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Trick or Treat

eine Halloween-Kurzgeschichte
von

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Pumpkin

Ich bin immer noch durch den Wind. Selbst am nächsten Tag noch. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühle mich in dem Haus nicht mehr sicher. Erst recht nicht, seitdem Matt hier gewütet und seine dunkelste Seite ausgelebt hat. Jedes Zimmer sieht zum fürchten aus, überall hängen Spinnweben und irgendwelche grusligen Fratzen. Hier und da hat er sogar mit Kunstblut rum geschmiert, was mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagt, wenn ich dran vorbei gehe.

Mist, ich hasse mich dafür, dass ich mich darauf eingelassen habe. Eigentlich habe ich kein Problem mit Halloween, aber inzwischen beschleicht mich das Gefühl, langsam wahnsinnig zu werden. Innerlich werde ich immer unruhiger, als würde bald etwas Schlimmes auf uns zustoßen. Es fühlt sich wie eine Vorahnung an.

Als ich in die Küche komme, erwartet mich bereits der nächste Schrecken. Kürbisse.

»Oh, hallo, Mimi«, begrüßt Matt mich, der gerade dabei ist, einem großen Kürbis ein hässliches Gesicht zu verpassen. Dann hält er mir ein scharfes Messer hin. »Willst du mitmachen?«

Ich zische. »Du lässt dieses Jahr auch gar nichts aus, oder?«

Seine Mundwinkel zucken belustigt. »Ach, komm schon. Die sind doch harmlos.«

»Sie beißen dich schon nicht«, sagt Tais Stimme hinter mir und ich zucke zusammen, als er mir einen sanften Kuss auf den Hals drückt. Dann krempelt er sich die Ärmel hoch. »Ich löse dich jetzt ab.«

Matt drückt ihm das Messer in die Hand und geht zur Spüle, um sich die Hände zu waschen.

»Das ist gut, die anderen und ich wollten noch mal eine kleine Runde durch den Wald spazieren gehen. Möchtest du mitkommen, Mimi?«

Tais und mein Blick treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde. Hat er ihm etwa von meiner Panikattacke gestern im Wald erzählt?

»Schon gut«, lacht Matt auf, als keiner von uns beiden antwortet. »Ich kann verstehen, wenn ihr das Haus mal für euch alleine haben wollt.« Sein Grinsen sagt alles und ich bin froh, dass er nicht weiter nachfragt.
 

Kurze Zeit später haben alle das Haus verlassen, nur Tai und ich sind zurückgeblieben. Ich sitze auf einem Barhocker in der Küche, während Tai mir gegenübersteht und den Kürbis schnitzt.

»Das ist echt hässlich«, sage ich tonlos und stopfe mir ein paar Chips in den Mund. »Du hast kein Talent dafür.«

Tai grinst, lässt sich jedoch nicht beirren und macht weiter. »Dafür habe ich andere Talente«, antwortet er, ohne dabei von seiner Arbeit aufzusehen.

»So, was denn zum Beispiel? Also, mir fällt da nichts ein«, ärgere ich ihn weiter und lehne mich auf dem Küchentresen weiter nach vorne.

Nun lässt er doch von dem Kürbis ab, stützt sich mit den Unterarmen ab und kommt mir ein Stück entgegen, um mich herausfordernd anzusehen. Ein Lächeln ziert seine hübschen Lippen, was mich augenblicklich zum Schmelzen bringt.

»Ach, wirklich? Gar nichts?«

»Hmm, nö.«

»Wie frustrierend«, seufzt Tai. »Wir können gerne nach oben gehen und ich zeige dir einige meiner Talente.«

Oh ja, bitte. In meinem Bauch kribbelt es erwartungsvoll.

Tai sieht das Leuchten in meinen Augen und vermutlich werde ich auch rot, weshalb er schnell wieder auf den Kürbis zeigt. »Aber erst muss ich den hier fertig machen, sonst macht Matt MICH fertig.«

Ich lache auf. »Da versteht er keinen Spaß, was?«

Tai setzt das Messer erneut an, um den Kürbis zu vollenden. »Nicht wirklich. Halloween ist für ihn wie Weihnachten. Nur … ein bisschen grusliger.« Genau in dem Moment, als er den Satz beendet, rutscht er mit dem Messer ab und schneidet sich in die Hand. Er schreit auf und ich zucke zurück.

»Au, verdammt!«, flucht er und lässt das Ding fallen. Der Schnitt ist so tief, dass dicke Bluttropfen an der Fratze des Kürbisses hinunterlaufen. Tai stürmt zur Spüle und dreht das Wasser auf, während ich wie versteinert da sitze und auf das blutige Messer starre. Das Gesicht des Kürbisses scheint mich auszulachen, wie ein Dämon, der das alles von langer Hand geplant hat.

»Oh, Mist. Das muss vermutlich genäht werden. Ich werde nachher alleine ins Krankenhaus fahren«, sagt Tai und wickelt sich schnell ein Küchentuch um die blutende Wunde. »Kannst du mir mal den Verbandskasten holen?«

Der Anblick lässt mich nicht mehr los. Ich bin wie gelähmt. Ist das der Fluch? Weitet er sich nun sogar schon auf alle Menschen aus, die ich liebe?

»Mimi?« Tai rüttelt mich wach. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn an.

