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Mein Weg zu Dir

von

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Tai

Als ich drei Stunden später nach Hause komme, ist mir fast klar, dass Mimi schon weg ist. Die zwei leeren Teller auf dem Tisch verraten mir, dass sie sogar ziemlich lang auf mich gewartet haben muss.

»Ihr habt zusammen gegessen?«, frage ich Matt zur Begrüßung, der auf dem Rücken auf dem Sofa liegt. Die Beine überkreuzt, zappt er sich durch das abendliche Fernsehprogramm.

»Jop, Mimi hat gekocht«, antwortet er, ohne mich anzusehen. »Eigentlich für dich, aber … du warst ja nicht da.«

Ich fahre mir durch die Haare und seufze. »Ich weiß. Tut mir leid. Ich hatte … was wichtiges zu erledigen.«

»Bei mir musst du dich nicht entschuldigen«, sagt Matt träge und gähnt. Ich beiße mir auf die Unterlippe und traue mich beinahe nicht, zu fragen.

»War sie sehr sauer?«

Matt entfährt ein Lachen. »Was denkst du denn?«

Ja, was denke ich denn? Ich kenne Mimi schließlich. Natürlich war sie sauer. Und nachdem ich sie zwei Mal wegdrücken musste, als sie angerufen hat, war sie wahrscheinlich fuchsteufelswild. Scheiße, ich wollte sie doch nicht absichtlich versetzen. Das muss ich unbedingt klarstellen.

»Okay, na ich hoffe, es war wenigstens lecker«, sage ich frustriert und deute hinter mich. »Ich verzieh mich in mein Zimmer.« Ich drehe mich um und will gehen, doch plötzlich schaltet Matt den Fernseher aus und richtete sich auf.

»Warte mal, Tai«, sagt er und ich sehe ihn fragend an.

»Was ist?«

»Ist dir eigentlich klar, dass du heute echt Mist gebaut hast?«

»Wie bitte?«

Matt dreht sich ein Stück weit zu mir um und sieht mich jetzt endlich an. »Mit Mimi. Keine Ahnung, warum du nicht aufgetaucht bist, aber das war scheiße.«

»Wow«, entgegne ich und verschränke die Arme vor der Brust. »Danke, dass du diese offensichtliche Tatsache noch mal klargestellt hast. Meinst du, ich habe sie mit Absicht versetzt?«

Matt zuckt mit den Schultern. »Hey, ich will mich in euer Ding nicht einmischen, okay?« Bei dem Satz macht er mit den Fingern zwei Hasenohren, woraufhin ich die Stirn runzle. Was denn für ein Ding? »Ich meine nur, dass sie dich heute echt gebraucht hätte. Ich weiß nicht, ob du bei Sora warst oder wo auch immer …«

»Ich war nicht bei Sora«, fahre ich wütend dazwischen, aber Matt hört mir gar nicht zu.

» … aber Mimi ist deine Freundin und zur Zeit behandelst du sie nicht so, wie sie es verdient hätte. Du vernachlässigst eure Freundschaft.«

Fassungslos klappt mir der Mund auf. Hat er das gerade wirklich gesagt?

»Muss ich mir gerade ernsthaft Beziehungstipps von dir anhören? Ausgerechnet von dir?«, entgegne ich sauer, weil ich nicht weiß, was das jetzt plötzlich soll. Matt mischt sich sonst nie in meine Angelegenheiten ein. Er lässt mich machen und ich lasse ihn machen. Wir haben beide unsere eigene Art, mit bestimmten Dingen umzugehen und das ist okay. Dass er gerade versucht, mich zurechtzuweisen, was Mimi betrifft, ist völlig unangebracht. Matt ist nicht gerade für seine innigen Freundschaften zum weiblichen Geschlecht bekannt.

»Ich werde mich vor dir nicht rechtfertigen«, sage ich und merke selbst, wie feindselig das klingt.

