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In another life the sea is in the sky (Teil 1)

Searching for the smile of the moon
von

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Es war wohl um das Auslaufen von hài shí (23 Uhr), als Yi Ling mit lautem Poltern zurück ins Zimmer gewankt kam. Wangji konnte selbst im dimmen Zwielicht, das die müde gewordene Kerzenflamme erzeugte erkennen, dass dessen Wangen rosig waren. Sein weinschwerer Atem und der penetrante, süßliche Geruch von Parfum, wie auch der stumpfsinnig wirkende Ausdruck verrieten, dass er nicht nur den Alkohol in reichlichen Zügen genossen haben musste.
 

„Unvorsichtig!“, gab er in einem missbilligenden Affekt zu verstehen, was Yi Ling allerdings nicht zu kümmern schien, war er damit beschäftigt ein kleines Messer hervorzuziehen, dass er über der Kerzenflamme erhitzte.
 

Wangji beobachtete dies mit unruhiger Aufmerksamkeit, als sich Yi Ling dann auch schon seine Robe soweit öffnete, das seine Brust zu sehen war.
 

In entsetzter Überraschung konnte er daraufhin verfolgen, wie dieser sich mit der heißen Klinge die Symbole für 淨化 (reinigen) direkt auf seine Brust schnitt und dies mit seiner rechten Handfläche wiederholte, welche er dann über die Symbole auf seiner Brust legte. In sichtlicher Konzentration sah er das rötliche Glimmen, das stets von dessen Magie ausging, zwischen dessen Hand und Brust, auf das sich besagte Hand wieder ein Stück zurückzog. Es sah aus als würden feine, geschmeidige Wurzeln aus dessen Körper hervorbrechen, als er das feinverzweigte Energiegewebe Stück für Stück hervorzwang, bis es gänzlich dessen Handfläche einnahm und ein eigenständiges Pulsieren zeigte. Schon im nächsten Moment hatte Yi Ling seine Hand zur Faust geschlossen, damit das befremdliche Geflecht regelrecht zerquetscht.
 

Wangji konnte nur untätig dabei zusehen, wie Yi Ling´s Körper darauf kraftlos zu Boden sackte, er aber dennoch an den Rand des Bettes huschte, um nach ihm zu sehen.
 

Die Symbole auf seiner Hand und Brust schimmerten noch immer blass rot, doch verebbte auch dieser verwaschene Rest an Energie kurz darauf.
 

„Yi Ling?“
 

„Lan Zhan…ich bin müde, hilf mir auf´s Bett.“, vernahm er dessen träge Worte.
 

„Ich befinde mich nicht in der Verfassung dem nachzukommen.“, erwiderte er, auch wenn das keiner Antwort bedürfen sollte.
 

„Gemein…“, murmelte dieser ebenso erschöpft und regte sich dann auch im Ganzen, indem er sich etwas ungelenk wirkend aufsetzte. Einen Augenblick so verharrte.
 

Wangji konnte das leichte Zittern in dessen Händen erkennen, als dieser sich dann am Bett nach oben zog nur um darauf hin gleich wieder darauf zusammenzusinken, das er gerade noch so ausweichen konnte, um nicht unter ihm begraben zu werden.
 

Es war offensichtlich, dass es Yi Ling zusetzte, was er bei sich vorgenommen hatte, doch konnte er nichts weiter tun, als neben ihm zu sitzen.
 

Dieser drehte sich auf die Seite, den einen Arm von sich gestreckt und Wangji einen Moment wartete, ob dieser sich weiter zu bewegen gedachte.
 

Dann legte er ihm eine Pfote auf den Pulspunkt an seinem Handgelenk. Es bedurfte keiner großen Kraft festzustellen, dass dessen Herzschlag matt und unstet ging.
 

Er konzentrierte sich etwas intensiver auf dessen Energiefluss. Auch wenn der goldene Kern den dieser besaß nicht der kräftigste war, so sollte er dennoch im Stande sein, kleinere Irritationen des Körpers zu stabilisieren.
 

