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Winter Carols

von

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Türchen 10 – Der rote Schal

Was dachten die Leute sich, wer er war? Sah er so aus wie eine Zauberfee mit Flügeln und glitzerndem Kleidchen, das nur den Zauberstab schwang und schon geschahen Wunder? Sah er aus wie Jesus? Was glaubten die Menschen, wie schnell so eine Angelegenheit bearbeitet werden konnte?

Seto besah sich die offizielle Facebook Seite seiner Firma und seufzte.

In Vergrößerung war das Bild mit der aktuellen Spendensammlung für das Waisenhaus zu sehen und der Aufruf an alle sich zu beteiligen. Dazu ein Fotos von dem Gelände und des Gebäudes für das gesammelt wurde.

Seine Presseabteilung hatte es vor ein paar Jahren für eine gute Idee gehalten es öffentlich zu machen, dass er sich sozial engagierte. Es würde ihn menschlicher machen, hatten sie gesagt. Seto hatte damals schon ein ungutes Gefühl gehabt, aber was tat man nicht alles, wenn man den Ruf der Firma aufbessern wollte.

Doch für dieses Jahr hatte der Abteilungsleiter den Vorschlag gemacht, dass sich auch die normalen Leute mit beteiligen sollten. Immerhin spendeten die Leute weniger und auch, wenn er jedes Jahr denselben Betrag an ein Institut überwies und ebenso in den Weihnachtsbriefen darauf aufmerksam machte, reicht es hinten und vorne nicht.

Ob seine Geschäftspartner etwas überwiesen, wusste er auch nicht mit Sicherheit zu sagen.

Das aktuelle Foto war mehrfach geteilt worden, ebenso hatten die Leute es gelikt und Kommentare hinterlassen, dass es eine gute Idee sei. Natürlich gab es auch die unverbesserlichen Besserwisser, die ihren nutzlosen Senf dazu gaben, um sich wichtig zu machen, dass diese Aktion nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sei und man besser den Obdachlosen helfen sollte oder auch, dass er genug Geld hatte, um Leute einzustellen und lieber das tun sollte, anstatt solche Aktionen zu machen. Das würde doch eh nur für seinen Ruf sein.

Solchen Leuten konnte Seto nur zum Teil zustimmen.

Natürlich tat er das nur auf Rat seiner Presseabteilung hin, um das Image der Firma weiter nach vorne zu bringen. Zum anderen tat er es, und das war der Hauptgrund, weil er eben selbst genau wusste, wie es war in solch einem Heim zu stecken. Aber das wussten solche hirnlosen Idioten nicht. Viel lieber spielten sie sich auf.

Dann gab es wiederum die Leute, die dann die anderen kritisierten, wegen der Rechtschreibung und jeden Satz auf die Goldwaage legten, etwas hineininterpretierten, was nicht da war und sich gegenseitig die Hölle heiß machten bis hin zu Beleidigungen.

Bis sich dann erneut andere Menschen einmischten und behaupteten, die Diskussion sei reiner Kindergarten.

Zum Glück blieb Seto aber weitgehend von der Facebookseite der Kaiba Corporation verschont und die Presseabteilung des Hauses kümmerte sich darum. Nur jetzt, wo er die Seite vor seinen Augen hatte, bekam er mit, was dort abging.

Kaiba schloss kurz die Augen, um seine Nerven zu beruhigen und überlegte, was er tun konnte. Er selbst kannte die Zustände und hatte es sogar am eigenen Leib erfahren.

Der Staat kürzte, wo er konnte und die Jüngeren trugen manchmal die abgetragene Kleidung der Größeren, wenn sie noch gut war. Betten waren durch gelegen, selbst bei den Mahlzeiten wurde gespart. Das Spielzeug war oft alt und bei manchen fehlten schon Teile, so dass es keinen richtigen Spaß mehr machte damit zu spielen.

Er erinnerte sich gut an das Puzzle mit über tausend Teile. Stunden hatte er damit zugebracht es zusammen zu setzen und war daran gescheitert, weil einige Puzzlestücke gefehlt hatten.

Auch für Renovierungen war oft kein Geld da.

An die Duschen von früher wollte er nicht denken. Kam man zu spät, musste man kalt duschen.

Es war ein Alptraum gewesen. Natürlich gab es heute schon bessere Einrichtungen als früher, trotzdem gab es immer noch Dinge zu verbessern.

Ein weiteres Seufzen verließ seine Lippen und mit jeder Minute die verging, kamen weitere Kommentare und Teilungen auf das Foto hinzu.

Doch statt Lob hagelte es einen regelrechte Welle an Kritik und Hasstiraden gegen diese Aktion.

Leider handelten die Leute dann ohne Sinn und Verstand. Es war ein Wunder, dass sie sich noch nicht zu einem Mob zusammengeschlossen hatten und mit den Mistgabeln auf seine Firma losgegangen waren.

So war das eben mit den sozialen Netzwerken und sein Mitarbeiter von der Presseabteilung hatte ihn darauf vorbereitet, als sie die Seite erstellt hatten. Bisher war aber alles friedlich geblieben.

Seit jedoch in den Nachrichten und Foren von dem Brand im Waisenhaus berichtet worden war, war die Hölle los auf der Firmenhomepage und auch auf Facebook. Ein Kind hatte dabei das Leben verloren und mehrere waren mit schweren Vergiftungen oder Verbrennungen im Krankenhaus.

Seine diesjährige Aktion wurde hart kritisiert. Grund dafür waren aber unter anderen mit die Berichte, die groß und breit verbreitet hatten, dass er sich ja für Waisenhäuser einsetzte und dieses Jahr eben nicht dieses begünstigt sei.

