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In another life the sea is in the sky (Teil 1)

Searching for the smile of the moon
von

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Die letzten dornigen Stränge eines Alptraumes lösten sich von seinem Unterbewusstsein und zogen sich wie lichtscheues Getier eilig zurück. Yi Ling seufzte erleichtert, ob nur in seinem traumartigen Zustand oder tatsächlich, konnte er in diesem warmen, wohligen Moment nicht bestimmen. Alles was er wahrnahm, war das Gefühl von innerer Ruhe und Geborgenheit, an die er sich klammern wollte, wie ein kleines Kind an seine Mutter.
 

Dann allerdings spürte er ein nachdrückliches Ziehen in seinem Bauch, gefolgt von einem derart lauten Magenknurren, dass es ihn aus seiner Trance zu holen vermochte.
 

Wiederwillig öffnete er seine Augen, die letzten sanften Klänge einer Melodie in seinen Ohren und drehte seinen Kopf darauf in die Richtung, aus der er sie vernommen hatte.
 

Lan Zhan saß an dem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes und schaute ebenso direkt zu ihm.
 

Vor ihm eine siebenseitige Guqin aus edlem, schwarzen Holz, auf deren Saiten seine Handflächen ruhten.
 

„Seit wann kannst du sie wieder herbeirufen?“, war die erste Frage die ihm über die Lippen kam, nun wo er sich auch wieder entsann, wie dieser ihm im Wald zu Hilfe gekommen war.
 

„Seit ein paar Tagen.“ Yi Ling zog eine Schnute.
 

„Warum hast du mir das nicht gesagt?“, wollte er in einem trotzigen Ton wissen.
 

„Es schien nicht von Belang.“ Und das mochte für Lan Zhan auch tatsächlich so sein, doch konnte sich Yi Ling nicht verkneifen noch etwas mehr Drama daraus zu machen.
 

„Was heißt nicht von Belang? Lan Zhan! Sind wir nicht mittlerweile die bestesten Freunde? Und Freunde sagen sich alles. Aaaaalles! Verstanden?“
 

Lan Zhan´s Mine zeigte keine Regung als er sprach. „Bestesten ist kein Wort.“, berichtigte er seine Standpauke und schaute, als habe er noch ein weiteres Argument im Ärmel, das er dann auch prompt mitteilte.
 

„Du stinkst. Nimm ein Bad.“ Darauf erhob er sich in einer flüssigen Bewegung, ließ sein Instrument wieder verschwinden und störte sich nicht an dem geschockten Ausdruck den Yi Ling ihm auf seinen letzten Kommentar hin zuwarf.
 

„Ich lass Wen gū niang wissen, dass du aufgewacht bist.“ War alles was dieser noch sagte, bevor er die Hütte verließ.
 

Yi Ling blinzelte mehrmals, bevor er sich wieder besann und prüfend an sich schnüffelte. Mit gerümpfter Nase zog er seinen Kopf rasch zurück.
 

Er hatte ein Bad wirklich nötig.
 

„Das hättest du aber auch etwas netter sagen können!“, rief er lautstark, auch wenn ihn Lan Zhan schon nicht mehr hören sollte. Dennoch schmunzelte er, als ihm bewusst wurde, das Lan Zhan diesmal nicht abgestritten hatte, dass sie Freunde seien.
 

***
 

Die folgenden Tage verbrachte Wangji damit, etwas mehr über den Vorfall im Wald herauszufinden, nachdem ihm Yi Ling noch einmal alles darüber erzählt hatte.
 

Solch eine gezielte Jagt auf einen Menschen erschien in der Tat ungewöhnlich.
 

Man hatte darauf, der Sicherheit wegen, das Betreten des Waldes vorerst untersagt.
 

Zudem hatte jeder Bewohner einen Talisman bekommen, den, wenn man sich in Gefahr befand oder etwas Merkwürdiges mitbekam, simpel damit aktivieren konnte, indem man ihn in zwei Teile zerriss.
 

Ein Lichtsignal wurde darauf freigesetzt und man konnte zu Hilfe kommen.
 

Yi Ling hatte ebenso die Alarmbarriere um das Dorf verstärkt.
 

