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Lehrstunden

von

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Wissensunterricht

Die heiß werdende Wüstensonne geht über der Wüste auf. Sie erreicht ein kleines, friedliches Dorf, in dem noch alle Bewohner in ihre Häusern schlafen. Die unerbitterliche Sonne aber steigt immer höher und höher. Die ersten Sonnenstrahlen ziehen über die Häuser am Rade des Dorfes hinweg und wecken deren Bewohner. Nun erwacht das Dorf Byakko zum Leben.
 

Einige Sekunden später ist die Sonne schon in der Mitte angekommen. Sie zieht über ein weiteres Häuschen hinweg und dringt durch die Fenster. Durch eines dieser Fenster kitzelt sie die Nase eines Kindes. Es verkriecht sich weiter unter die Decke um dem grellen Licht zu entkommen.
 

Kaum zehn Sekunden später kommt die Mutter des Kindes herein und zieht die Decke weg. Reflexartig zuckt das im Halbschlaf versunkene Kind zusammen und rollt sich zu einer Art Kugel zusammen, um sich vor der auftauchenden Kälte des Zimmers zu schützen.
 

Die Sonne scheint währenddessen unbeirrt weiter zum Fenster hinein und ärgert das Kind wieder. Diesmal kann es den Sonnenstrahlen nicht entkommen. Es öffnet langsam und vorsichtig ein Auge um die Person zu erblicken, die die Decke in Händen hält.
 

“Steh auf, Sarasa! Es gibt gleich Frühstück. Und danach kommt Nagi vorbei.“ sagte die Deckendiebin.
 

“Mnnh“ war das einzigste vernehmbare Geräusch.
 

“Dein Bruder ist schon aufgestanden. Tu es ihm gleich und steh endlich auf! Oder ich helfe nach!“
 

Die diesem Argument steht Sarasa lieber auf.
 

“Schon gut. Ich stehe auf.“ sagte eine halb verschlafene Stimme.
 

Sarasas Mutter ging aus dem Zimmer und Sarasa stand auf. So früh am Morgen. Normalerweise ist Sarasa eine Langschlägerin, aber immer wird sie so früh geweckt. Ihr Bruder Tatara ist da ganz anders. Er gehört zu den Frühaufstehern. Ihre Eltern sind stolz auf ihren Sohn und wollen immer, das sich seine Schwester ein Beispiel an ihm nimmt. Aber warum? Sie beachtet doch sowieso keiner. Ihr Bruder ist doch das Wichtigste im Dorf.
 

Selbstverständlich weiß Sarasa, dass es schwer sein muss das Schicksalskind zu sein. Ihr Bruder könnte ihn fast Leid tun. Aber er bekommt die ganze Aufmerksamkeit und die Liebe. Immer wenn er etwas anstellt, was sehr selten ist, wird er nicht bestraft, aber so eh sie etwas aus versehen falsch macht, meckert ihr Vater sofort. Das ist ungerecht.
 

Sie zog sich an, war aber noch recht verschlafen. Dann ging sie zu dem Rest der Familie an den Frühstückstisch in der Küche. Ihr Vater und Bruder saßen am Tisch. Ihre Mutter spülte das dreckige Geschirr bereits ab.
 

“Warum habt ihr nicht auf mich gewartet?“ fragte sie.
 

“Wenn du so lange brauchst, musst du dich nicht wundern. Nimm dir ein Beispiel an deinen Bruder.“ gab der Vater in kaltem Ton zurück.
 

Schon wieder. Schon wieder kam dieser Satz. Warum immer ist ihr Bruder so wichtig? Auch wenn er das Schicksalskind ist, das hatte sie nicht verdient.
 

Ihre Tränen verkneifend, setzte sich Sarasa an den Tisch und aß ihr Frühstück. Ohne ein Wort beendete sie es. Dann brachte sie es ihrer Mutter an die Spüle, die den Teller daraufhin gleich abwusch.
 

Nun kam auch Nagi vorbei. Obwohl er blind war, konnte er sich so gut im Dorf zurechtfinden. Er stieß nirgends gegen und wusste immer wo er sich gerade befindet. Sein Gehör war außergewöhnlich gut und er konnte die Bewohner allein an dessen Laute beim gehen erkennen.
 

“Guten Morgen.“ begrüßte Nagi die Hausbewohner.
 

“Guten Morgen.“ sagten alle im Haus.
 

“Bitte komm, Sarasa.“ wandte er sich an Sarasa.
 

“O.K.“ kam es freudig von ihr.
 

“Ich bringe sie heute Abend wieder her.“ versicherte der Blinde ihre Eltern.
 

Sarasa ging aus dem Haus zu Nagi und zusammen gingen beide dann zu Nagi nach Hause. Dort angekommen fragte Nagi “Was hast du denn, Sarasa?“
 

Obwohl Nagi nicht sehen konnte spürte er die Gefühle der Menschen in seiner Umgebung und so wusste er auch, dass seine etwas Besucherin bedrückt.
 

