Zum Inhalt der Seite

Das rote Tuch

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Mutter

„Aber ich will zu Mama.“ wisperte der 5-Jährige verzweifelt und seine kleinen Finger mit den verdreckten Nägeln klammerten sich fest in den weichen Seidenstoff des fleckigen, purpurnen Tuchs, das an der Türklinke zu seinem Zuhause hing. Seine Unterlippe bebte und glasige, braune Augen waren auf seinen großen Bruder gerichtet, der sich hastig genähert hatte.

„Mama... Mama soll machen, dass es nicht m-mehr weh tut...“ die Stimme des kleinen Jungen mit den wirren, dunklen Haaren brach und er vergrub sein Gesicht in dem roten Tuch an der Tür. Er weinte; weinte, weil er sich eines seiner Knie beim Fangenspielen in der weiten Ebene ringsum aufgeschlagen hatte.
 

„Du kannst jetzt nicht rein.“ murmelte Malik nur etwas entnervt hervor, als er seinen jüngeren Bruder etwas grob am Oberarm packte „Du weißt doch, dass wir draußen spielen sollen, wenn das Tuch da hängt.“. Die dunklen Augen des trocken schluckenden 8-jährigen glitten für wenige Momente lange über den Kopf Kadars hinweg, hin zu dem roten, leicht ausgefransten Stoff an der Klinke. Mutter band diesen oft an die alte Türe; wieso, das wusste er nicht. Aber: bevor sie es tat, sagte sie immer, dass er und sein Bruder nun nicht in das Haus hineingehen durften.

Unter keinen Umständen.

Malik tat immer was ihm seine Mutter sagte, denn sie war nett und klug und hatte immer Recht und außerdem war es auch eine Frage des... des Respekts hatte sie einmal gesagt. Was 'Respekts' bedeutete, das wusste das Kind nicht so genau, doch es schien etwas sehr Wichtiges zu sein.

'Ein junger Mann muss einer Frau immer Respekt zollen.' wiederholte Malik stumm in Gedanken, als er versuchte seinen plärrenden Bruder von der Tür fortzuziehen 'Und: Ein junger Mann passt auf seinen kleinen Bruder auf. Egal was passiert.'.

„Kadar, bitte komm.“

„Nein nein, ich mag zu Mama!“

Ein leises, resigniertes Seufzen verließ die Kehle des Größeren und er setzte zu einer weiteren, verzweifelten Aufforderung an Kadar, das blöde Tuch doch endlich loszulassen, an. Doch so weit kam er gar nicht erst. Noch bevor er seine Lippen zum Sprechen öffnen konnte, trat ein Mann an die beiden Kinder heran. Der 8-Jährige war derart auf seinen kleinen Bruder fixiert gewesen, dass er den großen Kerl mit dem kantigen, unfreundlichen Gesicht gar nicht hatte kommen sehen. Leicht zuckte er vor Schreck zusammen und instinktiv schlang er seine Arme um Kadar.

'Ein junger Mann muss seinen kleinen Bruder beschützen. Versprich mir, dass du Kadar immer beschützt, Malik.'.

„Bitte, ich mag rein!“ Kadar schien den Mann, der vor ihnen gehalten hatte, noch nicht bemerkt zu haben, schmiegte er sein verweintes Gesicht ja auch in das rote Tuch, das nach seiner Mutter roch. Noch immer umfassten seine Hände den Stoff, als wäre dieser ein rettendes Tau.
 

Ohne ein Wort von sich zu geben, doch mit grimmiger Miene, streckte der fremde Mann seine große, mit schweren Ringen geschmückte Hand nach den beiden Kindern aus. Malik spürte wie eine unglaubliche Anspannung in seine Glieder schoss und er schob seine Arme enger um den schniefenden Kadar. Unfähig sich von der Stelle zu rühren starrte der Ältere der Jungen dem Fremden entgegen; leicht zog er seinen Kopf dabei ein.

Die forsche Hand des Mannes erwischte den ängstlich abwartenden Malik bestimmend am Kragen und zerrte ihn von der Holztüre fort, versetzte ihm einen harten Stoß. Der Junge stolperte daraufhin ein paar kleine Schritte weit zurück und zog dabei auch den erschrocken wimmernden Kadar mit sich. Mit zugekniffenen Augen und einem leisen, überraschten Laut landete Malik hart auf seinem Hinterteil, sein jüngerer Bruder auf ihm.

Der fremde Mann schenkte den am Boden sitzenden Kindern nun kaum mehr Beachtung, schnalzte verärgert mit der Zunge und verschwand im Innern des Hauses mit den rissigen Wänden.

Malik konnte diesem Wüstling nur mit offenstehendem Mund hinterher sehen; selbst dem weinenden Kadar hatte es, des plötzlichen Sturzes wegen, den zitternden Atem verschlagen.