Dennoch blieb die Frage, was diese Aggressionen in der umliegenden Fauna ausgelöst hatte.
 

Es gab keinen Ansatz von yuàn qì, das dafür verantwortlich sein könnte.
 

Da Yi Ling ihn nicht hatte bei seinen Nachforschungen begleiten können, war Wen Ning mit ihm gekommen. Womöglich sah Yi Ling es auch als eine Möglichkeit, dass er sich dabei selbst überzeugen konnte, dass es vor Wen Ning nichts zu befürchten gab.
 

Bei jeden Schritt der sie darauf weiter in den Wald hineingeführt hatte, war zu spüren, dass man sie beobachtete. Wangji nahm das natürliche Qi wahr das von jedem Lebewesen ausging, wenn er sich darauf konzentrierte.
 

Einzig Wen Ning gab diese ominöse Aura wieder, die zwar nicht angenehm war, aber auch nicht mehr als ein behäbiges Wabern von yuàn qì darstellte.
 

Ihm war es abermals unverständlich, wie Yi Ling im Stande gewesen sein mochte, Wen Ning zu erschaffen.
 

Es war ebenso bedrückend still, genau wie es ihnen Yi Ling schon geschildert hatte.
 

Selbst die Insekten schienen sich im Verborgenen zu halten und abzuwarten.
 

Bei ihrer Rückkehr konnten sie vermelden, dass sie genauso ratlos waren wie zuvor. Nichts hatte sie angegriffen, oder anderweitig versucht sie von ihrem Weg abzuhalten oder abzubringen.
 

Es konnte aber genauso gut die Ruhe vor dem Sturm darstellen.
 


 

Wangji befand sich auf dem Weg zu Yi Ling´s Hütte, nachdem er seine Meditation für diesen Nachmittag beendet hatte.
 

Wen Ning hatte diesem eine Gehhilfe gebaut, von der jener auch eifrig Gebrauch machte, hatte dieser nach einem Tag Bettruhe schon gejammert, wie unsäglich langweilig ihm wäre. Es war wohl für jeden hier von Vorteil, dass dieser schneller heilen konnte als der normale Mensch. Allerdings hatte er es abgelehnt sich von ihm dabei mit seinem Qi helfen zu lassen und er ihn letztendlich auch nicht dazu gezwungen.
 

Yi Ling saß, wie so oft um diese Zeit, auf der kleinen Terrasse vor seiner Behausung, dass er dessen heiteres Auflachen schon von Weiten hatte hören können.
 

A-Yuan, der auf Wen Ning´s Schoß saß, leistete ihnen Gesellschaft.
 

Er betrachtete sich Wen Ning abermals etwas genauer, war dessen Existenz faszinierend, wie auch verstörend.
 

Er konnte auch nichts gegen das instinktive Unbehagen tun, wann immer er diesen mit A-Yuan sah und wie einfach es für eine xiōng shī (fierce corpse) wäre, solch ein unschuldiges und wehrloses Leben zu beenden.
 

Das Yi Ling derartiges Vertrauen in den jungen Mann hatte, sollte mit Wahnsinn gleichgesetzt werden.
 

Der hohe Kragen von Wen Ning´s Gewandt versteckte die sichtbaren, dunklen Adern, die sich an dessen Hals nach oben zogen. War dies eines der wenigen Merkmale die ihn sofort verrieten, oder wenn man es nicht besser wusste, auf jeden Fall merkwürdig erscheinen ließen.
 

A-Yuan gab ein Kichern von sich und zappelte etwas auf dessen Beinen hin und her.
 

Wangji atmete die Anspannung in sich herunter.
 

Er hoffte wirklich innständig, Yi Ling wusste was er hier zuließ.
 

Als er näher trat, fand er das Yi Ling Kleiner Apfel in seinen Armen hielt und alle vier mit gespannten Minen vor, während sie auf die zwei großen Nashornkäfermännchen schauten, die sich gerade ein Kräftemessen lieferten.
 

Bei näherem Hinschauen, war es wohl eher der Fresstrieb, der Kleiner Apfel, mit geweiteten, großen Augen so gebannt auf die Käfer starren ließ, und ihn Yi Ling deswegen wohl auch festhielt, damit er ihnen den Spaß nicht verspeiste.
 