Allerdings war dessen líng qì (spirituelles Qi) derart schwach, das er annehmen musste das, dieser Eingriff den er bei sich durchführte, ihm mehr abverlangt hatte, als man von außen her erahnen konnte.
 

„Was ist vorgefallen?“ Diese Frage stahl sich unbeabsichtigt in den Geist des anderen, doch machte Yi Ling gerade eh nicht den Eindruck, als hätte er ihn vernommen.
 

Zumindest dachte er das, doch zeigte ihm ein Blick in dessen Gesicht die halb geöffneten Augen, die ihn direkt anschauten und er dazu ein mattes Lächeln zeigte.
 

„Machst du dir etwa Sorgen, Lan Zhan?“
 

„Nein.“ Er würde es nicht als Sorge bezeichnen, solch eine Bindung bestand nicht zwischen ihnen.
 

„Hm…“, hörte er noch, bevor sich zwei Hände um ihn legten und er sich plötzlich in Yi Ling´s Armen und an dessen Oberkörper gedrückt befand. Dieser sein Gesicht sachte in seinem Fell vergrub.
 

„Lass ab von mir!“, forderte er empört, und stemmte sich, soweit es ihm möglich war, gegen dessen Halt.
 

Man ignorierte seinen Verweis, dass er gerade ansetzen wollte seine Zähne zum Einsatz zu bringen.
 

„Nur für einen Moment.“ Yi Ling klang ungewohnt verletzlich, dass es ihn soweit überraschte, dass er davon abließ sich befreien zu wollen.
 

„Danke.“ Es war nicht mehr als ein flüchtiges Wispern in seinem Kopf, doch es reichte aus, um ihn ein leises Murren zu entlocken, über die Tatsache, dass es ihn mehr berührte, als er es erlauben sollte.
 

Aus dem Moment wurden Stunden, war Yi Ling irgendwann so tief eingeschlafen, dass er auf nichts mehr reagierte, selbst auf sein Zwicken nicht.
 

Der Halt um ihn lockerte sich auch nicht, als dessen Schlaf unruhig zu werden begann, und das Unbehagen, das ihm wohl ein ungebetener Traum zufügte, deutlich auf dessen Gesicht abzulesen war.
 

Seine Augen zuckten hektisch hinter den geschlossenen Lidern und auch seine Atmung nahm abermals diesen unruhigen, stockenden Takt an. Der letzte Rest des Kerzenlichtes reflektierte sich in einem seichten Schein, der sich über dessen immer noch fahles Gesicht zog.
 

Der Griff um seinen winzigen Körper wurde fester, und noch immer reagierte Yi Ling nicht auf sein Rufen, dass es wirklich schmerzhaft wurde, je länger er in dessen Armen feststeckte.
 

Etwas panisch das man ihn womöglich noch die Knochen in diesem fragilen Körper brechen würde, konzentrierte er alles was ihm an spiritueller Kraft möglich war auf die Verbindung zwischen ihren Gedanken, in der Hoffnung, dass er ihn zur Besinnung bringen würde können.
 

Darauf ergriff sein Bewusstsein plötzlich eine dunkle Woge, die ihm die Luft nahm. Ihn blind mit sich riss und hilflos nach Halt suchen ließ.
 

Als er seine Augen öffnete, umgab ihn noch immer Dunkelheit, doch war sie nicht mehr so allesverzehrend, dass es keinen Unterschied machte, ob seine Augen offen oder geschlossen waren.
 

Trotzdem fühlte er sich gehetzt, verbunden mit einem brennenden Gefühl von Übelkeit, das seinen Körper zum Zittern brachte. Der Anblick der sich ihm bot war allerdings erschreckend und grausam, stand er in mitten einen Feldes aus toten Leibern. Manche nur noch Knochen. Manche im Prozess der Verwesung, das er froh war keinen Geruch wahrnehmen zu müssen.
 

Wo war er hier?
 

Sein Blick fiel auf seine Hände. Sie waren klein, dass sie die eines Kindes, nicht älter als Sieben oder Acht Menschenjahre sein mussten. Sie hielten etwas. Eine andere Hand und seine Sicht verschwamm. Tränen.
 

