Zum Inhalt der Seite

If looks could kill

[Demonic Reverie]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zu Mortes Geburtstag (und dem Tag der deutschen Einheit) ein neues Kapitel mit Morte. ♥ Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 7: Ich hatte nicht vor, dir etwas anzutun.

Am nächsten Morgen kümmerte Morte sich schon nicht mehr um das, was geschehen war, als sie versucht hatte, in Rowans Traum einzudringen. Sie war immer noch wütend auf ihn, natürlich, aber nicht mehr wegen eines speziellen Vorfalls, sondern eben allgemein. Alles an diesem Kerl regte sie einfach nur auf, wenn sie an ihn dachte.

Um sich von diesen finsteren Gedanken abzulenken, wollte sie eine Person in Athamos besuchen, die ihr gegenüber auf keinen Fall feindlich eingestellt war und die auch in etwa verstand, was sie durchmachen musste. Dafür lenkte sie ihre Schritte in Richtung der Krankenstation. Dort gab es, wenn man die richtige Tür wählte, auch ein Labor, in dem Konia Forschungen betrieb (die sie begrüßte, als sie an ihr vorbeikam). Eine weitere Tür dort führte einen dann zu dem Zimmer des Mannes, der sie zur Zerstörung verführt hatte und sich ebenfalls in dieser Welt hatte bekehren lassen. Sie trug ihm nichts nach, sie wusste, was in seinem Inneren vorgegangen war. Immerhin waren auch seine Träume nicht von ihren Besuchen verschont geblieben. Wer so viel Schmerz und Einsamkeit hatte erleiden müssen, reagierte ihrer Meinung nach verständlicherweise mit Zerstörung. Sie war aber froh, dass er schließlich wieder davon abgekommen war – wenn auch nur in der Hoffnung, dass man ihn hier an diesem Ort endlich töten konnte.

Kieran Haze war, wie üblich, mit nichts beschäftigt, als sie ihn aufsuchte. Er lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie sich erschrocken, weil er ihrem Vater so sehr ähnelte. Sein schwarzes Haar fiel ihm über sein linkes Auge, zumindest sein rechtes war auf jeden Fall braun und auch seine leicht androgynen Gesichtszüge schienen ihr dieselben zu sein wie die ihres Vaters, nur eben in jüngeren Jahren.

Inzwischen wusste sie ja, woran es lag; ihr Vater war der Kieran ihrer Welt gewesen und Haze jener einer anderen. Und Ares nochmal der einer anderen. Es war interessant zu sehen, wie viele verschiedene Versionen es gab und unter anderen Umständen hätte sie auch gern gewusst, ob es noch mehr von ihr gab – aber andererseits sah sie sich auch gern als einzigartig an. Wer konnte schon von sich behaupten, die Tochter einer Weltenbrecherin zu sein?

Haze richtete sich auf, nachdem er sie begrüßt hatte, um zumindest zu sitzen. Dabei verzog er keine Miene, sein Gesicht war emotionslos wie immer, obwohl er gerade durch die Bewegungen Schmerzen erleiden dürfte. Das war, wie sie wusste, der Grund, wegen dem er nicht selten einfach nur dalag. Er war ein Suizid-Dämon. Nach all dem Leid, das er in seinem Leben erlebt hatte, war von ihm der Entschluss gefasst worden, sich umzubringen. Allerdings war er danach nur als Dämon wiedererwacht, um weiter endlose Qualen zu erleiden. Ein weiterer Selbstmord war unmöglich für ihn – und bislang war es noch niemand anderem gelungen, ihn zu töten.

Morte setzte sich auf einen Stuhl und lächelte ihn an. „Wie geht es dir heute?“

„So wie immer.“ Er musterte sie. „Stimmt etwas mit dir nicht? Du wirkst aufgewühlt.“

Dabei war sie sich sicher gewesen, dass nichts an ihr zu bemerken gewesen war. Aber entweder war Haze einfach sehr aufmerksam oder sie hatten derart viel Zeit miteinander verbracht, dass er das anhand einiger knapper Merkmale erkennen konnte.

Also erzählte sie ihm von den Ereignissen des letzten Trainingseinsatzes und der Begegnung mit ihrem vermeintlichen Großvater. Haze lauschte ihr, ohne sie zu unterbrechen. Erst als sie schließlich fertig war, neigte er den Kopf ein wenig. „Das klingt schlimm.“

Sie war überzeugt, dass er gerade darüber nachdachte, wie es wohl wäre, wenn er seinem Bruder in einem solchen Moment wieder gegenüberstünde. Mitleid war nämlich normalerweise keine seiner besonderen Eigenschaften.