Matt zuckt desinteressiert mit den Schultern. »Musst du nicht, man. War nur ein kleiner Hinweis.« Dann legt er sich wieder hin und schaltet den Fernseher ein. Ich sage nichts mehr dazu, sondern verschwinde stattdessen in mein Zimmer. Ich schmeiße mich aufs Bett und starre die Zimmerdecke an. Eins kann ich Matt jedoch nicht verübeln: er hat recht. Dass ich Mimi versetzt habe, war scheiße. Und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen deswegen. Mir ist durchaus klar, dass sie mir in den letzten Wochen ganz bewusst aus dem Weg gegangen ist. Auch, wenn sie es abstreitet und behauptet, es wäre nicht so. Ich weiß, dass sie ein Problem hat und ich denke, dass Sora etwas damit zu tun hat. Obwohl das überhaupt keinen Sinn ergibt. Wieso sollte Mimi eifersüchtig auf ihre beste Freundin sein? Sie will schließlich nichts von mir. Und ich nicht von ihr. Zumindest rede ich mir das ein. Einfach, damit es sich besser anfühlt.

Egal. Das kann ich später mit ihr klären. Zuerst einmal muss ich wieder in Ordnung bringen, was ich heute verbockt habe. Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und wähle ihre Nummer.

Es tutet genau zwei Mal, dann verschwindet das Signal.

Was …?

Verwirrt betrachte ich das Display und wähle gleich noch mal.

Diesmal tutet es nur ein Mal und wieder wird die Verbindung unterbrochen.

Stirnrunzelnd schaue ich auf mein Handy. Hat sie mich gerade weggedrückt?

Wow. Sie ist nicht nur sauer, sondern stinksauer. Ich schreibe ihr eine Nachricht.
 

»Bitte geh ran. Es tut mir wirklich leid!«
 

Ich sehe, dass sie sie liest und dann … geht sie offline.

Wirklich, Mimi Tachikawa? Du strafst mich mit Missachtung? Oh, man. Falls ja, kann sie das verdammt gut. Und es wirkt. Prompt fühle ich mich noch mieser als ohnehin schon. Anscheinend habe ich echt ihre Gefühle verletzt. Ich bin so ein Idiot.

Ich schicke ihr noch weitere Nachrichten, doch sie antwortet auf keine von ihnen. Frustriert rolle ich mich auf die Seite und umklammere mein Kissen. Diesmal hab ich's richtig verbockt.
 

Am nächsten Tag mache ich Nägel mit Köpfen. Da Mimi bisher auf keine meiner Nachrichten und Anrufe reagiert hat, fahre ich gleich am Morgen zu ihr. Ich habe echt keine Lust darauf, dass diese Sache zwischen uns steht. Es ist gerade ohnehin schwierig mit uns und ich will ihr wenigstens erklären, was gestern los war.

Ich parke direkt vor ihrem Wohnblock. Gerade, als ich die Eingangstür durchqueren möchte, wird sie von innen aufgestoßen und knallt mir beinahe an den Kopf. Ruckartig springe ich zurück und hebe abwehrend die Hände.

»Woah, immer langsam, Prinzessin.«

Mimi steht vor mir und sieht mich einen Moment lang irritiert an. Dann blinzelt sie und ihre Miene verhärtet sich.

»Können wir das noch mal machen? Noch mal von vorne?«

»Was noch mal machen?«, frage ich.

»Das mit der Tür? Ich gehe einfach noch mal rein und du bleibst genau da stehen. Vielleicht erwische ich dich dann richtig.«

Sie zuckt nicht mal mit der Wimper, während sie mir damit droht, mir die Tür vor den Latz zu hauen. Au backe. Ich habe echt Buße zu tun. Also lege ich den Kopf schief und stecke die Hände in die Hosentaschen meiner Jeans.

»Na ja, wenn es dir dann besser geht …«

Kurz sieht sie mich an, als würde sie überlegen. Dann geht sie einfach an mir vorbei. »Nein, wahrscheinlich nicht«, sagt sie und lässt mich eiskalt abblitzen.

Ich seufze, ehe ich kehrt mache und ihr hinterher gehe.

»Okay, schon klar. Das habe ich verdient. Wirklich«, sage ich an ihren Rücken gewandt. »Aber darf ich es dir wenigstens erklären?«

»Nein. Ich will es nicht hören«, antwortet sie knapp. Mein Magen zieht sich zusammen.

