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The Master

von

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Master of All

Liebe, treue, dumme Lucy.

Ausdruckslos starrte er auf den blassen Körper in dem leuchtend roten Kleid zu seinen Füßen. Kälte lag in seinen Augen und Unzufriedenheit. Die Art Unzufriedenheit, die ein Kind verspürte, wenn das liebste Spielzeug nicht mehr funktionierte. Es hatte Spaß gemacht mit ihr. Sie hatten ein paar ganz reizende Monate miteinander verbracht, doch allmählich wurde er ihrer überdrüssig. Er hatte erkannt, wie langweilig sie war. Stumm und klaglos folgte sie ihm überallhin, gab keinen Mucks des Widerspruchs von sich, sondern himmelte ihn an. Aber nicht weil er er war. Sie liebte seinen Nutzen sowie er den ihren liebte. Nur war ihr Nutzen aufgebraucht. Seit sie die Valiant übernommen hatten, war sie für seine weiteren Zwecke unbrauchbar geworden. Es gab Frauen, wenn es ihm nach ihnen bedurfte. Er konnte sie alle haben. Er konnte alle haben. Selbst die dumme Tish. Aber das wollte er nicht. Eigentlich war er sich nicht einmal mehr sicher, was genau er wollte. Das unerträgliche Trommeln war lauter geworden und steuerte mit jedem Schlag seinen Willen in eine Richtung, die er nicht mehr deuten konnte. Eines wusste er jedoch mit Sicherheit: Lucy war es nicht.
 

Langsam ging er zu ihr in die Hocke und beugte sich über sie. Sein Blick fiel auf das schmerzverzerrte Gesicht, in dem sich unterhalb des rechten Auges ein lila Bluterguss zu bilden begann. In einem Anflug von Absurdität kam er nicht umhin festzustellen, dass das Lila die stumpfen, blauen, tränenfeuchten Augen hervorragend betonte. Ja, selbst der Rotton des Kleides passte dazu. Es war doch wie mit Spielzeug, überlegte der Master, während er gedankenverloren die Hand ausstreckte und sanft mit dem Finger den Rand des Flecks entlangfuhr. Wenn die Puppen ausgedient hatten, wurde der Stift herausgeholt, mit dem das kleine Kind vergebens versuchte, dieses unnütze Ding vor sich interessanter zu gestalten. Manchmal war das Ergebnis schön. Und doch war es nicht mehr das, was man vorher gemocht hatte. Es war anders. Nicht mehr erfreulich. Man wollte es nicht mehr.

„Lucy, Lucy, Lucy“, flüsterte er und strich ihr über das zerzauste Haar. Anfangs hatte sie noch Angst gezeigt und war unwillkürlich zurück gewichen, doch nun lag sie einfach nur still da. Willenlos, gebrochen, kaputt, während sie alles mit sich geschehen ließ.

Er seufzte und erhob sich.

„Aufstehen!“, kommandierte er gelangweilt und beobachtete unbeeindruckt, wie sie sich allmählich auf die Füße rappelte. Ein Trick, den sein geliebtes Spielzeug ein paar Mal zu oft vorgeführt hatte. Er konnte ihm keine Freude mehr bereiten.

„Harry?“, flüsterte sie, als sie unsicher in seine Richtung taumelte.

„Luuucy, wie oft hab ich dir das schon gesagt? Ich bin der Master. Harry hat es nie gegeben; ich bin es leid, diesen Namen zu hören!“

Lucy nickte. Trotzdem glaubte der Master für einen Moment so etwas wie Trotz in den leeren Augen aufflackern zu sehen. Als wollte sie nicht daran glauben. Als suche sie in ihm diesen Harry, den Mann ihrer Träume, den sie in ihm zu sehen geglaubt hatte. Der Gedanke erfüllt ihn mit Wut. Er hasste sie alle, diese elenden Menschen, den Doctor, jeden einzelnen, der nicht sehen konnte, wer er war. Er war der Master, niemand anderes sonst.

Ihr Arm suchte vorsichtig den seinen, damit sie sich bei ihm einhaken konnte, wie er es immer von ihr verlangte. Dieses Mal aber stieß er sie unwirsch von sich. Vielleicht etwas zu heftig. Er beobachtete, wie sie erschrocken zurück taumelte, hintenüber kippte und ihr Sturz vom Bett aufgefangen wurde. Sie glich einer Puppe, der man die Fäden durchtrennt hatte, die nur noch in der Lage war, zu spielen, wenn man sie gänzlich hielt und stützend das gewünschte Gliedmaß bewegte. So Nutzlos.