Mit harten Worten hatte ein Reporter dargelegt, wie viel Geld jedes Jahr gespendet wurde und dass dieser Betrag bei den obdachlosen Kindern jetzt viel nötiger wäre. Immerhin müssten sie über Weihnachten in Notunterkünfte untergebracht werden. Ein neuer Bau käme dem Staat Milliarden und so schnell würde auch nichts bewilligt werden, so dass die Kinder in den anderen Instituten mit untergebracht werden müssten, die eh schon wenig Geld und Plätze hätten.

War das ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, dass er noch mehr als den fünfstelligen Betrag zahlen sollte? Sollte er den Milliardenbau finanzieren? Was glaubten die Leute, wie viel Umsatz seine Firma im Jahr machte?

Sicherlich glaubten sie, dass es weit mehr als die Kosten eines kompletten Baus war. Vielleicht dachten sie sogar, dass er den Betrag mit einem Schlag aus dem Ärmel schütteln konnte, ohne etwas dafür zu tun.

Wie viele Überstunden er dafür aber investierte, damit ein guter Umsatz ins Haus kam, wussten sie natürlich nicht! Genauso wenig, wie sie Ahnung darüber hatten, welche Leute heran gezogen werden mussten, um so etwas auf die Beine zu stellen.

Hauptsache, sie hatten jemanden auf den sie ihren Unmut ablassen konnten.

Seto hatte bei den Nachrichten am Mittag schon fast damit gerechnet, dass jemand erzählte, dass der Brand nur passiert sei, weil dieses Jahr keine Spenden von ihm dort eingingen.

Was dann los sein würde, wollte er sich nicht ausmalen. Es wäre der absolute Horror gewesen.

Immerhin berichteten die Medien, dass es sich um einen Unfall gehandelt hatte und nicht um Brandstiftung. Dennoch suchte die Polizei und Feuerwehr noch nach der Ursache. Betreten könne man das Gebäude gefahrlos nicht mehr.

Wieder blinkte mehrfach das Kommentarfeld bei Facebook auf und auch drei weitere Privatnachrichten waren auf der Firmenseite der sozialen Plattform eingegangen.

Seto seufzte auf und schloss kurz die Augen, ehe er die neuen Sachen las.

Langsam nahm er einen Schluck Kaffee.

Wann nahm dieser Hagel an Kommentaren endlich ein Ende und wieso tat seine Presseabteilung nichts dagegen? Wozu hatte er die Leute überhaupt eingestellt?

Mit jeder Minute die verging, wurde seine wohltätige Aktion mehr und mehr in den Schmutz gezogen, so als säße er nur herum und es ginge ihm am Arsch vorbei, was passiert war.

Kaiba war natürlich betroffen und überlegte, was er tun konnte.

Sein Abteilungsleiter, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, hatte ihm geraten, die Aktion nicht von den Seiten zu nehmen und es erstmal weiter laufen zu lassen. Dafür war sie nämlich schon viel zu sehr zur publik geworden. Auch die Sperrung von Kommentaren und Nachrichten würde nicht dafür Sorgen, dass es unter den Tisch gekehrt wurde.

Würde Kaiba das tun, würden die Menschen noch schlechter auf die KC zu sprechen sein und das könnte auch dem Umsatz schaden.

Eine Stellungnahme und eine Lösung mussten her, so dass die Menschen wieder milde gestimmt wurden.

Jemand hatte unter anderem ein Video von einer Nachrichtenseite gepostet, wie das Feuer das Haus auffraß und die Flammen hoch in den Himmel schlugen und die Feuerwehr alles tat, um es zu löschen. Dazu stand irgendwo ein Kommentar, dass es widerwertig von ihm sei, dass er sich für andere Institute, denen es ja wohl gut ging, so einsetzte und diese armen Kinder jetzt auf der Straße wären und er sich lieber dafür stark machen sollte. Einfluss hätte er ja.

Natürlich hatte er Einfluss. Was dachten die Leute?

Aber bei solchen Kommentaren fragte er sich, ob die Menschen überhaupt noch Verstand besaßen oder einfach nur wie hirnlose Zombies den Medien glaubten, ohne darüber nach zu denken und alles nachplapperten, was ihnen vorgesetzte wurde.

Auch Mokuba war in der Schule nicht verschont geblieben.

Die Lehrerin hatte der Klasse frei gegeben, damit diese sich auf die Suche nach Sachen machten, die die Klasse dann spenden konnte und vielleicht auch den Kindern als Geschenk geben könnten zu Weihnachten. Gebraucht wurde alles von Kleidung bis hin zu Spielzeug, Lernmaterialien und die einfachsten Dinge zum Leben, wie Bettwäsche.

Doch laut Mokuba hatte die Klasse und auch die Lehrerin grade ihn angeschaut, als es hieß etwas zu spenden. Grade er könne ja als Kaiba seinen Einfluss und den Kontakt zu seinem Bruder nutzen, um Geld aufzutreiben oder an nicht gebrauchte Sachen zu kommen.

Mit anderen Worten erwartete die Klasse, dass Mokuba seine teure Kleidung opferte oder er als sein großer Bruder das Scheckbuch zückte und für die Schule Unmengen an Kleidung kaufte, die sie dann spenden konnte.

Was das anging, hatte sein kleiner Bruder es grade auch nicht leicht.

Ein Fiepen riss ihn aus den Gedanken und Seto sah von dem flackernden Monitor auf.

Shadow wedelte freudig mit der Rute und schnupperte an Naomis Schal, der noch immer über dem Garderobenständer hing.

„Shadow, komm her!“, befahl Seto mit ruhiger Stimme und deutete auf den Platz neben sich.

Sein grauer Labrador wedelte mit dem Schwanz, sah zu ihm aus traurigen Augen und zog mit dem Maul an dem Schal herum.

„Shadow, aus!“, rief Seto, doch sein Hund tat alles andere als ihm zu gehorchen. Er zog weiter an dem Stück Wolle. „Shadow!“

Seine Faust schlug auf den Tisch und der Rüde zückte zusammen. Sofort ließ er von dem Textilstück ab und kam langsam auf ihn zu.

