Zum Inhalt der Seite

Das rote Tuch

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Rat

„Er ist ein durchaus zurechnungsfähiger Mann und seine Erfahrung im Kampf unvergleichbar. Er wurde in die Bruderschaft hineingeboren und bereits als Kind ausgebildet; seine Fähigkeiten übersteigen die aller Anderen hier in Masyaf bei weitem.“ ruhig und kühl sprach der bedächtige Malik diese Worte in Latein aus während viele Augen auf ihm hingen. Die meisten davon waren ihm fremd und gehörten Männern, die dreißig bis fünfzig Jahre älter waren als er. Und er war 26. Heute war sein Geburtstag.

Große Anführer oder deren Vertreter waren die, die ihn kritisch musterten, Meister von den Bruderschaften relativ nächst gelegener Länder: von Ägypten, Afrika, Griechenland, Indien, Russland. Sie alle unterschieden sich in ihren Kleidungsstilen, Hautfarben und Gebärden, ihren Muttersprachen, weitläufigen Ansichten und Waffen, die sie nutzten. Doch eines hatten sie alle gemeinsam: Sie nahmen den viel zu jungen, Ersten Dai nicht ernst. Der Inder in dem leichten, bunten Gewand mit dem vielen Goldschmuck an den Händen und Armen, schenkte ihm seit geraumer Zeit gar regelmäßig abfällige Blicke. Malik versuchte sie zu ignorieren.

„Ich verstehe euer Misstrauen durchaus. Doch Syrien bietet keinen, der für den Posten als Großmeister besser geeignet wäre als er. Er hat einen Meister der Templer, Robert de Sable, und den wahnsinnig gewordenen Al-Mualim besiegt. Seine Augen haben mehr gesehen als die so mancher Anderer.“

Oh, dieses abwartende, erwartungsvolle Schweigen im großen Raum machte den jungen Mann noch wahnsinnig! Doch er zwang sich eisern zur Fassung. Er durfte keine Schwäche zeigen und musste seine zuversichtlichen Worte mit einer aufrechten, sicheren Körperhaltung unterstreichen. Er musste für Altaïr kämpfen; dieses Mal mit Worten anstatt mit dem Schwert an seiner Seite. Denn anders als er selbst war der neue Großmeister – der dies auch hoffentlich blieb – nicht sehr redegewandt, wenn es um politische Angelegenheiten mit dem Rat ging. Altaïr war ein Krieger, kein Diplomat. Er sprach Lateinisch, die Standardsprache für Versammlungen wie dieser hier, zudem nicht so gut. Und darum saß er schon seit etwa drei geschlagenen Stunden stumm neben dem redenden Malik am Ende der langen, gefüllten Tafel Masyafs. Wie ein hübsches Ausstellungsstück, ein gemaltes Portrait eines großen Königs, lehnte der 27-Jährige in seinem Sessel. Mit erhobenem Haupt unter seiner schwarzen, golden bestickten Kapuze mit dem roten Saum. Sein weiter, seiden gefütterter, dunkler Mantel fiel schöne Falten werfend über die gepolsterte Sitzfläche seines Sessels hinab und schmiegte sich neben seiner langen, weißen und aufwändigen Robe an seine geputzten Lederstiefel. Die Schneiderin, der er vor Monaten beinahe das Leben genommen hatte, hatte ganze Arbeit geleistet, sich vielleicht sogar ein klein wenig übernommen, fand Malik.

Seiner durchaus imposanten Erscheinung noch Nachdruck verleihend saß ein Falke auf der Sessellehne des mürrisch zuwartenden Assassinen. Ein zahmes Tier mit dem Namen Kadar. Er gehörte Malik, doch schien Altaïr lieber zu haben als seinen Besitzer. Zu oft sah man den Raubvogel, wie er in der Nähe des Großmeisters verweilte und seine braunen Federn putzte. Vermutlich weil es der ältere Assassine manchmal zu gut mit der Fütterung des zutraulichen Vogels meinte.

Altaïr's Finger der rechten Hand trommelten ungeduldig auf seiner hölzernen Armlehne, zwei von ihnen waren mit simplen Silberringen geschmückt. Das ganze Blabla mit dem Rat schien ihn zu nerven und in seinen Augen zu lange zu dauern. Besser, man brachte es also so bald wie möglich zu Ende, denn für seine Geduld war der Mann ja nicht unbedingt bekannt.
 