„…ich möchte, dass du lebst…“ Man strich ihm in einer kraftlosen, doch liebevollen Geste durch die Haare.
 

„Ich will nicht wieder allein sein müssen. Bitte…“, hörte er die Stimme des Kindes flehen, welchem nun ungezügelt die Tränen über die Wangen liefen.
 

„Das wirst du nicht sein…“
 

Seine Sicht wurde etwas klarer, doch blieb das Gesicht des Mannes dennoch undeutlich. Sein Herz rasste weiter in einem frenetischen Rhythmus, als dieser seine Hand, welches das Kind festhielt, entzog.
 

Was folgte ließ ihn ein hilfloses aber nicht weniger verzweifeltes Heulen vorbringen.
 

Der Junge wusste was passieren würde, doch blieb es für Wangji nur ein Gefühl der Verzweiflung.
 

„Dào Zhǎng!“ Er schluchzte und jammerte, bis ihm jeder Laut der aus seiner Kehle rutschte, schmerzte.
 

Ein goldenes Licht brach darauf aus dem Leib des Mannes.
 

Wangji wusste sofort, wovon dieses Licht ausging.
 

Ein goldener Kern.
 

Dann war er…
 

„Lebe nach einem bestmöglichen Maße…“ Dieser führte den Kern über die untere Dantian Region, seines schmalen Leibes und das nächste was ihm bewusst wurde war unsäglicher Schmerz, als hätte man ihm ein glühendes Eisen auf die Haut gesetzt.
 

Es ließ sämtliche Schreie die sich lossagen wollten, zu einem dornigen Knoten in seinem Hals werden.
 

Er fühlte nichts weiter außer Schmerzen.
 

Einem kräftigen Stoß gleich beförderte es Wangji wieder in seinen eigenen Geist, doch hatte er das Gefühl die Pein immer noch zu spüren, das ihm selbst nach einem Wimmern zu Mute war.
 

Er schüttelte schließlich seinen Kopf, um etwas von der Benommenheit loszuwerden.
 

Als er wieder bei sich war, war das erste was er sah, der entfremdet wirkende Blick den Yi Ling auf ihn gerichtet hielt.
 

„Dann sind wir wohl quitt…“ Wangji konnte nicht einmal sagen, ob er die Worte in seinem Kopf oder mit seinen Ohren gehört hatte, war sein Geist noch immer etwas träge. Doch er verstand die Anspielung.
 

Yi Ling richtete sich auf, dass er ihn auch loslassen musste und setzte sich etwas schwerfällig an den Rand des Bettes, raunte kratzig und wirkte nicht ansatzweise ausgeruht.
 

„Es war nicht meine Absicht, dies zu sehen.“, brachte er ihm in einem Versuch der Entschuldigung entgegen, besaß er Anstand genug dafür.
 

„Ja, meine auch nicht…“ Es klang ergeben, etwas das Wangji annehmen ließ, dass diese Art von seelischer Reflektion nicht selten bei ihm war.
 

Yi Ling sagte nichts mehr dazu, stand lediglich auf, um sich eine Schale mit Wasser zu füllen und diese in einem Zug zu leeren.
 

Dann begab er sich zum Waschzuber, und steckte schlicht seinen ganzen Kopf hinein und hielt ihn unter Wasser.
 

Wangji empfand es als etwas, das nicht an ihm war zu beobachten, fühlte es sich unangenehm privat an.
 

Allerdings hatte dieses ungewollte Eindringen in dessen Bewusstsein, weitere Fragen in ihm aufgeworfen, deren Antwort er jedoch nicht ersuchen würde.
 

Mit einem Prusten tauchte Yi Ling wieder aus dem hölzernen Becken auf, schüttelte sein Haupt wie ein nasser Hund, das die fliegenden Tropfen selbst Wangji erreichten.
 

„Unmöglich.“, moserte er schon im Affekt,  was Yi Ling etwas auflachen ließ.
 