Sein Blick war reumütig und suchte Aufmerksamkeit. Ein weiteres Winseln war zu hören.

„Sie ist nicht da, Shadow!“, sagte Seto mahnend, wohl wissend, dass sein Hund nichts mit den Worten anfangen könnte.

Shadow legte seinen Kopf auf Setos Schoß und sah zu ihm herauf. Nachdenklich kraulte Kaiba ihm die Ohren.

„Ich weiß, du vermisst sie“, sagte er und stellte schon gar nicht mehr Frage, wieso sein Hund so versessen auf sie war.

„Nicht nur dein Hund“, mischte sich sein Gewissen ein. Doch die Worte kamen nur gedämpft bei ihm an. Es lagen wichtigere Dinge vor ihm.

Er schloss das Fenster der Facebookseite. Je länger er darauf starrte, desto missmutiger und schlechter zu Sprechen auf seine Presseabteilung wurde er.

Seto griff zum Telefon und drückte die Kurzwahltaste. Schon nach dem dritten Klingeln nahm jemand den Hörer ab.

„Ja, Herr Kaiba?“, fragte die Sekretärin aus der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

„Geben Sie mir den Abteilungsleiter“, sagte er mit kalter Stimme und sah, wie Mokuba mit einer Kiste in sein Büro kam. Ein Stück Stoff hing daraus und er hatte schon die schlimme Vermutung, dass sein Bruder den Inhalt seines Kleiderschrankes aufgab, nur um nicht weiter in der Schule solche hirnlosen Sprüche zu hören. Als ob es das besser machte.

„Sehr wohl“, sagte sie und er wurde weiter geleitet. Noch immer wurde „Let it snow“ in der Warteschleife gespielt, obwohl er die Anweisung gegeben hatte es wieder umzuändern.

Mokuba stellte die Kiste ab und verschwand wieder aus seinem Büro. Wollte er noch mehr holen?

„Herr Kaiba…“, begann der Mann und klang immer noch sehr gehetzt, „Was kann ich für Sie tun?“

„Kommen Sie mir nicht so!“, fauchte er ungeduldig und Shadow hob seinen Kopf von seinem Schoß, als wäre er gerügt worden. „Sie hätten schon längst was tun können! Wofür bezahl ich Sie überhaupt! Haben Sie sich auch nur ansatzweise angeschaut, was auf den Firmenseiten los ist?“

„Herr Kaiba, ich…“

„Fangen Sie jetzt nicht an sich zu entschuldigen!“, fuhr er den Mann an und verdrehte die Augen bei der Vorstellung über so ein verweichlichtes Exemplar von Mitarbeiter, „Seien Sie eher froh, dass ich Sie noch nicht rausgeschmissen habe, so inkompetent wie Sie offensichtlich sind!“

„Auf den sozialen Netzwerken ist grade die Hölle los“, sagte er Mann und versuchte seine Stimme ruhig zu halten und nicht zu stottern.

Genervt seufzte Seto und sah zu, wie Shadow wieder zu dem Schal trottete und daran zog. Wenn sein Hund so weiter machte, musste er Naomie noch einen Neuen besorgen.

„Das weiß ich selbst, dass dort die Hölle los ist! Ich habe es grade selbst gesehen!“ Er erhob sich leise und zog seinen Hund am Halsband zurück zum Platz. Kaiba setzte sich wieder. Shadow nahm gehorsam Platz und Seto kraulte ihm die Ohren, um ihn ruhig zu halten. Seit wann war sein Hund so unruhig?

„Also der Beitrag wurde schon über tausend Mal geteilt und fast genauso viele Kommentare tummeln sich darauf. Unsere Firmenhomepage wird grade mit Lesermails überschüttet! Wir tun was wir können, um den Anflug Herr zu werden.“

„Scheinbar tun Sie nicht genug! Ich sagte doch, wir sollten alles sperren!“, fauchte er genervt und verdrehte die Augen.

„Nein, das wäre das schlechteste, was wir im Augenblick tun sollten“, warnte der Mann.

„Dann tun Sie endlich was und machen endlich vernünftig Ihre Arbeit!“ Shadows Ohren spitzen sich und seine Körperhaltung spannte sich an. Er entzog sich der Berührung seines Herrchens und lief unruhig im Raum hin und her. Neugierig beschnupperte er die angelehnte Tür zum Nebenzimmer und stieß sie mit der Schnauze auf. Der Geruchspur folgend tapste er hinein und gab ein aufgeregtes Bellen von sich.

„Herr Kaiba, wenn wir jetzt die Foren dicht machen, wird das erheblichen Schaden auf das Ansehen der Firma und Sie als Person nehmen!“, erwiderte der Mann und erneut erhob Seto sich und folgte seinem Hund.

Der hatte Spaß daran gefunden sich auf das Bett zu lümmeln und herum zu rollen. Aufreget peitschte die Rute durch die Laken, als wisse er genau, was in der letzten Nacht hier passiert wäre. Als er Seto bemerkte, richtete er sich auf und sah ihn herausfordernd an, als würde Shadow fragen wollen: „Na, sag schon, wo ist Naomie? Ich will mit ihr spielen!“

„Das habe ich schon verstanden!“, fauchte er ungehalten und rieb sich genervt über die Stirn. Irgendwo gab es eine Lösung. Aber sie wollte sich ihm noch nicht erschließen.

Es war still in der Leitung.

Am Halsband zog er Shadow aus dem Bett und hatte das Gefühl ein warmer, süßer Geruch stieg in seine Nase.

„Vermisst du sie etwa?“, fragte seine innere Stimme gehässig, „Hast du dich in sie verguckt?“

Was für ein Unsinn sprach sein Unterbewusstsein denn da aus? Das war absoluter Schwachsinn und hätte genauso gut vom Kindergarten sein können.

Er sollte sich lieber auf das aktuelle Problem kümmern.

„Nämlich, dass sie aus deinem Büro gerannt ist!“

Konnte diese Stimme nicht endlich die Klappe halten?