»Mimi, bitte. Es gab einen Grund dafür, dass ich gestern nicht nach Hause gekommen bin. Ich war nämlich …«

Plötzlich dreht sie sich so abrupt zu mir um, dass ich fast gegen sie pralle. Wütend sieht sie zu mir auf.

»Sag mal, bist du taub? Ich will es nicht wissen.«

»Aber …«, stammle ich und sehe sie flehend an. » … es war wirklich wichtig.«

»Oh, man«, meint sie und reibt sich den Nasenrücken. »Was war denn so wichtig, hm? Ist deine Mutter mit ihrem Lover durchgebrannt?«

»Was? Nein! Meine Mutter hat keine Affäre.«

»Wie schön für dich. Liegt dein Vater mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus?«

Entrüstet starre ich sie an. »Was redest du denn da? Nein, natürlich nicht.«

»Gut«, sagt sie und wendet sich wieder ab, um weiter zu gehen. »Meiner aber schon, deshalb muss ich jetzt auch los. Tut mir leid, dass ich gerade keine Zeit für deine Beziehungsprobleme habe.«

Beziehungsprobleme?

»Halt, Moment mal«, sage ich und halte sie am Handgelenk fest. Sie wirbelt zu mir herum und ich sehe ihr fest in die Augen.

»Denkst du, ich habe dich für Sora versetzt?«

Mimi erstarrt unter meinen Blicken. Ihr Gesicht spricht Bände.

»Für wen denn sonst, Tai?«, antwortet sie giftig. »Das tust du doch in letzter Zeit ständig. Du ziehst sie mir vor.«

Ich lache frustriert auf. »Das wirfst du mir vor? Sie ist meine Freundin.«

Mimi’s Augen verengen sich zu zwei schmalen Schlitzen und ich weiß, das hätte ich eben besser nicht gesagt. Ich bin so dumm.

Sie reißt sich von mir los. »Danke, dass du mich daran erinnerst.«

»Oh, Prinzessin«, sage ich und fahre mir gestresst durch die Haare, weil ich mir furchtbar dämlich vorkomme. »Tut mir Leid, was ich eben gesagt habe. Darum geht es doch auch gar nicht. Ich wollte mich einfach nur bei dir entschuldigen. Ich habe mich gestern Abend echt mies gefühlt, weil ich nicht bei unserem Treffen aufgetaucht bin und tue es immer noch. Und ich würde mir wirklich wünschen, dass du mir verzeihst. Das ist alles.«

Mimi steht vor mir, die Arme vor der Brust verschränkt und tippt unruhig mit den Zehenspitzen auf dem Asphalt. Bittend sehe ich sie an, bis sie endlich die Augen verdreht.

»Okaaay«, sagt sie gedehnt. Ich lächle vorsichtig.

»Wirklich? Du verzeihst mir?«

»Jaah, und jetzt hör auf zu nerven«, antwortet sie, während mir ein kleiner Stein vom Herzen fällt. Ich bin echt froh, dass Mimi kein nachtragender Mensch ist. Sie hatte zwar allen Grund auf mich sauer zu sein, aber sie weiß genauso gut wie ich, dass ich nicht ohne sie kann. Und sie nicht ohne mich.

»Wir können später reden, wenn du möchtest«, schlägt sie versöhnlich vor und schaut dann auf ihre Armbanduhr. »Aber jetzt muss ich echt los.«

Sie dreht sich um und will gehen.

»Halt, warte mal«, sage ich schnell. »Hast du nicht eben was von Krankenhaus gesagt und dass du da hin musst?«

»Ja, schon …«

»Ich kann dich fahren, wenn du willst«, schlage ich ihr vor. »Dann können wir auf der Autofahrt reden.«

Mimi legt den Kopf schief und überlegt. Schließlich nickt sie. »Okay, das ist eine gute Idee.«

Ich nicke glücklich, sprinte an ihr vorbei und halte ihr die Autotür auf. Sie kichert.

»Du musst es nicht gleich übertreiben.«

»Doch, ich muss Buße tun, für das, was ich verbockt habe.«

Lachend schüttelt Mimi den Kopf, während sie einsteigt und sich anschnallt. Wir fahren los und ich sehe aus dem Augenwinkel, dass Mimi ihre Hände im Schoß knetet und aus dem Fenster sieht. Sie ist nervös.