Man hatte die Käfer auf ein Stück eines zurechtgesägten Astes gesetzt, der als Arena fungieren und von welchen die Käfer sich gegenseitig herunterbefördern sollten.
 

Einer der Käfer hatte einen roten Punkt auf seinem Panzer, um ihn von dem anderen unterscheiden zu können.
 

„Na komm schon Xiao Ling.“, meinte Yi Ling anfeuernd, auf das der Käfer mit der Markierung nun den anderen mehr an den Rand drängte. „Haha, genauso.“ A-Yuan gab ein unerfreutes Quieken von sich über dieses Schauspiel, war der andere Käfer wohl in seinem Team.
 

Für den Moment sah es so aus, als würde Xiao Ling die Runde für sich entscheiden, als sein Gegner diesen mit einem Male mit seinem Horn aushebelte, dass Xiao Ling unbeholfen mit seinen Beinen zappelte, bevor man ihn dann mit einem Ruck seitlich weg und vom Ast warf.
 

A-Yuan klatschte siegreich und mit einem freudigen Lachen in seine Hände, während Yi Ling einen Schmollmund zog und Xiao Ling wieder einsammelte.
 

Erst jetzt schien man sich auch seiner Person gewahr zu werden, hellte sich Yi Ling´s Gesicht mit einem lautstarken „Lan Zhan.“, wieder auf. Kleiner Apfel strampelte in dessen Armen, das Yi Ling ihn herunterließ und das Junge sogleich auf ihn zu gestakst kam, seine Balance stets mit seinen Flügeln ausglich.
 

Es war bereits ein Stück gewachsen, seit sie es gefunden hatten, nicht ungewöhnlich für ein überirdisches Wesen dieser Art und es erleichterte ihn, dass es sich so gut entwickelte, nach seiner Zeit in der es nur auf sich gestellt gewesen war.
 

Wangji strich ihm über den Kopf, als es diesen in einer zutraulichen Geste gegen seine Beine schmiegte, und er nun schon die Ansätze von dessen Geweih spüren konnte.
 

Wangji holte etwas von den getrockneten gǒuqǐ Beeren hervor, nun wo Kleiner Apfel auch festere Nahrung zu sich nehmen konnte, die es mit einem zufriedenen Zirpen hinterschlang.
 

Er bemerkte, dass A-Yuan ihn beobachtete, doch sobald er den Jungen ansah, verschüchtert nach unten schaute und mit seinen Händen im Stoff seines Hemdes herumnestelte.
 

Wangji schaute zu Yi Ling, der ihn mit einem Schmunzeln begegnete und mit einem Kopfzeig aufforderte wieder zu A-Yuan zu schauen. Wen Ning redete mit sanfter Stimme seinem Neffen zu, das dieser sich ruhig trauen sollte zu fragen.
 

„Lan gē ge hat bestimmt nichts dagegen.“, ermutigte ihn Yi Ling nun ebenso und Wangji fühlte sich etwas unbeholfen, ob dieser kryptischen Situation.
 

Er versuchte nicht zu ernst zu wirken, als A-Yuan ihn schließlich wieder anschaute, seine Nervosität immer noch deutlich an ihm abzulesen.
 

Er wusste, dass er recht unnahbar erschien und das es für ein Kind nicht einfach sein mochte damit immer umzugehen.
 

„Lan gē ge…“ Er stockte in seinen Worten und schaute wieder unsicher zu seinem Onkel.
 

Wangji begab sich nun in die Hocke, das er mit A Yuan auf Augenhöhe war, um ihm etwas mehr Mut zu geben.
 

„A-Yuan, was möchtest du?“, fragte er ihn geduldig.
 

Es brauchte noch einen Moment, bis dieser sich wieder traute. „Ich…ich möchte gern die Musik hören.“ Wangji war einen Augenblick überrascht über diesen Wunsch.
 

„Er hört dich manchmal auf deiner Guqin spielen und wollte gern, das du ihm einmal etwas darauf vorspielst.“, erklärte Yi Ling den Hintergrund zu dieser simplen Bitte.
 

Wangji sah kein Problem darin ihm diese zu erfüllen und nickte darauf verstehend und zustimmend.
 