„Ist geschenkt, mein Freund. Ich helfe, wo ich nur kann!“

Hilfe war das garantiert nicht.

„Gesteh dir einfach ein, dass du dich fragst, wieso sie die Flucht ergriffen hat und dass du an sie denken musst. Schon bin ich still!“

Setos Blick fiel auf die kleine Glasplatte mit den konservierten Schneeflocken, die an seiner Lampe gelehnt lag und automatisch pochte sein Herz kräftiger in seiner Brust.

„Was wir tun könnten, Herr Kaiba, wäre ein vorläufiges Statement schreiben, wie betroffen wir sind und nach einer Lösung suchen, um niemanden zu begünstigen oder zu benachteiligen“, unterbrach der Mann seine Gedanken und holte ihn zurück in die Realität.

Das klang doch nach etwas.

„Tun Sie das, aber schnell!“, sagte er ungehalten. Seto hatte das Gefühl ein Knoten im Hirn zu haben. Es gab kein vorwärts und kein rückwärts und seine Presseabteilung war auch zu nichts zu gebrauchen. Scheinbar war er zum ausharren dieser Sache verdammt und das war etwas, was er nur schwer konnte.

Shadow war derweil wieder dabei den Schal vom Ständer zu ziehen, der bedrohlich wackelte. Wieso hatte Mokuba ihn nur in sein Büro gebracht?

Genervt stand Seto auf und wickelte das Ende mehrfach um den Haken, damit der graue Labrador nicht mehr heran kam.

Seto klopfte gegen seinen Oberschenkel und Shadow folgte ihm wieder zum Platz. Erwartungsvoll sah sich der Hund um, als ob Naomie wirklich gleich um die Ecke schießen würde mit ihrer guten Laune, den roten Schal fest um den Hals gebunden und mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Sagen Sie mir: Was würde es noch bringen, wenn wir unsere alljährliche Spendenaktion umändern würden für das andere Haus?“, fragte er und lehnte sich in seinem großen Bürostuhl zurück.

„Du bist doch langweilig mit deiner Arbeit!“, fuhr die Stimme dazwischen, „Der Gedanke davor war doch toll!“

Seto hörte nicht hin und wartete. Der Mann schwieg kurz und er befürchtete schon, dass er gestorben war.

„Nun, ich fürchte, das würde nur noch mehr negative Presse auf sich ziehen“, sagte er, „Die Leute und auch die Medien würden denken, Sie tun das jetzt erst recht nur für Ihren Ruf.“

„Gibt es überhaupt eine Chance aus dieser Sache heraus zu kommen?“, fragte er genervt und rieb sich über die Schläfe.

„Nun, wir könnten ja für beide Institute sammeln? So würden Sie Mitgefühl zeigen und keines bevorzugen.“

Seto ließ den Gedanken auf sich wirken. Es klang nicht schlecht. Dennoch hatte er einen bitteren Beigeschmack auf der Zunge.

„Könnten sich dann die Leute nicht fragen, wieso ich das nicht jedes Jahr tue? Oder sogar erwarten, dass es fortan jedes Jahr so ist, dass zwei oder nicht sogar alle Waisenhäuser begünstigt werden?“

„Da haben Sie recht, Herr Kaiba.“ Er hörte den Abteilungsleiter mit der Zunge schnalzen. Seto zog die Unterschriftenmappe zu sich heran und besah sich die Weihnachtsbriefe. Nach dem, was gerade los war, konnten sie in keinem Fall so abgeschickt werden. Nachdenklich wippte er mit dem Stift.

Shadow stupste ihn mit der Nase an, als Zeichen, dass er Gassi gehen wollte. Doch dafür war keine Zeit. Sein Hund musste sich noch gedulden.

„Wir sehen weiter, was wir tun können und verfassen erstmal ein kurzes Statement.“

Hoffentlich würde sich die Masse dadurch beruhigen.

„Melden Sie sich, sobald es Neuigkeiten gibt!“, sagte Seto streng und legte den Hörer wieder zurück. Im selben Moment kam Mokuba mit einer weiteren Kiste in sein Büro zurück.

„Hast du die Abteilung zusammengestaucht?“, fragte er grinsend und stellte die Kiste ebenfalls auf den Tisch ab.

Seto schwieg und massierte sich den Nasenrücken, eher er aufsah und sich die Mengen ansah, die Mokuba anschleppte.

„Was ist mit dir? Willst du dein Kinderzimmer spenden?“, fragte Kaiba seinen kleinen Bruder und erhob sich aus dem Bürostuhl.

Er trat an die Kisten heran und sah einige, fast nagelneue Kleidungsstücke, sowie einige Spielzeuge.

„Das alles willst du verschenken?“, fragte er skeptisch und hob einen Pullover auf, der noch nicht mal einen Monat alt war.

„Seto, ich hab genug zum anziehen und der da kratzt!“, verteidigte sich der Wirbelwind und ging zu den Schokoladenkörben. „Kann ich davon einen mitnehmen?“

„Gegenfrage: Spenden andere auch so viel?“

„Nein.“

„Dann hast du deine Antwort, ob du ihn mitnehmen darfst.“

„Aber, Seto, es ist für einen guten Zweck!“

„Ich weiß.“ Kurz sah er in die Kiste mit den Spielsachen. Ein paar Duell Monsters Karten lagen darin und ein altes Stofftier, sowie ein paar Sammelfiguren. Wenigstens verschenkte Mokuba nicht die neuesten Spiele, die noch nicht mal auf dem Markt waren.

„Aber du isst die Schokolade doch eh nicht!“

„Es geht ums Prinzip“, antwortete Seto und ging zur Garderobe. Er nahm sich seinen Mantel und Shadows Hundeleine. Er hatte das Gefühl in diesem Büro geradezu erdrückt zu werden. Er musste raus und frische Luft schnappen. Vielleicht kam er so auch auf andere Gedanken?

