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Jägerpfade

Ein Horizon Zero Dawn MSP
von
Koautor:  Ixana

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Überwindung

Wir verlassen die Hütte und die morgendliche Kälte lässt mich kurz schaudern. Die Sonne geht gerade erst auf und der Himmel beginnt sich in zartes Rosa zu färben. Durch das Gebirge rund um die Hütte ist aber weder von Sonne noch von Wärme irgendwas zu sehen oder zu spüren.

Aloy läuft vor und verlässt den umzäunten Bereich. Allerdings gehen wir nicht da hinaus, wo ich gestern reingekommen bin. Wir gehen rechts an der Seite hinaus.

Okay, wir gehen offensichtlich in das Tal, das hinter dem Haus liegt. Das Tal, in dem der Prolog spielt. Ich bin nicht böse darüber, weil ich davon ausgehe, dass wir dort niemandem über den Weg laufen. Ich weiß immer noch nicht, was ich hier mache, was mit Sanya ist und überhaupt irgendwas. Daher möchte ich im Moment eher vermeiden noch mehr Nora zu begegnen, um nicht unangenehm aufzufallen. Also mehr noch, wie man als Ausgestoßene eh schon auffällt. Und, es könnte mir die Chance geben, etwas auszuprobieren, dass noch überlebenswichtig für mich werden könnte.

Wir kommen an dem Pfad an, der in Schlangenlinien den Berg hinunterführt. Der Ausblick von hier oben auf die Schlucht ist atemberaubend. Der sanfte Nebel steigt auf und verleiht dem ganzen etwas Mythisches. Es wirkt friedlich und einfach nur schön.

„Sanya?“

Ich sehe zu Aloy, die einige Meter weiter steht und mich fragend mustert. Ich sollte nicht so fasziniert von dem Ganzen sein, weil ich das wahrscheinlich schon oft gesehen habe, oder? Ein wenig verlegen lächle ich und laufe weiter.

Es geht den steinigen Pfad entlang und ich muss mich wirklich sehr auf meine Füße konzentrieren. Stolpern und Hinfallen wäre ziemlich auffällig und uncool. Ich bin froh, dass der Wächter, der sonst auf halber Strecke Patrouille läuft, nicht da ist. Keine Ahnung, was wir gemacht hätten, wenn er da gewesen wäre.

„… später dann noch eine Übung für die Erprobung?“, frage ich, während wir uns dem Ende des Pfades allmählich nähern.

„Ja, vorausgesetzt, Rost schickt mich nicht wieder wegen irgendetwas los“, erklärt Aloy seufzend.

„Um der kauzigen Grata etwas zu bringen?“, lache ich. Ich bin glücklich, dass ich erst vor kurzem wieder neu mit dem Spiel angefangen habe, ansonsten wäre mir der Name der alten Lady oben auf dem Berg wahrscheinlich gar nicht mehr eingefallen.

Die Teenagerin stöhnt genervt bei der Erwähnung des Namens. „Ich würde mir wirklich wünschen, sie würde sich einfach mal bedanken, anstatt immer vor sich hin zu schwafeln, dass die Sachen, die ich für sie erledige, sich von selbst erledigt hätten als wäre es ein Geschenk der Urmutter. Was ist so schwer daran einfach: Danke, Aloy zu sagen?“

Ich muss herzlich lachen, was mir einen bösen Blick von meiner Gesprächspartnerin einbringt. „Ich verstehe dich, aber Grata wird sich nicht mehr ändern.“

Als wir unten angekommen sind, blinzelt die Sonne geradeso über die Gipfel des Gebirges und wirft einen schmalen Streifen Licht in die Schlucht.

„Ich gehe weiter rein“, erklärt Aloy und zeigt Richtung Ende der Schlucht. „Weiter hinten habe ich einige Beeren gefunden. Das letzte Mal waren sie noch nicht reif, aber jetzt sollten gut sein.“

„Ich schaue mich hier etwas um und komme dann nach“, sage ich lächelnd.

Die Teenagerin nimmt meine Aussage kommentarlos, wenn auch etwas schmollend, hin und zieht von dannen.

Endlich allein nehme ich mir den Augenblick und staune. Im sanften Licht des frühen Tages wirkt die Schlucht unfassbar malerisch. Der klare Bach murmelt leise, die Blätter der Bäume rascheln im Wind und die letzten Nebelschwaden hängen über den Gräsern und Farnen. Ich erinnere mich genau, wie ich im Spiel nach dem Prolog das erste Mal hier war und wie unfassbar schön ich es fand. Jetzt in „echt“ ist es noch großartiger und überwältigend.

