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In another life the sea is in the sky (Teil 1)

Searching for the smile of the moon
von

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Es überraschte Wangji, dass sich Yi Ling die Mühe gemacht hatte, ihm doch noch eine Art von Schutz gewährleisten zu können, selbst wenn er nicht garantieren konnte, dass es im Falle eines Falles tatsächlich von Nutzen sein würde. Sagen tat er jedoch nichts dazu und man schien auch nichts dergleichen von ihm zu erwarten.
 

„Sei Vorsichtig.“, hörte er diesen noch sagen, und er begab sich schließlich durch die Öffnung.
 

Das Gelände war verwaist und es war auch nichts weiter zu hören, als das sanfte Rauschen der Blätter des alten Granatapfelbaumes und dem Schrei eines Kauzes.
 

Es wirkte nicht weniger idyllisch, als wie sie es von außen her hatten beobachten können.
 

Wangji hoppelte vorsichtig weiter, seine Ohren stets aufmerksam.
 

Soweit auf dem Land, bestand dieser Tempel nur aus einem recht simplen Hauptgebäude ohne Etagen und einem kleineren Nebenanbau. Dennoch hatte man Pfeiler und Dachfürsten mit einladenden Schnitzereien verziert, und sie mit leuchtenden Farben lebendig gehalten. Licht von vereinzelt aufgehängten Laternen bildete goldene Pfützen auf dem nachtdunklen Steinpfad, der die Gebäude miteinander verband.
 

Man hielt den Grund sauber und gepflegt, dass es für Wangji keine größeren Hindernisse gab, er sich aber dennoch soweit versteckt hielt, um nicht vorschnell auf sich aufmerksam zu machen.
 

Er vernahm das Öffnen einer Tür und konnte jemanden aus dem Nebengebäude treten sehen. Es war die Frau die zuvor hier hineingegangen war.
 

Er nahm die Gelegenheit wahr und huschte die wenigen hölzernen Stufen des Anbaus hinauf, schaute ob sich eine Möglichkeit hinein finden ließ.
 

Und tatsächlich hatte man die Tür, aus welcher die Frau gekommen war, nicht gänzlich wieder zugeschoben, dass er mit einem Sprung die hohe Schwelle überwand und im Inneren verschwand.
 

Auch hier gab es nur spärliches Kerzenlicht, das er sich weiterhin gut in den Schatten bewegen konnte.
 

Ein kurzes, dumpfes Geräusch ließ ihn schlagartig innehalten und sich rasch umblicken.
 

Die Frau war noch nicht wieder zurück, doch schien das Poltern auch nicht von draußen, sondern von unterhalb gekommen zu sein.
 

Es gab womöglich noch unterirdische Räumlichkeiten?
 

Wenn dem so sei, dann müsste es auch einen Weg dorthin geben, den er nun versuchte ausfindig zu machen.
 

Wangji vernahm das leise Knarren der Holzdielen, zu sacht um von einem größeren Gewicht ausgelöst worden zu sein, als er auch schon das instinktive Gefühl verspürte das Gefahr lauerte. Nur einen Wimpernschlag darauf hörte er ein rollendes, angespanntes Murren, auf das sich zwei funkelnde Augen, in der Dunkelheit bewegten und er sich mit dem Jägerblick einer aschgrauen Katze konfrontiert sah.
 

Mit allen Möglichkeiten, wie er hätte in Schwierigkeiten geraten können, hatte er selbst nicht mit so einem Szenario gerechnet und es ließ ihn sich etwas stümperhaft fühlen.
 

Zumal er sich recht gut vorstellen konnte, was er sich von Yi Ling anhören würde dürfen, wenn er als Grund seiner Flucht, das Auftauchen eines Streuners mitteilte.
 

Vorausgesetzt er würde wieder zurück gelangen.
 

Er wusste, dass dieses Tier aus Instinkt handelte und womöglich auch hungrig genug war, das, sollte er zur Flucht ansetzten, es ihm erbarmungslos nachhetzen würde.
 

Nur ereilte ihn wohl auch das gleiche Schicksal, wenn er nichts versuchte.
 

Die Aktivierung des Talismans würde den Streuner womöglich nicht gänzlich von seinem Jagdtrieb abbringen.
 

Doch hier sein Leben lassen, und das durch solch einen primitiven Umstand, wollte er ebenso wenig.
 

Es war erleuchtend, wie viel er von seiner eigentlichen Würde abzulegen hatte, um in seiner jetzigen Form, zu überleben.
 