„Ja, indem du über Naomie nach denkst“, kicherte die Stimme.

„Die anderen erwarten das aber von mir“, lenkte Mokuba ihn ab. Mit traurigem Blick besah der kleine Kaiba seinen älteren Bruder. Der bittende Blick durchbohrte ihn förmlich.

„Na gut, aber nimm nicht die beste Schokolade mit“, sagte er und seufzte. Shadow kam zu ihm getrottet und schnell legte er ihm die Leine um.

„Ist gut. Wenn Naomie heute früh nicht mit so einem Affenzahn weg wäre, hätte sie ja auch was mitnehmen können, oder? So als verspätetes Nikolausgeschenk.“

Seto brummte dazu nur. Konnten Mokuba und Shadow nicht mal aufhören ihn daran zu erinnern, dass es sie überhaupt gab? Ihm wäre es lieber gewesen, sie blieb ein namenloser Niemand in seinem Leben.

„Hättest du was dagegen, wenn ich später zu ihr auf den Markt fahre?“

Seto schüttelte den Kopf und ging zu seinem Schreibtisch. „Bleib aber nicht solange weg. Bis es dunkel ist, bist du wieder zu Hause.“

„Ok, danke!“, sagte Mokuba und strahlte bis über beide Ohren.

Schnell nahm sich Seto noch sein Handy und ohne groß zu überlegen, nahm er die Glasplatte und ihre Visitenkarte mit.

„Schließ das Büro ab, wenn du gehen solltest“, sagte er noch und strich im vorbeigehen über Mokubas Haarschopf, ehe er ging.

Shadow folgte ihm gehorsam durch das Büro.

„Ich bin für eine Stunde unterwegs. Notieren Sie alle Anrufe und wegen der Weihnachtsbriefe können Sie aufhören. Sie müssen alle umgeschrieben werden!“, sagte er monoton im vorbei gehen und hörte nur am Rande die Zustimmung seiner Sekretärin.

Mit schnellen Schritten war er beim Aufzug, drückte den Knopf und stieg ein.

Was war nur los mit ihm? Wieso hatte er die Sachen mitgenommen?

In seiner Jackentasche umschloss er mit der Hand das kalte Glas. Sofort pochte der Muskel in seiner Brust schneller.

„Warum schlägt denn dein Herz zu schnell? Bringt dich eine gewisse Person etwa in Wallung?“, fragte wieder sein Gewissen.

Ganz bestimmt war sie nicht der Grund dafür. Das war nur Aufregung der letzten Stunden und wenn sie vor einem Gespräch davon rannte, hatte er sich ziemlich in sie getäuscht. Es war ja nicht so, als ob mehr passiert wäre, als dieser Kuss.

„Jetzt verschließt du aber die Augen vor der Wahrheit!“

Seto schnaubte und ging zielstrebig aus dem Aufzug. Shadow folgte ihm gehorsam, zog an der Leine und schien es gar nicht abwarten zu können aus dem Gebäude zu kommen.

Von welcher Wahrheit sprach sein Gewissen da überhaupt?

„Die Wahrheit darüber, dass dir bei der jungen Frau sowohl Herz als auch Hose eng werden!“

Die kalte Luft schlug Kaiba entgegen und er fröstelte kurz. Zum Glück kam die Sonne ein wenig durch die dicken Wolken hervor und wärmte die Luft nach der gestrigen Nacht etwas auf. Der Schnee hatte sich fest auf den Boden gesetzt, so dass schon Sand und Splitt auf der Schneedecke verstreut war. Die Kälte kroch ihm unter die Kleidung und sein Atem wurde sichtbar als er erneut fröstelte.

Kaiba schlug den Weg nach Links ein, der zur der Gartenanlage der Firma führte. Sein Hund bellte aufgeregt.

Die Fistelstimme in seinem Kopf übertrieb maßlos. Er wollte alles andere als mit Kuzuki ins Bett hüpfen. Die gestrige Nacht war eine Ausnahme gewesen. Sie hatte sich an ihn geklammert. Ansonsten wäre er zurückgegangen und hätte weiter gearbeitet.

Wie weit war es gekommen, dass er schon Selbstgespräche mit seinem Unterbewusstsein führte?

„Das sagst du jetzt!“, fuhr die Stimme fort, „Aber warte nur ab bis sie wieder vor dir steht!“

Seto sah zu seinem Labrador.

„Sei froh, dass du kein Gewissen hast“, murmelte er seufzend und konnte das Stück Papier an seiner Hand fühlen. Er kam von dem Gedanken nicht los, wieso sie einfach abgehauen war. Es gab keine Gründe dafür. Immerhin hatte sie selbst noch reden wollen. Lediglich das Telefonat hatte sie unterbrochen und daran konnte es doch nicht liegen. Oder nahm sie es so sehr mit, dass zwischen ihnen beinahe etwas gelaufen war und war vielleicht noch gar nicht bereit dazu?

„Mein Guter, dafür, dass sie dir egal ist und du sie angeblich los werden willst, hängt dir das aber ziemlich quer!“ Sein Gewissen seufzte. „Na los, gib zu, dass du sie flach legen wolltest. Es wäre zumindest eine andere Nummer gewesen, als die der Hostessen, die dich immer auf Geschäftsessen und Veranstaltungen begleiten.“

Konnte diese Stimme auch mal die Klappe halten oder musste er sich die wirklich noch wegtherapieren lassen?

„Du kannst mich nicht zum Schweigen bringen!“, sagte er.

Überhaupt, was ging sein Gewissen sein Sexleben an? Knurrend stampfte Kaiba an dem Gärtner vorbei, der die Winterpflanzen versorgte. Die Ericas standen in voller Blüte.

Shadow blieb stehen und hob das Bein bei einem Busch an und Seto wartete. Sobald er fertig war, trottete er weiter. Seto schlug den Weg zur Hauptstraße ein, überquerte die große Kreuzung und ging schnell in ein großes Café und besorgte sich einen Coffee to go. Dann zog er mit Shadow weiter Richtung Park.