Nach einigen Minuten stillen Staunens atme ich durch und besinne mich auf das, was ich eigentlich vorhabe. Ich habe Aloy nicht in den hinteren Teil der Schlucht begleitet, um die Landschaft zu bestaunen, also los jetzt.

Ich hole den Bogen von meinem Rücken und betrachte ihn. Offenbar funktioniert das mit dem Bogen auf den Rücken packen oder ihn abnehmen nach dem Prinzip des Muskelgedächtnisses, denn ich persönlich habe keine Ahnung wie das geht. Die Frage, die mich beschäftigt, ist, ob eventuell auch das Schießen so funktioniert. Oder andere handwerkliche Fähigkeiten. Ich muss das unbedingt herausfinden, weil mein Überleben womöglich davon abhängen wird. Nicht „womöglich“, sondern mit ziemlicher Sicherheit sogar. Da ich keine Ahnung vom Leben in der Wildnis habe, wäre es zumindest beruhigend zu Wissen, dass ich auf die ein oder andere Fähigkeit von Sanya zurückgreifen kann.

Ich schließe die Augen und atme durch. Ich nehme einen Pfeil aus dem Köcher und lege ihn an die Sehne. Mit gesenkten Bogen fasse ich nervös einen Baumstumpf in der Nähe ins Auge.

Ich habe mehr Angst, wie ich mir eingestehen möchte. Wenn sich jetzt herausstellt, dass es nicht funktioniert, bin ich völlig am Arsch. Was mach ich dann? Ich werde wohl kaum im Rekordtempo von wenigen Minuten lernen, wie das geht … Was für Optionen hätte ich dann noch? Angst und Zweifel beginnen mich aufzufressen. Meine Kehle ist zu geschnürt, meine Augen sind feuchter als sie sein sollten und mein Magen fühlt sich flau an.

Ich puste durch und versuche mich zu beruhigen. Augen auf den Baumstumpf, durchatmen, Bogen hoch, nochmal durchatmen, Sehne spannen, konzentrieren …

Ich entspanne die Sehne wieder, ohne zu schießen. Scheiße bin ich nervös. Ich muss mich zusammenreißen, sonst wird das nichts; egal ob mit Sanya oder ohne sie. Mehrfach atme ich tief ein und versuche den Kopf freizumachen. Los jetzt!

Augen auf den Baumstumpf, durchatmen, Bogen hoch, nochmal durchatmen, Sehne spannen, konzentrieren. Im nächsten Moment zischt der Pfeil los, ohne dass ich mir dessen wirklich bewusst bin. Im Bruchteil einer Sekunde hämmert er in das Holz; und ich fluche direkt. Das dumpfe Geräusch lässt mir schlagartig bewusstwerden, dass das nicht gesund für den Pfeil war. Mist! Ich hätte mir etwas Weiches als Übungsziel aussuchen sollen. Die Freude, dass ich getroffen habe, stellt sich dadurch erst gar nicht ein, eher tiefe Enttäuschung über meine Dummheit.

Ich gehe mit schnellen Schritten zum Baumstumpf und ziehe den Pfeil heraus. Die Spitze ist völlig verbogen und damit unbrauchbar. Klasse gemacht, Anja, wirklich klasse.

Nun gut, zumindest das Bogenschießen funktioniert offenbar, denn ich habe exakt den Punkt getroffen, den ich anvisiert habe. Das beruhigt mich ein wenig.

Jetzt sollte ich aber zu sehen, dass ich etwas Essbares finde, anstatt noch mehr Zeit zu verschwenden. Die Pflanzen hier kenne ich nicht, oder nur kaum, dementsprechend ist mir das Risiko zu groß etwas Giftiges oder Unbrauchbares zu sammeln. Ein Säugetier jagen traue ich mich ehrlich nicht, zumindest stand jetzt. Wie das vielleicht in einigen Tagen aussieht, weiß ich nicht; will ich eigentlich auch gar nicht. Ich will nach Hause … Meine Emotionen brodeln und ich versuche mich wieder zu beruhigen. Jetzt in Heimweh und Sorgen zu versinken, hilft mir nicht. Ich tröste mich damit, dass meine Männer weit weg und in guten Händen sind. Und ich maximal meinen Job verliere, wenn ich Montag nicht auf Arbeit gehe. In dem Augenblick kommt mir der Gedanke, dass mich spätestens Montag ja meine Kollegen vermissen werden. Ob die meine ungemeldete Abwesenheit einfach so hinnehmen werden? Ich habe noch nie unentschuldigt gefehlt …

Schluss jetzt! Ich nehme den verbeulten Pfeil mit und gehe etwas weiter in die Schlucht, zu einem Punkt, an dem der Bach einige ruhige Nebenstellen hat. Ich bin mir fast sicher, dass es im Spiel hier keine Fische gab, aber jetzt in „echt“ könnte ich vielleicht Glück haben. Und tatsächlich sehe ich im klaren Wasser welche.

