr die andere Frau beruhigend eine Hand auf die Schulter. Kensington stellte sie uns als Sarah Evans vor, die Buchhalterin des Unternehmens.

"Von welchem Ereignis sprechen Sie?", versuchte ich dann die Unterhaltung voranzutreiben.

Mrs. McLean brauchte einen Moment, dann fuhr sie fort.

"Der Teufel! Es war der Teufel, der den armen Mr. Fitzroy geholt hat!"

Ein Raunen drang durch den Raum. Kensington seufzte.

"Nun… das ist der Grund, warum ich wollte, dass Sie sich die Geschichte persönlich anhören", sagte er an uns gewandt.

Holmes blieb jedoch völlig ruhig.

"Was genau meinen Sie mit Teufel?", wollte er von der Frau wissen.

Mrs. McLean stockte.

"Als ich in den Garten ging… war Mr. Fitzroy nicht das Erste, was mir ins Auge stach. Da… war er! Eine Gestalt, hell erleuchtet."

Ich runzelte die Stirn.

"Jemand mit einer Kerze in der Hand, meinen Sie?"

Die Frau schüttelte sofort den Kopf. "Keine Kerze, Doktor. Sein… Schädel! Dort, wo sich eigentlich sein Kopf befinden sollte… ragte eine große Flamme empor! Sein Kopf… er brannte! Verstehen Sie?"

Keiner der Anwesenden wagte etwas zu erwidern. Auch Holmes schwieg.

"Der… Schock! Der Schock über den Fund der Leiche muss zu dieser Wahnvorstellung geführt haben!", stand für Kensington sofort fest. "Ich… weiß, was ich gesehen habe", flüsterte die arme Mrs. McLean nun.

Holmes erhob sich.

"Was hat jene Gestalt, die Sie geglaubt haben zu sehen, dann getan?", hakte er nach. Einige der Gäste betrachteten ihn skeptisch, ich vermutlich ebenso.

"Er… ist geflohen. In den Wald hinter dem Garten", berichtete die Anwältin.

Der Detektiv nickte und erkundigte sich bei Kensington nach der Beschaffenheit des Waldes. Dieser rief seinen Assistenten dazu, der eine fundiertere Antwort liefern konnte. "Leeds! Wie wäre es, wenn Sie jetzt das Buffet vorbereiten würden?", wies er seinen Assistenten an. Dieser reagierte sofort und machte sich an die Arbeit. Unser Klient selbst bat uns, ihm zu folgen. Wir schritten einen kurzen Gang entlang und fanden uns in einem Arbeitszimmer wieder. Unser Gast schien unsicher und stützte sich an seinem Schreibtisch ab.

"Es tut mir leid. Die arme Mrs. McLean war so geschockt, dass sie sich das alles nur eingebildet hat", sagte er dann.

Holmes warf einen Blick hinaus in den Garten.

"Hat sie das? Wir werden sehen."

Ich zeigte mich überrascht über die Äußerung meines Freundes.

"Holmes, jetzt nur unter uns. Sie glauben doch nicht wirklich an einen Dämon als Täter, oder?", raunte ich ihm zu.

Mein Freund ließ sich nichts anmerken.

"Es war bestimmt der Schock oder der Alkohol, der die Zeugin dazu verleitet hat, solche Dinge zu sehen", fügte ich hinzu.

Holmes verzog die Lippen. "Aber warum eine Gestalt mit einem brennenden Schädel? Wieso Jack O’Lantern?", grummelte er.

Ich seufzte.

"Diesen Vergleich haben Sie gezogen!", erinnerte ich.

Holmes nickte und machte dann kehrt. Wir kehrten in die Lounge zurück, wo Robert Leeds bereits das Buffet aufgebaut hatte. Ich versuchte mich zurückzuhalten, denn wir waren hier in unserer beruflichen Rolle und nicht als Gäste. Erst als bereits einige Brötchen und Früchte verspeist worden waren, wagte auch ich mich an das reiche Buffet.

Die Stimmung war immer noch bedrückt, da diese Zusammenkunft zugleich eine Trauerfeier für den verstorbenen Mr. Fitzroy war. Kensington überredete seinen Freund Chesterton dazu, ein Stück auf seiner Violine zu spielen. Dieser bereitete sich einverstanden vor, musste jedoch erst seine Violine auspacken. Wir verabredeten uns, uns in einer halben Stunde wieder in der Lounge zu treffen, was Holmes und mir die Gelegenheit gab, unsere Koffer auszupacken. Wir inspizierten die Zimmer, in welche wir einquartiert worden waren, und waren durchaus zufrieden. Es war einige Zeit her, seit ich auf dem Land übernachtet hatte und unter so guter Luft war.

Holmes trat ein und erkundigte sich, ob es mir an nichts fehlen würde. Ich verneinte und war gerade dabei, meine Unterwäsche zu sortieren.