Eine Verlegenheit für jeden seiner Herkunft. Aber war eines der Gebote der Lans ebenso, keinem falschen Stolz zu erliegen. Alles war ein Prozess der einen lehrreich sein konnte.
 

Dennoch war es schon frustrierend, dass es ausgerechnet jemand wie Yi Ling sein musste, der diese Prinzipien im Endeffekt nur zu seiner Erheiterung nutzen würde.
 

Wangji rutschte mit Bedacht weiter zurück und konnte genau verfolgen, als die Katze sich etwas absenkte und ihren Körper leicht in Schwingung brachte, ihn dabei aus fast schwarzen Augen fixiert hielt.
 

Sie setzte zum Sprung an und er hastete los, die Katze ihm dicht auf den Fersen. Dass er sich in einem Raum befand und nicht über die selbe Agilität wie sein Verfolger verfügte, macht es ihm schwer zu navigieren, als er auch schon gegen etwas Massives stieß, das ihn für einen unglücklichen Moment etwas benommen zurückließ, was der Katze ausreichte sich auf ihn zu stürzen. Mit einem gepeinigten Fauchen, wurde diese jedoch zurückgeworfen. Der Schutz hatte funktioniert und Wangji nutzte seine Chance.
 

Er hatte über all die Aufregung jedoch nicht mitbekommen, dass die Frau zurückgekehrt war und es die Katze ebenso erschreckte, dass jene ihm keine Beachtung mehr zukommen ließ. Mit ein paar nachdrücklichen „Sch…sch…“ Lauten scheuchte die Frau das Tier schließlich davon.
 

Allerdings war es kein Moment der ihn zum Aufatmen brachte, hatte sie nun auch ihn entdeckt, als man schon nach ihm griff, dass er sich für den Moment völlig paralysiert fühlte.
 

„Na, da hat sich wohl wer verirrt, hm?“, hörte er die Frau sagen, was ihn aus seiner Starre holte und er schon seine Zähne zur Gegenwehr einsetzen wollte, als sie ihm verzückt über den Rücken strich und ihre nächsten Worte ihn innehalten ließen.
 

„Ich werde dich mal wieder rausbringen. Du solltest allerdings Acht geben vor den Streunern. Es wäre schade um so ein hübsches Tier.“, meinte sie in einem zutraulichen Ton. Es wäre am Ende hilfreicher, sich nicht zu sträuben, und ihren Unmut zu riskieren.
 

Seine Mission war vorerst gescheitert, doch könnte er es noch einmal versuchen und es wäre förderlich, wenn man ihn dann abermals nur für einen Irrläufer halten würde und kein tollwütiges Vieh.
 

Abermals war das Poltern zu hören.
 

Die Mine der Frau wechselte sofort in einen besorgten Ausdruck, auf das sie auch schon eilig losging ohne ihn abgesetzt zu haben.
 

Wie er es sich gedacht hatte, gab es eine versteckte unterirdische Etage, deren Zugang sich erst offenbarte, nachdem man ein hölzernes Ornament, an einer der Wände, in eine bestimmte Richtung drückte.
 

Er hätte sich keine Hoffnung machen brauchen, diese in seiner Form gefunden zu haben, noch den Mechanismus dazu betätigen zu können.
 

Steinerne Stufen führten ein stückweit hinunter, dem sich ein schmaler Gang anschloss, der schließlich zu einer verschlossenen Tür führte, welche man rasch aufstieß.
 

Wangji, hätte seine Augenbrauen irritiert nach oben geschoben, wäre es ihm möglich, bei dem sich ihm bietenden Anblick.
 

Man setzte ihn auf einem der Tische ab, auf das er sich weiter prüfend umschaute, in der Hoffnung erahnen zu können, was hier vor sich ging.
 

Die Kammer war groß und in ihr befanden sich Reihen an hölzernen Liegen. In jeder lag ein schmaler, blasser Körper.
 

Die Kinder von Féitián Jué?
 

Sie waren unterschiedlichen Alters, ging er von deren Entwicklung aus.
 

Mädchen wie Jungen.
 

Es war für ihn nicht zu erkennen, ob sie schliefen oder ihnen kein Leben mehr inne wohnte, wirkten sie alle wie aufgebahrt in ihren einheitlich steifen Posen und fahlen Gesichtern.
 

Seine Aufmerksamkeit richtete sich zurück auf die Frau, die eines der Kinder wieder auf seine Liege legte, dessen Körper ein sporadisches, kräftiges Zucken erfasste.
 

Sie nahm etwas aus dem ledernen Täschchen, das sie um die Hüften gebunden trug. Ein Flakon, den sie dem bewusstlos wirkenden Kind an die Lippen setzte.
 

Es schien seine Wirkung zu tun, blieb der Körper daraufhin still.
 

„Es tut mir leid.“ Die Frau strich dem Kind behutsam über die dunklen, matten Haare. Lächelte hilflos. „Ich wünschte ich könnte mehr tun. Es endlich beenden.“ Sie drückte dessen kleine Hand in einer mütterlich wirkenden Geste, doch klangen ihre Worte gebrochen und verzweifelt und sie schaute einen weiteren verlorenen Moment auf das Kind in ihren Armen.
 

Dann strafften sich ihre Züge wieder und ihr Ausdruck zeigte eine Entschlossenheit dessen Hintergrund Wangji nicht definieren konnte.
 

Ihr Blick fiel auf ihn zurück und sie atmete einmal tiefer durch, bevor sie ihn wieder aufnahm und zurück nach oben brachte.
 

Sie verließen den Anbau und erreichten kurz darauf ein hinteres Tor, dass diese mit einem kratzenden Knarren aufzog. Man setzte ihn hinter einem Azaleenstrauch ins Gras.
 

„Viel Glück.“, gab man ihm noch mit auf den Weg, bevor die Frau wieder hinter dem Tor verschwand und dieses zuzog.
 

Wangji war selbst etwas überrascht über diesen glimpflichen Verlauf seiner Mission.
 

Er schaute sich der Orientierung wegen kurz um und machte sich dann in die Richtung auf, wo er wieder auf Yi Ling treffen müsste.
 

Er fand die Stelle an der sie zuvor gestanden hatten verlassen vor. Nicht überraschend, wenn sie vermeiden wollten, das man Yi Ling beim fragwürdigen Herumlungern ertappte.
 

„Yi Ling?“ Es sollte nun wieder möglich sein, miteinander zu kommunizieren, doch erhielt er keine Antwort.
 

Wangji hoppelte etwas weiter, seine Nase in den Wind gestreckt, um vielleicht etwas von dessen Geruch erhaschen zu können.
 

Bàng Hēi´s Krächzen drang an seine Ohren, dass er sich auf seine Hinterläufe setzte und nach oben schaute.
 

Yi Ling saß in einer der gut belaubten Kronen, eines Wútóng-Baumes und schaute genau zu ihm. Dieses allgegenwärtige Grinsen im Gesicht.
 

„Du siehst wirklich zu putzig aus, wenn du so herum hoppelst. Ich wäre ehrlich dafür, dass du in dieser Form bleibst. Endzückender kannst du eh nicht mehr werden.“, vernahm er die aufziehenden Worte und überlegte, ob er den anderen tatsächlich einfach sitzen lassen sollte. Und um das auch zu verdeutlichen, wandte er ihm schweigend den Rücken zu und hüpfte ein paar Schritte weiter.
 

„Ah, Lan Zhan. Das war ein Kompliment. Nun sei nicht gleich wieder eingeschnappt.“ Yi Ling war schnell aus seinem Versteck herabgesprungen und folgte ihm nach, bis dieser ihn simpel aufgriff und als Friedensangebot hinter den Ohren kraulte.
 

Wangji regte es nur noch mehr auf. Zum einen, weil er dieses Gefühl wirklich angenehm empfand und zum anderen, weil er es nicht als angenehm empfinden sollte. Schon gar nicht durch diesen unmöglichen Kerl!
 

„Also hast du etwas herausfinden können?“, hakte dieser dann auch nach, nachdem man ihn wieder in den Beutel gesetzt hatte und sie sich von dem Tempel entfernten.
 

„Die Kinder,“, setzte er an und erzählte ihm darauf, was er hatte mit ansehen können.
 

*
 

Es war am nächsten Tag, das sie den Plan gefasst hatten, dieser Frau, die Wangji im Tempel begegnet war, etwas auf den Zahn fühlen zu wollen. Das Festival sollte noch ein paar Tage andauern. Es war somit der perfekte Deckmantel für ihn und sein Herumstromern, ohne dass man sich tatsächlich zu viele Gedanken um sie machen würde, bei all den Gästen die hier verweilten.
 

Nur sollten sie sich nicht zu oft beim Tempel sehen lassen, um nicht doch noch ungebetene Aufmerksamkeit zu erregen.
 

Generell konnte man verfolgen, dass die Straßen über den Tag eher spärlich besucht blieben.
 