Ich hocke auf einem Stein am Ufer und sehe von den Fischen zu dem verbeulten Pfeil in meiner Hand. Wenn ich ihn etwas begradige, könnte er auf kurze Distanz noch funktionieren. Hoffe ich zumindest. Ich gehe etwas weg, um die Fische nicht zu verschrecken und suche mir einen handlichen Stein. Mit ein paar Schlägen schaffe ich es die Spitze zumindest halbwegs wieder in Form zu bringen, eine wellige und schiefe, aber zum Probieren reicht es.

Ich schleiche zurück zum Bach und mache einen langen Hals. Ja, die Fische sind noch da.

Ich nehme meinen Bogen, lege den Pfeil an die Sehne, visiere mein Ziel an. Schnell und, für mich mental, unvorbereitet schieße ich. Mein Körper, also Sanyas Körper, scheint tatsächlich einstudierte Abläufe abzurufen. Freut mich zwar im ersten Moment, im nächsten allerdings fühle ich mich überfordert.

Ich greife zögerlich nach dem Holz, das aus dem Wasser ragt, und betrachte das arme Ding, dass am Ende zappelt. Der Fisch ist etwa 30 Zentimeter lang und hat etwas karpfenähnliches an sich. Der Pfeil steckt neben seiner Rückenflosse und hat damit alles verfehlt was lebensnotwendig ist. Ich greife mir einen Stein, halte den Pfeil fest, um den Fisch an Ort und Stelle zu behalten und hole aus.

Mit der erhobenen Hand starre ich den Fisch an und er starrt zurück. Das arme Tier zappelt und leidet stumm. Und ich mit ihm. Ich wünschte ich hätte den Kopf getroffen und es wäre direkt tot gewesen. Die Situation, in der ich nun stecke, macht mir mental fürchterlich zu schaffen. Nichts widerstrebt mir mehr, wie einem Lebewesen Schmerzen zu bereiten, aber es Leiden zu lassen widerstrebt mir genauso. Trotzdem schaffe ich es erstmal nicht den Schlag auszuüben, weil ich fürchte, dass ich es nicht schaffe sein Leiden mit einem Hieb zu beenden und ihm dadurch noch mehr Schmerz bereite. Genau deswegen war mein erster Gedanke mich mit einem Fisch zu versuchen. Wäre das hier vor mir ein Säugetier oder Vogel, würde es Geräusche von sich geben und das würde ich wahrscheinlich gleich gar nicht verkraften.

Aber es muss sein. Ich muss essen. Und ich muss lernen das hier zu tun, ob ich will oder nicht. Ich werde nicht dauerhaft nur von Gemüse und Pflanzen leben können. Ich werde jagen und töten müssen, wenn ich gesund und kräftig bleiben will. Und das muss ich, wenn ich herausfinden will, was hier los ist. Ich muss dafür sorgen, dass Sanyas Körper fit bleibt. Für mich und irgendwie auch für sie.

Ich schlucke den Kloß in einem Hals hinunter, atme durch und schlage zu. Erstaunt stelle ich fest, dass ich offenbar die richtige Stelle mit genügend Kraft getroffen habe, zumindest ist das Leiden des Fisches beendet. Ich vermute mal, dass es eher Sanyas Fähigkeiten geschuldet ist, dass das funktioniert hat. Oder ich hatte Glück.

Mein Magen rebellier und ich habe zu tun, dass ich mich nicht übergebe. Das war grausam und schrecklich und wenn ich das nie wieder machen müsste, wäre es immer noch zu viel. Der Gedanke, dass ich es aber noch öfter machen werde muss, sorgt für ein ungutes Gefühl des Selbsthasses.

Ich bemüh mich, mich mental irgendwie von dem Ganzen zu distanzieren, um weiterzumachen.

Ich ziehe den Pfeil heraus und lege den Fisch beiseite. Vorsichtig sehe ich nach, ob ich noch einem Fisch entdecke oder ob die anderen bereits auf und davon sind. An der Stelle sind natürlich keine mehr, aber in einiger Entfernung sehe ich einen hinter einem Stein in der Strömung stehen.