„Das bin ich wohl.“, ließ dieser ihn wissen, bevor er sich ein Handtuch griff und richtig trocknete.
 


 

*
 


 

Es war etwas später, als sie ihr Zimmer verließen, um sich noch etwas weiter umzusehen.
 

Die Sonne hatte noch nicht ganz ihren höchsten Stand erreicht, als sie abermals durch die geschäftigen Straßen schlenderten.
 

Wangji war für die um sie herum befindlichen Personen abermals nicht sichtbar und konnte seine Aufmerksamkeit somit ungestört schweifen lassen, während Yi Ling sich abermals redefreudig und guter Laune zeigte, damit einige Passanten in ein kleines Schwätzchen zog.
 

Sie hatten das Eindringen in Yi Lings Gedanken nicht noch einmal angesprochen.
 

Wangji hätte auch nicht gewusst, was er dazu noch hätte vorbringen sollen, ging es ihn so gesehen nichts an.
 

Nichts anderes hatte er auch Yi Ling wissen lassen, als dieser eine seiner Erinnerungen miterlebt hatte.
 

So schwieg er darüber und ließ den anderen seinen gewohnten Charakter ausleben.
 

„Ich möchte, dass du dein Leben im bestmöglichen Maße lebst…“, kam es ihm wieder in den Sinn und er schenkte Yi Ling einen nachdenklichen Blick.
 

War es das was dieser tat? Lebte Yi Ling, wie es ihm der Dào Zhǎng aufgetragen hatte?
 

Dass dieser einen goldenen Kern besessen hatte, hieß, dass er einst zu Seinesgleichen gehört haben musste
 

Demnach besaß Yi Ling keine familiäre Bindung zu einem Clan und war als einfacher Menschenjunge geboren worden.
 

Dennoch war es bemerkenswert, dass dieser in solch einem schwachen Körper in der Lage gewesen war, einen goldenen, wenn auch nur noch schwachen, Kern in sich aufzunehmen und es auch zu überleben.
 

Solch ein goldener Kern entstand durch das intensive und andauernde kultivieren von líng qì, doch die Voraussetzungen dazu waren nur denen von überirdischen Geblüt vorbehalten.
 

Es konnte hunderte von Menschenjahren bedürfen um die vollkommene Unsterblichkeit zu erreichen und das auch nur wenn man Geist und Körper in beständiger Balance halten konnte.
 

Es war selten, dass jemand ihre Reihen verließ, um in der Menschenwelt zu verbleiben, doch es kam vor.
 

Jene deren goldener Kern zu schwach blieb und sie der Schmach gehässiger Verurteilung entgehen wollten. Jene die das Abenteuer suchten. Jene die ihr Glück mit einem Menschen fanden. Doch in solch einem Fall hatte man seine Unsterblichkeit aufzugeben, wie auch das Recht je wieder zurückkehren zu können.
 

Es war ein Preis den nicht viele gewillt waren zu zahlen und es nur vereinzelte Geschichten über solch ein bereitwillig gemachtes Opfer überliefert gab.
 

Solange das Gleichgewicht zwischen ihren Welten nicht gestört wurde, blieb ihnen offen zu wählen.
 

Es brachte die bittere Erinnerung an seine Eltern mit sich.
 

Sein Vater, der nächste Clanführer der Lans. Seine Mutter eine Freiheit liebende Frau von geringem Rang, die das Leben unter den Menschen gewählt hatte.
 

Ihre Begegnung, als sein Vater, wie er jetzt, die Menschenwelt bereist hatte, der Auftakt für ihr beider Unglück.
 

Es hieß, wenn ein Lan ihres Standes sich verliebte dann bis zu einem selbstaufopferungsvollen Maße, dass niemand anderes diesen Platz je wieder würde ausfüllen können.
 

Dass Einsamkeit für einen der ihren ebenso schmerzlich sein konnte, wie für die Menschen, wusste er aus Erfahrung.
 