„Das ist einzurichten.“ A-Yuan strahlte ihn mit kindlicher Begeisterung an.
 

Wangji setzte sich im Lotus-Sitz mit auf die Terrasse und ließ seine Guqin mit einer fließenden Bewegung vor ihm erscheinen.
 

A-Yuans Augen weiteten sich ungläubig über diese Zauberei, dass er eine Hand neugierig ausstreckte, um das Instrument berühren zu wollen, wovon ihn Wen Ning jedoch mit dem Hinweis abhielt, das es unhöflich sei, dies zu tun.
 

A-Yuan schaute enttäuscht, aber widersprach auch nicht und nickte einsichtig.
 

Wangji brachte die erste Saite in einem tiefen Ton zum Schwingen und verwob weitere zu einer leichten Melodie.
 

„Oh, das kenn ich.“, meinte Yi Ling darauf und zog seine Dizi hervor.
 

Zuerst sah sich Wangji etwas irritiert, erinnerte sich allerdings daran, sie Yi Ling einmal vorgetragen zu haben, als dieser nicht nachgelassen hatte ihn damit zu nerven ihm etwas vorzusingen.
 

Dieser schaute ihn nun mit einem spitzbübischen Ausdruck an, als wisse er genau was ihm gerade durch den Kopf gegangen war.
 

Und um ihn davon abzubringen unnötiges Getratsche von sich zu geben, begann er noch einmal von Vorn, um ihm die Möglichkeit zu geben mit seiner Flöte einzustimmen.
 

Es erinnerte ihn an die Duetts die er mit seinem Bruder manchmal gespielt hatte, doch merkte er schon kurz darauf, dass es mit Yi Ling nicht dem Fallen von sanften Schneekristallen glich, wie er es mit der Musik seines Bruders verband, sondern das Yi Ling´s Spiel, diese Melodie mit einer ihm typischen Dynamik versah, die mehr an einen quirlig, gluckernden Bach erinnerte und es ihn ein stückweit sogar überrumpelte, wie einfach er sich davon mitnehmen ließ.
 

Würde sein Onkel dieses Zusammenspiel hören, würde er es mit einem kritischen Blick allein unterbinden.
 

Musik war in den Augen seiner Abstammung etwas das einzig dazu diente den Geist zu beruhigen und zu festigen. Oder als Waffe und Hilfsmittel, wenn es eine Situation verlangte.
 

Dieser Gedanke ließ ihn beinahe innehalten, um wieder Ordnung in sein Musizieren zu bringen, doch dann schaute er auf und sah, das sie nicht mehr die Einzigen waren, hatten sich ein paar Bewohner um sie versammelt und lauschten mit zugetanen, lächelnden Gesichtern.
 

Es war das erste Mal, das er solch eine Reaktion bei denen die ihm zuhörten einfangen konnte und es ließ ein warmes und ungewohntes Gefühl in ihm zurück.
 

Ein Gefühl, das seine Musik dennoch angelangte, wo sie angelangen sollte.
 

Nicht nur der Geist suchte ab und an nach einem Balsam, sondern auch das Herz.
 

***
 

Es war zwei Tage darauf, dass erneut etwas vorfiel das, das Dorf in Unruhe und Sorge versetzte.
 

Yi Ling saß vor seiner Hütte und tüftelte an einer neuen Erfindung herum, während Lan Zhan sich mit etwas Schwerttraining beschäftigte. Er konnte seine spirituelle Waffe zwar wieder heraufbeschwören, doch verbrauchte das Handhaben weiterhin zu viel seines líng qì, das er während dieses Trainings mit einem simplen Schwert trainierte. Er meinte, dass er nur zu sehr aus seiner Form geraten würde, wenn er noch länger darauf wartete, bis er Bichen wieder zu seinem vollen Potenzial nutzen konnte.
 

Das Lan Zhan tatsächlich außer Form sei, konnte er nicht bestätigen. Ihm zuzusehen barg eine Faszination in sich, die ihn viel zu oft von seinem eigentlichen Vorhaben abbrachte, das er sich stets mit einer Ermahnung wieder davon abbringen musste.
 

