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Lehrstunden

von

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Tataras Unterricht

Während Kaku-ji seiner Schwester erklärte wie man auf ein Pferd aufsteigt und sich verhält, gingen er und Nagi zu dessen Haus um dort den Unterricht beginnen zu lassen. Dort angekommen gingen sie hinein und Tatara setzte sich an den Tisch. Nagi setzte sich zu ihm.
 

“Kennst du die Sage um das Schicksalskind, um dich?“ fragte der groß gewachsene Mann.
 

Verwundert antwortete er “Nein.“
 

“Dann werde ich sie dir erzählen.“
 

“Warum? Ich dachte Ihr unterrichtet mich.“
 

“Deine Schwester hat mich gebeten, dich heute wie sie zu unterrichten. Weil du dich für sie eingesetzt hast.“
 

“Das hat sie wirklich? Wow! Ich muss ihn noch danken.“ bemerkte er.
 

“Also. Die Legende besagt, dass eines Tages in Japan ein Kind geboren wird, das das Land von der Tyrannei der Könige beenden soll. Er wird es schwer haben aber seine Männer stehen immer hinter ihm. Seine Feinde und Gegner sind mächtig und stark, aber der Wille und seine treuen Gefolgsleute werden dem Schicksalskind zum Sieg führen. Und er, der Auserwählte, das Schicksalskind, du, wirst Japan wieder zu einem Land machen, wie es vor der Katastrophe war.“
 

Mit großen, leuchtenden Augen verfolgte Tatara jedes Wort seines Lehrers. Nagi war ein erstaunlich guter Erzähler. Jedes Kind im Dorf wollte seine Geschichten hören, die er ihnen oft und gern erzählte.
 

“Nun lass uns mit deinem Unterricht beginnen. Wenn wir damit fertig sind erzähle ich dir weitere Geschichten.“
 

“Ich möchte gerne das lernen, was Ihr auch Sarasa beigebracht habt, Nagi-sama.“
 

“Das kann ich nicht. Du musst andere Dinge wissen als deine Schwester. Darum unterrichte ich euch auch nicht zusammen. Es tut mir Leid, Tatara. Aber einiges kann ich dir erzählen, wenn wir mit dem regulären Unterricht fertig sind.“
 

Immerhin ein kleiner Erfolg für Tatara. Er stimmte nickend zu und so begann der übliche Unterricht.
 

Normalerweise vergeht die Zeit nur sehr, sehr langsam aber heute schweifte Nagi etwas weiter aus und kam auch auf andere Blickwinkel von ein und demselben Thema zu sprechen. Heute fragte er Tatara auch viel öfter nach dessen Meinung dazu.
 

Tatara war, genau wie seine Schwester, überglücklich. Insgeheim hoffte er sogar, dies würde öfter geschehen. Noch nie hatte er Worte wie amerikanisch, Kartoffeln und Korsett gehört. Auch viele andere Worte hörte er das erste Mal.
 

Nagi staunte wie aufmerksam er heute zuhörte. Glücklich sah er auch aus. Eigentlich würde Tatara dieses ganze zusätzliche Wissen nie in seinem Leben brauchen, egal wie lang oder kurz es auch immer sein mag.
 

Dennoch. Er hatte es Sarasa versprochen und Nagi pflegte seine Versprechen zu halten. Es machte ihm auch Spaß. Normalerweise kennt er nur Sarasa so aufmerksam und wissbegierig. Sie waren wirklich Zwillinge. Wenn er seinem Schüler noch längere Haare und Zöpfe geben würde, sähe er wirklich aus wie seine Schwester.
 

Nagi führte seine Ausführungen weiter aus. Tatara hörte mit jedem Wort aufmerksamer hin. Nur Sarasa war noch neugieriger. Aber im Vergleich zur ihr, war er wesentlich ruhiger und besonnener. Eigentlich konnte man sich nicht vorstellen, dass er noch ein Kind ist. Aber gegen Sarasas Wissen und intelligenten Fragen konnte er nicht ankommen. Egal, wie oft er von Nagi unterrichtet würde.
 

Sarasa hatte eben alles, was ein Schicksalskind brauchte. Mut, Konzentration, Wissen. All das hatte sie und war ihrem Bruder weit voraus. Nur der körperliche Nachteil war noch zu groß. Aber sie lernte dies nun.
 

Nagi, Kaku-ji, Sarasas Eltern und ihr Großvater wünschten sich nichts mehr als das er seiner Schwester auf ihrer Reise durch Japan und ihr bei der Befreiung des Landes helfen würde. Allerdings hatte er ein mieses Gefühl dabei. Er konnte nicht genau sehen was auf seine Schützlingen zukommen würde.
 

Selbstverständlich konnte er es nicht. Auch nicht als Hellsehen oder Wahrsager. Denn Aktion, die Sarasa durchführt, werden ihre Gegner eine Gegenaktion ausführen und nicht einmal Nagi kann vorhersehen wie sie auf diese Situationen reagieren wird und welche daraus entstehenden Folgen auf sie zukommen werden. Sarasas Entscheidungen sind niemals vorherzusehen. Das Schicksal will es nicht. Es lässt nicht zu, dass irgendjemand die vorbestimmten Situationen ändert und so auch die Zukunft des Landes.
 

Noch nie in seinem Leben wurde Nagi der Zugang in die Zukunft zu sehen, verwehrt. Besorgt dachte er darüber nach.
 

“Was habt Ihr, Nagi-sama?“ fragte Tatara unschuldig und unwissend.
 

“Nichts, nichts. Ich habe nur über etwas nachgedacht, das mich traurig gestimmt hatte. Das ist alles. Aber nun wieder zurück zum unterricht.“
 

“Ja. Ich will so viel wie möglich lernen. Sarasa soll stolz auf mich sein.“
 

“Ist sie es denn nicht schon? Immerhin bist du, ihr Bruder, der Retter Japans.“
 

“Ich weiß es nicht. Sie benimmt sich ganz anders als die Dorfbewohner und als Mama und Papa. Ich glaube, sie ist nicht stolz.“ sagte der kleine Tatara traurig.
 

“Da bin ich mir nicht so sicher. Bist du denn stolz auf deine Schwester?“
 

“Ja, natürlich!“
 

“Und warum?“ wollte Nagi wissen.
 

“Sie ist meine Schwester. Sie ist so klug und sagt immer ihre Meinung. Auch zu Mama und Papa. Außerdem ist sie immer stark. Sie lässt sich nie unterkriegen.“ erklärte Tatara stolz.
 

“So denkt sie bestimmt auch über dich. Du bist ihn Bruder. Lieb hat sie dich auf jeden Fall. Und du hast es schwer. Immerhin bist du das Schicksalskind und die Leute erwarten sehr viel von dir. Was ist wenn deine Schwester nicht solche Ansprüche an dich stellt?“
 

“Das wäre schön. Dann würde sie mich wie jeden anderen behandeln. Ich würde so gern normal sein.“
 

Nagi lächelte. Noch nicht oft in seinem Leben hat er Kinder solche kluge Dinge sagen hören. Dies freute ihn sehr. Das Schicksal meint es gut mit ihnen. Sie, Sarasa und Tatara, werden das Land ändern. Ganz sicher.
 

Voll an neuer Hoffnung und Freude meinte er “Du solltest mit Sarasa reden. Was wenn sie stolz ist und du weißt es nicht? Du versuchst immer besser zu werden und alle Dorfbewohner sind stolz auf dich. Aber sie wird nicht mehr beachtet. Dann ist sie sicher sehr traurig. Das willst du doch sicher nicht, oder?“
 

“Nein! Natürlich nicht! Ich will, das meine Schwester stolz auf mich ist. Die Dorfbewohner sind mir egal!“ verteidigte er sich energisch.
 

“Sie sind dir egal? Warum? Sie geben dir und deiner Familie das beste Essen, die beste Milch und das sauberste Wasser. Du solltest nicht so undankbar sein.“ mahnte ihn der Blinde.
 

“Ich bin nicht undankbar. So meinte ich das auch nicht.“
 

“Was meintest du dann?“
 

“Sarasas Meinung ist mir von allen die Wichtigste. Wenn sie nicht stolz auf mich ist, ist es mir nicht so wichtig ob die anderen Dorfbewohner es auch sind.“
 

Nagi konnte ein mitfühlendes, wärmendes Lächeln nicht verkneifen.
 

“Nun. Lass uns mit dem Unterricht weiter machen. Dann wird Sarasa stolz auf dich sein. Und heute Abend redest du mit ihr darüber. O.K.?“ sagte der Mann.
 

“O.K.“ antwortete Tatara glücklich.
 

So gingen auch die letzten Nachmittagstunden dahin und es wurde dunkel. Nun beendete Nagi seinen Satz und stand auf.
 

“Warum steht Ihr auf, Nagi-sama?“
 

“Weil wir jetzt nach draußen gehen.“
 

“Ist es denn schon zeit nach hause zu gehen?“ fragte der Junge verwundert.
 