„Mich geht alles an was du tust, Kaibalein. Irgendeiner muss dich doch vor peinlichen Dingen bewahren oder zumindest dich vor dir selbst!“

Seto hasste es wie die Pest, wie die Stimme seinen Namen verunstaltete.

Was denn bitte für peinliche Dinge?

„Naja. Wie du so schön ausgetickt bist, nachdem Yugi dich fertig gemacht hat und du gleich den Turm sprengen wolltest, ganz egal, ob sich darauf auch Menschen befanden.“

Seto schnaubte und nippte an dem heißen Getränk. Shadow zog kräftiger an der Leine, als würde er den Park schon riechen können.

Sein Gewissen sollte mal den Ball flach halten. Die Menschen hatten genug Zeit zum flüchten gehabt. Überhaupt, was hatte das mit Naomie zu tun?

Wollte ihm die Fistelstimme nicht eher eine predigt zu seinem Sexualleben und Naomie halten?

„Du wolltest eine peinliche Sache von dir hören. Hier hast du sie.“ Fast konnte er das Schulterzucken sehen. „Außerdem ist es immer ganz süß zu beobachten, wie es dir missfällt, wenn Wheeler in ihrer Nähe ist.“ Ein kichern war zu hören.

Ein Schnauben entfuhr ihm.

„Als ob der Köter Chancen hätte…“, murmelte er gegen den Pappbecher.

„Wieso nicht? Er ist blond, hat braune Augen, würde sich trauen ihr zu sagen, dass er sie mag...Weitere Gründe oder reicht das?“

Seto trank einen weiteren Schluck und ging direkt mit Shadow in den Park. Freudig zog dieser an der Leine. Diesmal würde er nicht ohne sein Herrchen durch die Grünanlage laufen.

Wieder nippte er und trank auch den Rest, warf den leeren Becher in den Papierkorb und schob seine warme Hand zurück in die Manteltasche. Sofort fühlte er die kalte Glasplatte und das Stück Papier.

Die Worte seines Gewissens hallten in seinem Kopf nach.

Der Köter hatte doch niemals Chancen! Der zog doch eher den Schwanz ein und sie spielte nicht in seiner Liga!

Ein Kichern war zu hören. „Fühlst du dich in deinem Revier bedroht?“

Seto schüttelte den Kopf. Kuzuki war doch nicht sein Revier.

„Dafür, dass sie nicht dein Revier sein soll, hast du aber ziemlich aggressiv reagiert, als ich Wheeler ins Gespräch gebracht hab.“

Er war alles andere als aggressiv und das sollte sein Gewissen am besten wissen. Seine Hand schloss sich Platte mit den Flocken darin.

Sofort spürte er eine tiefe Ruhe und ein Kribbeln ging durch seinen Körper.

Etwas Schnee fiel vom Baum herunter und freudig bellte Shadow auf, zog ihn zu dem Haufen und wälzte sich darin herum.

Heute war Seto aber nicht danach großartig zu spielen. Er zog den Labrador weiter. Immerhin hatten sie nicht ewig Zeit zu verplempern.

„Du solltest sie anrufen, Kumpel“, sagte die Stimme unvermittelt, „Ich wette mit dir, Wheeler hat nicht so viel Zeit verstreichen lassen und sie direkt angerufen.“

„Als ob. Ich rufe sie bestimmt nicht an und laufe ihr nach wie ein verliebter Trottel“, knurrte er leise und umrundete mit Shadow den kleinen Teich, lief die Erhöhung hoch und ging an dem verschmierten Holzhäuschen, was Schutz vor dem Wetter bot, vorbei.

„Wieso nicht?“, fragte die Fistelstimme entsetzt, „Wie willst du dann rausfinden, was los ist?“

Seto schwieg.

„Na los, gib dir einen Ruck. Stell dir vor, Wheeler nutzt das jetzt aus! Ruf an!“

Kaiba blieb stehen. Kurz zog sein Hund an der Leine und dieser blieb ebenfalls stehen. Sein Gewissen hatte ja keine Ahnung.

Leise seufzte er und fühlte wieder das Papier. Seto löste die Leine von Shadows Halsband, nahm etwas Schnee auf und formte ihn zu einem Ball. Mit aller Kraft warf er den Schneeball von sich fort und sein Hund jagte hinterher.

Eigentlich wollte er nicht spielen, aber irgendwie hatte sein Unterbewusstsein einen Punkt getroffen, der ihn nachdenklich stimmte. Sein Hirn fühlte sich noch immer verknotet an, aber auch als wäre alles in Watte verpackt.

Immer wieder forderte die Stimme ihn auf es zu tun, doch er konnte nicht. Was sollte er sagen? Sollte er fragen, ob es so schlimm für sie gewesen war?

Eigentlich müsste er ins Büro zurück, doch ihm war noch nicht danach. Er warf einen weiteren Ball zu Shadow, der ihm hinterher jagte und verwirrt stehen blieb, um zu schauen, wo er gelandet war.

Traurig kam sein Hund zurück und er warf einen weiteren Ball.

„Sag mal. Willst du ihre Visitenkarte irgendwann mal verwenden oder liegt die einfach nur als Deko in deiner Tasche?“

Seto schwieg dazu und beschäftigte sich weiter mit Shadow.

„Keine Antwort ist auch eine Antwort“, sagte sein Gewissen, „Feigling!“

Seto hielt inne und sein Hund sah ihn wartend an. Der Schneeball landete ungeworfen wieder auf der Erde.

Er war kein Feigling! In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie vor etwas gedrückt! Weder vor einem Duell noch vor irgendwelchen Menschen!