„Meine Welt wurde doch zerstört, oder?“

„Nun, der Weltenbrecher hat sich nach der Einverleibung deiner Mutter jedenfalls alle Mühe gegeben, um wirklich alles davon auszulöschen.“ Eine ehrliche, gefühllose Antwort, wie immer. „Dein Vater, der Kieran deiner Welt, hat den Weltenbrecher allerdings aufgehalten, bevor er vollkommen erfolgreich mit seinem Kataklysmus war.“

Und dafür hatte er sein Leben geopfert.

„Damit hat er den Untergang aber nur genug verzögert, dass wir dir helfen konnten“, fuhr Haze fort. „Aber inzwischen ist absolut nichts mehr von deiner Welt übrig.“

Anfangs war es schwer gewesen, mit Hazes schonungsloser Ehrlichkeit umzugehen, aber inzwischen konnte sie darüber nur noch lächeln. Er machte es nicht aus Böswilligkeit, deswegen fand sie es vollkommen okay.

„Deswegen verstehe ich das alles umso weniger.“

Haze blickte nachdenklich zur Seite. Etwas schien ihm eingefallen zu sein, weswegen sie gespannt darauf wartete, worum es sich handelte und dabei ein wenig den Blick schweifen ließ, um ihn nicht unter Druck zu setzen. Es gab nichts in diesem Raum, das einen ablenken konnte. Haze hatte sich auf eine absolut spartanische Einrichtung eingelassen, mit einem Bett und einem Tisch, sowie dem dazugehörigen Stuhl, auf dem Morte gerade saß, das war alles. Keine Bilder, keine Bücher, nichts zum Schreiben. Es war der Raum eines Mannes, der keinerlei Leben oder Hobbys hatte.

„Ich habe da eine Vermutung“, begann Haze, doch bevor er weiterreden konnte, hörte Morte eine Stimme im Labor wüten, die sie nur zu gut kannte.

Seufzend griff sie sich an die Stirn. „Auch das noch ...“

Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen, ein wütender Rowan stand im Rahmen und starrte Morte an als wäre sie für alle Übel dieser Welt verantwortlich. Also so wie immer.

Aus dem Labor hörte sie das Jammern und Wehleiden der eingesperrten Dämonen, die es nicht ertrugen, dass jemand mit derart viel Wut in ihrer Nähe war.

„Guten Morgen, Rowan“, sagte sie in einem Versuch, ihn zu beruhigen – oder vielleicht, ihn zu verspotten, sobald es um ihn ging, war sie sich da gar nicht so sicher.

„Verarsch mich nicht!“, erwiderte er unwirsch. „Was sollte das letzte Nacht?!“

Sie zog ihre Brauen zusammen. Wovon redete er da?

Meint er etwa, dass ich versucht habe, mich in seinen Traum zu schleichen?

Aber es war nicht gelungen, deswegen dürfte er auch nichts davon wissen. Oft genug vergaßen die Leute sie auch bei einem erfolgreichen Versuch wieder, weil man sich einen Traum nicht immer merken konnte – aber er sollte ihr Scheitern mitbekommen und es sich gemerkt haben?

Niemals!

„Du weißt genau, wovon ich spreche“, grollte er. „Ich weiß nicht, was du da Seltsames versucht hast, aber du wolltest mir irgendetwas antun, während ich schlafe! Habe ich recht?!“

Wären noch Speicheltropfen geflogen, hätte er den geradezu perfekten Bösewicht dargestellt. Sie spürte seine Kampfbereitschaft, in ihrem Inneren rumorte die Antwort darauf, der Wunsch, ihm einfach das Herz herauszureißen. Nur mühsam gelang es ihr, das niederzukämpfen.

Ich bin ein gutes Mädchen. Ich bin vernünftig. Ich werde ihm nichts tun.

Sie reckte das Kinn. „Ich bin überrascht, dass du überhaupt etwas mitbekommen hast. Es hat ja nicht einmal funktioniert.“

Sein Zeigefinger deutete sogleich anklagend auf sie – immer noch besser als der Kopf seines Hammers. „Also gibst du es zu!“

„Nein. Ich hatte nicht vor, dir etwas anzutun.“

In seinen grünen Augen schien ein wildes Feuer zu brennen, dem sie nicht wirklich standhalten konnte. Aber sie wollte ihren Blick auch nicht abwenden und ihm damit einen Sieg gönnen.