»Also«, sagt sie schließlich und ich höre die Unsicherheit in ihrer Stimme. »Was war gestern los? Warum hast du dich nicht gemeldet?«

Ich atme hörbar aus, als ich an den gestrigen Abend zurückdenke. Das war kein schöner Abend und ich hätte ihn tausend Mal lieber mit Mimi verbracht, so viel steht fest.

»Ich war auf einer Party«, sage ich. Mimi’s Kopf schnellt zu mir herum.

»Du versetzt mich wegen einer Party? Wow, Tai. Das ist …«

»Nein«, würge ich sie sofort ab und schüttle energisch den Kopf, während ich an einer roten Ampel anhalte. Dann sehe ich sie an. »Ich war wegen Kari dort. T.K. hat mich angerufen. Er sagte, Kari wäre bei Freundinnen und als er mit seinen Kumpels dazugestoßen ist, war sie schon total betrunken. Sie hat sich einfach mit ihnen zulaufen lassen und war nicht mehr ansprechbar. Ich musste einfach da hin und sehen, ob es ihr gut geht.«

Mimi’s Augen weiten sich, als ich es ihr erzähle. Die Ampel springt wieder auf grün und ich fahre weiter.

»Aber warum hat sie das gemacht? Und wie geht es ihr jetzt? Oh mein Gott.« Sie schlägt sich die Hände vor den Mund. »Haben eure Eltern was mitbekommen? Sie hat sicher einen riesen Ärger gekriegt.«

Ich schüttle den Kopf und lege einen gequälten Gesichtsausdruck auf. »Nein, zum Glück haben sie nichts mitbekommen. Ich konnte sie unbemerkt ins Haus schaffen. Als du mich angerufen hast, war ich gerade mit ihr im Badezimmer und habe ihre Haare gehalten, weil sie sich die Seele aus dem Leib gekotzt hat. Tut mir ehrlich Leid. Ich hätte dir gerne eine Nachricht geschickt, was los war, aber dazu hatte ich keine Zeit. Kari hat mich gestern gebraucht.«

Ich werfe einen Blick zu Mimi. Sie nickt verständnisvoll.

»Ich weiß, Tai. Ich finde es wunderbar, dass du immer für deine kleine Schwester da bist und dich so um sie sorgst, dafür liebe ich dich.«

Ich schlucke schwer und halte die Luft an. Hat sie gerade bemerkt, was sie da gesagt hat?

»Aber ich verstehe es nicht. Kari hat sich noch nie voll laufen lassen oder überhaupt etwas Verbotenes getan. Sie ist noch minderjährig und sollte sich nicht auf Partys rum treiben, wo so viel Alkohol ausgeschenkt wird und kein Erwachsener dabei ist.«

Seufzend atme ich wieder aus. »Wem sagst du das? Ehrlich gesagt frage ich mich, was in letzter Zeit in sie gefahren ist. Manchmal erkenne ich sie gar nicht mehr wieder. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sie so langsam erwachsen wird und ihre Grenzen neu austesten will. Vielleicht will sie auch cool sein und dazu gehören. Aber für diese Aktion gestern gibt es keine plausible Rechtfertigung. Du hättest sie mal sehen müssen, Mimi. Sie war wirklich komplett zugedröhnt. So habe ich sie noch nie gesehen. Sie hat Dinge gefaselt …« Verwirrt schüttle ich den Kopf, doch Mimi wird hellhörig.

»Was denn für Dinge?«

»Keine Ahnung. Sie hat nicht in ganzen Sätzen gesprochen. Es waren immer nur kleinere Wort-Fetzen, die sie vor sich hin gemurmelt hat, als ich sie nach Hause gefahren habe. Irgendwas von wegen … Sie wäre selber Schuld. Und sie hätten sie ja gewarnt. Und dass sie irgendwas nicht mehr rückgängig machen könne. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hatte. Oder ob sie sich da nur was in ihrem Alkohol-Wahn zusammengesponnen hat.«

Mimi runzelt die Stirn und beißt sich auf die Unterlippe. Sie denkt offensichtlich nach, zieht dann jedoch die Schultern hoch und richtet ihren Blick wieder aus dem Fenster.