„Bleib liegen“, brummte der Master auf Lucys unausgesprochene Frage hin. Er hatte keine Lust sie mit sich herumzuschleppen. Stattdessen eilte er aus dem Raum in den langen Gang der Valiant hinaus, nicht sicher, wohin ihn seine Schritte tragen würden. Wo war der Freak, wenn man ihn mal brauchte? Er wollte jemanden töten.
 

Bei jedem Schritt, den er tat, knallten die Absätze seiner teuren Schuhe auf den blanken Boden des Schiffes und verloren sich hallend in den endlos scheinenden, leeren Gängen. Allzu bald hatten sich die Geräusche in einem unverkennbaren Vierertakt verloren, der sie zu einem bedeutungslosen Nichts zermalmte. Und dennoch war sich der Master unwillkürlich der Leere bewusst, die ihn umgab. Es war, als würde er durch ein Geisterschiff eilen, auf der vergeblichen Suche nach anderen seiner Art.

„Ich hasse ihn“, hörte er auf einmal eine dunkle Stimme murmeln. „Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn.“

„Pschhh Paps“, flüsterte da eine zweite Stimme. Eine hellere, sanftere Stimme, die zweifellos Tish gehören musste. „Es wird alles gut werden. Dieser Mistkerl wird bekommen, was er verdient.“

Er hörte das laute Klatschen eines Wischmops, der viel zu heftig auf den Boden geknallt worden war. Die Trommeln dröhnten. Das Gespräch schürte seine Wut. Unbegründete, unerklärliche Wut auf diese dumme Familie. Er verachtete sie zutiefst und jedes Mal, wenn er eins dieser Gesichter sah, verspürte er den Drang, nach seinem Laser Screwdriver zu greifen und diesen wunderschönen, schnellen, gnadenlosen Strahl abzufeuern. Stattdessen aber beherrschte er sich und ließ seinen Verstand die Kontrolle übernehmen. Möglichkeiten der Folter, eine grausiger als die andere, kamen ihm in den Sinn. Er wollte die Jones‘ demütigen. Er wollte ihr Leben zur Hölle machen, denn das war schlimmer als der Tod und auch gleich viel entzückender, wenn er auf diese Weise dem Doctor vorhalten konnte, was aus seinen geliebten Erdlingen wurde. Noch besser war daran, dass sich der Doctor dadurch seiner eigenen Schuld bewusst wurde. Wäre er nicht gewesen und hätte wieder so ein Erdenmädchen mit sich herumreisen lassen, wäre es vielleicht nie so weit gekommen, dass er, der Master, so effizienten Zuwachs an Arbeitskräften bekommen hätte.

Der Gedanke entlockte ihm ein Grinsen und besänftigte seine Wut. Mit einem Mal wusste er wieder, was er hier tat. Er lauschte noch eine Weile weiter den erbitterten Worten von Vater und Tochter, ihren niedlichen Rachegedanken, die nie Wirklichkeit werden sollten. Sollte er sich zu erkennen geben? Das, dessen er Zeuge wurde, war schließlich Meuterei, wenn man so wollte. Aber wo wäre dann der ganze Spaß? Ein Blick auf die Uhr bestätigte seine Vermutung, dass Tish dabei war den Tee auf der Brücke zu verteilen. Es bedurfte alles nur ein bisschen Timing und er konnte sie im richtigen Moment abfangen.
 

Er verschätzte sich. Er trat herein, als Tish bereits das Tablett ordentlich abgestellt hatte und die Zeit seiner Abwesenheit nutzte, um sich der verschrumpelten Gestalt in dem Käfig zu zuwenden.

„Oh oh oh, muss ich da etwas Zeuge einer Verschwörung werden?“, rief er in gespielter Ermahnung und kam mit verschränkten Armen wenige Meter vor den beiden zum Stehen. „So etwas wird hier nicht geduldet, das solltet ihr doch wissen.“

Der Master erhielt keine Antwort. Tish sprang lediglich zurück, vollführte den für sie angebrachten Knicks mit einem gehauchten ‚Entschuldigung‘ auf den Lippen und sah doch ganz und gar nicht danach aus, als täte es ihr Leid. Viel mehr störte er sich jedoch an dem stummen Blick dieser großen Augen. Der Doctor sah ihn an, wie er es so oft all diese verdammten Tage des letzten Jahres gemacht hatte und sagte nichts. Das brauchte er nicht. Diese Trauer, die die kleine Gestalt zu erdrücken schien, bedurfte keiner Worte. Der Master hasste diesen Blick. Er hasste die Vertrautheit, mit der sich sein Gefangener an Tish gewandt hatte. Es stürzte ihn schon wieder in steigende Wut, die die Trommeln zum Aufschreien brachte. Am liebsten hätte er diesem Gefühl freien Lauf gelassen, doch kam das einer Niederlage gleich unter dem allwissenden Blick des Doctors.
 