„Es mag ja sein, dass er viel gesehen hat, doch er ist zu jung. Viel zu jung. Wie soll jemand in seinem Alter eine Bruderschaft leiten, die aus mehreren dutzend Mitgliedern besteht?“ warf der ägyptische Mann am Tisch ein und zog die Brauen über den tiefschwarz geschminkten Augen zusammen. Unsicher fuhr er sich über das glattrasierte Kinn. Malik hatte gewusst, dass dieses Thema noch zum Problem werden würde; er holte Luft. Sein Hals war vom vielen Reden schon ganz trocken und er räusperte sich.

„Ich denke, es ist falsch geistige Weisheit mit körperlichem Alter gleichzustellen, Meister Abdelghani. Wir leben in einer Zeit, in der man anfangen sollte etwas anders, weiter, zu denken. Dies soll aber keineswegs ein Vorwurf sein, sondern ein Denkanstoß. Und ich würde mich geehrt fühlen, wenn ihr ihn beherzigt. Ihr alle. Davon abgesehen leitet er unsere Bruderschaft bereits seit einem knappen halben Jahr vorbildlichst und gewissenhaft.“

Gut, diese Behauptung hatte Malik nun etwas ausgeschmückt. Denn tatsächlich machte der sprunghafte Adler ab und an Problemchen: Manchmal verschwand er einfach so und niemand wusste wo man ihn finden konnte; hin und wieder zog er in seiner alten, simplen Assassinenrobe in Städte los, um Attentate zu erledigen und des Öfteren war er einfach nicht... ansprechbar. Letzteres war dann der Fall, wenn er sich mit dem Apfel aus dem Tempel beschäftigte. Er saß dann fortgesperrt in seiner privaten Bibliothek im Keller der Burg in seinem Lehnsessel; mit dem goldenen, flirrenden Ding in einer Hand und in sich zusammengesunken als wäre er... tot. Er blinzelte dabei nicht einmal, starrte abwesend in die Leere und sprach mit sich selbst. Vielleicht hätte ihm sein Erster Dai dieses Artefakt wegnehmen sollen... doch dazu war es nun schon lange zu spät. Außerdem hatte der goldene Ball ja auch seine Vorzüge.

„Einer eurer Männer behauptete anderes.“ gab der Ägypter zu und Malik ahnte schon, wen er meinte „Eine der Torwachen. Abbas.“.

„Ein weiser Mann vertraut nicht nur auf die Stimme eines einzelnen Fremden.“ konterte der 26-Jährige und lächelte sein falschestes Lächeln „Oder habt ihr diese... Gerüchte auch aus anderen Mündern vernommen?“.

„Nein.“

„Und dennoch bin auch ich skeptisch.“ warf der großgewachsene Grieche mit dem lockigen Haar unter der weißen Kapuze ein, als er nach einer Traube aus der Obstschüssel am Tisch fischte „Ich habe gehört, Meister Altaïr hätte das Kredo einmal gebrochen. Eine äußerst fragwürdige Angelegenheit.“.

Malik spürte den eindringlichen Blick des Adlers in der nächsten Sekunde schon auf sich hängen, durchbohren wollte dieser ihn gerade.

„Das stimmt...“ der ehemalige Kartograf nickte. Gott, war ihm vielleicht warm. Wie Altaïr hatte auch er, als Erster Dai, eine neue Uniform erhalten. Sie war der Zwilling der des Großmeisters, im Gegenzug dazu aber durch und durch weiß. Während Altaïr nun einen schwarzen, prächtigen Mantel über seiner schwer fallenden, reichlich verzierten Robe trug, war Malik in einen Weißen gekleidet worden. Anstatt der goldenen Stickereien schwangen sich silberne Verzierungen über den weichen Stoff mit den roten Abschlüssen. Und so schön diese protzige Kleidung auch war... sie war heiß. Überhaupt unter den abschätzenden Blicken so vieler wichtiger Männer von denen das weitere Bestehen Altaïrs als Anführer der Assassinen Syriens abhing. Malik hatte solch große Reden wie diese hier noch nie schwingen müssen und tat das gerade mehr oder weniger aus dem Stegreif.

… Allah steh ihm bei.