Als habe der nächtliche Feiertrieb die meisten in ihren Betten belassen.
 

Einzig die Bewohner schienen ihren Arbeiten und Pflichten nachzugehen, indem sie die Wege säuberten und sich ihren Geschäften widmeten.
 

Yi Ling konnte von seinem Zimmer her beobachten, wie man eine neue Lieferung Wein brachte und es ihn schon etwas schmerzte, das er darauf verzichten musste, wollte er sich nicht noch einmal dieser eher unangenehmen Reinigungs-Prozedur unterziehen.
 

Er schaute noch einen Moment aus dem Fenster und dann zurück ins Zimmer. Lan Zhan hatte ihm erzählt, dass diese Frau, womöglich eine Art Heilerin gewesen sein könnte, ging er davon aus das sie sich um die Kinder kümmerte. Auch genug andere Indizien sprachen dafür, wie die medizinischen Schriften und anderweitige Utensilien die er in dem Raum, wo sich die Kinder befanden, mitbekommen hatte.
 

Vielleicht war sie bekannt genug im Ort, das sie sie würden ausfindig machen können.
 

Ihr beim Tempel aufzulauern, sollte ihre allerletzte Option darstellen.
 

Es konnte also nicht schaden, ihr Glück vorerst auf diese Weise zu versuchen.
 

„Lan Zhan, lass uns noch ein wenig umsehen.“ Dieser würdigte ihn keines Blickes, aber das war so gesehen nicht unerwartet. Somit hielt er diesem den Beutel einfach auf, in welchen Lan Zhan schließlich kroch.
 

Irgendwo war es schon schade das, nun wo er einen Begleiter hatte, dieser so ein stummer Fisch war. Langweilte er sich mit seiner Art nicht fast schon selbst?
 

Yi Ling hing sich den Beutel um und seufzte ergeben über seine Gedanken, auf das sie ihr Zimmer hinter sich ließen.
 

Er fand es zu riskant in der Herberge seine Suche zu beginnen, das er erst einmal über den kleinen Markt wanderte und sich interessiert an der ein oder anderen Ware zeigte, bevor er an einen Stand angelangte der frisches Gemüse und ebenso diverse Kräuter anbot.
 

„Lǎo rén jiā? Mein Reisegefährte hat seit dem Morgen ein Fieber, gibt es hier zufällig einen Heiler, der ihn sich mal ansehen könnte?“, erkundigte er sich, was den älteren Mann kurz überlegend dreinschauen ließ.
 

„Lìn Pòsuǒ, weiß am besten über diese Dinge Bescheid. Sie hat ihr Haus etwas abseits am Waldrand.“ Daraufhin beschrieb man ihm den schnellsten Weg dorthin und als Dank kaufte Yi Ling ein paar Karotten.
 

„Lan Zhan, hey. Schau was ich für dich erstanden habe.“ Dieser hatte die gesamte Zeit über in der Tasche geruht, ohne sich an seinem Umherziehen verbal oder mit seiner Präsenz zu beteiligen.
 

Yi Ling schob ihm schlicht eine der Karotten in den Beutel, auf das ein kurzes, genervtes Murren folgte, das ihn erheitert schmunzeln ließ, bevor er selbst in eine hineinbiss und zufrieden summte.
 


 

Lìn Pòsuǒ´s Haus war das einzige das sich am Rande des Waldes befand. Es war eine simple Hütte, die etwas in die Jahre gekommen war, doch hier im Spiel von Sonnenlicht und Schatten etwas Warmes, Einladendes umgab.
 

Ein zu Hause, zu dem man gern zurückkam. Es ließ einen Hauch von Melancholie in ihm aufsteigen, die er jedoch, gleich einem ungebetenen Insekt wieder davonscheuchte.
 

Ein üppiger Garten zog sich um das Haus herum, in welchem eine Mannigfaltigkeit an Pflanzen wuchs. Von zierlich-filigran, über satt in Farben, bis massig und kräftig in ihrer Form. Ein angenehm weicher, würziger Geruch trollte sich in einer leichten Brise um seine Nase und er betrat schließlich das Grundstück.
 

„Lan Zhan, es geht los.“, ließ er seinen unwilligen Begleiter wissen, der ihn jedoch weiterhin ignorierte.
 

„Sag, hab ich irgendetwas angestellt, das du so abweisend bist?“ Es war nicht ungewöhnlich für den anderen sich eher mürrisch zu zeigen, doch schien dieser heut besonders beleidigt. Er glaubte so etwas wie ein Schnaufen von ihm vernommen zu haben, als ihm dann auch ein Gedanke kam.
 