„Dann ruf sie doch an und frag, ob sie Fotos macht für dein nächstes Duell oder auf Mokubas Theateraufführung?“, schlug die Stimme vor und Seto zog sein Handy aus der Tasche. „Du kannst ihr aber auch sagen, dass sie den Schal vergessen hat.“

Langsam griff er zur der Karte und tippte ihre Diensthandynummer ein. Es fiel ihm unglaublich schwer die Taste mit dem Hörer zu drücken.

Seto hielt das Gerät an sein Ohr und atmete kurz ein und aus, so dass sein Atem sichtbar war. Es klingelte nicht einmal. Sofort wurde abgenommen. Ihre fröhliche Stimme drang an sein Ohr.

„Hallo, hier ist Naomie Kuzuki. Ich kann leider zurzeit nicht ran gehen, aber hinterlasst mir eine Nachricht und Telefonnummer und ich ruf zurück!“, sprach die Mailbox und ein piependes Geräusch ertönte.

Was sollte er sagen?

Schnell legte er auf und schob Karte und Handy zurück in die Tasche.

„Du hast es immerhin versucht, Kumpel. Einfach später noch mal versuchen“, sagte die Stimme tröstend.

Seto schnaubte und leinte Shadow wieder an. Sofort ging er mit ihm zurück in die Firma.

Sollte sie doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs! Wenn Kuzuki nicht mit ihm reden wollte oder es auch nicht für nötig hielt, dass sie sich meldete, dann konnte sie genauso gut aus seinem Leben fern bleiben!

Sein Unterbewusstsein seufzte daraufhin nur.

„Tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich würde es nicht tun.“

Seto ignorierte die Stimme und würdigte ihr keine Antwort mehr. Sollte Kuzuki sich doch einen neuen Schal kaufen. Wenn Shadow Spaß dran hatte das rote Teil zu zerpflücken konnte er es gerne haben.

Er wollte nichts von diesem Weib und brauchte sie auch nicht in seinem Leben! Sein Gewissen nahm deutlich an Einfluss zu.

„Ach komm, so schlimm bin ich nun auch nicht!“, schmollte die Stimme, „Außerdem ist sie wirklich besser. Vorteil wäre, du hättest endlich eine total süße und heiße Freundin, der Sex wäre sogar freiwillig und die dämlichen Hostessen, die eigentlich nur auf eine Nummer warten am Ende des Abends und deren Parfüm dir eher Kopfschmerzen bereitet, fallen auch weg. Ich sehe nur Vorteile für dich!“

Musste sein Gewissen logisch denken können und auch noch gute Argumente bringen? Aber was brachten die Argumente, wenn er nichts empfand?

„Ja, ja…erzähl das mal einem Baby. Wenn du nichts empfinden würdest, würde es dir nicht so nahe gehen, dass sie nicht ans Handy gegangen ist.“

Ein Brummen verließ seine Kehle und er zog Shadow aus dem Park heraus.

„Machst du dir solche Sorgen, dass du es dir nicht mal eingestehen willst und deshalb jetzt schlechte Laune hast?“ Amüsiert lachte die Fistelstimme auf.

Er war nicht zum lachen und auch die Situation war es nicht! Daran gab es nichts Amüsierendes! Musste sein Gewissen ihn damit auch noch aufziehen, dass er sie nicht erreicht hatte?

Oder hatte er etwas Falsches gesagt? Hatte er sie vielleicht mit dem Kommentar zu ihrem Ex gekränkt? Hing sie sogar noch an ihm?

„Dann bist du ein ziemliches Trampeltier, wenn dem so ist“, fügte die Stimme hinzu, „Aber ich glaube nicht, sonst hätte sie den Kuss nicht mitgemacht.“

Ungehalten ging Seto weiter und strafte jeden, der ihm über den Weg lief mit einem bösen Blick.

„Straf doch die armen Leute nicht so!“, mahnte sein Gewissen, „Aber wenn es so sehr an deinem Ego kratzt, dann versuch sie doch noch mal anzurufen.“

Seto blieb stehen und zog sein Handy aus der Tasche. Ohne groß darüber nach zu denken, wählte er Wahlwiederholung.

Diesmal sprang aber nicht sofort die Mailbox an, sondern ein Freizeichen ertönte.

Sofort war alle Wut wie weggeblasen. Sein Adamsapfel bewegte sich an seinem Hals, als er schluckte.

Eigentlich hatte er wieder mit der Mailbox gerechnet.

Es klingelte weiter. Sie nahm wieder nicht ab und Seto legte auf.

Da war doch der Beweis. Sie ging ihm aus dem Weg.

„Jetzt lass den Kopf nicht hängen! Immerhin ist noch ihr Schal in deinem Büro! Sie wird also wieder auftauchen!“, versuchte ihn sein Gewissen aufzumuntern.

Was nützte ihm schon ein Schal? Den konnte sie sich in jedem Modegeschäft neu kaufen oder Stricken lassen von ihrer Oma, wenn sie es drauf anlegte ihm aus dem Weg zu gehen.

Sein Blick fiel nach oben zu einem Werbebanner mit der diesjährigen AIDS Kampagne darauf. Die rote Schleife war sichtbar und deutlich zu sehen. In der Mitte des Bildes war eine Chilischote mit einem Kondom herum zu sehen. „Für scharfe Typen“ stand in großen Buchstaben darauf geschrieben.

Seto schüttelte den Kopf über diesen lahmen Wortwitz. Dabei war das nicht zum Lachen. Es war eine ernste Krankheit und zum Glück benutzte er eins immer, wenn es mal zum Akt kommen sollte.

„Mit den Hostessen, die du vögelst ist es mit Sicherheit besser!“

Seto verzog kurz das Gesicht. Als ob er nicht immer so etwas benutzen würde. Erst recht bei fremden Frauen.

Shadow bellte an seiner Seite und erinnerte ihn daran, dass er noch immer auf dem Gehweg stand. Seto schüttelte den Kopf und ging weiter.