„Doch er hat dies mehr als nur wieder gut gemacht. Aus Fehlern lernt man, so sagen zumindest die Europäer. Und ich denke in diesem Fall trifft dies durchaus zu. Meister Altaïr wäre heute nicht das was er ist, hätte er damals nicht gegen die Vorschriften verstoßen. Er hat seine Lektion gelernt und ich war sein Zeuge.“

Trotz dieser schnellen Antwort des jungen Mannes gab sich der griechische Großmeister nicht geschlagen. Und Malik hatte schon geglaubt der senile Ägypter sei anstrengend...

Wieder setzte der Gelockte mit den Trauben in der Hand zum Reden an „Das ist mir weitläufig bekannt. Ja, man sagt er habe gar eine große Tragödie zu verantworten gehabt. Viele hatten wegen ihm ihr Leben lassen müssen.“

Malik ballte die Hand unbewusst zu Faust und versuchte erhobenen Hauptes starren Blickkontakt zu dem Griechen zu halten, seine Zähne mahlten „Er hat weit mehr Leben als diese wieder gerettet. Die Letzten erst vor einem halben-“

„Auch eure Familie starb dabei, nicht? Man sagte mir ihr hättet euren Arm wegen ihm verloren.“

Der Erste Dai spürte, wie sich in seinem Hals ein dicker Kloß bildete und sein Atem setzte für einen Zug lange aus. Leicht reckte er sein Kinn und schluckte schwer, ermahnte sich im Geiste dazu ruhig zu bleiben.

Ruhig.

„Sind wir heute zusammengekommen, um Vergangenes zu diskutieren oder um über die Zukunft zu sprechen?“ Ja, ganz ruhig. Malik hatte Mühe damit seine Stimme nicht brüchig klingen zu lassen; er konnte es förmlich spüren wie Altaïr‘s Aufgebrachtheit neben ihm anschwellte und den Raum erfüllen wollte. Stumm betete der Jüngere dafür, dass der gereizte Meister bloß seine vorschnelle Klappe halten und still sitzen bleiben würde.

„Das sind wir. Doch wir dürfen Zurückliegendes nicht ganz außer Acht lassen, denn es bestimmt wer er heute ist. Zudem müsst ihr doch einen Groll gegen einen Mann hegen, der euch eines eurer wichtigsten Werkzeuge genommen hat. Als Assassine ist man mit nur einem Arm nutzlos.“

Auf diese Aussage hin klappte Malik der Unterkiefer beinah nach unten. Ungläubig und entrüstet starrte er dem unverschämten, griechischen Kerl an der Tafel entgegen – und die meisten anderen taten es ihm gleich. Ein tiefes, angespanntes Einatmen ging durch den Raum. Die Meister der anderen Länder waren zwar gekommen, um die Gegebenheiten in Masyaf verbal zu zerlegen und Posten zu hinterfragen... doch die letzte Meldung war, was das anging, weit jenseits der tolerierbaren Schmerzgrenze gewesen! Malik musste sich hüten seine Mundwinkel nicht angewidert zu verziehen und noch ehe er realisierte, dass sich Altaïr ebenfalls erhoben hatte, sprach er weiter und schnitt dem Großmeister Masyafs neben sich das Wort ab.

„Euer Benehmen ist unerhört!“ donnerte der Erste Dai in den Raum hinein und lief Gefahr sich zu vergessen, schlug mit der flachen Hand auf den massiven Tisch. Die Aussagen des Griechen, der nun seine blauen Augen verengte, hatten ihn viel schwerer getroffen, als er es sich gerade eingestehen wollte „Unerhört und respektlos! Wagt es nicht noch einmal meine Fähigkeiten als Berater von Großmeister Altaïr Ibn-La'Ahad zu hinterfragen, Meister Nikopolidis! Ich stehe aus guten Gründen hier und diese Tatsache solltet ihr akzeptieren, wenn ihr euch nicht eindeutig gegen den Mann neben mir aussprechen wollt! Ihr bringt mir – uns – tiefen Argwohn entgegen, weil wir in euren Augen zu jung sind, doch ihr seid es, der sich hier kindisch zeigt!“.

Während seiner Tirade war Malik's drohender Zeigefinger auf den griechischen Mann gerichtet und die goldenen Augen des nun stehenden Altaïr folgten diesem Zeig verachtenden Blickes.