„Ist es, weil ich dich heute Morgen mit in die Wanne genommen habe?“ Eine Art verärgertes Murren folgte dieser Erkenntnis von Lan Zhan´s Seite her. Yi Ling hatte Mühe nicht lauthals loszulachen. „Ich dachte lediglich, dass es dir auch mal gut tun würde. Ich hab nicht ein Mal gesehen das du dich geputzt hättest.“ Ihn war durchaus klar, dass sich Lan Zhan sicherlich nicht soweit herablassen würde, nur weil er in dieser Form steckte, doch hatte die Vorstellung etwas Erheiterndes. Genau wie Lan Zhan´s tropfnasse Gestalt als dieser Hals über Kopf aus dem Wasser gestrampelt war. Gut, er hätte vielleicht nicht ausnutzen sollen, dass dieser noch im Halbschlaf war. Die Kratzer die dieser auf seiner Brust hinterlassen hatte, piekten selbst jetzt noch.
 

„Ah, nun sei nicht so nachtragend. Wir haben schließlich was vor.“ Damit kraulte er ihn hinter den Ohren, worauf dieser nur energisch den Kopf schüttelte.
 

„Nun tu nicht so, ich weiß das dir das gefällt.“, neckte er, fokussierte sich darauf aber wieder auf den Grund ihres Hierseins.
 

Aus dem Haus selbst war nichts zu vernehmen, als er vor dessen Tür stand und einen kurzen Moment einfach nur hinhörte. Dann klopfte er schließlich.
 

Es dauerte einen Moment, bevor ein leises Rumoren zu hören war, dann öffnete sich die Tür einen Spalt.
 

Mehr passierte allerdings nicht.
 

Yi Ling zog irritiert seine Augenbrauen zusammen, über dieses merkwürdige Verhalten. Doch würden sie nichts erreichen, wenn er nicht dem nachging, weswegen sie hier waren.
 

Somit schob er sie schließlich vorsichtig auf, blieb aber noch einen Augenblick draußen stehen. Als sich immer noch nichts weiter tat, machte er schließlich einen Schritt hinein.
 

Er war gerade dabei sich mit dem Vorbringen des Namens, der hier lebenden Person, bemerkbar zu machen, doch war das nächste was passierte, das ihn etwas hart gegen die Brust traf, das er ein überrumpeltes Stöhnen hervorbrachte.
 

„Yi Ling!“
 

Etwas zwickte ihm daraufhin unangenehm an der getroffenen Stelle, das er an sich hinab sah und ein verblüfftes Raunen von sich gab.
 

„Bist du in Ordnung?“
 

„Aww, Lan Zhan, du sorgst dich also doch noch.“
 

„Tsk…“
 

Ein recht primitiver Papiertalisman haftete ihm an, der ihn bewegungsunfähig machen sollte.
 

„Alles in Ordnung. Nichts womit ich nicht umgehen könnte. Vertrau mir, hm?“
 

„Ungern.
 

Doch bevor er auch verbal hätte etwas sagen können, hielt man ihm schon von hinten eine Messerklinge an den Hals, von welcher ebenso ein zittriger Impuls Magie ausging.
 

Yi Ling schnalzte kurz über die Situation, tat aber auch nichts, um sich aus seiner derzeitigen Lage befreien zu wollen.
 

Er wollte sehen, was man mit ihm geplant hatte.
 

Eine Frau mit ernsten Augen und resolutem Gesichtsausdruck trat in sein Blickfeld, das Messer immer noch auf ihn gerichtet.
 

Yi Ling schaute etwas genauer auf den Talisman, der sich an ihm befestigt befand.
 

Es war verwunderlich hier jemanden mit solch einem Wissen vorzufinden, auch wenn dieses recht rudimentärer Natur war.
 

„Wer sind sie? Was wollen sie?“, forderte sie nachdrücklich auf, sich zu erklären.
 

„Ich bin ein einfacher Reisender. Nichts weiter. Ich wollte lediglich etwas Medizin für einen kranken Freund.“
 

„Unsinn!“ Diese Feststellung war mit ausreichend Mistrauen gesprochen, das Yi Ling nicht glaubte, dass es Sinn machte weiter zu versuchen sie von etwas zu überzeugen, das eh nicht stimmte.
 

Er seufzte darauf langgezogen.
 