Trotz lag in den Zügen des Masters, als er zu der jämmerlichen Kreatur in dem Käfig sah, dann tat er den nächsten Zug seines Spiels und machte sich an den Tee. Zumindest wollte er das, bis ihm der verdächtige Geruch in die Nase stieg. Vielleicht hatte diesmal Tishs Hass auf ihn ihre Angst überwunden. Zu zutrauen wäre es ihr durchaus bei dem entsetzten Anblick, den sie darbot, als er sich den Tee immer noch an den Mund gehoben zu ihr drehte. Über den Rand der Tasse warf er dem Mädchen einen spöttischen Blick zu und zog verächtlich die Augenbraue in die Höhe.

„Trink!“, sagte er schließlich, nahm die Tasse wieder herunter und hielt sie ihr hin.

„Sir, ich verstehe nicht“, versuchte es Tish, doch verstummte augenblicklich, als der Master sie packte und ihr die das weiße Porzellan an den Mund hielt.

„Du hast ganz richtig verstanden“, flüsterte er in ihr Ohr. „Trink oder möchtest du, dass ich Mummy in der Küche aufsuchen gehe und frage, was sie da für eine neuartige Teekreation erfunden hat?“

Es war nicht nötig, den Laser Screwdriver hervorzuholen, um seine letzten Worte zu unterstreichen. Auch so griff Tish nach der Tasse und würgte den ersten Schluck hinunter. Ihr Gesicht verzog sich zu einer einzigen Grimasse des Ekels, doch trank sie tapfer weiter. Sie wusste, dass es keinen anderen Ausweg für sie gab.

Nach etwa der Hälfte des Tees begann sie zu würgen. Tränen glitzerten in den dunklen Augen, während sie mit angehaltenem Atem den nächsten Schluck herunterbrachte.
 

Zufriedenheit räkelte sich Träge im Inneren des Masters. Er verspürte das Gefühl der Macht, das berauschende Wissen, dass er immer noch Herr der Situation war. Alles Auflehnen gegen ihn würde letztlich scheitern.

„Das reicht.“

Es war eine leise, schwache Stimme, die da diese Worte ausgesprochen hatte. Sie schien so zerbrechlich und doch lag in ihr der harte Klang eines Wesens, das neunhundert Jahre lang erbarmungslos über das Schicksal der Abtrünnigen gerichtet hatte.

Wütend sah der Master auf. „Und es liegt an dir das zu entscheiden?“

„Vielleicht“, der Doctor hielt inne und starrte ihn eindringlich an. „Du weißt, dass das nicht sein muss, dass du das nicht tun musst.“

Die Worte schienen uralt. Sie glichen einer vergifteten Einladung, die anzufassen unwiderstehlich war. Mit ein paar lächerlichen Worten hatte es der Doctor geschafft, wieder Herr der Situation zu werden.

Der Master starrte auf Tish, die sich hustend auf dem Tisch abgestützt hatte, und verzweifelt gegen ihren Brechreiz ankämpfte. Er sah das verschrumpelte Wesen in dem Käfig, dessen fürsorgliches, allwissentliches Getue ihn ankotzte. Er erwiderte den ruhigen Blick, fand seine Wut, fand zu sich selbst und erlaubte sich ein finsteres Lächeln.

„Vielleicht ist der barmherzige Doctor einfach zu gut dafür, aber ich lasse mir nicht von meinen Dienern Putzwasser vorsetzen!“ Damit griff er nach der Tasse und schüttete den noch heißen Inhalt über den anderen Time Lord. „Rieche nur diese Note von Chemikalien und dreckigem Schmutzwasser, welch köstlicher Trunk.“

Keine Reaktion. Achtlos warf der Master die Tasse zu Boden, wo sie klirrend zerschellte. „Aufsammeln!“, wandte er sich mit einem knappen Befehl an Tish und richtete wieder seine Aufmerksamkeit an den Doctor.