„Ich hab dir schon mal gesagt, du sollst mich nicht verarschen! Die anderen hier glauben dir vielleicht, dass du jetzt lieb und brav bist, aber ich bin nicht so naiv!“

Im Moment war sie froh, dass er kein Schöpfer war. Mit Sicherheit hätte er sonst schon einiges erschaffen, um sie auf der Stelle zu töten, selbst wenn es nicht einmal freiwillig geschehen wäre. Als Koloss hatte er aber sicher den Nachteil, dass er in einem so kleinen Zimmer nicht seine gesamte Kraft einsetzen konnte.

Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie sie Rowan die Auge auskratzte, ihm die Luftröhre zerfetzte, in seinem Blut badete. Ihre Hände zuckten, um diese Bewegungen zu imitieren und in die Tat umzusetzen, bevor er auch nur daran denken konnte, seinen Hammer zu ziehen.

„Sie hatte wirklich nicht vor, dir etwas anzutun.“ Hazes teilnahmslose Stimme riss sie aus ihren finsteren Gedanken heraus. „Sie wollte nur herausfinden, wovon du träumst.“

„Was?“ Rowan stutzte und sah zu Haze hinüber. „Kann sie so etwas wirklich?“

Natürlich kann ich das.

Sie sprach das nicht laut aus. Bei Haze schien Rowan aus irgendeinem Grund nicht mehr so hasserfüllt zu sein, nur skeptisch, obwohl sie im selben Verbund gewesen waren – auch wenn das ziemlich unfair war, wie Morte fand. Im Moment war es allerdings eine gute Sache.

Haze nickte. „Kennst du das Spiel R.O.O.T.S.?“

„Ich beschäftige mich nicht mit Spielen.“

„Ziel des Spiels ist es, von einem Planeten aus andere zu erobern, indem man Fäden zu diesen spinnt und diese so übernimmt. Dabei gibt es aber nur eine begrenzte Distanz, die ein Faden zurücklegen kann.“

Rowan sah verwirrt aus und Morte war es nicht minder. Bislang hatte noch niemand versucht, ihre Fähigkeiten zu erklären. Weswegen auch, solange sie funktionierten?

Haze ließ sich von diesen ratlosen Gesichtern vor sich nicht entmutigen. „Mortes Fähigkeit ist in so etwa wie der Faden. Sie kann ihr Bewusstsein mit dem anderer verbinden, solange diese träumen.“

„Warum hast du es nicht gleich so erklärt?“, brummte Rowan, wobei Morte ihm innerlich zustimmen musste. „Und was macht sie dann?“

„Eigentlich dient diese Fähigkeit dazu, dass sie damit den Willen einer Person unterwandert und ihm eine Idee einpflanzt oder dass sie direkt seinen Körper übernehmen kann.“

Diese Antwort erklärte nicht nur den Spiel-Vergleich, sie gab Rowan auch direkt wieder neue Munition. Finster blickte er Morte an. „Also wolltest du meinen Körper übernehmen?! Oder mir auch einreden, dass du harmlos bist? So wie du es mit den anderen getan hast?!“

Sie rollte mit den Augen. „So ein Schwachsinn kann auch nur von dir kommen.“

„Ja“, stimmte Haze tonlos zu, ehe Rowan das kommentieren konnte. „Morte kann nur in Träume von Personen eindringen, die positiv zu ihr stehen oder denen sie egal ist. Was auch Sinn macht. Wer würde schon jemanden, den er hasst, in seinem Traum haben wollen?“

Das sorgte dafür, dass Rowan ihn nicht finster ansah, sondern stattdessen grimmig nickte. Er wollte Morte ganz offensichtlich nicht einmal in der Nähe seiner Träume haben. Sie wunderte sich dagegen eher, woher Haze so viel über ihre Fähigkeiten wusste, wenn nicht einmal ihr selbst das klar gewesen war.

„Ich sagte ja bereits, dass der Faden im Spiel nur eine gewisse Distanz hat, nicht?“ Haze fuhr ohne jedes Zögern fort. „So sieht es auch bei Mortes Fähigkeit aus. Je näher ihr die Person steht, desto einfacher fällt es ihr.“

Gut, das war ihr auch bewusst gewesen, aber nicht, dass jemand, der sie nicht mochte, ihr sogar einen richtigen Schock verpasste.

„Woher weißt du eigentlich, dass ich das versucht habe?“ Lauernd sah sie Rowan an, der ihren Blick hasserfüllt erwiderte.

„Denkst du, ich bin total blöd? Ich habe genau gemerkt, dass jemand versucht hat, mit meinen Träumen herumzuspielen – und da kommst nur du in Frage!“

Morte verfluchte sich innerlich. Er war also nur deswegen auf sie gekommen, weil er sie hasste und hatte keinerlei Beweise besessen. Und sie war natürlich darauf hereingefallen.