Doch im Moment war sein Blick wieder, wie von selbst zu ihm hinübergedriftet, das ihm das unstete Heraneilen von A-Yuan´s Großmutter sofort auffiel.
 

Etwas musste passiert sein, war deutlich, dass sie sich für ihr hohes Alter zu sehr verausgabte um sie zu erreichen, dass er ihr sogleich entgegen kam.
 

„A-Yuan, ist verschwunden!“, teilte ihnen diese völlig aufgelöst mit, während ihr die Tränen über das vom Alter gezeichnete Gesicht liefen und sich ihre Hände in ihrer Robe festklammerten.
 

„Die anderen Suchen bereits nach ihm.“, meinte sie mit wackeliger Stimme und gab ein tiefes, bestürztes Klagen von sich. „Ich habe ihn nur einen Moment aus den Augen gelassen, um mich um das Mittagessen zu kümmern. Er ist sonst immer ein gehorsamer Junge, dass ich mir nichts dabei dachte ihn allein zu lassen.“
 

Sie sank in einem kräftigeren Weinen in sich zusammen, doch stützte Yi Ling sie sofort, und warf einen Blick zu Lan Zhan, der ihm nur kurz zunickte und sich auf den Weg machte.
 

Großmutter Wen schluchzte und er spürte das Zittern das durch ihren, sicherlich erschöpften Körper ging. Er geleitete sie zu der Treppe seiner Terrasse und ließ sie sich auf eine der Stufen setzen.
 

„Wir finden ihn. Ganz bestimmt. Mach dir keine Sorgen Granny.“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sprach sie folglich die Sorge aus, die auch Yi Ling nicht abtuen konnte.
 

„Was wenn er in den Wald gelaufen ist? Mit allem was in letzter Zeit vor sich geht. Was wenn man ihm etwas tut? Es ist so gefährlich dort draußen…“ Eine andere Frau aus dem Dorf kam zu ihnen hinüber, um mitzuteilen, dass sie ihn noch immer nicht hatten finden können, was Großmutter Wen nur noch inniger Klagen ließ. Yi Ling bat die Frau sich ihrer anzunehmen, um selbst mit suchen zu können.
 


 

„Kleiner Apfel ist ebenso verschwunden.“, ließ Lan Zhan ihn wissen und auch sein Gesicht zeigte eine tiefsitzende Sorge. Es war anzunehmen, das sich die beiden zusammen davongestohlen hatten, waren die zwei fast unzertrennlich, seit Kleiner Apfel gelernt hatte, seine langen Beine zu koordinieren und nicht weniger zu einem Wildfang geworden war, wie es A-Yuan sein konnte.
 

Yi Ling schaute in Richtung des Waldes und Lan Zhans Blick folgte ihm.
 

Seine Alarmtalismane waren nur darauf ausgelegt etwas zu erkennen, das in das Dorf hineingewollt hätte, aber nicht wenn etwas das Dorf verließ.
 

Dann allerdings zuckte eine Eingebung durch seinen Kopf und er hastete, mit einem „Ich hab eine Idee! Lan Zhan ich brauch deine Hilfe dabei.“, zurück zu seiner Hütte.
 

Lan Zhan folgte ihm auf dem Fuße.
 


 

Wangji konnte Yi Ling kurz darauf dabei beobachten, wie dieser in seinem Chaos, das dessen Hütte nie wirklich verließ, nach bestimmten Dingen suchte und dabei unentwegt etwas vor sich hinmurmelte.
 

„AH, da ist es ja!“ Er hielt einen kleinen schwarzen Stoffbeutel triumphierend nach oben, dessen Inhalt er folglich in einen Mörser aus grauem Granit schüttete. Es waren feine in Perlmutt schimmernde Fragmente.
 

„Das Drachenpferd-Ei.“, stellte Wangji für sich fest und Yi Ling nickte bestätigend.
 

„Gut, das ich etwas davon mitgenommen habe.“, meinte er, doch erklärte sich für Wangji immer noch nicht, was genau er damit vorhatte. „Könntest du das zu einem feinen Pulver für mich mahlen? Je feiner desto besser.“
 

Yi Ling wartete nicht auf eine Zustimmung, sondern setzte seine Suche sogleich weiter fort. Wangji folgte dessen Bitte sowieso, doch interessierte ihn der Nutzen.
 