“Nein. So spät ist es noch nicht.“
 

“Und warum gehen wir dann raus?“
 

“Weil ich dir jetzt einige Sternenbilder zeige.“ Kam die kurze konkrete Antwort.
 

“Was? Wirklich? Das ist ja toll.“
 

“Ich hab es deiner Schwester schließlich versprochen. Sie weiß wie gern du die Sternbilder kennen würdest. Und heute Abend bringe ich dir einige bei.“
 

Zusammen gingen sie in die dunkle Nacht. Sie gingen aus dem Dorf. In der Nähe Byakkos liegt ein großer Sandhügel, von dem aus man die Sterne wunderbar sehen konnte. Tatara fürchtete sich etwas. Er war noch nie war er in dieser Dunkelheit außerhalb des Dorfes.
 

“Fürchtest du dich?“
 

“Ja. Etwas.“
 

“Warum?“
 

“Weil es so dunkel ist.“
 

“Aber die Sterne erhellen doch die Dunkelheit. In meinem Leben habe ich noch nie Licht gesehen. Ich lebe immer in vollkommener Dunkelheit. Stell dir nur vor, ich hätte im Dunkeln Angst. Du musst verstehen, die Dunkelheit ist nur so furchteinflößend wie du es zulässt. Nimm dir ein Beispiel an Sarasa. Sie hat keine Angst im Dunkeln. Sie weiß, das im Dunkeln nur dann etwas böses lauert wenn du es willst.“ erläuterte der weise Nagi seinem Schüler.
 

Beeindruckt von diesen Worten starrte er den großen Mann an, der neben ihm stand. Noch nie hatte ihm jemand so etwas gesagt. Bisher hörte er immer wie jemand sagte, Sarasa solle sich ein Beispiel an ihrem Bruder nehmen, aber noch nie anders herum. Jetzt wusste er wie hart es für sie sein musste. Kein Mensch möchte mit jemand anderen verglichen werden.
 

“Das war verletzend, nicht wahr?“
 

“Ja. Jetzt weiß ich warum sie es nie hören will.“
 

“Es ist immer hart mit einem anderen Menschen verglichen zu werden. Jeder ist einzigartig und was für den einen normal ist, ist für einen anderen wiederum etwas Besonderes. Kein Verhalten gleicht dem eines anderen. Mit jemanden verglichen zu werden ist sehr schwer zu verkraften. Nun stell dir vor, jeder im Dorf würde es zu dir sagen. Dann weißt du wie schwer deine Schwester es hat.“
 

Nachdenklich schaute Tatara durch die Nachtwüste. Ein wunderschöner Anblick. Am Horizont verbindet sich die Wüste mit dem sternenbehangenen Himmel. Kein Wunder, dass Sarasa immer gern hier ist.
 

“Nun schau in den Himmel!“ forderte Nagi ihn auf und riss ihn dadurch aus seinen Gedanken.
 

Er hob den Kopf und sah kleine helle Punkte auf einem dunkelblauen, fast schwarzen Hintergrund funkeln. Einige dieser Punkte waren heller als andere und wieder andere größer. Kein Stern glich dem anderen. Noch nie hatte er bemerkt welch schöner Anblick der Nachthimmel war.
 

“Dort ist der große Wagen.“
 

Nagi beugte sich runter, lehnte sich gegen Tatara und zeigte mit dem Finger auf einen Stern. Dann zeichnete er eine Linie und verband so einige Sterne.
 

“Dieses Sternenbild nennt sich `der große Wagen´.“ Erklärte Nagi.
 

Tatara blieben die Worte weg. Wie konnte ein Blinder die Sterne am Himmel sehen? Wie konnte er die richtigen Sterne miteinander verbinden, obwohl er sie unmöglich sehen konnte? Wie nur? Wie?
 

Jetzt endlich verstand er warum Sarasa immer von Nagi und seiner Weisheit schwärmte. Er selbst hatte es noch nie erlebt. Gewiss, er sah immer wie präzise Nagi auf Gegenstände zuging, ihnen auswich oder sich gar an Personen wendete. Nagi war wirklich etwas besonderes. Er war noch so jung, zumindest sah er danach aus, und trotzdem wusste er bereits so viel.
 

Einige Zeit später wurde es Zeit und sie gingen wieder zurück ins Dorf Byakko. Nagi brachte Tatara wieder nach hause und erinnerte ihn nochmals an ihr Gespräch in Nagis Haus. Tatara nickte, dann gingen beide zur Tür rein und Nagi verabschiedete sich für diesen Tag.



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