»Wer weiß. Ich hoffe nur, dass das nicht noch mal passiert. Hoffentlich geht es ihr heute so schlecht, dass sie nie wieder daran denkt, sich so abzuschießen.«

Ich lache gequält auf. »Oh ja, glaub mir, das tut es. Sie hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben, dass sie Mama und Papa gesagt hat, sie wäre krank und jetzt wird sie den ganzen Tag im Bett bleiben. Mit den schlimmsten Kopfschmerzen, die sie jemals hatte.«

Mimi und ich verkneifen uns ein Lachen. So schlimm diese Situation gestern auch war … ich hoffe, es wird Kari eine Lehre sein. Exzessives Feiern passt einfach nicht zu meiner Schwester. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es einen guten Grund dafür gab, dass sie sich so hat gehen lassen. Aber das wollte ich jetzt nicht mit ihr besprechen. Im Augenblick hat sie genug mit sich selbst zu tun.

»Also«, sage ich schließlich, als ich auf den Parkplatz des Krankenhauses fahre und den Motor abschalte. Dann lege ich einen Arm über Mimi’s Sitz und wende mich ihr zu. »Erzählst du mir jetzt, warum wir hier sind? Was ist vorgefallen?«

Mimi beißt sich auf die Unterlippe und versucht meinem Blick auszuweichen. Allein das verrät mir, dass es ziemlich übel sein muss. Im selben Moment versetzt es mir einen Stich ins Herz, weil sie mir bis jetzt nichts davon erzählt hat. Warum nur? Sie weiß doch, dass sie mir immer alles anvertrauen kann.

»Es ist einiges passiert in den letzten Tagen, Tai«, sagt sie geknickt und faltet die Hände in ihrem Schoß. »Mein Vater hatte einen Nervenzusammenbruch, als er von der Schwangerschaft meiner Mom erfahren hat. Anscheinend ist er durchgedreht und hat sich so sehr betrunken, dass sie ihn mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert haben. Das war an dem Abend neulich, als wir auf dem Konzert waren. Nachdem ich die Bar verlassen hatte, habe ich einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen und bin sofort hergefahren.«

Meine Augen weiten sich, während sie mir das erzählt. Ich greife nach ihrer Hand und drücke sie fest. Mit geröteten Augen sieht sie mich an.

»Das tut mir Leid, Mimi. Ehrlich. Ihr habt es nicht verdient, noch mehr durchmachen zu müssen, als ohnehin schon.«

Mimi nickt und versucht angestrengt, die aufkommenden Tränen wegzublinzeln.

»Ich fühle mich so schuldig, Tai.«

»Warum? Du kannst doch nichts dafür.«

»Aber ich war es, die meinem Dad von der Schwangerschaft erzählt hat.«

Schnell schüttle ich den Kopf. Glaubt sie ernsthaft, sie hat etwas mit seinem Zustand zu tun?

»Nein, Mimi. Das ist Blödsinn, dass es deine Schuld war. Dein Dad hätte es ohnehin irgendwann erfahren. Wenn nicht von dir, dann von deiner Mutter. Und in beiden Fällen wäre es wahrscheinlich so geendet. Nicht du hast ihm den Boden unter den Füßen weggerissen, sondern diese Neuigkeit. Es waren einfach die Umstände, nicht du. Verstehst du?«

Mimi nickt wieder und jetzt rollt ihr doch eine Träne über die Wange, die sie jedoch schnell wegwischt. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Immer versucht sie, die Starke zu sein und keine Schwäche zu zeigen. Nicht mal vor mir. Dabei weiß ich genau, wie es in ihrer Seele aussieht. Sie braucht einen Anker, an dem sie sich festhalten kann. Sonst wird sie irgendwann ertrinken.