»Tai, das ist der Fluch.«

»Was? Wovon sprichst du?«

Das Küchentuch ist bereits blutdurchdrängt, doch ich kann nur an eines denken: dass ich an allem schuld bin!

»Oh, Gott. Das ist alles meinetwegen.« Ich springe vom Barhocker und fange an, panisch im Raum auf und ab zu laufen, während mein Puls rasant in die Höhe schießt. »Wir dürfen nicht mehr zusammen sein, Tai. Du darfst nicht bei mir sein. Nein, ich darf nicht bei dir sein. Ich muss mich von euch allen fernhalten.«

»Was, zum Teufel, redest du da?«

Bei dem Wort Teufel bleibe ich abrupt stehen und sehe in Tais verwirrtes Gesicht, während sich in meinem die blanke Angst widerspiegelt.

»Die Wahrsagerin hatte doch recht«, wispere ich benommen.

»Was?«

»Ich bin verflucht, Tai. Alle sind in Gefahr, wenn sie mit mir zusammen sind. Auch du!« Wieso versteht er das denn nicht?

»Mimi«, meint Tai plötzlich entrüstet und kommt auf mich zu. Ich weiche zurück, doch er packt mich an den Schultern. Schmerzerfüllt verzieht er das Gesicht, weil seine Hand so fest zudrückt, dass es selbst mir weh tut.

»Jetzt hör mir mal zu. Ich weiß, du bist gerade etwas durch den Wind und dass ich mich eben geschnitten habe, war ungeschickt von mir, aber …«

»Ungeschickt?«, wiederhole ich mit hoher Stimme. »Das war nicht ungeschickt. Das war der Fluch, der auf mir liegt. Er scheint sich auszuweiten und er verletzt dich und mich.«

Kalter Angstschweiß rinnt mir über die Stirn. Ich kann nicht mehr klar denken. Tai ist verletzt und sein Blut klebt an meinen Fingern. Gott, ich glaube, ich habe eine Panikattacke - schon wieder.

»Das ist Unsinn«, redet Tai mit fester Stimme auf mich ein.

»Woher willst du das wissen?« Wieso will er es nicht einsehen?

»Weil ich es war, der sich diesen Fluch ausgedacht hat.«

Mir stockt der Atem. Fassungslos sehe ich ihn an.

»Was?«

Wovon spricht er da?

»Mimi, das sollte alles nur ein Scherz sein, okay? Ein kleiner Halloweenstreich, nichts weiter«, erklärt Tai mir, lässt mich jedoch nicht los, sondern sieht mir stattdessen entschlossen in die Augen. »Ich habe dich zu der Wahrsagerin geschleift, weil ich es witzig fand und dir ein wenig Angst einjagen wollte. Es war … es war nicht Ernst gemeint, verstehst du? Nichts von alledem. Ich hatte vorher mit ihr gesprochen und sie dafür bezahlt, dass sie dir diesen Quatsch mit dem Fluch einredet. Ich wusste, du glaubst nicht an so was und dass du dich darüber nur lustig machen würdest. Es war einfach nur ein Scherz, Mimi.«

Mit einem Ruck reiße ich mich von ihm los. Voller Entsetzen begegne ich seinem aufgewühlten Blick.

»Was? Ein Scherz?«

»Ja, verdammt. Ein Scherz. Es sollte lustig sein, ich konnte ja nicht ahnen, dass du dir plötzlich was aus diesem Hokuspokus machst. Als ich dich dann gestern im Wald gesehen habe, wie verstört du warst, wusste ich, dass ich zu weit gegangen bin.«

»Und da kommst du nicht auf die Idee, es mir zu sagen?«

Tai stöhnt frustriert auf und fährt sich durch die Haare. »Ich dachte, du würdest dich schon wieder einkriegen, wenn du erst ein mal merkst, dass nichts weiter Schlimmes passiert und dass du nicht von Unheil verfolgt wirst. Dass du dich an den Kerzen verbrannt hast oder wir beinahe einen Unfall hatten, waren alles nur Zufälle. Dumme Zufälle, Mimi. Genauso wie das.« Er hält mir seine blutende Hand entgegen, die wirklich schlimm aussieht. Doch ich kann kein Mitgefühl mehr empfinden. Was Tai getan hat, war fies. Er hätte es mir eher sagen sollen, bevor ich fast den Verstand verliere und tatsächlich daran glaube, dass ich verflucht bin.

»Mimi, es tut mir leid«, sagt er nun eine Spur versöhnlicher und kommt auf mich zu. »Ich wollte dir nicht einen solchen Schrecken einjagen. Es tut mir leid, dass ich nicht in Erwägung gezogen habe, dass du das alles zu ernst nehmen könntest. Seit gestern Abend weiß ich, dass das falsch war. Aber ich hatte Angst, dass du sauer auf mich sein könntest, wenn ich es dir sage.«

Ich schnaufe verächtlich.

»Du hast recht. Ich bin sauer!«

Blanke Wut macht sich in mir breit und ich stürme an Tai vorbei, geradewegs auf den blutigen Kürbis zu. Dann nehme ich das Teil in beide Hände und werfe es mit aller Kraft zu Boden. Die Teile fliegen durch den Raum und klatschen gegen die Küchenschränke, so dass es eine richtige Sauerei ist.

Mir scheißegal.

Tai sieht mich entsetzt an, doch noch bevor er irgendwas sagen kann, lasse ich ihn stehen und laufe aus der Küche. Ich will nur noch weg von hier.



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