„Und? Nichts? Gar nichts? Keine Bemerkung zu dieser netten Idee? Ich bin wirklich enttäuscht von dir, zu was du diese Erdlinge alles bringst.“

„Schick das Mädchen raus“, sagte der Doctor in einem Tonfall, der an die Vernunft des anderen Gesprächspartners appellierte. Schade nur, dass sich diese schon lange von ihm verabschiedet hatte. Es waren nur noch die Trommeln da, das immerwährende Schlagen: dadadadam, dadadadam, dadadadam.

„Warum sollte ich das tun? Damit ich vielleicht den nächsten außergewöhnlichen Cocktail vorgesetzt bekomme a la Doctor ‚ich will dir doch nur helfen‘?“ Verächtlich starrte der Master in den Käfig hinein. „Das kannst du vergessen.“

Wie auf Stichwort ertönte plötzlich ein äußerst unappetitliches Geräusch. „Oh nein, nein, nein, nein, das tust du nicht“, knurrte der Master, als würde er ein böses Kind ausschelten. Aber das konnte auch nichts mehr ändern, die Sauerei war bereits geschehen. „Geh sofort Putzzeug holen! Ich will das hier alles wieder blitzblank haben!“

Tish stand schwankend auf. Ihre Hand blutete von mehreren kleinen Schnitten, die sie sich beim Aufsammeln, der Scherben zugezogen hatte. Sie nickte und eilte aus dem Raum.
 

Und mit einem Mal waren sie allein. Doctor und Master. Wie so oft. Jegliche Worte waren letzterem von der Zunge getilgt, er suchte nach seinem Hohn, seinem Spott, seinem Hass und fand nur eines, das konstante Trommeln in seinem Kopf dadadadam, dadadadam, dadadadam.

Müde ließ sich der Master auf die gläserne Tischplatte fallen in eine Haltung, die wie er hoffte, lässig und der Situation erhaben wirkte. Aber auch so hätte ihm klar sein müssen, dass er sein Gegenüber nicht täuschen konnte.

„Lass mich dir helfen.“

Da waren wieder die ruhigen, fast flehentlichen Worte. Sie waren so lächerlich. Wusste er denn nicht, dass ihm nicht mehr zu helfen war? Beinahe hätte er bei dem Gedanken laut aufgelacht. Was wollte der Doctor jetzt noch unternehmen? Nach all der Zeit, in der er ihm nie geglaubt hatte. In der er ihn für verrückt gehalten und ignoriert hatte. Jetzt kam er auf einmal angekrochen, nachdem er den Rest ihrer Rasse in seinem ach so ehrenhaften Zweck ausgerottet hatte und wollte helfen!

„Du wiederholst dich“, war alles, was dem Master in diesem Augenblick einfiel. Dennoch wusste er, dass da noch so viel mehr war. So viel ungesagt und das erkannte auch der Doctor. Sein wissender Blick ruhte auf ihm und wühlte in seinem Innersten rum, darauf bedacht, das Geschehene hervorzuschaufeln. Er wollte eine kleine Therapiestunde halten, in der er, der Master, ihm seine Herzen ausschütten sollte. Doch was gab es da schon zu erzählen?

dadadadam, dadadadam, dadadadam

Seine Finger hatten wie von selbst begonnen, den Vierertakt anzustimmen. In einem stetigen Rhythmus trommelten sie auf die gläserne Platte und erfüllten den stillen Raum mit ihrem Klang.

„Hast du es immer noch nicht erkannt?“, fragte er schließlich, als das Schweigen unerträglich geworden war und er diesem verdammten mitleidigen Blick entkommen wollte. „Es gibt nichts, was du tun kannst. Der Krieg ist so gut wie da und deine lieben, kleinen Erdlinge sind schon lange dem Untergang geweiht.“

„Noch kannst du diesen ganzen Wahnsinn beenden. Lass uns irgendwohin reisen, weit weg von diesem Planeten, irgendwo, wo du gegen mich kämpfen kannst, wenn du das willst, irgendwohin, wo wir gemeinsam nach einem Weg suchen können, das Trommeln zu beenden. Du brauchst keinen Krieg dafür.“

„Und du glaubst, das wäre möglich“, sagte der Master tonlos und beugte sich unwillkürlich weiter vor, „das Trommeln zu beenden?“ Für einen kurzen Moment war die Welt zum Stillstand gekommen. Für einen Sekundenbruchteil spürte er Hoffnung und Freude bei dem Gedanken den Lärm in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen, diesen schrecklichen, quälenden Lärm.

„Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, wir werden etwas finden.“

Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, der seine Wut von neuem entfachte. Verärgert über seinen kurzen Moment der Schwäche sprang der Master auf und griff nach der Teekanne. Immer dieses leere Gerede, das jeden dazu brachte diesem Heuchler blindlings zu vertrauen. Die ganzen Erdenmädchen mochten darauf reinfallen, aber nicht er!

„Oho, man höre nur dieses glorreiche Geschwätz. Wir sollten einen Toast auf diese Brillanz aussprechen. Wie wäre es mit einem bisschen Tee?“, rief er und goss langsam den Rest des stinkenden Gebräus in den kleinen Käfig hinein.

Da, endlich hatte er es geschafft, ein bisschen Ärger in dem Doctor hervor zu kitzeln. „Du weißt nicht, was du tust“, brachte das kleine Männlein hervor und hielt sich hustend an den Gitterstäben fest.

„Tatsächlich?“ Ein siegesgewisses Grinsen war in das Gesicht des Masters getreten, während er mit geneigtem Kopf langsam den Käfig umrundete. „Und du weißt nicht, was für eine Blödsinn du da von dir gibst!“ Wütend hielt er inne und funkelte auf das verschrumpelte Etwas herab. Ihm lagen unzählige Beleidigungen auf der Zunge, Worte brodelten in ihm hervor, die er in all den Jahren zu langen Sätzen aufgefädelt hatte und die er nun dem Doctor an den Kopf werfen wollte. Er sollte endlich erkennen, mit wem er es zu tun hatte!
 

Doch es kam anders. Mit einem summenden Geräusch setzte sich die Automatik der Tür in Bewegung und herein trat Mrs Jones. Mit versteinerter Miene schob sie einen kleinen Putzwagen vor sich her, um die Sauerei ihrer Tochter zu beseitigen. Von Tish war nichts zu sehen.

„Wo ist das Mädchen?“

„Verzeihen Sie, Mr Saxon, Sir, aber Tish ist nicht in der Lage, heute weiterzuarbeiten.“

Mr Saxon. Die Trommeln in seinem Kopf schrien auf; dröhnend zerschmetterten sie jeden anderen Gedanken und verlangten tobend nach Blut. Er verabscheute diesen Namen. Diese lächerliche Identität, die er für die Erdlinge hatte annehmen müssen, war mit seinem Sieg über die Erde vernichtet. Wann wollten das diese dummen Menschen verstehen?

„Mein Name ist der Master“, knurrte er. Er spürte den Blick in seinem Rücken, den Blick dieser großen traurigen Augen, die als einzige wussten, wie er einst einmal geheißen hatte. Vor viel zu langer Zeit…

Er musste sich konzentrieren!

„Und jetzt geh und hole Tish!“ Der liebevolle Kosename war mit tiefer Verachtung ausgesprochen. Er würde nicht zulassen, dass man seine Befehle missachtete. Nicht solange er die Kontrolle hatte.
 

Immer noch fühlte er das Starren des Doctors, das sich durch ihn hindurch zu bohren schien und irgendwo in einem abgelegenen Winkel seiner Gedanken zu wühlen begonnen hatte. Nur mit Mühe konnte der Master dem Drang widerstehen, sich umzudrehen und dem Käfig einen Stoß zu versetzen. Dieses Anzeichen von Schwäche wollte er nicht zeigen. Stattdessen nutzte er die Gunst der Stunde, um seine Wut an Mrs Jones auszulassen, die noch immer keine Anstalten gemacht hatte, den Raum zu verlassen, sondern schweigend zu seinen Füßen kniete und das Erbrochene ihrer Tochter aufwischte. Welch rührender Anblick!

„Mrs Jones, habe ich mich vielleicht unklar ausgedrückt? Das hier ist nicht Ihre Aufgabe. Gehen Sie und bringen Sie mir sofort Ihre Tochter hierher.“

Mrs Jones sah zu ihm auf. In ihren Augen loderte abgrundtiefer Hass, als sie sich langsam wieder erhob. Wenn sie nicht um die Gefahr des Laser Screwdrivers gewusst hätte, wäre sie ihm in diesem Augenblick an die Kehle gesprungen. Dennoch machte sie keine Anstalten zu gehen. „Welchen Sinn hat es, das Mädchen jetzt putzen zu lassen, Mr Saxon? Lassen Sie mich den Rest eben machen und morgen bekommt Tish eine angemessene Aufgabe.“
 

Er spürte sie: diese großen Augen. Er erinnerte sich an einen kleinen Jungen, der verzweifelt von etwas weggerannt war, das ihn letztlich immer wieder einholte.
 