»So was Ähnliches hat mein Dad auch gesagt«, meint sie dann lächelnd. Dann atmet sie schwer aus. »Es ist nur … ich versuche irgendeinen Schuldigen dafür zu finden, was passiert ist. Aber ich kann es einfach nicht. Weil wir irgendwie alle daran schuld sind, dass es so gekommen ist. Mein Vater hat sich nicht im Griff. Meine Mutter ist eine verlogene Heuchlerin. Und ich stehe da und versuche ständig zu retten, was noch zu retten ist und mache dabei alles nur noch schlimmer. Das ist echt scheiße.«

Eine weitere Träne rollt über ihr Gesicht und diesmal ziehe ich sie an mich und nehme sie in den Arm. Ich kann es wirklich nicht ertragen, wenn sie weint. Außerdem überkommt mich jetzt erst recht das schlechte Gewissen. Matt hatte vollkommen recht: Mimi hätte mich gestern gebraucht. Die ganzen letzten Tage hätte sie mich gebraucht, doch ich war nicht für sie da. Weil sie mich an ihrem Kummer nicht hat teilhaben lassen. Weil sie offensichtlich denkt, dass sie nicht mehr an erster Stelle bei mir steht. Dass ich keine Zeit mehr für sie habe.

»Hey, hör mir mal zu«, sage ich schließlich, während sie an meiner Brust schluchzt. Ich nehme ihr Gesicht in beide Hände, damit ich in ihre verweinten, haselnussbraunen Augen sehen kann. Die Augen, die ich so sehr liebe.

»Ich möchte nie wieder, dass du so etwas Dummes tust.«

Verwirrt sieht sie mich an. »Was?«

»Du hast dich nicht bei mir gemeldet. Kein einziges Mal«, sage ich mit Nachdruck, damit sie versteht, wie ernst es mir ist. »Du hättest mich gebraucht, als deinen Freund. Und ich wäre für dich da gewesen. Aber du scheinst zu glauben, dass ich das nicht mehr kann. Für dich da sein. Aber das ist Blödsinn, Mimi. Hörst du? Blöd-sinn!«

Immer noch irritiert von meinen Worten sieht sie mir in die Augen. Aber auf meinen Lippen legt sich langsam ein sanftes Lächeln. Ich will, dass sie das begreift.

»Mimi, wenn du mich brauchst, werde ich immer für dich da sein. Ich werde sofort alles stehen und liegen lassen und von mir aus ans andere Ende der Welt für dich reißen. Nur um dich in den Arm zu nehmen. Also hör auf, zu denken, dass du ständig all deine Sorgen mit dir alleine ausmachen musst. Du bist keine Einzelkämpferin. Das warst du noch nie und das musst du auch nicht sein. Denn ich werde immer da sein, um dich aufzufangen, wenn du fällst. Das verspreche ich dir.«

Erneut steigen ihr Tränen in die Augen. Doch sie nickt. Mein Herz weitet sich bei diesem Anblick, denn ich habe jedes Wort genau so gemeint, wie ich es gesagt habe. Mimi wird immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben bleiben. Egal, ob sie nun dasselbe für mich empfindet, wie ich für sie oder nicht. Das spielt gar keine Rolle.

»Danke, Tai«, wispert sie und ich ziehe sie noch ein mal in eine feste Umarmung. Ich spüre, wie ich ihre Nähe mehr als alles andere genieße und wie ich nicht mal den Hauch eines schlechten Gewissens deswegen habe.

»Kein Problem, Prinzessin. Immer wieder gern.«

Nach einer Weile seufzt sie erleichtert auf und ich drücke ihr einen Kuss aufs Haar.

»Wollen wir jetzt deinen Dad abholen?«

Mimi schenkt mir ein dankbares Lächeln, das Aufrichtigste, das ich je gesehen habe.

»Ja, sehr gerne.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Linchen-86
2022-07-17T19:39:43+00:00 17.07.2022 21:39
Tai,
irgendwie hab ich mir gedacht dass es mit Kari zu tun hat, ABER: Wir alle nutzen dich immer unser Handy , immerhin hatte er es benutzt als er von T.K angerufen wurde und genau in dem Moment hätte er Mimi schon mal Bescheid geben können...

Na ja, Männer denken von hier bis zur Haustüre und nicht weiter und Tai, na ja er ist halt Tai 🤪

Matt hat richtig Mimi in Schutz genommen, das fand ich echt gut und irgendwie hab ich das Gefühl, dass er sie mittlerweile ein bisschen mag...

Dabei könnte Tai doch alles haben... Ich glaube ihm zwar, dass er immer für Mimi da sein will, aber ob Sora das so toll findet, wage ich sehe zu bezweifeln.

