Im Dunkeln
Im Dunkeln sahen die Ölgemälde mit ihren schweren, goldenen Rahmen noch unheimlicher aus als im Tageslicht, wenn ein mürrischer Vorfahre sich darin aufbaute, fast als wollte er zeigen, dass er zwar tot, aber noch lange nicht vergessen war.
Sirius schauderte, während er an einem Porträt seines Großvaters Arcturus vorbei schlich. Der ließ sich zum Glück nicht stören. Sein Schnarchen hatte bereits die nächste Verwandtschaft verscheucht und Sirius war sich sicher, dass seine Mutter das Bild verhexen würde, würde sie je mitbekommen, was für Laute aus seinem Rahmen kamen.
Vermutlich würde sie auch ihn verhexen, würde sie ihn mitten in der Nacht auf dem Flur erwischen, doch er wäre kein Herumtreiber, hätte er es nicht trotzdem gewagt. Leise schlich er um eine knarrende Diele herum und steuerte auf die Treppe zu. Sein Ziel war die Küche, jener Raum den zu betreten kein Mitglied der Familie sonderlich schätzte. Aber er hatte Hunger und in der Not fraß der Black halt Fliegen.
Die Stufen der Treppe kamen ihm endlos vor und egal wie er auftrat, immer schien es unter seinen Füßen zu knarren als hätte es der Holzwurm persönlich auf ihn abgesehen. Sirius schluckte schwer. Wenn seine Mutter das mal bloß nicht hörte. Auf der oberen Etage hätte er sich noch herausreden können, aber hier, mitten auf der Treppe, würde das schwer werden. Schlafwanderei würde sie ihm nicht abnehmen, hatte Professor McGonagall schließlich auch nicht getan.
Kurz erschien das Gesicht seiner strengen Lehrerin vor seinem inneren Auge. Sirius blinzelte es entschlossen weg. Er musste sich jetzt konzentrieren, damit der Hauself ihn nicht bemerkte. Er musste leise sein und alles beachten und -
„Sirius?“
Beinahe wäre er vor Schreck die restlichen Stufen hinuntergefallen.
„Psst!“, fauchte er nach oben. Das hatte ihm wirklich noch gefehlt. Regulus, die Petze vom Dienst.
„Was machst-“
„Psst!“
„Was machst du da?“, fragte Regulus jetzt leiser und trat vorsichtig die ersten Stufen hinab. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Gar nichts, Regulus. Du träumst. Geh wieder ins Bett“, zischte Sirius nach oben. Doch sein Bruder schüttelte den Kopf.
„Du schwindelst“, behauptete er hartnäckig und starrte ihn aus seinen grauen Augen düster an. „Ich will auch mitspielen.“
Sirius seufzte, vornehmlich genervt. „Hogwartsschüler spielen nicht. Sie gehen auf Missionen.“
„Dann will ich auch auf Mission gehen.“
„Du bist noch kein Hogwartsschüler.“
Regulus seufzte, offensichtlich enttäuscht und Sirius wollte schon die nächste Stufe hinabsteigen, da hörte er es.
Es war nicht laut und es kam auch nicht aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter. Es schien viel mehr als würde es von unten – Hinter ihm schniefte Regulus und übertönte damit das Geräusch. Sirius schluckte das Bedürfnis es ihm mitzuteilen. Stattdessen winkte er ihn zu sich herab.
„Hörst du?“, flüsterte er ihm zu und die Tränen seines Bruders schienen augenblicklich zu versiegen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen um größer zu wirken, dann lauschte er bedächtig und nickte schließlich.
„I-Ist das ein Einbrecher?“
Sirius hätte am liebsten „Nein“ gezischt, doch wenn er ehrlich war, konnte er das nicht wissen. Vielleicht hatte Regulus recht. Vielleicht hatten sie wirklich einen Dieb aufgeschreckt.
Er schauderte. Lily, ein Mädchen aus seiner Klasse, hatte ihm von Dieben erzählt. Das waren fiese Menschen, die alles mitnahmen, was sie finden konnten. Und in ihrem Haus gab es viel zu finden, das sagte auch seine Mutter immer.
Er blickte zu seinem Bruder und der blickte ängstlich zurück.
„Wir müssen ihn aufhalten.“
Regulus blinzelte, nicht sehr überzeugt. „Sollten wir nicht lieber Mutter wecken, damit sie ihn aufhält?“, flüsterte er naiv.
Sirius schüttelte den Kopf. Seine Mutter zu wecken, hieß zuzugeben, dass er sich aus dem Bett geschlichen hatte und das würde er nicht tun, selbst wenn der Einbrecher das Klavier - Entschlossen stapfte er die Treppe hinab.
„Wir halten ihn jetzt auf.“
Sirius unterdrückte ein Zittern als er nach der Klinke der Salontür griff. Erstens, weil er nicht wollte, dass Regulus ihn für feige hielt und zweitens, weil er natürlich ganz und gar nicht feige war. Er war schon groß, er hatte einen Zauberstab und er konnte die beste Ganzkörperklammer seines Jahrgangs.
Okay, die Zweitbeste, aber das würde er Lily gegenüber sicher nicht zugeben und solange er es nicht zugab, war seine selbstredend die Allerbeste. Die ungeschriebene Nummer 1.
„Sirius, lass uns wenigstens Kreacher rufen“, bat sein Bruder hinter ihm.
Sirius schnaubte. Er mochte den Hauself nicht. Und hätte er ihn gemocht, er hätte ihn bestimmt nicht einem potentiellen Dieb präsentiert. Am Ende nahm der ihn noch mit.
Und dann? Dann würde seine Mutter erst recht schimpfen.
Fest entschlossen es auf gar keinen Fall soweit kommen zu lassen, drückte er die Klinke hinab. Hinter ihm schnappte Regulus nach Luft. Die Tür knallte mit Schwung gegen die Wand, doch Sirius interessierte das nicht. Er riss seinen Zauberstab aus dem Ärmel.
„Aha!“, entfuhr es ihm, doch es klang weit weniger selbstbewusst, als er gehofft hatte. Regulus war hinter ihm erstarrt und im Salon … Da legte sein Vater langsam die Gabel auf den Teller zurück.
„Sirius“, murmelte er schließlich, „solltest du nicht schon längst in deinem Bett liegen?“