“Vater sagte wieder ich solle mir ein Beispiel an Tatara nehmen.“
 

Nagi wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. Schließlich war er es, der das Schicksalskind bestimmte. Er hatte im Dorf viele Funktionen. Er war Wahrsager, Lehrer und Arzt in einem. Nagi war der Typ Mensch, dem man alles anvertrauen konnte und bei dem man sein Herz ausschütten konnte. Er hatte immer ein fürsorgliches Lächeln und meistens auch einen guten Rat parat.
 

“Damit musst du leben. Er ist schließlich das Schicksalskind, an dem alle Hoffnung hängt. Es ist also nicht verwunderlich, dass er bevorzugt wird. Du bist seine Schwester. Du weißt wie schwer er es hat und du solltest ihn unterstützen.“
 

“Du hast ja recht. Es ist aber so schwer, wenn alle nur ihn beachten und ich vollkommen vergessen werde. Das ist bei unserem Geburtstag immer so.“ sagte sie traurig, fast schon weinend.
 

Nagi nahm sie in den Arm um sie zu beruhigen. “Eines Tages wird auch deine Zeit kommen. Dann wirst du etwas tun, das alle bemerken werden. Da bin ich mir ganz sicher.“
 

Seine Worte beruhigten sie. Nur wussten sie und so gut wie alle Dorfbewohner gar nicht, dass Sarasa das wirkliche Schicksalskind ist, das Japan eines Tages vom Regime des obersten Königs befreien wird. Tatara nimmt nur ihren Platz ein, um sie zu schützen.
 

“Nun lass uns den Unterricht beginnen.“
 

Sarasa nickte und antwortete mit einem “Ja.“
 

Er lehrte ihr das Lesen und Schreiben. Aber das tat er auch bei all den anderen Kindern im Dorf. Sie allerdings bekam auch Unterricht im Bereich der Medizin. Welche Heilpflanzen und Giftpflanzen gibt es. Wie wird aus ihnen Medizin gewonnen? Was macht man bei Vergiftungen? Und noch vieles mehr in diesem Bereich.
 

Oftmals erzählte er ihr auch Geschichten über Japan, wie es früher war und wie sehr es sich verändert hat. Auch Wissen zu fremden Ländern, ihre Lebensweisen, Bräuche und Bewaffnungen hatte er viel zu erzählen. Ihr komplettes Wissen lehrte er ihr. Selbst im Bereich der Verhandlungen, egal ob dies politische waren oder einfach nur mehr Lebensmittel für weniger Geld zu bekommen.
 

Ein weiteres wichtiges Kriterium, welches für ihr weiteres Leben wichtig sein wird, lehrte er ihr. Es war die Bildung und Verteidigung der eigenen Meinung.
 

“Es ist zwar gut, seine Meinung auch mal zu ändern. Aber das sollte man nicht aus den falschen Gründen wie beispielsweise Zwang oder der Wunsch sich der Menge anzupassen. Man sollte seine Meinung nur dann ändern wenn man glaubt, ein anderer habe Recht und die eigene Meinung sei falsch. Aber vergiss niemals, das die eigene Meinung das Besondere an einem Menschen ist. Jeder sieht die gleiche Situation anders. Das ist auch gut aber man sollte sich nicht von der eigenen Meinung abbringen lassen, wenn man dieser glaubt und ihrer sicher ist.“ bläute er ihr immer und immer wieder ein.
 

Aus diesem Grund war sie oftmals vorlaut und vertrat ihre Meinung auch ihren Eltern gegenüber. Sarasa war das wohl lauteste und frechste Mädchen im ganzen Dorf Byakko.
 

Am Abend nach mehreren Stunden Unterricht, den sie immer aufmerksam verfolgte und Nagis Worte wie ein Schwamm aufsaugte, brachte er seine Schülerin nach Hause.
 

Unterwegs betrachtete Sarasa die Sterne. “Wo ist der große Waagen?“ fragte sie ohne Umschweife.
 

Nagi hob die hand und zeichnete dessen Sternenbild nach.
 

“Dort ist er.“ zeigte er mit dem Finger.
 

Jedes mal aufs neue war sie erstaunt, wie präzise er darauf deuten konnte, obwohl er blind war. Nagi, ein groß gewachsener mann mit langen grau-blauen Haaren und zudem noch sehr gebildet für sein junges Alter, beeindruckte sie immer wieder. Er hatte wohl noch vieles zu erzählen und vieles würde sie mit einer Neugier in sich aufnehmen, wie kein anderer in diesem Dorf, vielleicht sogar in ganz Japan.
 

Dann erreichten sie das Haus Sarasas. Es gab bereits Abendessen als sie dort ankamen.
 

“Möchtet Ihr mitessen, Nagi-sama?“ fragte der Vater.
 

Alle im Dorf nannten ihn immer Nagi-sama, bis auf Kaku-ji und Sarasa.
 

“Sehr gern.“ Antwortete Nagi freundlich und setzte sich zielsicher an den Tisch.
 

Das Abendessen und der restliche Abend gingen schnell vorbei. Nagi verabschiedete sich und ging dann nach Hause. Auch Sarasa und ihr Bruder Tatara gingen zu Bett.



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