Als unkooperativ zeigte sich der kritische Alte aus Griechenland nun und schüttelte sein Haupt in Unverständnis, doch seine restlichen Brüder blickten ihn mittlerweile ebenso tadelnd an wie es der verärgerte Malik und der brodelnde Altaïr taten. Immerhin. Mit seiner Ansprache, mit der Malik den 35 Jahre älteren zurecht gewiesen hatte, hatte der ehemalige Kartograf wohl die Gunst der meisten Anwesenden gewonnen.

„Der Templerorden sammelt sich in Akkon und uns steht ein Krieg mit den Mongolen bevor.“ fuhr der 26-Jährige fort „Und alles was euch beschäftigt sind die vergangenen - und wieder gut gemachten - Taten Meister Altaïrs. Ihr solltet darüber nachdenken uns zu unterstützen anstatt die Führung der Assassinen Syriens anzuzweifeln! Auch, wenn wir aus unterschiedlichen Ländern stammen, gehören unsere Bruderschaften zusammen. Wo bleibt also die Brüderlichkeit, Meister Nikopolidis? Wo bleibt sie?“

Stille.

Die enorm gefährliche Spannung im großen Raum lag als klamme Masse in der warmen Luft und erfüllte diese so stark, dass es einem schwer fiel zu atmen. Sie war so zäh, dass man sie hätte schneiden können und ehe der Grieche schlussendlich dazu kommen konnte Widerworte einzulegen, erhob Altaïr selbst seine raue Stimme urplötzlich „Raus.“.

Alle Augen der nervös Abwartenden wichen nun von Malik und Nikopolidis ab – hin zu dem Adler, der so drohend ruhig sprach. „Raus.“ wiederholte er drängender als noch zuvor und tatsächlich erhob sich der Grieche widerwillig, um den Saal zu verlassen. Lediglich seine Schritte waren in der totenstillen Räumlichkeit zu hören, als er ging und die Türe später klackend hinter sich schloss. Doch der 27-Jährige – der hier als Meister Masyafs das Sagen und die Befehlsgewalt über alle Besucher jeglichen Ranges hatte – gab sich weiterhin unzufrieden und holte erneut Luft.

Ihr alle.“ grollte er in den weiten Raum hinein und Malik's Blick fiel überrascht auf ihn „Die Besprechung ist beendet.“.
 

II
 

Hände, die von hinten an seine Schultern fassten, ließen den Ersten Dai aufsehen. Auch sein Falke Kadar – der auf dem Sims des offenstehenden Fensters saß - sah kurz unter einem seiner Flügel hervor, als der zweite Assassine hinter seinen Herrn trat, steckte ihn dann aber zurück unter sein Gefieder um weiter vor sich hin zu dösen. Malik hatte sich nach dem Mittagessen zusammen mit dem Tier in seine ruhigen Gemächer zurückgezogen und sich mit dem Zeichnen einer neuen Karte Masyafs abgelenkt, denn die Alte war mehr als nur ungenau. Es war nicht mehr seine Aufgabe als Kartograf zu arbeiten, doch er tat dies ab und an dennoch... denn er mochte es, es beruhigte seinen aufgewühlten Geist. So wie es die akzentbehaftete Stimme hinter ihm stets tat.

„Danke Mal.“ drang es an die Ohren des aufhorchenden Sitzenden und er stellte seine Zeichenfeder zurück in das kleine Tintenfässchen am schönen Tisch. Ein wohliges Seufzen entkam ihm, als Altaïr seine Schultern sanft drückte.

„Ich habe mir ja Schlimmes ausgemalt, doch dass diese Kerle so hartnäckig sind, habe ich mir nicht gedacht.“ meinte Malik und zog die Augenbrauen zusammen, hob seinen kritischen Blick der Wand vor sich entgegen.

„Sie werden keine Probleme mehr machen. Hast du ihre Augen gesehen, als der Grieche über die Stränge geschlagen hat? Sie sind auf unserer Seite und wissen wo ihre Grenzen liegen.“

„Hoffen wirs...“

„Sie werden sich beratschlagen und uns aufsuchen, wenn sie eine Entscheidung getroffen haben. Wir warten einfach ab.“

Das kann dauern.“

„Politiker eben.“

Hörbar missmutig atmete der Schwarzhaarige aus, dann wendete er sich um, sah entnervt zu dem Großmeister in dem prächtigen schwarzen Mantel auf „Wolltest du irgendetwas?“.