„Was hast du damit vor? Und wie soll es dabei helfen A-Yuan wiederzufinden?“ Ein nachdenkliches Brummen war von Yi Ling zu hören, der gerade kopfüber in einer schweren, großen Holztruhe wühlte und dabei einen Großteil des Inhaltes ebenso auf dem Boden darum verteilte.
 

„Ich habe vor einiger Zeit versucht einen Ortungs-Zauber zu entwickeln. Lao Zhāng´s Ziegen haben die Angewohnheit sich gern davonzumachen und es ist stets mühsam sie alle wieder einzufangen oder eben zu finden.
 

Nun ja, wie mit allem ist die Theorie immer undefinierter als die Praxis.
 

Ich habe zuerst versucht, sie mit Hilfe meines líng qì, über das mentale Abtasten der Umgebung ausfindig machen zu können. Was keine Ergebnisse bringt, wenn man sein Ziel nicht klar definieren kann. Ich hatte darauf ein spezielles Siegel entworfen, welches dieses Vorgehen verstärken und verfeinern sollte, um die Tiere zu finden.“ Yi Ling seufzte matt und langgezogen, was annehmen ließ, das er immer noch enttäuscht über seine Misserfolge diesbezüglich war. Was es nur noch fraglicher für Wangji machte, warum er nun glaubte, dass es ihnen behilflich sein könnte.
 

„Das Problem lag am Ende darin, das kultiviertes Qi und natürliches Qi unterschiedliche Frequenzen besitzen. Kultiviertes Qi mag potenter sein, doch ist das natürliche Qi allumfassend, da es durch jede Lebensform fließt.
 

Ich hätte den Fluss von natürlichen Qi überblenden müssen. Zudem konnte ich immer noch nicht definieren, was genau ich finden wollte. Das Siegel machte keine Unterschiede. Es zeigte mir jedes Tier, das sich in meinem Abtastzirkel befand und dann auch nur als einfache Energiepunkte, die nur in ihrer Intensität variierten.
 

Es war somit völlig sinnlos.“ Schließlich holte er einen Stapel Pergament hervor, die er eilig durchblätterte, bevor er sich eines davon herauszog.
 

„Dann dachte ich mir jedoch, dass es mit spezifischen Verbindungen vielleicht doch noch funktionieren könnte. Wie etwas von dem Fell der Ziegen oder etwas Blut. Etwas das jedes Tier individuell erkennen würde. Ihr natürliches Qi ist zwar schwach, um damit eine Bindung zu erstellen, doch wenn sie nicht weiter als eine bestimmte Distanz entfernt waren, war es machbar.“ Er kam zu Wangji hinüber, der die Ei-Schalen nun schon zu einem gleichmäßigen Pulver verarbeitet hatte und nickte zustimmend. Dann holte er ein bauchiges Tongefäß herzu und streute etwas von dessen dunkelbraunen Inhalt in den Mörser.
 

„Es ist ein Mix aus Erde und Mineral des Berges. Es ist das tragende Medium für mein Jägerwind-Siegel.“, erklärte er ihm auf seinen fragenden Blick hin. „Es braucht die Grundsubstanz der Umgebung, um diese so effizient wie möglich abtasten zu können.“
 

Ja, das machte durchaus Sinn, sich auf diese Weise mit dem Berg zu verbinden, um die Wahrnehmung darüber auszubreiten und zu verstärken.
 

Schließlich mischte Yi Ling alles mit etwas Wasser aus einer naheliegenden Quelle zu einer dicklichen Flüssigkeit zusammen.
 

„Kleiner Apfels übersinnliches Qi, sollte es einfach machen ihn hierdurch zu finden, da ich ihn mit meinem líng qì suchen kann. Die Eierschale sollte die Verbindung zu ihm herstellen.“
 

Er rührte noch einmal die Masse durch, bevor er den Mörser Wangji wieder in die Hand drückte und ihm dazu noch einen Pinsel und das Pergament reichte, das er herausgesucht hatte.
 

„Dein Teil der Aufgabe.“, meinte er und zu Wangji´s Empörung fing dieser an sich den oberen Teil seiner Roben abzustreifen, dass er folglich mit bloßem Oberkörper vor ihm stand.
 