„Ok. Sie haben recht, es entspricht nicht der Wahrheit.“ Er schenkte ihr ein selbstsicheres Grinsen.
 

„Was wollen sie nun tun, wo sie es wissen?“ Sie verengte ihre Augen, und wirkte immer noch nicht unsicher oder eingeschüchtert.
 

„Was wollen sie von mir? Glauben sie nicht, dass ich nicht ein paar Methoden zur Hand hätte, sie zum Reden zu bringen, wenn sie es nicht freiwillig tun. Und ersparen sie mir irgendwelche Märchen.“ Yi Ling zeigte sich nun doch schon etwas beeindruckt.
 

Diese Frau hatte Mut.
 

„Gut, dann keine Spielchen mehr.“, meinte er kühl, griff nach ihrer Hand die das Messer hielt und sein unbeeinflusstes Bewegen sie sofort die Augen weiten ließ. Erst jetzt zeigte sich Unruhe in ihrem Gesicht.
 

„Wie…?“ Yi Ling lächelte abgeklärt.
 

„Das ist eine sehr lange Geschichte.“, meinte er schlicht und brachte sie mit etwas mehr Druck auf ihr Handgelenk dazu das Messer fallen zu lassen.
 

Doch schon im nächsten Augenblick zeigte sie sich wieder gefasst, wand sie sich gekonnt aus seinem Griff und zog erneut etwas aus ihrem Gewand hervor.
 

Weitere Talismane.
 

Nur wesentlich kleiner. Vielleicht nicht länger als ein kleiner Finger es war.
 

Der erste traf ihn zwischen den Augen.
 

Er bemerkte, dass die Energie die diesen innewohnte ungewohnt anders war. Doch blieb ihm nicht viel Zeit übrig und er schalte sich doch einen zu selbstsicheren Narren, über sein Spiel ihr vormachen zu wollen, das er ihr unterlegen war.
 

Es schien ein guter Weg herauszufinden, was sie noch alles in der Hinterhand hatte.
 

Nur war diese Frau etwas mehr Arbeit als er zuerst noch annahm.
 

Der nächste Talisman wurde zwischen den Schlüsselbeinen platziert. Nun wo der erste bereits seine Wirkung tat und er sich träge und schwindelig zu fühlen begann, war sein Reaktionsvermögen ebenso beeinflusst und sie hatte es einfach mit ihm.
 

Der Weg ihrer Talismane und ihre Wirkung deuteten auf eine diǎn xué (Druckpunkt) Technik hin.
 

Doch wohnte ihnen etwas inne, das er nicht so simpel mit etwas líng- noch mit seinem yuàn qì kontern konnte.
 

Es fühlte sich eher so an, als würde die Magie dieser seltsamen Talismane sich die Energie seiner Qi´s zunutze machen, oder an sich binden.
 

Es war faszinierend, wie auch irritierend.
 

Jedoch wollte er auch nicht einfach ein Chaos losbrechen, indem er ernst machte und folgte seiner Überwältigung, vorerst brav.
 

Übelkeit setzte ein.
 

Er wollte gerade etwas kommentieren, als er plötzlich auf seine Knie sackte und es ihm etwas leidlich stöhnen ließ.
 

„Yi Ling?“
 

„Alles in Griff.“
 

Er schaute an sich herab und ihm war nach einem Auflachen zu mute, welches allerdings nur als ein kratziger Laut über seine Lippen kam.
 

Diese Frau wusste was sie tat.
 

Insgesamt waren es fünf dieser ungewöhnlichen Siegelzettel.
 

Alle systematisch angebracht.
 

Hof der Seele (zwischen den Augen)
 

Himmlischer Schlot (Jugulum)
 

Sonnengeflecht (Solar Plexus)
 

Meer des Qi (kurz unter dem Nabel)
 

Ebene des Windes (Oberschenkel außen-mittig)
 

„Nicht schlecht.“, gab er etwas angestrengt zu und blieb zunächst einfach am Boden knien.
 

Es war in der Tat ein recht unangenehmes Empfinden und es interessierte ihn, wie diese Frau ihre Talismane mit dieser befremdlichen Magie versah.
 

„Also, was wollen sie hier?“, wiederholte die Frau ihre Frage mit fester Stimme und wachsamen Augen, die auf ihn fixiert waren.
 

„Ein wenig Schwatzen.“, erwiderte er und sie verengte ihre Augen warnend. Yi Ling setzte ein Grinsen auf.
 

„Zum Beispiel über ihren interessanten Tempel.“ Es war deutlich an ihr abzulesen, dass sie sich unter diesen Worten verspannte und Yi Ling setzte nach.
 

„Das Schild das ihn umgibt…oder über die Kinder in dieser unterirdischen Kammer.“ Nun riss sie ihre Augen auf, ein äußerst gehetzter Ausdruck in ihrem Gesicht, bevor sie sich von ihm abwandte.
 

„Wie haben sie es herausfinden können? Der Tempel lässt niemanden hinein der nicht von seinem Schutz erkannt wird. Noch kann es ihnen jemand verraten haben. Niemand in dieser Stadt…“ Yi Ling entging nicht das sie auf seine Offenbarung nicht reagierte, indem sie ansetzte irgendeiner weiteren Autorität Bericht erstatten zu wollen. Etwas womit er ebenso gerechnet hatte. Stattdessen klang es wie unsichere Besorgnis?
 

Ihm war das Spielzeug, das sich auf einem der Regale befand nicht entgangen. Wenn sie selbst eine Mutter war, wie konnte sie dann an solch einem unheiligen Schema teilhaben? Aber da er immer noch nicht wusste was genau hier vor sich ging, behielt er eine Verurteilung soweit für sich.
 

„Wer sind sie wirklich?“ Sie drehte sich wieder zu ihm, wirkte suchend in ihrem Blick mit dem sie ihn bedachte.
 

Yi Ling wollte kokett mit den Schultern zucken, doch war es ihm in seinem jetzigen Zustand nicht möglich, worauf er sich auf ein weiteres Grinsen beschränkte.
 

„Wir sind niemand. Nur Reisende.“  Die Erkenntnis traf sie rasch.
 

Sie schaute darauf eilig nach draußen, ob womöglich noch jemand hier irgendwo lauern könnte. Ein Scheppern war zu hören, dass sie vorsichtig zum Fenster schleichen ließ. Als sie nichts ausmachen konnte, rückte sie zur Hintertür, schob diese einen Spalt auf.
 

Sie zückte weitere Talismane und schlüpfte nach draußen.
 

„Lan Zhan. Jetzt könnte ich etwas Hilfe gebrauchen.“
 

„Hattest du nicht alles in Griff?“, bekam er als Antwort, dass es ihn schon etwas schmollen ließ über diese Spitzfindigkeit.
 

„Lan Zhan. Willst du mich etwa weiter so leiden sehen? Schlägt kein Herz in deiner kuscheligen Brust für mich?“
 

„Tsk…“ Yi Ling beobachtete mit Amüsement, wie sich Lan Zhan zeigte.
 

„Die Talismane sind etwas störend. Wärst du so gut?“ Er lächelte lieblich, was nur einen weiteren unmutigen Laut in seinem Gefährten auslöste, er aber den ersten an seinem Oberschenkel mit seinem Mund abzog.
 

Für den an seinem Kopf musste er sich nur ausreichen vorbeugen, das Lan Zhan ihn erreichen konnte.
 

Dieser seufzte schließlich, als ihm für die anderen drei nichts weiter übrig blieb als auf Yi Ling´s Schoß zu klettern.
 

„Himmel Lan Zhan, du bist so niedlich.“, säuselte Yi Ling über diesen Anblick und kaum das man ihn von der Magie befreit hatte, fühlte er seine Energie wieder in Gang kommen.
 

Er sammelte die Siegel alle ein und betrachtete sie sich genauer, während er weiter am Boden kniete und darauf wartete, dass die Herrin des Hauses wieder zurückkam.
 

Er hörte das Quietschen der Türangeln und das erschrockene Lufteinziehen, doch schaute er weiter auf die Zettel in seiner Hand.
 

„Das ist wirklich eine interessante Art sich Qi zunutze zu machen. Wie genau funktioniert das?“, fragte er nur simpel und als eine Antwort ausblieb, schaute er doch einmal auf.
 

Die Frau wirkte ergeben frustriert über den Verlauf seiner missglückten Festnahme.
 

Mit einem Grollen ließ sie sich auf einen der Stühle am Tisch sinken und verschränkte die Arme vor der Brust., als hätte sie schon begriffen, dass es ihr keinen Vorteil bringen würde das Weite zu suchen.
 

Zwei seiner Papiermännchen segelten durch das offene Fenster zu ihm zurück und mit einem dankenden Kopfnicken für ihr kleines Ablenkungsmanöver von draußen, ließ er sie wieder einschlafen und verstaute sie in seinem Ärmel. Gut das er sie vor dem Betreten des Hauses noch platziert hatte.
 