Ich sehe mir die wellige Spitze des Pfeils an seufze. Das wird nichts, zumindest nicht auf die Distanz. Ich lege diesen also weg und nehme mir einen neuen. Ich stelle mich aufrecht hin, um einen besseren Blick zu haben, visiere den Fisch an und zack.

Ich sammle den Pfeil mit meiner Beute ein. Und grusele mich einen Augenblick vor mir selbst, als ich merke, wie ich mich über den Umstand freue, dass ich diesmal perfekt den Kopf getroffen habe. Ich ziehe den Pfeil heraus und lege den Fisch zu dem ersten. Anschließend sehe mich nochmal um. Nichts.

Okay dann sollte ich mich erstmal um die beiden kümmern die ich habe. Ähm, ausnehmen, sauber machen. Vor allem die Schuppen nicht vergessen runterzuschaben. Wer hätte gedacht das es sich mal auszahlt, dass ich früher mit auf Angelausflügen war, obwohl ich nicht geangelt habe. Zumindest habe ich das theoretische Grundwissen und mit Sanyas Fähigkeiten hoffentlich die nötigen Fertigkeiten.

Den zweiten Pfeil wasche ich ordentlich ab und inspiziere die Spitze. Sie sieht gut aus und ich packe ihn wieder in den Köcher. Meinen Testpfeil nehme ich auseinander. Die Scherbe ist zwar wellig, aber zum Aufschneiden der Fische dürfte sie gehen. Ich schärfe eine Seite an einem Stein an, zumindest, soweit es geht.

Während mich das Töten des Tieres wahnsinnig viel Überwindung gekostet hat, macht mir das Aufschneiden eher weniger Probleme. Ja, Innereien sind eklig, aber das verkrafte ich problemlos. Ich nehme alles raus und passe auf, dass alles dabei ganz bleibt. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber irgendwas sollte nicht kaputt gehen, weil es sonst das Fleisch ungenießbar macht. Oder ich täusche mich und es ging dabei um etwas anderes. Nachdem Fisch eins leer ist, kümmere ich mich um den Zweiten. Ich wasche die beiden anschließend im Bach ordentlich aus, rasple die Schuppen runter und wasche sie erneut.

Die Sonne steht inzwischen ziemlich weit oben; ich habe offenbar länger für alles gebraucht, wie ich gedacht habe. Ich zögere kurz, als ich je einen Finger meiner linken Hand unter die Kiemendeckel meiner Beute stecke. Sie auszunehmen hat mich nicht gestört, aber meine Finger da reinzustecken kostet mich etwas Überwindung.

Mit meinem Fang an meiner Hand baumelnd mache ich mich auf den Weg.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgabe:
3. Rost hat dich für die Nacht beherbergt und sein Essen mit dir geteilt. Aufgrund der harten Lebensumstände ist das keine Selbstverständlichkeit, da seine Vorräte nicht unbedingt dafür ausgelegt sind, drei Personen zu ernähren.
Versuche, dich irgendwie nützlich zu machen und deine Schuld 'zurückzuzahlen'.
Ob du mit Aloy Beeren und Wurzeln sammeln gehst, dich an der Jagd versuchen willst oder etwas völlig anderes machen möchtest wie zB Feuerholz sammeln und hacken, ist dir überlassen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sas-_-
2023-12-19T22:07:12+00:00 19.12.2023 23:07
🐟

Uff, Töten kann ich auch so überhaupt nicht, da kann ich direkt mitfühlen >.> Ich weiß noch, wie der dusselige Hund meiner Mutter eine Maus ausgebuddelt und angebissen hat. Und wir haben's nicht fertig bekommen, das arme Tier zu erlösen. Und dann hat es mich gebissen (logischerweise) und ich hab sie irgendwohin geschleudert ... Eh, darf man eig. keinem erzählen 🙈
Und ja, als du dann da so rumhantiert hast um zu sehen, ob du den Baumstamm treffen wirst oder nicht, war ich gedanklich längst am Schreien, dass du deinen Pfeil damit kaputt machen wirst XD

Schönes Kapitel 💜

LG
🐠
Antwort von:  Charly89
25.12.2023 23:33
Ich freu mich, dass offenbar nicht der einzige Mensch bin, der ein Problem mit dem Töten hat 😅 ich hatte Angst, dass das hin und her und zögern einfach nur nervig ist 🙈

Der Gedanke das der Pfeil kaputt geht, kam mir tatsächlich erst beim Schreiben und da ich ein ehrlicher Insert bin, habe ich es so gelassen 🙈


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