„Oh nein, Mrs Jones, so läuft das hier nicht.“
 

Der stumme Appell an seine „Menschlichkeit“ schien greifbar in der Luft. Aber je dicker und fester er vor ihm schwebte, desto lauter und unerträglicher wurden die Trommeln. Wann würde dieser Dummkopf endlich verstehen, mit wem er es zu tun hatte? Wann würden sie das alle endlich tun?
 

„Sie werden jetzt hinausgehen und mit Tish wieder hierher kommen, Mrs Jones. Ansonsten wird Ihr Töchterlein für Ihr kleines, neues Rezept einen hohen Preis bezahlen müssen und das wollen Sie doch nicht, oder?“

Die Frau nickte. Nicht die geringste Regung in ihrem Gesicht gab preis, was sie gerade dachte. Einzig und allein die Abscheu in ihren Augen ließ ihn erahnen, dass sie ihn für ein Scheusal hielt. Doch daran störte sich der Master nicht. Nein, was ihn vielmehr störte, war der aufrechte Gang, mit dem sie den Raum verließ. Nach einem Jahr unter seiner Tyrannei hatte er es nicht geschafft, sie zu brechen. Sie war genauso schlimm wie der Doctor und leistete unaufhörlich Widerstand.
 

Wieder waren sie da, diese großen Augen in seinem Rücken. Er wollte sich umdrehen und ihn anschreien, am Kragen packen, wenn er gekonnt hätte und ihn schütteln.

Warum?
 

Warum? Diese Frage dröhnte in dem Kopf des kleinen Time Lords, wurde eins mit dem Vierertakt und hämmerte stetig durch seine Gedanken. Warum? Warum? Warum? Warum? Niemand schenkte ihm Glauben. Alle hielten ihn für verrückt. Der junge Time Lord, der zu schwach gewesen war und den Anblick des Vortex nicht hatte standhalten können. Nun hatten sie einen verrückten Time Lord am Hals. Aber die Trommeln waren real! Sie existierten wirklich! Wenn sie nur hören würden, die Erwachsenen, die ganzen dummen Erwachsenen, wenn sie ihm nur glauben würden!
 

Unwillkürlich schüttelte der Master den Kopf. Was war los? Woher kamen diese absurden Erinnerungen? Er hatte sie in den Tiefen seiner Gedanken verbannt, wo sie bis zur Unkenntlichkeit verkümmern sollten. So viele Jahre waren an ihm vorbeigezogen. Manch ein Ereignis hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt, manch ein anderes war nur haften geblieben, bis die Zeit daran vorbeigestrichen war und es unbemerkt mit sich fortgetragen hatte. Doch mit einem Mal schien das alles keine Rolle mehr zu spielen. Er hörte die Trommeln hämmern, der Rhythmus beschleunigte sich, wurde schneller und schneller, mit jedem Schlag zerstob sein gesamtes Denken, wirbelte Erinnerungsfetzen auf, die er verloren geglaubt hatte, und machte ihn handlungsunfähig.
 

„Du glaubst mir nicht!“, schrie der kleine Junge erbost. „Du bist genauso doof wie alle anderen. Und ich dachte du seist mein Freund!“

„Warte“, rief der andere dem davonrennenden Jungen hinterher. „Warte bitte! Das lässt sich bestimmt erklären. Vielleicht ist das eine Art Nebenwirkung. Bestimmt ist das in ein paar Tagen wieder weg.“
 

Lügen, alles Lügen.
 

Langsam drehte sich der Master herum. Seine Hände, die er sich schützend an den Kopf gehalten hatte, fielen in einer ruhigen, kontrollierten Bewegung wieder herunter an ihren ursprünglichen Platz, wo sie locker in der Luft hingen, bereit zu zupacken, sowie es die Situation erforderte. Es fiel ihm so schrecklich schwer, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Die Erinnerungen hatten einen Damm aufgerissen, dessen reißender Flut er nicht entkommen konnte. Er spürte, den tiefen Stich des Verrats, als sein Freund ihm keinen Glauben schenken wollte. Wenigstens er – so hatte der kleine Master gedacht – würde die Trommeln nicht für ein Hirngespinst seiner Fantasie erklären, wenigstens er würde nicht so verletzend wie all die Erwachsenen sein. Doch er war enttäuscht worden, die Freundschaft, auf die er sich so viel eingebildet hatte, war verraten gewesen.
 