Es kamen fast jede Nacht seltsame Männer zu der Mutter der Beiden, doch solch einem groben Unhold war Malik noch nie begegnet. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er und Kadar sonst abseits in den dürren Feldern, Sträuchern oder in der Stadt spielten anstatt die Wege der Besucher Mutters zu kreuzen.
 

Eine lange Zeit saßen die beiden dunkelhaarigen Kinder auf dem staubigen Grund neben dem Eingang zu ihrem Zuhause, stumm und die großen Augen auf die marode Türe des Hauses gerichtet. Man konnte den grimmigen Mann und Mutter hören, zuerst sprachen sie, dann wurde die Frau immer stiller und der Fremde-

„Malik, warum schreit der Mann?“

Der 8-jährige riss seinen irritierten Blick von der Tür fort und senkte ihn auf den neugierigen Kadar. Der Kleinere saß zwischen Malik's Knien, in seinen beiden dreckigen Händen hielt er den purpurnen Schal. Das Stück Stoff war offensichtlich von der Türklinke gerutscht, als der... dieser gemeine Kerl sie beide weg geschubst hatte, damit sie ihm nicht mehr im Weg standen.

„Tut Mama ihm weh? Mama würde nie wem wehtun. Oder? Hey, Malik.“ flüsterte Kadar unschlüssig hervor, blinzelte sich die restlichen Tränen aus den Augenwinkeln und zog die Nase hörbar hoch. Er drückte sich den Schal seiner Mutter dabei fest an die Brust, als wäre der Stofffetzen ein wertvoller Schatz.

Der unschlüssige Malik schluckte schwer.

Tat seine Mutter dem Mann dort drin weh? Hm. Sie hatte einmal erklärt, dass sie den ganzen Fremden helfen würde. Wenn Männer erwachsen waren, dann hätten sie nämlich ganz nervige Probleme. Also nicht alle, aber manche von ihnen. Und Malik's Mutter wusste, wie man diese Männer heilte und kurierte sie für ein paar Münzen.

Der 8-Jährige zog die Brauen zusammen und verengte seine Augen etwas, blickte angestrengt nachdenklich in die Leere vor sich und gab Kadar ein genuscheltes „Weißnicht.“ als Antwort auf dessen Frage zurück.

Und wieder stöhnte die tiefe Männerstimme innerhalb der Wände des Hauses auf.

Vielleicht... vielleicht war Mutter ja so eine Art Doktor. Ja, genau. Doktoren taten ihren Patienten auch manchmal weh, doch danach wurde es meistens besser, nicht? Malik war einmal von einem Baum gefallen und hatte sich dabei die Schulter ausgekugelt. Seine Mutter hatte ihn in die Stadt gebracht und ein Doktor hatte alles wieder eingerenkt; es hatte zwar ziemlich wehgetan aber danach war alles wieder in Ordnung gewesen.

Ein schwaches, doch stolzes Lächeln huschte über die Lippen des Jungen „Mama ist ein Doktor. Ich glaube sie renkt dem Mann die Schulter ein.“.

Die beiden, auf Malik gerichteten Kinderaugen weiteten sich und großes Erstaunen war im Ausdruck Kadars zu lesen „Woah.“.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  FalonDin
2013-11-08T01:56:14+00:00 08.11.2013 02:56
Da ich nicht schlafen kann und die Fanfiction seit kurzem auf der Liste habe, habe ich sie heute mal begonnen zu lesen.
Du hast einen schönen Schreibstil. Ich kann mir alles haargenau vorstellen und fühle mich richtig hineinversetzt.
Du hast Malik und Kadar als Kinder bezaubernd dargestellt mit einen niedlichen und naiven Kinderdenken. Werde sie später vielleicht zuende lesen und dir ein weiteres Kommentar dalassen.
Von: abgemeldet
2013-02-10T11:45:31+00:00 10.02.2013 12:45
Schön geschrieben und- ach keine Ahnung!
Es hat mich auf jeden Fall gefesselt!
Hoffentlich krieg ich bald mehr zu lesen <3
Antwort von:  Crevan
10.02.2013 12:50
Aw, danke für das liebe Kommi! Spornt einen an sowas :3

Die nächsten 3 Kapitel sind schon grob abgetippt... ich denke, ich lade das 2. heute noch hoch nachdem ich's ausgebessert habe. Es ist auch länger als das 1. ;>
Antwort von: abgemeldet
10.02.2013 12:51
Whuiii! °u° <3

Normalerweise bin ich echt kritisch, was deutsche FF's betrifft aber ich mag deine sehr gerne und freue mich bereits auf die nächsten *3*
Antwort von:  Crevan
10.02.2013 12:53
ASDFGHJKL; danke TAT~


Zurück