„Nun schau nicht so pikiert. Du lässt mich glatt denken, dass ich unattraktiv bin.“, schmollte dieser ihm zu, das es Wangji nur abtuend schnalzen ließ und er zur Seite wegschaute.
 

Der Sinn von Yi Lings anzüglichem Entblößen, so stellte sich heraus, war, das dieser Wangji bat ihm die Symbole, die sich auf dem Pergament geschrieben befanden, nach eingehender Erklärung, auf dessen Haut aufzutragen.
 

Doch zuvor hatten sie sich wieder nach draußen begeben, wo Yi Ling das angesprochene Siegel auf den lehmigen Boden zeichnete, in dessen Zentrum er sich in Lotuspose setzte. Wangji erkannte die Zeichen der fünf Elemente, die sich in gleichen Abstand zueinander aufgeschrieben befanden und am dominantesten hervortraten.
 

Unter Anweisung ließ er sich leiten, wo und wie er die Symbole aufzubringen hatte, welche sich somit von dessen Handrücken über seine Arme zogen, über dessen Hals und Gesicht hinweg. Wangji spürte dessen Aufmerksamkeit, wie etwas Physisches auf sich ruhen, auch wenn es nur darum ging, das Yi Ling sichergehen wollte, das er alles richtig machte.
 

„Lan Zhan, deine Kalligraphie ist wirklich Perfektion. Vielleicht sollte ich dich in Zukunft meine Talismane schreiben lassen.“ Yi Ling klang zur Abwechslung tatsächlich beeindruckt anstatt aufziehend, doch erwiderte er dennoch nichts auf dessen Worte.
 

Zwei weitere Symbole, eines für Weitsicht, das andere für Klarheit, trug er in kräftigen Strichen auf dessen Handflächen auf. Das Letzte Symbol bedeutete Einklang, welches er in die Mitte seines Oberkörpers setzen sollte.
 

„So groß und Kräftig wie möglich. Es ist das Zentrum das meine erweiterten Sinne zusammenfügen wird.“
 

Wangji kam nicht umhin sich etwas verspannt zu fühlen, als er sich Yi Ling´s bloße Haut betrachtete, um abzumessen, wie er das Zeichen ansetzen sollte damit es seinen Zweck so effizient wie möglich erfüllen konnte.
 

Es fühlte sich unsittlich an, doch atmete er innerlich einmal tief durch und machte sich ans Werk.
 

Es blieb nicht aus, das er Yi Ling dafür näher kommen musste, als ihm angenehm erschien und er bereits davon ausging, dass dieser es ihm auch anmerken würde, so wie er von ihm fixiert wurde.
 

Das dieser seinen Mund in so einem Fall nicht würde halten können, kam demnach nicht überraschend.
 

„Wow, Lan Zhan, du bist wirklich eine Schönheit. Nicht der winzigste Makel in deinem hübschen Gesicht. Schade nur, dass es nicht freundlicher dreinschaut. Eine wahre Verschwendung, wirklich.“, hörte er diesen säuseln, und blieb in seinem Tun irritiert regungslos, als dieser plötzlich eine hervorrutschende Haarsträhne für ihn wieder nach hinten strich, sie sanft hinter sein Ohr schob.
 

Wangji setzte seine Arbeit wortlos fort, wenn auch mit einem seltsamen Flackern von Wärme in seiner Brust.
 

Es blieb darauf still zwischen ihnen, bis er den letzten Strich getan hatte und wieder Abstand einräumte.
 

Yi Ling begegnete ihm, nach einem Blick an sich hinab, mit einem befürwortenden Grinsen.
 

„OK, dann verschwenden wir mal keine weitere Zeit.“
 


 

Yi Ling hielt seine Handflächen auf den Boden gepresst, während das Siegel in kurzen Intervallen pulsierte, wie die sich ringförmig, ausbreitenden Wellen auf einer Wasseroberfläche, auf welche man einen Stein geworfen hatte.
 

Er selbst war nicht aus dem magischen Formationszirkel getreten, um ihn nicht vielleicht zu brechen in dem er einen unbedachten Schritt getan hätte.
 