Seine geröteten Augen blitzen, als er dem Blick des Doctors begegnete.

„Du bist wie alle anderen auch“, brachte er mit Abscheu hervor. „Du hast mir nie geglaubt. Du siehst nicht einmal, wer ich wirklich bin.“ Eine Pause trat ein, in der sich die beiden bloß schweigend anstarrten.

Dadadadam, dadadadam, dadadadam, dadadadam.

„Sag es mir!“, entfuhr es dem Master mit einem Mal. „Sag meinen Namen! Sag mir, wer ich bin!“

Lange erwiderte der Doctor nichts, dann sprach er leise: „ Du bist mein Freund und du bist mein Feind. Du bist der letzte, der mich noch geblieben ist. Du bist außergewöhnlich… Und trotzdem, du könntest so viel mehr sein.“

Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte der Master in seinem Denken. Er hörte die köstlichen Worte. ‚Freund‘ … ‚so viel mehr sein‘ … sie strichen durch seinen Verstand, wo sie sich hartnäckig unter das Trommeln mischten, es dämpften, um ihn wunderschöne Versprechungen zu machen.

Unsicherheit stahl sich in sein Gesicht, als er zu dem kleinen Käfig starrte, Unsicherheit und ein Schimmer Hoffnung. Doch plötzlich brachen die Trommeln wieder über ihn herein, lauter denn je und verlangten brüllend nach Gehör. Er erkannte, wie absurd es war, den Worten des Doctors Glauben zu schenken. Sie klangen zu richtig, sie waren zu gut gewählt, als dass sie sich je bewahrheiteten würden, auch wenn ein kleiner Teil von ihm, sich danach sehnte, seinem Gegenüber glauben zu können…
 

Aber der Doctor, wurde ihm klar, sah nicht in ihm, die Person, die in diesem Augenblick vor ihm stand. Der Doctor sah in ihm einen alten Spielgefährten. All die Jahre ihrer Feindschaft schien einfach vergessen zu sein, all seine Taten, alles! Und nun glaubte er ihn mit diesem lächerlichen Gefasel über wie-wertvoll-er-doch-war auf seine Seite ziehen zu können.

„Sag meinen Namen“, verlangte der Master noch einmal, während er versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. „Sag ihn mir!“

Stumm saß der Doctor da, sein allwissender Blick auf den anderen Time Lord gerichtet, bis er schließlich eine Antwort gab: „Du bist der Master.“

Es war, als hätte sich ein Ventil geöffnet, aus dem alles entwich: die Vergangenheit, das laute Dröhnen in seinem Kopf, seine Enttäuschung … alles, bis nur noch eines übrig blieb: Zufriedenheit. Der Master folgte seinem Impuls und gab dem Käfig einen Stups.

„Ganz richtig, Doctor“, flüsterte er, während er sich den Gitterstäben näherte, sodass er mit dem kleinen Wesen auf Augenhöhe war. „Genau, der bin ich. Der Master. Und ich werde nichts anderes für dich sein.“

Die kleine, verschrumpelte Gestalt des Doctors erwiderte den manischen Blick ruhig. Resignation zeichnete ihre uralten Gesichtszüge und dennoch war dem Master klar, dass er nicht endgültig gewonnen hatte. Dafür kannte er den Doctor zu gut. Er würde weiterhin an das Gute in ihm glaube, darauf hoffen, dass sich alles urplötzlich zu einem glücklichen Ende wenden würde und er ihn auf einen Weg der Besserung bringen konnte. Doch darauf sollte er lange warten, denn das war so in seinem Plan, die Welt – nein, das Universum – zu erobern, nicht vorgesehen.
 

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So das war mal wieder was von mir. Ich gesteh, da war jetzt kein großer Plot vorhanden. Eigentlich wollte ich ganz andere Aspekte noch beim Master thematisieren, aber irgendwie haben er und der Doctor ein Eigenleben geführt. Ich hoffe, es hat trotzdem gefallen :)

LG, Sweeney



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