Wie heißt es so schön: Jungs und Mädels können nicht einfach nur befreundet sein...
By the May, meiner war zu Schulzeiten auch mein bester Freund 🤪😉
Antwort von:  Khaleesi26
17.07.2022 23:26
Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen für unser Michi Pärchen 😃❤️

Wir gehen mal stark davon aus, dass Sora nicht ganz fein sein wird damit, allerdings wusste sie das vorher. Ist ja nichts Neues für sie, dass Mimi nun mal die beste Freundin ist und einen großen Platz in Tais Leben einnimmt. Muss sie mit leben oder auch nicht 😃

Kann schon sein, dass Matt sie inzwischen auch ein bisschen mag 😏 werden wir noch sehen :)

Und ey… ganz ehrlich… wäre total typisch für meinen Mann 😂 manchmal ruft er mich total grundlos an und wenn es wichtig wäre, Sitz ich da und denke: wo bleibt der? Kann der sich nicht mal melden? 😅 Männer halt 👀

Danke für deine ganzen Kommentare, Liebes. Und ich kann mir sehr wohl gut vorstellen, wen du in der Geschichte so gar nicht leiden kannst. Und glaub mir: das wird auch nicht besser werden! 😂

Küsschen 😘
Von:  Hallostern2014
2022-07-15T22:12:08+00:00 16.07.2022 00:12
Da bin ich 🤣. Auch wenn ich jetzt schon etwas müde werde, wollte ich dieses Kapitel noch unbedingt kommentieren.

Armer Tai ? Nein, er hat das Curry nicht verdient und auch nicht das Mimi an ihr Handy ran geht. Er hat selbst schuld. Und Matts Standpauke hat er auch verdient. Wobei wenn dieser wüsste welches Angebot er Mimi gemacht hatte 🤣. Aber ich finde Tai war schon sauer das Matt den Abend wohl mit Mimi verbraucht hatte. Kam jedenfalls etwas so rüber.
Und wie gesagt, ich kann verstehen das Mimi ihn weggedrückt hatte.

Na, dass er zu Mimi gefahren finde ich eine gute Idee So könnte sie nicht abhauen. Naja aber die dafür die Tür fast gegen den Kopf schlagen 🤣. Hätte er sich verdient gehabt. Man merkt aber auch das es Tai wirklich leid tut, dass er sie einfach sitzen gelassen hat. Aber Mimis Wut kann man auch verstehen. Ich meinte sie wartet extra und er bringt es einfach nicht hin um zu schrieben das er später zurück ruft. Hat er eigentlich gemerkt, dass er sie genau das wegen seine Eltern gefragt hatte was genau bei ihr der Fall war ? Wie Tai reagiert als Mimi Sora Abgesprochen hat. Einfach gemein.

Tai kann froh sein das Mimi nicht lange böse auf ihn sein kann. Beide reden endlich. Und das Tai Mimi fährt ihr eine sehr gute Idee. Denn so kann keiner die beiden stören. Vorallem keine Sora. Als du gelesen hattest das er auf eine Party war und deswgen nicht kommen dachte, okay warum ist eine Party wichtiger als Mimi. Aber dann kam es mit Kari und ich dachte Scheiße warum hat sie es gemacht? Nun war aber klar warum er Mimi versetzt hatte. War aber dennoch der Falsche Weg. Er hätte ihr schon Bescheid sagen müssen als er zur Party fuhr evtl hätte Mimi ihn ja helfen können.

Ich glaube nicht das Mimi gemerkt hatte das sie sagte dafür ich Liebe dich. Ich glaube auch eher das er es hier auch wieder falsch aufnimmt dennoch hoffe ich das er sie darauf nochmal anspricht. Nach dem sie ihren Dad sicher nach Hause gebracht haben

Nun konnte sich Mimi auch endlich Tai anvertrauen. Wurde auch Zeit. Ich bin so froh, dass er ihr genau das gleiche gesagt hatte wie ihr Vater. Sie ist nicht Schuld. Das sind andere aber nicht sie. Hauptsächlich ihre Mutter. Tai kann so süß sein. Er geht echt Liebevoll mit Mimi um. Ohman kann er nicht jetzt sofort wiede Single sein. So kann er 100% für Mimi da sein. Weil ich glaube nicht das er sein Versprechen halten kann. Denn da ist ja eine Hexe die ihn verzaubert und er dadurch Mimi vergisst. Bzw dafür Sorgt, dass er zu Mimi fährt bzw sie zu ihn.
Und das macht mich jetzt schon wütend.

Ich bin aber so gespannt wie es mit Mimis Dad weiter bzw was im nächsten Kapitel kommt.

So nun bin ich aber endgültig Müde 🤣. Danke nochmal das ich die Kapiteln von dir Persönlich hören konnte 😘😘😘❤
Antwort von:  Khaleesi26
16.07.2022 11:18
Jap, das hatte Tai sich wohl anders vorgestellt. Findet er natürlich nicht so schön, dass nur Matt an seiner Stelle für Mimi da war. Wenn der wüsste, dass sein bester Freund ein Auge auf Mimi geworfen hat... ;D

Ich denke auch, dass Tai zu Mimi gefahren ist war eine gute Idee. Aber er hatte ja auch keine andere Wahl, weil sie ihn ja ignoriert hat. Nur der Kommentar über Sora/ meine Freundin war echt fies. Aber hat er ja auch gleich selbst gemerkt.

Ja, wirklich gut, dass die beiden sich etwas ausgesprochen haben, das war wohl nötig. Nur, ob Tai sich da nicht etwas zu viel versprochen hat? Wenn beide Frauen an seinen Armen ziehen, zu wem wird er wohl gehen? Wer hat dann Priorität? Eine von beiden wird definitiv wieder sauer oder verletzt sein. Na mal sehen, wie lange das gut geht...

Die nächsten Kapitel werden es zeigen... :D
Von:  Ariana
2022-07-15T16:45:51+00:00 15.07.2022 18:45
Tai, Tai, Tai … deiner Fürsorge allen ehren, aber hattest du wirklich nicht mal eine Minute Zeit gehabt, um Mimi zu schreiben, dass du Kari abholen musst, weil sie besoffen ist und du den Rest dann später erzählst? Das wären vielleicht so 10 Wörter, die man in jeder App diktieren kann. Also du kannst soooo froh sein, dass sie so lieb ist und dir nicht wirklich die Türe ein paar mal in die Visage gehämmert hat.
Ich finde es super, dass er Rüge von Matt bekommen hat 😁

Es ist ein bittersüßer Nachgeschmack, so wie Tai mit Mimi geredet und ihr quasi die heile Welt versprochen hat. Immer für sie da zu sein und für sie alles stehen und liegen zu lassen, wenn sie ihn braucht. Tja… was wird Sora denn dazu sagen, wenn Mimi jede Minute Tai schreibt und ihn nach einer halben Stunde zu sich bestellt. Haha Ärger im Paradies? Stress mit Freundin ist bestimmt noch milde ausgedrückt und er würde den Spagat zwischen ihr und Mimi nicht schaffen. Aber da müsste die Dumpfbacke 2.0 wissen, welche Person für ihn nun mal vorgeht und das kann ganz klar nur Mimi sein. Ich meine, sie hat ihn praktisch zuerst angeleckt.
Pfff… er hat es zwar geschafft, sie und auch MICH etwas milde zu stimmen, aber ICH bin im Gegensatz zu Mimi ziemlich nachtragen. Aber nur bei ihm 😂
Ich wäre ja noch immer für das Abführmittel… du weißt ne 😁

❤️
Antwort von:  Khaleesi26
16.07.2022 11:05
xD Sie hat ihn zuerst angeleckt, hahaha!!!
Aber wo du recht hast ...
allerdings denke ich auch, dass dieser Spagat schwierig wird. Freundin und beste Freundin unter einen Hut kriegen, ohne, dass eine sich vernachlässigt fühlt oder eifersüchtig ist? Schwere Aufgabe, Tai. Da hat er sich viel vorgenommen und er wird auch schnell merken, dass das so natürlich nicht funktioniert ;P
Und ob Mimi das wirklich ausreicht?? Nur Freundschaft? Das ist auch noch eine gute Frage.

Das Abführmittel hat's dir angetan, oder :D Armer Tai! Dabei gibt er sich doch solche Mühe xD

Bis zum nächsten Mal :* :D


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