Sie schnaubte wütend, wurde aber direkt wieder von Haze abgelenkt: „Und da kommen wir auch schon wieder zu meiner Theorie wegen dem, was bei dem Einsatz geschehen ist.“

Sie wollte ihn fragen, ob sie das vor Rowan erörtern mussten, der nichts mit der ganzen Sache zu tun hatte, aber sie war sehr an dieser Theorie interessiert – und er sah nicht so aus, als wolle er so bald wieder gehen.

Haze blickte Morte direkt an. „Ich denke, dieser Albtraum – oder was auch immer das für ein Wesen bei deinem letzten Einsatz gewesen war – verfügt ebenfalls über diese Fähigkeit. Nur in einem stärkeren Ausmaß, so dass er sogar in deinen Traum dringen konnte, während du wach warst.“

Auf diese Weise hatte sie es noch nicht betrachtet. Aber es ergab Sinn, immerhin war die Blumenwiese da gewesen und auch eine Gestalt, die wie ihr Großvater aussah. Wie sollte das möglich sein, wenn nicht dadurch, dass jemand in ihrem Unterbewusstsein und in ihren Träumen herumgestöbert hatte?

Rowan verschränkte die Arme vor der Brust, er runzelte seine Stirn; dachte er etwa gerade nach? Skeptisch sah Morte ihn an – und war vollkommen baff, als er tatsächlich einen Schluss zog: „Wenn dieses Wesen das sogar kann, während sie wach ist, muss das bedeuten, dass absolut kein Widerstand da war, also steht dieses Wesen ihr sehr nah?“

Sie wollte dem bereits widersprechen, rein aus Prinzip, weil es von Rowan kam, aber dann fiel auch ihr auf, dass es eigentlich ziemlich sinnvoll klang. Deswegen sah sie zu Haze hinüber, der auch direkt nickte. „Gute Schlussfolgerung. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter mit meiner Vermutung.“

Morte überkam das Gefühl, dass ihr der nächste Satz nicht gefallen würde, deswegen versuchte sie selber erst gar nicht darüber nachzudenken, was es bedeuten mochte und verbannte jeden Gedanken in diese Richtung möglichst weit fort.

Rowan dagegen lauerte regelrecht darauf, es zu hören, aber sie weigerte sich, zu glauben, dass er den Schluss allein gezogen hatte. Selbst wenn dieser gegen sie gerichtet war.

Haze kümmerte sich aber nicht darum, ob er das besser nicht sagen sollte und sprach seine Vermutung daher wie üblich nonchalant aus: „Dieses Wesen muss auf jeden Fall mit dir verwandt sein, Morte. Vielleicht hat deine Mutter trotz aller Widrigkeiten doch überlebt.“
 

Sie wollte – nein, sie konnte – es nicht glauben. Noch während sie durch die Gänge Athamos' wieder zu ihrem eigenen Zimmer lief, dachte sie über Hazes Worte nach, wollte aber nicht zulassen, dass sie wirklich ihr Herz erreichten.

Sie hatte gesehen, wie ihre Mutter von dem neuen Weltenbrecher, der zu einem riesigen Scheusal angewachsen war, verschlungen worden war. Er hatte sie gefressen, Knochen waren gebrochen und zermalmt worden.

Aber bedeutet das wirklich, dass sie tot ist?

Ihre Mutter war ebenfalls ein Weltenbrecher gewesen. Ein von verzweifelten Albträumen erschaffenes Wesen, dessen Macht die eines jeden anderen übersteigt. Konnte so eine Existenz überhaupt durch etwas derart Simples ausgelöscht werden?

Die in ihren Augen brennenden Tränen waren wohl der einzige Grund, wegen dem Rowan sie direkt nach dieser Enthüllung hatte davonstürmen lassen. Dabei wäre es ihr genau in diesem Moment vollkommen egal gewesen, wenn er sie sogar getötet hätte.

Ihre Gedanken drehten sich nur noch um die Identität des Wesens, das die Gestalt ihres Großvaters angenommen hatte, um sie derart zu quälen. Das konnte einfach nicht ihre Mutter gewesen sein. Nein, das konnte nicht sein.

Ich weigere mich einfach, das zu akzeptieren!

An ihrem Zimmer angekommen, unterstrich sie diesen Gedanken, indem sie die Tür hinter sich zuwarf – entschlossen, erst wieder herauszukommen, wenn es zu ihrem nächsten Einsatz käme und sie dieses fürchterliche Wesen endlich für seine Vermessenheit bestrafen könnte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück