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Sherlock Holmes - Das Heulen des Wendigo

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Der Wendigo

In unserem Zimmer entledigte ich mich meines dicken Pullovers, da das Herrenhaus doch recht gut beheizt wurde.

„Was hatte es mit dem Zettel auf sich?“, hakte ich dann doch nach.

Der Detektiv reichte ihn mir, sprach dann aber von sich aus.

„Unsere Klientin verlangt nach einem Update was unsere bisherigen Ermittlungen anbelangt.“

Ich hob die Augenbrauen.

„Nun ja, bisher haben wir nicht wirklich etwas herausgefunden.“, gestand ich.

Mein Freund schien meine Ansicht aber weniger zu teilen.

„Ist das so? Wir wissen inzwischen, dass fast alle hier das Opfer gekannt haben dürften. Bei Mr. Palmer bin ich mir nicht sicher, vielleicht ist er auch nur recht gut darin, seine Emotionen zu verbergen. Doch was Mr. Driscoll, Mr. Foster und Miss Cresswell angeht... sie haben es. Mehr noch, ich vermute, dass sie eine persönliche Beziehung zu Victor Pembroke gehabt haben müssen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Natürlich hatten sie das. Mr. Driscoll war Pembrokes Arbeitgeber. Als Lektorin hatte Miss Cresswell ebenfalls mit ihm zu tun. Und Mr. Foster wurde bestimmt ebenfalls in der Vergangenheit als Quelle herangezogen. Pembroke dürfte alle drei recht gut gekannt haben.“

„Und der Wendigo war scheinbar seine Idee.“, fügte mein Freund hinzu.

Ich verzog die Lippen.

„Das erachten Sie als wichtig?“, fragte ich skeptisch.

Vielleicht war es meinen Abenteuern mit Holmes geschuldet, welche mich bereits auf die ein oder anderen Spukgestalten stoßen ließ. Man möge sich nur an den Vampir von Sussex erinnern, der sich am Ende als fürsorgliche Frau herausgestellt hatte. Dennoch war mir klar, dass Driscoll diesen Wendigo nur heranzog, um seinen Roman interessanter zu gestalten.

„Wussten Sie, dass Mr. Pembroke ursprünglich aus Amerika übersiedelt ist? Das hat mir unsere Klientin noch verraten.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, aber es macht Sinn, wenn der Wendigo seine Idee war. Vermutlich hat er dort von den Legenden gehört.“

Mein Freund pflichtete mir bei. Nach einiger Zeit bat er mich, ihm zu folgen. Wir schritten in die Halle, wo unsere Klientin Miss Pembroke bereits auf uns wartete.

Holmes gab seine Überlegungen auch ihr gegenüber preis, musste sie aber vertrösten. Noch fehlte es ihm an Hinweisen. Wir unterbrachen unsere Unterhaltung als wir Mr. Foster und Mr. Palmer im ersten Stock erblickten.

„Na nu, sind Sie noch nicht schlafen gegangen?“, rief uns einer der beiden herab.

Wir wussten nicht, ob die beiden etwaige Gesprächsfetzen mitbekommen hatten, also mimten wir weiterhin die Unschuldigen.

„Nein, wir haben uns etwas verplappert. Miss Pembroke hat uns von ihrem Vater erzählt. Er schien ein sehr interessanter Mann gewesen zu sein.“, fuhr Holmes seinen Kurs fort.

Ich fragte mich, ob damit nicht doch etwas zu unvorsichtig war. Mr. Foster wich vom Gelände zurück, während Mr. Palmer ungerührt blieb. Jedoch nur für einen Moment. Ein bis ins Mark gehender Schrei ertönte und nicht nur er zuckte zusammen, sondern wir ebenfalls.

„Das war Miss Cresswell!“, rief ich erschrocken.

Holmes übernahm sofort die Initiative.