Seine Mutter mochte immer ein Lächeln für ihn und seinen Bruder aufbewahrt haben, doch er wusste, dass sie so unsäglich einsam war. Einsam genug um ihrem eigenen Leben ein Ende zu bereiten.
 

Erst darauf schien ihr Vater tatsächlich zu verstehen. Doch anstatt sich dieser Schuldigkeit auch zu stellen, hatte er den feigen Weg der Selbstisolation gewählt, bis sein Körper und Geist erloschen waren.
 

Und auch wenn sich solch bittere, hetzende Emotionen für einen wie ihn nicht schickten, so war er nie im Stande gewesen seinem Vater zu verzeihen.
 

Selbst seine und die Existenz seines Bruders erschienen abstrakt in seinen Augen, wenn sie ihrem Vater am Ende nicht wichtig genug gewesen waren, wenigstens für sie da zu sein. Es für sie richtig machen zu wollen.
 

In Anbetracht dessen, sah die wenig Zuwendung zu seinen Kindern eher wie eine Notwendigkeit aus.
 

Doch blieb ihm trotz allem die Erinnerung an die wenige Zeit die er mit seiner Mutter hatte verbringen können. Es war etwas das ihn geprägt hatte. Und sei es in erster Linie einfach nur der unerschütterliche Wille, Hürden zu überwinden und voranzuschreiten, egal wohin sein Weg ihn auch führen mochte.
 

So wie in diesem Fall.
 

Sich mit einem fragwürdigen Charakter wie Yi Ling auf Reisen zu befinden, während er nicht mehr war als ein Funken Spiritueller Energie, war ein Verlauf den er nicht erahnen konnte.
 

Es erklärte allerdings nicht, was es mit dieser allgegenwärtigen dunklen Aura auf sich hatte die Yi Ling umgab.
 

Dessen Yin und Yang derart außer Gleichgewicht zu spüren.
 

Nie zuvor hatte er gehört, dass jemand solch ein inneres Chaos unter Kontrolle zu bringen vermochte, es sogar ein Stückweit für sich nutzbar hatte machen können. Normalerweise zerbrach Körper und Geist unter solch einem Umstand rasch. Und darüber hinaus war Yi Ling von Beginn her Mensch gewesen. Etwas das es nur noch unmöglicher machen sollte.
 

Selbst einem von ihnen würde es Unglaubliches abverlangen. Eher noch wäre es kein Zustand unter dem man freiwillig seine Existenz führen würde wollen.  
 

Was also, bewegte Yi Ling derart innig, das er solch einen unberechenbaren Weg für sich ging, der ihn ohne weiteres in Stücke reißen könnte, sollte dieses Chaos je die Oberhand gewinnen?
 

Dieser begann nun ein Lied zu summen, auf das er sich schließlich unter einen Baum setzte und sich gegen dessen Stamm lehnte, die Augen schloss.
 

Sie waren etwas abseits der Straßen und Häuser, das kaum jemand an ihnen vorbei kam.
 

„Ist dir etwas aufgefallen?“ Dass Yi Ling diesen Weg nutzte, um mit ihm zu kommunizieren, ließ annehmen, dass er auf Nummer sicher gehen wollte mit ihrem Gespräch.
 

„Keine Kinder.“ Gestern als sie ankamen, war es spät genug gewesen, dass es nicht sonderlich ungewöhnlich erschien keine zu sehen. Doch das ihnen auf dem Weg durch die Gegend nicht eines aufgefallen war, wirkte recht seltsam.
 

„Zumal die meisten Maiden hier, ungewöhnlich hübsch sind, für einen Ort der sonst aus Obstbauern besteht. Es erklärt allerdings, warum so viele Besucher männlich sind. Der Service in den Schenken ist wahrlich exquisit. Kaum hat man einen Platz gefunden, gesellen sich auch schon ein paar der Mädchen dazu. Und ehe man sich versieht hat man einen Krug Wein getrunken.“
 

Er holte etwas aus einer kleinen Tasche an seinem Gürtel und zeigte es Wangji.
 