Somit blieb ihm nichts weiter übrig, als auf Yi Ling zu blicken, der sich in tiefer Konzentration befand.
 

Ein Bild das sich eher selten bot.
 

Ein plötzliches Zischen und dessen Gesicht zeigte sich angestrengt.
 

Yi Ling biss kurz darauf sichtlich die Zähne zusammen und auch sein Körper zeigte sich immer angespannter.
 

Ein Zittern in dessen Armen das deutlich machte, das es ihn Kraft kostete die er kaum aufbringen konnte, ließ Wangji mit einer beschämenden Erkenntnis zurück.
 

Es musste ein gewaltiger Akt für Yi Ling sein, solch eine Prozedur durchzuführen, wenn sein líng qì sich in dem ständigen Zustand der Gegenwehr zu seinem aggressiven yuàn qì befand.
 

Er sah das Rinnsal an Blut das aus dessen Nase floss und schalte sich einen ignoranten Narren, nicht eher verstanden zu haben. Behutsam legte er ihm zwei seiner Finger an die Innenseite seines rechten Handgelenkes und ließ sein líng qì ihn unterstützen.
 

Ein leises Seufzen drang zu ihm heran.
 

Wangji allerdings, fühlte sich weniger erleichtert, eher schuldig über sein Versäumen seine Hilfe schon vorher angeboten zu haben.
 

Welchen Wert hatte sein Eid, wenn er nicht einmal auf solche Dinge Acht gab, um den anderen zu unterstützen?
 

„Hab sie…“, hörte er es leise und erschöpft und öffnete seine Augen rasch die er über die Qi Infusion geschlossen hatte.
 

Yi Ling schenkte ihm ein müdes Lächeln, als er sich auch schon aufrichten wollte, seine Suche ihm aber doch mehr abverlangt hatte, als er berechnet zu haben schien. Ein angestrengtes, feuchtes Husten folgte einem kurzen Taumeln, das es Wangji eilig an dessen Seite treten ließ und er ihn stützte.
 

Es war offensichtlich, dass Yi Ling versuchte das Blut welches er sich rasch aus dem Mundwinkel gewischt hatte vor ihm zu verbergen, doch entging es seiner Aufmerksamkeit nicht. Auf dessen überspieltes Grinsen, schenkte er ihm einen eisernen Blick.
 

Doch wusste er auch, das in der gerade herrschenden Situation keine Ermahnung oder ein Verweis sich zu schonen angebracht war, wenn nur Yi Ling ihnen sagen konnte, wo A-Yuan und Kleiner Apfel sich befanden.
 

Er selbst kannte die Umgebung nicht eingehender und es war immer noch zu gefährlich jemand anderen in den Wald zu schicken.
 

Und das wusste auch Yi Ling, der seinen Zustand, wie zu erwarten, überging, sich etwas fahrig wieder anzog und sich in Bewegung setzte.
 

„Ohne das Siegel, kann ich sie nur für eine begrenzte Zeit noch wahrnehmen. Wir müssen schnell sein. Wo ist Wen Ning? Er soll mitkommen.“, rasselte er hektisch herunter und versuchte den nächsten Hustenimpuls vehement herunterzuschlucken, was ihm nur halbwegs gelang.
 

Wangji war schnell dabei eine Entscheidung zu treffen und griff erneut nach dessen Handgelenk.
 

„Lan Zhan! Denkst du wirklich ich lass mich zurückhalten!“ Es war ebenso selten Yi Ling mit einem derart furiosen Gesichtsausdruck zu sehen, doch ließ er sich nicht beirren. Auch nicht als dieser versuchte sich ruppig aus seinem Griff zu befreien, nahm er anscheinend an, dass er ihn nicht gehen lassen wollte.
 

„Ich will dich nicht aufhalten.“, erklärte er ruhig und hielt weiter an ihm fest, ließ erneut sein líng qì in ihn fließen, auf das er es war der Yi Ling mit sich zog, dem darauf einzig ein verstehendes und etwas belegtes „Oh.“ hervorrutschte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RamDamm
2021-03-26T17:53:17+00:00 26.03.2021 18:53
Hihi, das ist mal wieder so typisch für die beiden. Ah ich liebe das Kapitel einfach, es machte echt Spaß es zu lesen.


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