"Sind Sie schon fertig mit dem Auspacken?", erkundigte ich mich. Holmes nickte beiläufig.

"Vergessen Sie nicht, solange haben wir unseren Aufenthalt hier nicht eingeplant. Außerdem...", begann er, hielt dann aber inne.

Er schritt näher ans Fenster und warf einen Blick hinaus. Ich erkundigte mich, ob ihm etwas aufgefallen sei.

"Nun, der gute Mr. Brown scheint mit seinem Koffer ebenfalls bereits fertig zu sein", erwiderte er.

Ich schritt zu ihm und warf ebenfalls einen Blick nach draußen. Es war schon dunkel, deswegen erkannte ich Mr. Brown erst auf den zweiten Blick. Er marschierte durch den Garten, dabei blickte er sich immer wieder unsicher um. "Wo will der denn nachts hin?", wunderte ich mich.

Holmes zuckte die Schultern.

"Der Garten ist nachts nur schwer zu erkennen, doch wenn ich raten müsste, würde ich die Stelle des Todes von Mr. Fitzroy ins Auge fassen."

Ich hob eine Augenbraue. Was sollte der Journalist dort zu suchen haben? Vor allem um diese Zeit? Wollte er Mr. Fitzroy die letzte Ehre erweisen? Dann schreckte mein Freund auf.

"Watson! Sehen Sie das?"

Die Ernsthaftigkeit im Gesicht meines Freundes irritierte mich. Dann folgte ich seinem Blick. Ich erkannte etwas Helles, das sich Mr. Brown zu nähern schien.
 

„"Da ist ja noch jemand. Mit einer Kerze… nein, einer Laterne?", versuchte ich die Situation zu analysieren.

"Sehen Sie doch! Kommt es Ihnen so vor, als würde diese Laterne von jemandem getragen werden?", klang Holmes' Stimme nun lauter als gewohnt.

Ich musste ihm zustimmen. Es war so, als würde eine schwebende Laterne auf den Journalisten zukommen. Nein, darunter war definitiv der Körperbau eines Menschen zu erkennen. Zudem schien der Journalist nicht zu bemerken, da er ihr den Rücken zugewandt hatte.

Holmes riss nun das Fenster auf und brüllte nach draußen.

"Mr. Brown! Hinter Ihnen!", wollte er den Mann warnen. Dieser sah zu uns hoch, schien uns aber nicht zu verstehen.

Was dann geschah, würde mich ewig in meinen Träumen verfolgen. Die helle Gestalt hinter ihm schien etwas zu heben und mit einem schnellen Hieb nach unten sausen zu lassen. Mr. Brown schrie auf und krachte zu Boden.

"Schnell, Watson! Haben Sie Ihren Revolver dabei?", drängte mich der Detektiv.

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein! Ich nahm an, dass wir hier nur einem gewöhnlichen Unfall nachgehen! Von einer Gestalt aus der Hölle war nie die Rede!", glaubte ich, mich verteidigen zu müssen.

Holmes gab abschätzige Geräusche von sich und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihm in raschen Schritten, und unten trafen wir auf Mr. Kensington, den Assistenten Leeds, Mrs. McLean, Mr. Chesterton und Ms. Evans.

"Was ist denn los?", fragte Ms. Evans erschrocken.

"Mr. Kensington! Haben Sie irgendwelche Waffen im Haus?", wollte der Detektiv unverzüglich wissen. Unser Klient verneinte, wozu hätte er diese auch benötigen sollen.

Holmes fluchte und stürmte dann aus dem Haus. Wir blieben ihm dicht auf den Fersen. Wir eilten zu der Stelle, an der Brown angegriffen worden war. Von der hellen Gestalt fehlte inzwischen jede Spur. Leeds hatte inzwischen eine Kerze angezündet, die uns zusätzlich zum Mondlicht ein wenig mehr Licht spendete. Brown lag flach auf dem Bauch, sein Rücken mit mehreren Schnitten übersät. Die Wunden bluteten schrecklich, und ich ging sofort in die Knie. Während Holmes den Boden untersuchte, wies er mich an, mich um den Mann zu kümmern. Er selbst machte sich daran, in den angrenzenden Wald zu laufen.

"Holmes, wo wollen Sie hin? Bei absoluter Dunkelheit ist das Wahnsinn!", rief ich ihm noch hinterher, konnte ihn aber nicht abhalten.

Also kümmerte ich mich um den Mann vor mir. Ich drehte Brown um und führte seinen Puls. Es gab nichts mehr, das ich hätte tun können. Der rapide Blutverlust hatte in kürzester Zeit zum Tod geführt.

"Mr. Brown! Ist er...", stotterte Chesterton, und ich nickte.

Mrs. McLean stieß einen Schrei aus. "Er war es! Der Mann mit dem Flammenkopf!"



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