„Dich sehen. Sonst nichts.“

Ein Lächeln schlich sich auf die zuvor so matte Miene des Jüngeren, als Altaïr weiter redete „Ich war mir nicht sicher ob es dir nach der Sache von vorhin so gut geht...“.

„Alles in Ordnung, Altaïr. Ich mache mir nur ein wenig Sorgen wegen diesem griechischen Kerl.“

„Soll er es sich nur wagen noch einmal irgendwelchen Mist zu bauen...“ meinte der Adler relativ gelassen und musterte Malik eindringlich, als sich dieser erhob, um an ihn heranzutreten. Ein langer Kuss auf die Lippen des Größeren folgte und dieser schob eine seiner Hände an den Hinterkopf des 26-Jährigen. Der Erste Dai öffnete seinen Mund, um der verspielten Zunge des Anderen Einlass zu gewähren und er schloss die braunen Augen, als sich die zweite Hand des Assassinen an sein Hinterteil schob und dort zupackte. Er keuchte leise, als er sich dem Anderen entgegen drückte.

„Du hast mir noch immer nicht gesagt... was du dir wünscht.“ raunte Altaïr in den verlangenden Kuss hinein und schmunzelte dabei etwas. Achja. Malik hatte seinen Geburtstag völlig vergessen.

„Ein Katapult mit dem ich Abbas zum Mond schießen kann und einen großer Kuchen, aus dem ein nackter Großmeister Masyafs springt.“

„Was-? Du bist verrückt.“ lachte Altaïr leise, als er dem Jüngeren den Mantel von den müden Schultern schob. Raschelnd fiel das teure Stück zu Boden und Malik feixte ein „Ich habe dir noch gar nicht von meinen Ideen für ein Fluggerät erzählt.“. Er stieß den Atem schwer aus, als es sich die Lippen des Älteren einen Herzschlag später an seinem Hals zu schaffen machten und seine Finger bahnten sich ihren Weg unter die vielschichtige Robe des Adlers. Forschend tanzten Fingerspitzen über weiche Haut und der jüngere der beiden Männer biss sich leicht auf die Unterlippe.

„Du bist nicht nur verrückt, du spinnst komplett...“ hauchte Altaïr.

Nun war es Malik, der kurz und trocken lachte. Er erschauderte, als der warme Atem des Anderen über seinen Nacken strich und er spürte wie sich dort die kleinen Härchen aufstellten. Weitere Worte blieben aus, denn der Erste Dai hatte in den nächsten Momenten schon 'Besseres' zu tun als zu reden: Er lehnte sich mit dem Gesäß voran zurück an seinen massiven Tisch und drängte den Großmeister vor sich auf die Knie. Natürlich stieg der bereitwillige Ältere auch darauf ein; wer wäre er auch gewesen wenn nicht? Einen seiner ledernen Stiefel auf die Schulter des Anderen setzend und ihn somit am Boden haltend verzog der Schwarzhaarige seinen Mundwinkel zu einem schwachen, lüsternen Lächeln. „Bring zu Ende was du angefangen hast... Meister.“ wisperte er Altaïr auffordernd und mit beinah schon arrogant anmutendem Ausdruck zu. Der Kniende quittierte dies mit einem verschmitzten Schmunzeln; und er hätte es sich auch inniglichst gewünscht, dass er dazu gekommen wäre den Wünschen des Ersten Dais nachzugehen... denn Sekunden später zuckte Malik ob eines Türknarzens zurück. Er hielt in seinem Tun inne und richtete seinen erschrockenen Blick sofort zur Seite – den entsetzten Augen des Wachmanns und Gelegenheitskochs Swami entgegen.
 

III
 

Wie erwartet brauchte der Rat mehrere Tage, um zu einem endgültigen Entschluss über die Situation in Masyaf zu kommen. Die Mehrheit der Stimmen hatte für Altaïr entschieden und die Männer, denen sie gehörten, hatten ihm ihre Segen gegeben und die Loyalität ihrer Bruderschaften geschworen. Der Grieche... der hatte sich im Endeffekt zwar nicht gegen den neuen Großmeister gestellt, aber sich enthalten. Er hatte sich bis zum Tag seiner Abreise – heute – recht unzufrieden gegeben und wirkte nun, bei der Verabschiedung erleichtert. Viel zu erleichtert, fand der misstrauische Malik.