Das Plakat hatte ihn auf eine Idee gebracht und zügig ging er den Weg zu seiner Firma zurück. Dabei zog er sein Handy wieder aus der Tasche und wählte statt Kuzukis Nummer die seines Büros.

Sofort nahm die Sekretärin den Hörer ab.

„Bereiten Sie das Konferenzzimmer vor!“, sagte er ohne jegliche Begrüßung, „Sorgen Sie dafür, dass die Vertreter der Finanz und Presseabteilung da sind, sowie die Rechtsabteilung!“

„Wird gemacht!“

„In einer halben Stunde fangen wir an!“, sagte er kalt, „Rufen Sie außerdem im Dreamland an und sagen Sie, dass ich Kuzuki brauche!“

„Bitte wo?“

Seto verdrehte die Augen und ging noch eine Spur schneller. „Im Fotostudio Deamland. Sagen Sie, dass ich die Fotografin Kuzuki brauche. Noch heute!“

„Ja, natürlich.“

Ohne eine Verabschiedung legte er auf und rannte fast zu seiner Firma zurück. Endlich hatte er eine Idee, wie er das Problem mit den Medien lösen konnte.

„Mit Naomie obendrein!“, fuhr sein Gewissen dazwischen, „Oder hab ich mich da grade verhört, als du sagstest, dass du sie noch heute brauchst?“

Natürlich brauchte er sie heute noch. Sie sollte an der Konferenz teilnehmen! Aber das war alles rein geschäftlich und hatte nichts mit Sex oder Gefühlen zu tun!

„Ja, klar!“, kam wieder ein sarkastischer Seitenkommentar.

Seto ignorierte ihn und Shadow bellte aufgeregt, als sie die Firma betraten. Schnell lief er zum Aufzug und fuhr nach oben in sein Büro.

Dort nahm er Naomies Schal von der Garderobe und warf seinen Mantel schnell auf das Sofa. Der Geruch ihres Parfüms drang in seine Nase, als er das Kleidungsstück in die Hand nahm.

Shadow bellte aufgeregt.

„Nein, das ist nicht zum spielen für dich!“, mahnte Seto und legte das Stück auf seinen Schreibtisch ab, damit er es nicht vergaß mit in die Konferenz zu nehmen.

Mokuba war inzwischen mit seinen Kisten verschwunden und hatte ihn auch um ein paar Sachen aus Schokolade erleichtert.

Schnell griff er zum Telefon und rief bei seiner Sekretärin an.

„Haben Sie jemanden erreicht?“

„Nein, tut mir leid. Da ist gerade niemand ans Telefon gegangen.“

„Gut, ich kümmere mich darum“, sagte er und legte auf. Sofort nahm er das Telefon wieder in die Hand und wählte die Studionummer.

Wenn sie schon nicht ans Diensthandy ging, um mit ihm privat zu reden, dann musste es eben über den geschäftlichen Weg gehen. Sie würde keine Wahl haben, als jetzt mit ihm zu reden.

„Du bist gemein. Du zwingst sie ja, sich mit dir zu treffen!“, kam es von seinem Gewissen, doch darauf konnte er gerade keine Rücksicht nehmen. Immerhin waren seine Fotografen alle beschäftigt oder schon weiter weg im Urlaub und er konnte nicht warten. Also musste er jemanden mieten bis Ersatz für Juan da war. Kuzuki war dafür ideal. Immerhin war ihre Arbeit gut.

„Für die Arbeit ist klar“, sprach die Stimme triefend vor Sarkasmus, doch im nächsten Moment wurde der Hörer abgenommen.

„Dreamland Fotostudio“, sagte die freundliche Frauenstimme und Seto erkannte, dass es nicht die von Kuzuki war. Mit knappen Worten begrüßte er die Dame am Ende der Leitung und versuchte nicht allzu abgehetzt zu klingen.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie etwas verwirrt. Offenbar war sie ziemlich geplättet, dass er anrief oder sie hielt es für einen Scherz?

„Ich brauche jetzt sofort einen Ihrer Fotografen.“

„Ja, wen möchten Sie denn buchen? Möchten Sie dazu auch einen Visagisten?“ Sie holte Luft, um die Namen verschiedener Angestellter zu nennen, doch er unterbrach sie.

„Naomie Kuzuki und nein, ich brauche keinen Visagisten dazu“, kam es von ihm wie aus der Pistole geschossen. In seinem Team arbeitete ein dreiköpfiges Team das für zuständig war.

„Tut mir leid, aber Naomie ist nicht da“, sagte die freundliche Frauenstimme am Telefon und er konnte hören, dass sie überlegte, was sie sagen sollte.

„Wie bitte?“, fragte Kaiba schockiert und sein Herz hämmerte. Für einen Moment setzte es sogar aus. Hatte sie Termine? War sie etwa ausgebucht oder wollte ihr Chef sie nicht vom Weihnachtsmarkt abkommandieren?

Ein Kloß setzte sich in seinem Hals fest. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Irgendetwas stimmte nicht.

„Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann sie wieder da ist“, fuhr die Frau gekonnt fort, Das hatte er auch schon bemerkt.

„Wieso ist sie nicht da?“, fragte er mit ruhiger Stimme und musste den Kloß hinunter schlucken, der es ihm fast unmöglich machte zu sprechen. Wieder spürte er Angst durch seine Glieder kriechen. Doch diesmal war nicht die Angst um sich selbst, sondern um Kuzuki.

„Das wissen wir auch nicht. Sie ist den ganzen Tag nicht zur Arbeit gekommen und auch nicht erreichbar. Weder auf ihrem Handy noch zu Hause.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KiraNear
2015-01-08T20:42:45+00:00 08.01.2015 21:42
Ja, so ist das im Internet - die Leute gehen gerne mal mit ihren Mistgabeln auf Touren^^°
Und ich frage mich ebenfalls, wie lange sich Seto noch etwas vormachen will XD
Tolles Kapitel :-)
Ich frage mich nur, was mit Naomie los ist :/


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