„Samen?“
 

„Sie befinden sich im Wein. Die Mädchen sorgen dafür, dass jeder Gast einen davon schluckt. Mir fiel ihre befremdliche Signatur auch in anderen Krügen auf. Ich konnte die hier unter meiner Zunge verstecken.“
 

„Das Geflecht das sich in dir befand?“
 

„Ich wollte wissen was sie bewirken sollen und ließ mich darauf ein. Die Samen mögen klein sein, doch steckt in ihnen genug Magie, um den Geist dahingehend zu beeinflussen, dass es einen unaufmerksam und beeinflussbar macht. Doch es einem nicht viel anders erscheint, als hätte man einfach nur zu viel getrunken.“
 

„Dich hat es nicht beeinflussen können?“ Yi Ling grinste auf seine Frage in seiner üblichen, selbstgefälligen Manier.
 

„Ich hatte es mit einer Qi Barriere isolieren können, doch wuchs es schneller als ich angenommen hatte, dass es etwas anstrengend wurde, über solch einen herzlichen Abend in so charmanter und attraktiver Begleitung, nicht die Konzentration zu verlieren und doch so zu tun, als hätte man Erfolg mit ihrer Manipulation gehabt.“
 

Wangji war nach einem Schnalzen zu mute, ließ diese Erklärung wissen, dass Yi Ling die Dinge nicht mit dem Ernst betrachtete, wie es angebracht war.
 

Nur um daraufhin sich dem kräftezerrenden und schmerzhaften Prozess einer Selbstreinigung unterziehen zu müssen.
 

Es war nicht nur riskant, sondern auch unglaublich leichtfertig.
 

„Aber wozu das alles?“ Was steckte dahinter die Reisenden unter den Einfluss von Magie zu setzen? Was gewann man damit?
 

„Wir sollten uns die Tempelanlage noch einmal genauer ansehen. Der Schutz der sich darum gezogen befindet zeugt von ähnlicher Energie.
 

Womöglich gibt es ein paar Antworten genau dort zu finden.
 

Allerdings wird es schwierig, unbemerkt dort hinein zu kommen. Man war gestern recht schnell und unauffällig vor Ort, um mich wieder fortzuschicken. Ich könnte zwar eines meiner Männchen hineinschicken, doch würde mich das Aufrechthalten der Verbindung für diesen Zeitraum anfällig zurücklassen und ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, wenn wir nicht wissen womit wir es hier zu tun haben.“
 

Es blieb einen nachdenklichen Moment still zwischen ihnen.
 

„Ich könnte versuchen hineinzugelangen.“, machte Wangji den Vorschlag, dass es ihm einen überraschten Blick von Yi Ling einbrachte.
 

„Bist du dir sicher? Wenn es schief geht, kann ich nicht garantieren rechtzeitig helfen zu können. Die Magie um dich unsichtbar zu halten ist nur in meiner direkten Nähe möglich. Sie kann dir somit keine Deckung geben.“
 

Wangji war sich sehr wohl im Klaren, dass es ein Risiko darstellte, aber er wäre in dieser seiner Form immer noch der Unauffälligere von ihnen beiden.
 

Je schneller sie hinter das Ganze hier stiegen umso besser.
 

„Ich bin mir etwaigen Gefahren bewusst.“ Yi Ling wirkte noch immer überlegend, doch nickte er schließlich.
 

„Gut, dann versuchen wir es.“
 


 

Sie hatten den Rest des Tages damit zugebracht die Tempelanlage zu beobachten, doch erschien auch hier nichts ungewöhnlich. Einer Frau in unauffälliger Kleidung, doch selbstbewussten Schritten verbunden mit der Aura des einfachen Volkes, hatte man Zugang gewährt, doch sonst betrat niemand das Gelände, wie auch sonst niemand hier weiter her zu kommen schien.
 

Yi Ling hatte ihm das Beobachten überlassen und nutzte die Zeit zudem an diversen Papiermännchen und Talismanen herumzuexperimentieren, indem er sie mit verschiedenen Symbolen markierte. Manche gingen schier in Rauch auf. Andere krümmten sich in sich selbst, als habe eine Hand sie grob gepackt und zusammengeknüllt. Eines seiner Männchen schüttelte simpel seinen Kopf auf dessen zuvor gewisperten Worte, gefolgt von einem Seufzen von Yi Ling. Seine Spielereien wurden wohl selbst seinen Talismanen zu viel.
 

Für all dies nutzte er einen Kalligraphie-Pinsel dessen dicker Griff auf den ersten Blick unhandlich wirkte, und welcher mit verschiedenen Schriftzeichen versehen war. Ungewöhnlich, dass die Tinte sich bereits im Pinsel zu befinden schien, benetzte diese die feinen Haare sobald Yi Ling die Spitze auf das  Papier setzte. Es fiel ihm ebenso auf dass die Farbe der Tinte wechselte, das er davon ausging, dass dieser bereits etwas Magie inne wohnen musste.
 

„Ah, Lan Zhan, wo sind deine Augen, du sollst auf den Komplex schauen, nicht auf mich. Auch wenn ich verstehe, wenn du deine Augen nicht von mir nehmen kannst.“ Wangji schnalzte innerlich über diese unsinnige Annahme.
 

„Du besitzt ein magisches Artefakt?“, hinterfragte er dennoch, konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand wie Yi Ling in Besitz solch eines Gegenstandes gekommen war, waren diese rar oder meist verschollen, wenn nicht in Besitz eines mächtigen Clans oder Gottwesens. Yi Ling gehörte, zu keiner der beiden Optionen.
 

Dieser lachte amüsiert über seine Frage und drehte den Pinsel gekonnt zwischen seinen Fingern.
 

„Das hier? Den hab ich selbst entworfen. Mit meinem geringen líng qì ist es nicht gerade ratsam starke magische Talismane zu erstellen, die mich am Ende wortwörtlich Blut kosten und völlig ausgelaugt zurücklassen würden.
 

Also habe ich nachgedacht.“ Er öffnete das hintere Ende des Griffs und offenbarte, dass dieser innen mehrerer Kammern aufwies die in Parzellen in der runden Form angelegt waren.
 

„Die Tinte ist etwas mit dem ich eine Weile herumversucht habe. Ich fand heraus, dass sich das Potenzial je nach Zugabe anderer Elemente variieren oder spezifisch anpassen lässt. Wie auch das Material das man beschreibt, eine bestimmte Wirkung hervorrufen kann.
 

Je hochwertiger die Bestandteile, desto stärker die Wirkung des Talismans.
 

Es gibt somit unzählige Variationen und Ergebnisse. Es ist ungemein faszinierend, aber auch extrem zeitaufwendig die effektivsten Kombinationen herauszufinden.“ Yi Ling nahm einen normalen Papiertalisman herzu und strich mit dem Finger der pinselhaltenden Hand über eine der dort eingravierten Schriftzeichenabfolgen des Griffes.
 

„Um sie zu aktivieren braucht es nur einen Funken líng qì.“, erklärte er und schien genau dies zu tun, glimmten die Zeichen leicht auf und er schrieb etwas mit grüner Tinte auf den Talisman. Dann zuckte das Papier kurz und faltete sich in eine andere Form um. Größer und breiter als es das Material hergeben sollte.
 

Am Ende lag, und Wangji musste mit den Augen rollen, ein mannshoher grüner Kohl zwischen ihnen.
 

„Nur für dich. Auch wenn er einzig nach Papier schmecken wird.“, witzelte Yi Ling heiter über seine erschaffene Illusion.
 

Was hatte er auch erwartet?
 


 

Es war kurz nachdem die Sonne hinter dem Wald gesunken war, das sich doch noch etwas regte und sie beide verfolgen konnten, wie sich das schwere, hölzerne Tor auftat und nach und nach die Maiden, die recht eifrig die Gesellschaft der Gäste in den Schänken oder Amüsierhäusern suchten, hervortraten. Jede von ihnen perfekt hergerichtet. Feine Stoffe, die um zierlich, elegante Silhouetten fielen. Aufwendig hergerichtete Haare mit filigranem Haarschmuck bestückt und der verführerische Effekt von blassem Puder und sinnlich roter Lippenfarbe auf den feinen Gesichtern. Dunkle, unschuldig wirkende Augen, die scheu hinter einem aufwendig bestickten tuán shàn (runder, mit Stoff bespannter Fächer) hervorschauten, nur erahnen ließen, ob diese auch ein ebenso schüchternes Lächeln begleitete.
 

Yi Ling wusste das ihre Stimmen süß und schmeichelnd waren, genau wie ihr Geruch, der an ein Feld voller Sommerblumen erinnerte.
 

Dann lebten sie also alle im Tempel?
 

War der Zutritt deswegen für Fremde untersagt? Um ihren Schutz und Abstand zu gewährleisten?
 

Die Dunkelheit brach herein und es hatte sich nichts weiter getan, das sie schließlich im Schutz der Schatten näher schlichen.
 

„Bist du dir sicher, dass du es versuchen willst?“, erkundigte sich Yi Ling abermals, als sie eine marode Stelle in der Umzäunung ausfindig gemacht hatten, durch die ein Hase ungehindert hindurchschlüpfen konnte.
 

„Verschwende keine Zeit.“, wies Lan Zhan in lediglich an, doch setzte er ihn dennoch nicht sofort zu Boden.
 

„Warte.“ Yi Ling ließ Lan Zhan nicht die Zeit sich zu erkundigen, auf was es noch zu warten galt, als er einen kräftigen Strom an goldener Energie in ihn fließen ließ.
 

„Ich hatte ganz vergessen dich heute zu füttern.“ Darauf zwinkerte er ihm noch albern zu, allein weil er wusste, dass es den anderen nervte, wenn er dies tat und setzte ihn schließlich in das Gras das in einem Saum den Zaun entlangwuchs.
 

„Noch was.“ Yi Ling konnte Lan Zhan´s genervtes Augen rollen fast schon hören, und es ließ ihn leicht den Kopf schütteln über dessen wagemutigen Eifer, sich in eine unbekannte Gefahr stürzen zu wollen, obwohl dieser es war, der ihn sonst immer ermahnte nicht zu unbedacht zu handeln.
 

Yi Ling zog einen Talisman hervor. „Er ist noch in der Testphase, aber rein theoretisch sollte es funktionieren.“ Er schaute noch einmal prüfend über die Zeichen, die er darauf geschrieben hatte.
 

„Es ist ein Schutzzauber, sollte man dich packen wollen, wird es schmerzhaft für denjenigen. Da er keine verdächtigen Energie-Impulse abgeben soll, erlaubt die komprimierte Magie darin allerdings nur eine Abwehr. Also legt dich nicht unnötig mit jedem an, der dir über den Weg läuft.“, scherzte er, auch um der Anspannung, etwas entgegenzuwirken.
 

Er ließ folglich das Papier soweit schrumpfen bis es nicht mehr größer war als eine Fingerkuppe.
 

„Unsere Verbindung reicht leider nicht weiter, als was du mich hören würdest wenn ich dich mit richtiger Stimme rufe. Also hilft uns die hierbei nicht aus. Mit diesem Zauber, schicke ich dich aber wenigstens nicht vollkommen ungeschützt ins Unbekannte.“
 

Yi Ling versteckte den verkleinerten Talisman unter dessen Fell, der sich dort auch sofort anhaftete, damit er nicht verloren ginge.
 

„Na dann, viel Glück.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RamDamm
2020-11-28T16:01:29+00:00 28.11.2020 17:01
Die beiden sind einfach nur niedlich miteinander. Der Traum war ja nun einmal nicht so schön und ich verstehe das da Jemand leicht bockig war, aber nun sind sie quitt. Doch nun ist Bunny Zhan unterwegs und auf sich allein gestellt. In einem Tempel voller Frauen auch noch, das kann ja nur lustig werden. Freue mich schon auf dein nächstes Kapitel. Und einen schönen ersten Advent morgen



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