Dieser Kerl war aber nur ein Problem. Ein Zweites - und in seinen Augen viel Größeres - war Swami. Das, was zwischen dem Ersten Dai und dem Meister lief, war bis zu dem Tag, an dem dieser Koch sie beide gesehen hatte, ein Geheimnis gewesen. Denn, Führungspersonen hin oder her, auch sie hatten sich den gesellschaftlichen Vorstellungen und Normen zu unterwerfen. Es ging einfach nicht, dass zwei Männer eine Beziehung führten. Taten sie dies dennoch, verloren sie ihre Gesichter.

Swami hatte unter dem Griff des verstimmten, mordlustigen Altaïr hervor gestottert, dass er das, was er gesehen hatte, für sich behalten würde... doch Malik bezweifelte dies. Denn dieser Mann war eine ebenso falsche Schlange wie Abbas eine war. Nicht ernst zu nehmen, doch in einem gewissen Maß hinterhältig und ein Unruhestifter. Doch was hätte er schon tun sollen? Swami töten? Nein. Niemand hatte das Recht dazu aus eigennützigen Gründen heraus zu morden. Und so lief das Geheimnis des Adlers und seines Liebhabers seit Tagen auf zwei Beinen in Masyaf herum. Es machte Malik unglaublich nervös und er fühlte sich stets irgendwie… beobachtet.
 

„Ich habe kein gutes Gefühl was diesen Mann angeht...“ murmelte Malik Altaïr zu, als der griechische Meister in Begleitung seiner fünf Männer durch den Torbogen der Festung nach draußen trat. So gespielt freundlich hatte er sich verabschiedet und dabei so breit gegrinst... als hätte seine, im stummen Triumph schmunzelnde, Visage etwas zu verbergen gehabt.

„Er war mir auch suspekt. Gerade eben noch mehr als zuvor.“ gab der Adler zu ohne seine goldenen Augen von dem Rücken des Verschwindenden loszureißen. Rauf, der mit verschränkten Armen neben ihm stand, hob eine Augenbraue an und linste fragend in die Richtung Maliks.

„Folge ihm.“ meinte der Erste Dai trocken und zunächst glaubte der verdatterte Rauf, er meinte ihn. Doch tatsächlich hatte der Schwarzhaarige damit den Großmeister angesprochen „Du stehst doch auf sowas.“.

„Du wagst es also deinem Meister Befehle zu erteilen?“ brummte Altaïr amüsiert, als er seine forschenden Augen wieder von dem 26-Jährigen fort und in die Richtung des Tors wendete. Rauf hob nun auch seine zweite Augenbraue an.

„Und wenn er sie nicht befolgt, bekommt er einen Tritt in seinen Adlerhintern.“

„Ich erzittere.“

„Na los.“

Die beiden goldbraunen Augen des Meisters streiften Malik noch einmal in einer tiefen und mehrdeutigen Weise, als er sich dazu aufmachte zu gehen; einer seiner Mundwinkel zuckte in einem belustigten Grinsen zur Seite. Ein Blick, den der anwesende Rauf nicht verstand – Malik jedoch schon. Er erwiderte ihn mit einem Anflug eines Lächelns im Gesicht bevor der Raubvogel losflog.
 

Was... oder eher: wen der siegreiche Altaïr kaum eine Stunde später zurück in die Festung brachte bestätigte Malik's vorhergegangenes, schlechtes Gefühl die Sache den hinterhältigen Griechen betreffend. Dieser war nun nämlich tot, seine fünf Leibwächter Gefangene.

Der Erste Dai Maysafs lief seinem Großmeister im Eingangsbereich der großen Burg mit geweiteten Augen und wehender Robe entgegen; er ließ die Schriftrollen, die er mit sich getragen hatte, in seinem Entsetzen fallen und seine Aufmerksamkeit wanderte noch im Laufen von dem sichtlich ärgerlichen Altaïr zu dem Toten, den dieser an einem Bein in das Bauwerk gezogen hatte. Eine Blutspur, die den Boden vor der Festung in schmalen Schlieren rot färbte verriet den Weg, den der Adler mit seiner 'Beute' zurückgelegt hatte. Und hätte Malik gesehen wie gelassen der fähige Meister seinen... erstochenen Gleichgesinnten hierher gebracht hatte, wäre er Altaïr nun nicht dermaßen aufgebracht gegenübergetreten wie er es gerade tat. Auch der irritierte Rauf und vier seiner besten Männer waren sofort zur Stelle.