„Miss Pembroke, Sie bleiben hier. Watson, Sie begleiten mich, falls die Frau Hilfe braucht.“, wies er uns an.

Etwas unnötig wie ich empfand, schließlich war ich Arzt und würde einer Person in Not automatisch zu Hilfe eilen. Während Foster und Palmer noch bewegungsunfähig waren, eilte Holmes die Treppe hoch und versuchte die Quelle des Schreis auszumachen. Ich und die beiden Männer dicht hinter ihm.

„Die Tür am Ende des Ganges! Wohin führt sie?“, verlangte der Detektiv zu wissen.

Es war Palmer, der die Nerven behielt und antwortete.

„Der Wintergarten.“

Nun verschwendeten wir keine Zeit mehr und hasteten zu dem Raum. Die Tür stand halb offen, Holmes riss sie gänzlich auf. Der Anblick, der sich uns anbot, ließ uns alle erstarren.

Miss Cresswell war auf die Knie gesunken, ihr Blick war von Entsetzen gezeichnet.

Der Wintergarten war nur spärlich eingerichtet, am meisten wurde er von einem länglichen Tisch in der Mitte des Raumes erfüllt. Und auf diesem... lag eindeutig Thomas Driscoll. Seine Augen waren geschlossen, die Arme hingen leblos herab. In seiner Brust prangte ein breites Messer, die Blutlache wurde größer und größer.

„Um Himmels Willen! Thomas!“, schrie Foster panisch.

„Watson!“, rief mich Holmes zur Besinnung und ich verstand. Nun war meine Profession als Arzt gefragt, Auch wenn ich bezweifelte, dass man dem guten Mann noch irgendwie helfen konnte. Ich näherte mich dem Körper, als es schließlich geschah. Die Lampe über uns erlosch und tauchte den Wintergarten in Dunkelheit.

„Verdammt! Ein Stromausfall? Ausgerechnet jetzt?“, keuchte Palmer.

Ich verharrte um nach meinem Feuerzeug zu kramen. Als ich es aus der Tasche zog, wollte ich es nutzen, da ertönte bereits der nächste Schrei.

Diesmal aus der Halle. Die Stimme gehörte zweifelsfrei Miss Pembroke. Durch die Finsternis konnte ich Holmes' Blick nicht erkennen, doch dies war ohnehin unnötig. Sofort machten wir kehrt und rannten ins Erdgeschoss zurück. Leichter gesagt als getan, da es im ersten Stock keinerlei Fenster gab. Endlich waren wir die Treppe hinunter gehastet und wieder bei unserer Klientin angelangt. Ich hatte inzwischen mein Feuerzeug bei Hand und hielt es etwas in die Höhe. Sonderlich viel Licht spendete es uns allerdings nicht.

Dennoch war die Miene der jungen Frau besorgniserregend. Sie wirkte, als hätte sie den leibhaftigen Teufel gesehen.

„Miss Pembroke! Alles in Ordnung?“, musste Holmes sie praktisch wach rütteln.

Diese schüttelte leicht den Kopf.

„Nein... da... vor dem Fenster.“, deutete die Dame nach draußen.

Ich konnte in der Nacht jedoch nichts erkennen.

„Ja, was ist da? So reden Sie doch!“, wies ich die Gute an.

„We.. we... Wendigo...“, stammelte sie nun.

Ich verstand aber nicht.

„Wendigo? Sie meinen wie das Wesen in Driscolls Roman? Was ist damit?“, forschte ich nach.

Ein Blick seitens Holmes' verriet mir den Rest.

„Können Sie das nicht erahnen? Die arme Frau hat einen Wendigo gesehen. Ist dem nicht so?“, hakte er nach.

Diese nickte schwach.

„Ja... er... war plötzlich da. Draußen im Freien. Ein skalpierter Schädel mit riesigem Hirschgeweih. Er... starrte mich einfach nur an.“

Ich zweifelte sichtlich an den Schilderungen unserer Klientin, doch egal was sie glaubte gesehen zu haben, dafür war jetzt keine Zeit.

Eine Tür ging auf und der Butler Daniel trat zu uns. Scheinbar hatte er sich bereits fertig zum Schlafen angezogen.

„Was ist das für ein Lärm? Ist alles in Ordnung?“, fragte er verwirrt.

Wir mussten ihn jedoch enttäuschen und ihm mitteilen, dass sein Arbeitgeber tot war. Das Detail mit dem Wendigo verschwiegen wir erst einmal.

„Wo befindet sich der Verteilerkasten?“, wies ihn Holmes an.

Daniel zögerte erst etwas an, dann gab er uns ein Zeichen ihm zu folgen.

Der Kasten für den Strom befand sich dem Nebentrakt des Gebäudes. Doch der lange Weg blieb erfolglos. Der Kasten schien aufgebrochen worden zu sein und die Kabel zerschnitten. „Jemand hat hier ganze Arbeit geleistet.“, murmelte Holmes.

Ich sprach nicht aus, dass es nur Mr. Driscolls Mörder gewesen sein konnte.

„Haben Sie hier keine Petroleumlampen?“; wollte Foster von dem Butler wissen.

Dieser bestätigte es und eilte in den Gang zur Halle. Dort kramte er in den Schubladen eines Schrankes und holte schließlich drei Lampen hervor. Es dauerte etwas, sie anzuzünden, doch dann spendeten sie uns ausreichend Licht.

Endlich fühlten wir uns etwas sicherer, auch wenn dazu wohl kaum Anlass bestand.

„Diesmal bleiben Sie bei uns, Miss Pembroke. Wir bleiben alle zusammen.“, entschied Holmes und niemand besah irgendwelche Einwände.

Wir kehrten in den ersten Stock zurück, wo uns der Wintergarten mit Driscolls Leiche erwartete. Oder zumindest nahmen wir dies an.

Kaum hatten wir den Raum wieder betreten, erwartete uns eine böse Überraschung. Die Leiche war verschwunden.

Zwar war auf dem Tisch noch eine große Lache Blut zu erkennen, doch kein Hinweis eines Toten.

„Ha... haben Sie sich vielleicht nur getäuscht? War Mr. Driscoll vielleicht ohnmächtig?“, fragte Daniel zögernd.

Am liebsten wäre ich auf seinen Wunsch eingegangen, doch unsere Entdeckung vorhin war eindeutig gewesen. Mr. Driscoll war erstochen worden. Doch wo war die Leiche? Auch von der Mordwaffe keine Spur.

„Watson, leuchten Sie nach rechts.“, wies mich der Detektiv an.

Ich folgte und zugleich wehte mir ein kalter Wind ins Gesicht. Erst jetzt realisierten wir, dass die Tür des Wintergartens offenstand. Kalter Wind und Schnee drang durch die Terrasse her ein.

„Der... der Wendigo hat ihn geholt!“, wimmerte Miss Pembroke nun.

Ich konnte meinem Freund ansehen, dass er diese Bemerkung für albern hielt. Dennoch. Mr. Driscoll war ein stämmiger Mann gewesen. Ihn dieser kurzen Zeit wegzuzerren war nicht einfach gewesen. Es hätte mehrere Männer sein müssen. Oder... eben eine mythische Gestalt mit ungeheuren Kräften. Da mein Freund darüber aber sicher nichts hören wollte, sprach ich es nicht aus.

„Also schön. Watson, ich möchte, dass alle im Gemeinschaftssaal versammeln. Ich sehe mich hier noch etwas um.“

Ich versprach es ihm, und bat die Gäste mir zu folgen. Zusätzlich raunte er mir zu, niemanden von ihnen aus den Augen zu lassen.

Also ließen wir Holmes zurück, dessen Sinne im Moment mehr als geschärft sein mussten. Was würde er am Tatort wohl entdecken können?



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