Lìn Pòsuǒ gab ein verstehendes Schnalzen von sich.
 

„Also Lìn gū niang. Gewillt uns ein paar Fragen zu beantworten?“ Sie schaute nicht gewillt, eher als würde sie abmessen was es bedurfte ihn doch noch irgendwie festsetzen zu können und es ließ ihn erheitert schmunzeln und seine Augen für einen Moment mit einem herausfordernden roten Funkeln versehen.
 

Argwöhnisch sprang sie von ihrem Platz auf, trat fahrig ein paar Schritte zurück. Yi Ling zeigte sich weiterhin abwartend.
 

„Nun?“
 

„Was…was wollen sie mit diesen Informationen? Hier sind Kräfte am Werk, die sich nicht so einfach fügen werden. Diese Stadt und die Menschen die hier leben, sind nichts weiter als eine Geisel. Sie werden nichts herausschlagen können, egal was sie sich womöglich erhoffen. Am Ende wird ihr Schicksal eines von vielen sein und niemand wird es aufklären können.“, brachte sie, nun wieder wesentlich mutiger in ihrem Auftreten hervor, machte es den Eindruck als habe sie sich mit der Lage, ihres eigenen Schicksals schon länger abgefunden.
 

„Hm…sie machen mich wirklich neugierig. Uns ist nicht entgangen, dass hier mehr vor sich geht, als für das einfache Auge ersichtlich. Wir würden nur gern wissen wollen, wozu es dient. Und wer mag diese ominöse Macht sein, die hier die Fäden in der Hand hält?“ Lìn Pòsuǒ, schaute sich auf das wiederholte hervorbringen der Mehrzahl an Personen versucht unauffällig in ihrem Haus um, indem sie nur ihre Augen bewegte.
 

„Es ist egal wie viele sie sein mögen. Sie werden schlicht als Opfergabe enden. Nichts weiter.“
 

„Ahhhhh, so kommen wir nicht weiter, wenn sie ständig nur in vagen Angaben sprechen.“, moserte Yi Ling etwas trotzig, stützte einen Ellenbogen auf seinem abgewinkelten Knie ab und legte den Kopf in die Hand.
 

„Ich weiß noch immer nicht was sie bezwecken!“, konterte sie nicht weniger trotzig wirkend.
 

Yi Ling grinste gelassen.
 

Irgendwie mochte er diese Frau.
 

„Wir möchten dieser Sache hier einfach auf den Grund gehen. Gute Taten werden ja angeblich belohnt.“, meinte er nonchalant, dass es Lìn Pòsuǒ, entgeistert die Augenbrauen heben ließ.
 

„Es scheint mir eher als hätten sie einen Todeswunsch. Haben sie auch nur ansatzweise verstanden, was ich ihnen gerade sagte? Diese Stadt wird sich gegen jeden stellen, der zu einem Problem wird!“
 

„Man sagte mir, dass sie sich um die Kinder kümmern. Was tun sie mit ihnen? Warum werden sie in dieser Kammer gehalten? Was ist mit ihren Eltern?“ Man zeigte sich deutlich Zwiegespalten, über seine Unnachgiebige Art. Ein Zeichen, das Lìn Pòsuǒ abwägte. Etwas das ebenso annehmen ließ, das sie zwischen etwas zu entscheiden hatte das sie selbst betraf.
 

Yi Ling würde meinen, dass sie das Schicksal ihrer Stadt nicht weniger mitnahm, zeigte sie sich bisher weder aggressiv -feindzählig noch durch und durch unkooperativ auf seine Fragen.
 

Sie wollte etwas tun, nur waren ihr anscheinend nicht viele Optionen gegeben.
 

„Wir könnten womöglich helfen.“ Und es schienen diese Worte zu sein, die ihr den nötigen Ruck gaben.
 

„Gut, ich habe am Ende eh nichts zu verlieren.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  RamDamm
2020-12-06T12:00:01+00:00 06.12.2020 13:00
So ein schönes Nikolausi. Danke dafür.
Also zuerst einmal war das ein wundervolles Kapitel. Mir hat es vor allem der Hase angetan. Auch wenn es eine sehr unwürdige Form für Lan Zhan ist. Wenn er nur wüsste wie wundervoll er rüberkommt. So richtig um einen zum schmelzen zu bringen. Ah...

Aber am meisten interessiert es mich doch was sie mit den Kindern vorhaben, das macht mich neugierig und ob die beiden wirklich helfen könnten. Freue mich schon auf den nächsten Teil.


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