„Was zum-... Altaïr!“ keuchte der schwarzhaarige, ehemalige Büroleiter entsetzt hervor und verlangte allein durch seinen ungläubig-auffordernden Blick eine Rechtfertigung.

Anstatt zu antworten ließ der Mann im schwarzen Mantel sein blutiges Opfer los. Schlaff fiel nun auch dessen Bein auf den Grund neben Altaïr's Füßen; jener hob ohne zu zögern seine zweite Hand, in der er etwas anderes hielt als ein Hosenbein eines Toten: Den Apfel. Golden und gefährlich unscheinbar schmiegte er sich an die vier Finger des Assassinen.

Entrüstet senkte sich der bange Blick des Ersten Dais auf das Artefakt und es verschlug ihm endgültig die Sprache. Dann erst redete sein Gegenüber.

„Er hatte ihn gestohlen.“

„Was?? Woher wusste er-“

„... und ihn im Kampf gegen mich einsetzen wollen.“

Altaïr??“ um Himmels Willen, ging es dem älteren Mann gut?? Malik trat hektisch näher an den Größeren heran und beäugte ihn besorgt.

„Blöderweise wurde er wahnsinnig und hat sich selbst erdolcht. Jammerschade.“ gab der Großmeister trocken, doch mit dunklem Unterton von sich und stupste mit der Stiefelspitze gegen den schlaffen Körper am Grund; so, als wolle er überprüfen, ob der Verräter tatsächlich unschädlich war.

War er.

Malik hob seinen Kopf, der nun erst einmal realisieren musste, was geschehen war, wieder an und nahm Blickkontakt zu den goldbraunen, verstimmten Augen auf. Erleichtert atmete er aus, als der Adler sein Gesicht unter der schwarzen Kapuze genervt verzog.

Oh... Er hatte schon befürchtet... er hatte schon befürchtet der unberechenbare Altaïr hätte den griechischen Meister ermordet. Es wäre eine Tat gewesen, die der 27-Jährige nicht mehr hätte gut machen können, sein Ende! Egal, was der nun Tote zuvor getan hätte. Man richtete innerhalb der Bruderschaft nämlich nicht via Selbstjustiz, man sperrte Schwerverbrecher und dreckige Verräter der Assassinen erst einmal fort und ließ den Rat über ihr Schicksal entscheiden – jedenfalls wenn es um internationale Angelegenheiten ging. Eine Dumme Regel, fand Malik, doch dem war nun mal so. Politik eben. Zum Glück war das in Syrien noch anders. Ja, Asche auf sein Haupt, er war ein Vertreter der 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'-Regelung.

Ein äußerst erleichtertes Aufseufzen verließ Malik's Kehle und er fasste sich, den Kopf schüttelnd, an das Gesicht. Seine Miene lockerte sich wieder „Oh, ich dachte schon-“.

„So blöd bin ich auch wieder nicht.“

„Da bin ich mir manchmal nicht so sicher, Novize.“

Ein pikiertes Brummen schlug Malik nun seitens Altaïr entgegen.

„Was ist mit seinen Begleitern?“ hakte der ehemalige Kontaktmann Jerusalems nach.

„Die sind bei Abbas im Vorhof.“ der Adler nickte gen Ausgang „Sie sind freiwillig mit mir zurück gekommen und warten. Wirken recht eingeschüchtert, alle fünf.“

„Haben sie gewusst, dass ihr Anführer den Apfel gestohlen hatte?“

„Angeblich nicht. Was machen wir mit ihnen?“

„Wir sperren sie vorerst ein und schicken eine Botschaft nach Griechenland. Wir können sie nicht frei hier herumrennen lassen - mit Pech sind sie wie ihr...“ der kritische Blick des Ersten Dais fiel auf die Leiche neben Altaïr und er runzelte die Stirn „...toter Meister ebenso, ähm, dumm.“.

„Von mir aus.“ der Adler zuckte gleichgültig mit den Schultern und warf noch einen letzten, angewiderten Blick in die Richtung des Toten bevor er Rauf und dessen Begleiter dazu aufforderte ihn fort zu bringen.

„Es scheint so, als wären heute viele darauf aus dir deinen Tag zu versauen.“

„Tse. Solange ich mein Katapult bekomme um den Rest dieser Deppen auf den Mond zu befördern.“

„Ich fange ehrlich damit an ernsthaft darüber nachzudenken, Malik...“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück