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Splitter einer Geschichte

Gemeinsame Geschichte von LadyReyna
von

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Wer bist du?

Es blieb keine Zeit noch irgendetwas mit zunehmen und so reisten sie mit dem was sie am Leibe trugen und das war nicht viel. Helena hatte nur ihren Bogen und ein paar Pfeile dabei und der Hüter nur sein Buch – sein Buch, dass er nie gewollt hatte. So schlichen sie wie schwarze Schatten durch die Gänge, nachdem Rufus mit Betrayal dafür gesorgt hatte, dass sie unbehelligt ihren Weg hinausfanden. Eine leichte Übelkeit hatte Rufus befallen, die er der Aufregung der jüngsten Ereignisse zuschob. Draußen angekommen dämmerte bereits ein junger Morgen, sofort flog Lonán hoch in den Himmel und drehte seine Kreise. Sie hatten keine Zeit zu verschnaufen. „Und wohin gehen wir jetzt?“, fragte Rufus Helena, die sich wieder in ihre Tücher gehüllt hatte. Alles was er sehen konnte waren ihre eisblauen Augen, deren Ausdruck der Junge als Traurigkeit deuten würde. Was sie wohl dachte? Immerhin hatte sie wohl gerade ihr zuhause verloren, die Männer, die sie jahrelang ihre Brüder genannt hatte, waren jetzt ihre Feinde und es war seine Schuld.

Wieso hatte sie das getan? Sie schuldete ihm nichts.

„Lonán kennt den Weg“, antwortete Helena leise, ihre Stimme war gedämpft von den Tüchern.

Rufus Blick wanderte zu dem Raben am Himmel, der gen Westen flog, weg von der Aufgehenden Sonne in ihrem Rücken, die sich langsam über das Felsmassiv schob, in dem die Bibliothek der Schwarzen Vögel verborgen lag. Hatte er vor wenigen Stunden noch gedacht, dass er dort Schutz und Antworten finden würde, so wurde ihm nun schmerzlich bewusst, dass er dort erneut nur Feinde gefunden hatte.
 

Rufus vertrieb die dunklen Gedanken schnell und folgte Lonán. Im Gehen wollte er erneut das Buch aufschlagen und ihr weiteres sicheres Vorankommen sichern. „Nein“, sagte Helena bestimmt, klang dabei jedoch eher besorgt als befehlend, „Wir wissen nicht, was die Benutzung des Buches kostet.“

„Was die Benutzung kostet?“, fragte der junge Hüter nach. Was sollte das nun wieder bedeuten? „Nichts im Leben ist umsonst“, antwortete Helena, „Nichts passiert umsonst und man bekommt auch nichts, ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Du bist der Hüter des Buches, nicht sein Herr. Deine Aufgabe ist es zu schützen, nicht es zu beherrschen und je mehr du es benutzt, desto höher wird der Preis sein, denn es irgendwann einfordern wird.“ Rufus nickte matt. Wie hatte er nur annehmen können, so eine Macht würde nichts kosten? Er musste endlich lernen kritischer zu werden, skeptischer. Er musste anfangen, die Dinge mehr zu hinterfragen, besonders in der Position, in der er sich jetzt befand. Seine unüberlegte Art an die Dinge heranzugehen, hatte ihn schon zu oft in Gefahr gebracht und ab jetzt würde er auch Helena gefährden, die sich ihm angeschlossen hatte. Auch für sie musste er vorsichtiger sein, hatte sie doch ein großes Opfer für ihn gebracht, wenn er auch nicht begriff wieso. War Helena einfach nur eine besonders herzensgute junge Frau? Er war sich sicher, dass sehr viel mehr hinter ihr steckte als das. Kurz sah er noch einmal nach Osten, zurück zur Bibliothek, doch niemand schien ihnen zu folgen.

„Sie werden uns nicht folgen“, sagte Helena, die seinem Blick bemerkt hatte, „Nicht, auf diesem Wege, aber glaub mir, wenn ich dir sage, wir haben nicht zum letzten Mal einen Bruder der Bibliothek gesehen und Gefahren, gibt es auch hier draußen genug.“

Sofort erinnerte sich Rufus an die Räuber, besonders jenen mit den leuchtend Grünen Augen und seinem gezahnten Schwert. Diese waren auch hinter ihm her und mit Sicherheit auch noch andere, von denen er noch gar nichts wusste und alles was sie an Waffen bei sich hatten war Helenas Bogen. Dazu kam, dass sie zu Fuß unterwegs waren und nicht besonders schnell. Lonán über ihnen drehte immer wieder Kreise und Schlaufen, damit sie nicht den Anschluss verloren.

Wohin er sie wohl führte? Nach Helenas kryptischer Antwort, dass ihr gefiederter Freund den Weg kenne, hatte Rufus nicht weiter nachfragen wollen. Vielleicht wusste sie selbst nicht so genau, wohin ihr treuer Begleiter sie führte.
 

Die Sonne stieg immer Höher, bis sie schließlich den Rand eines Waldes erreichten. Lonán hatte sich auf einem der Äste niedergelassen. Und krächzte ihnen etwas zu, woraufhin Helena ihm in der merkwürdigen Sprache, mit der sie sich stets mit ihm unterhielt, antwortete. „Wir machen hier eine kleine Rast“, wandte sie seit langem wieder das Wort an Rufus. Zwischen den Bäumen entsprang eine Quelle, die einen Bachlauf speiste, der durch den vor ihnen liegenden Wald plätscherte. Seine Schmerzenden Füße von sich Streckend, lies sich Rufus auf dem weichen Waldboden nieder und schöpfte mit der Hand aus der Quelle. Das Buch hatte er dabei zwischen seine Knie geklemmt. Dabei bemerkte er nicht, wie Helena ihn sorgenvoll beobachtete.
 

Sicher, ihr Meister – ihr ehemaliger Meister, nach ihrem Ungehorsam würde sie nicht wieder zu ihm zurückkehren können – hatte sicher Recht. Dieser Junge hier war trotz seiner 15 Jahre noch immer mehr Kind als Mann und auch von seinem Wesen her nicht der geeignetste Hüter, doch das war kein Grund ihn zu töten! Auch sie kniete sich nun an die Quelle und zog einige der Stofffalten von ihrem Kopf, um selbst auch zu trinken. Sie hatten noch einen weiten Weg vor sich, dass hatte Lonán, ihr eben gesagt. Wenigstens auf den treuen Lonán konnte sie sich verlassen. Er war nicht einfach ihr Rabe – das war vollkommen falsch, Lonán gehörte ihr nicht. Er war ihr Begleiter, ihr Partner, er war ein Freund und ein Mitstreiter für das, was sie als Gut und Recht erachteten. Bis vor kurzem hatte sie noch geglaubt, das dies die Dinge waren, die die Bibliothek vorgab. Doch jetzt hatte sie erkannt, dass nur sie selbst für sich entscheiden konnte, was Gut und Recht war und niemand sonst.

„Helena?“, sprach Rufus sie nun an. Sie knieten immer noch nebeneinander an der Quelle und waren jetzt auf Augenhöhe. „Wer bist du eigentlich?“
 

Helena blinzelte ihn an und lächelte dann für einen Moment ein kleines, trauriges Lächeln. „Wer ich bin? Nun, die Geschichte ist nicht unbedingt lang... aber aus welchem Grund sollte ich sie dir erzählen?“, antwortete sie und mit einem schmunzeln bemerkte sie Rufus' entschlossenen Blick. „Ich bin ein gefragter und gefährdeter Mann, ich habe lange genug alles nur hingenommen ohne zu hinterfragen, wenn du also willst, dass ich weiterhin Lonán und dir folge, will ich wissen, wer du bist!“, erklärte er. Helena stand auf und hielt ihm die Hand hin. „Das sind wahre Worte, endlich scheinst du etwas an Verstand zu gewinnen“, sagte sie immer noch schmunzelnd, auch wenn da immer noch ein Hauch Traurigkeit in ihren Augen lag, „Nun gut, ich will dir von mir erzählen, aber lass uns dabei weiter gehen. Wie du sagtest... du bist ein gefragter Mann

Rufus ergriff ihre Hand und ließ sich von ihr hochziehen, auch wenn es ihm nicht gefiel, wie sie auf spöttische Art und Weise das Wort „Mann“ aussprach. Lonán krächzte und erhob sich erneut in den Himmel. Damit sie ihm immer im Auge behalten konnten, gingen sie am Rand des Waldes entlang.

Und Helena begann von sich zu erzählen:
 

„Wo soll ich nur beginnen?“, fragte sie und haderte. Sie erzählte nicht gerne von sich selbst, aber Rufus hatte recht. In seiner Position musste er sehr genau abwägen, wem er trauen konnte und wem nicht. „Du wolltest wissen wer ich bin... ich bin Helena, ehemalige Schwester der Bibliothek der Schwarzen Vögel... doch bevor ich zu einer Schwester wurde, lebte ich in einem Land, das hinter dem Meer liegt, eine kleine Insel. Ein Königreich. Es ist nicht arm und es ist auch nicht reich. Es kommt mit dem Zurecht, was sein Boden und das Meer ihm bietet. Ein friedlicher Ort. Zumindest ist es das, was ich mir in Erinnerung behalten will. Ich sagte 'es ist'... doch das stimmt nicht... ich sollte eher sagen 'es war'. Das Königreich existiert seit einigen Jahren nicht mehr. Sein Name war Ilsa Jeriva.“ Rufus brannte es auf der Zunge zu fragen, was passiert war, als Helena nun beim erzählen eine wehmütige Pause machte. „Vor 6 Jahren landeten Piraten auf der Insel. Freibeuter unter der Flagge eures Königs und sie unterwarfen alles und jeden. Jeden kleinen Bauern, jeden Fischer, die Landbesitzer wurden enteignet und wer sich wehrte gnadenlos hingerichtet. Wir lebten wie Sklaven in unserem eigenen Land, wir schufteten und ackerten, doch die Früchte unserer Arbeit wurden regelmäßig von den Piraten eingeheimst. Man ließ uns gerade genug zum Leben.“ Wütend und Traurig zugleich dachte Helena an ihre Heimat zurück, die jetzt noch immer unter den Piraten litt. Ganz besonders rief sie sich einen Tag ins Gedächtnis, der nun mehr viereinhalb Jahre zurücklag. Ihr Vater hatte nicht genug Gold um die Steuern an die Piraten zu Zahlen. Der Kapitän höchstpersönlich war bei ihnen aufgetaucht. Angewidert dachte Helena an den hochgewachsenen Mann, der mit überheblicher Mine ihre Mutter zur Seite geschubst hatte und sich breitbeinig in ihrer Kleinen Wohnstube positionierte. Hinter ihm zwei hagere, krumme Gestalten, das Gesicht des einem glich einen Wiesel, das des anderen kam keiner Beschreibung gleich. Vor ihnen wirkte der Kapitän noch um einiges eindrucksvoller. Sein Aussehen war herb und wild, aber weniger abstoßend als das seiner Begleiter. Sein Haar war schmuddelig und zerzaust. Er trug es zu einem Pferdeschwanz gebunden, so dass man den zugespitzten Knochensplitter sehen konnte, den er sich durch sein Ohrläppchen gesteckt hatte. Seine Kleidung war auch weniger schäbig als die seiner Begleiter. Er trug einen Säbel bei sich und mehrere Musketen und etwas Merkwürdiges; ein kleines Buch, eingebunden in graues Leder. Er trug es in einem extra angefertigten Halfter neben seiner Pistole. Auch wenn Helena es damals noch nicht wusste, sie hatte gerade ihren ersten Blick auf das Buch Loss geworfen. „Er hatte Loss bei sich?“, fragte Rufus erstaunt und Helena nickte düster. „Ja, es muss wohl Loss gewesen sein, auf dem grauen Ledereinband tanzten Linien in verwaschenen Brauntönen, ähnlich den schwarzen von Betrayal. Aber lass mich weiter erzählen. Mein Vater konnte den Mann also nicht bezahlen... da fiel sein Blick auf mich – nie werde ich diese Augen vergessen. Sie waren beinah so schwarz, wie die See bei Nacht... und wie er mich so ansah, meinte er, dass, wenn er schon kein Gold bekommen würde... würde er eben das Mädchen mit den goldenen Haaren mitnehmen. Bevor mein Vater auch nur irgendetwas tun konnte, war er mit mir zur Tür hinaus und ich schrie und trampelte... doch es half nichts. Schon war ich auf dem Schiff in einem kleinen Käfig, zusammen mit zwei anderen Gefangenen. Wir setzen über... mir wurde auf dem Schiff kein Haar gekrümmt, doch mein Stolz war zutiefst verletzt. Ich schwor mir, dass ich stark werden würde. Gelegentlich sah der Kapitän nach mir, er war sogar recht freundlich, für einen Piraten, aber ich habe ihn gehasst und hasse ihn auch heute noch.“ Sie machte eine Pause und über ihnen hörte man Lonán in einer melodischen Folge krächzten – wobei seine Laute eigentlich kaum noch etwas mit dem krächzen eines Raben gemein hatten, jedoch viel Rufus einfach kein besseres Wort dafür ein. Helena murmelte etwas in der fremden Sprache und erzählte dann weiter: „Kaum waren wir an Land, war ich schon entkommen, ich lief direkt in die Arme eines Bruders der Bibliothek, der in der Hafenstadt Takala Erledigungen machte. Er nahm mich mit sich, als ich ihm – ich weiß gar nicht mehr wieso – von dem Buch an der Seite des Kapitäns erzählte. Man versprach mir, dass man mir helfen würde, wenn ich zu einer Schwester werden würde. Ich lernte Lonán kennen, ich lernte seine Sprache, ich lernte alles bekannte über die Bücher, ich arbeitete hart an mir. Doch den Piraten bekam ich nie wieder zu Gesicht, denn kaum war ich eine Schwester der Bibliothek, segelten die Piraten unter einem anderen Kapitän und der Verbleib von Loss war und ist unbekannt... nichts desto trotzt war ich nun der Bibliothek und den Büchern verpflichtet.“
 

Rufus hatte Helena gebannt zugehört und er betrachtete sie nachdenklich. Von wegen keine lange Geschichte, das war nun doch ganz schön viel auf einmal. Zwar hatte er gewusst, dass das Königreich eine Kolonie auf einer Insel mit dem Namen Ilsa Jeriva hatte, das hatte er aufgeschnappt, als sich sein Vater mal wieder mit einem Boten des Königs unterhielt, doch von Piraten und Kindesverschleppung hatte er nichts gehört. Das klang alles sehr schrecklich in seinen Ohren. Bestimmt hatte Helena immer noch schwer an ihrem Schicksal zu tragen... ob sie wohl Heimweh hatte? Ob sie oft an den Piraten und die Fahrt auf den Schiff dachte? Ob sie sich rächen wollte? „Aber jetzt bist du keine Schwester mehr“, sagte Rufus, „Du musst dich nicht mit mir herumschlagen. Du kannst gehen, wohin du willst. Du bist mir nichts schuldig.“

Helena lächelte ihn überlegen an. „Das nicht, aber DU bist mir etwas schuldig, schließlich habe ich dir nun schon mehrmals dein Leben gerettet.“
 

Rufus sah sie fassungslos an. Er hatte doch schon schwer an der Bürde von Betrayal zu tragen und überhaupt, wie sollte er seine Schuldigkeit bei Helena begleichen? Wollte sie etwa, dass er ihr dabei half ihre Heimat zu befreien? Das würde bedeuten, er müsse sich gegen den König stellen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Trollfrau
2012-11-08T11:13:58+00:00 08.11.2012 12:13
Sehr geil. Um Klassen besser als meins.
Hier würde es mich echt interessieren, wie es den Eltern geht.
Von:  Sotar
2012-10-21T13:36:51+00:00 21.10.2012 15:36
Ich finde es richtig toll, dass man mal wieder etwas mehr über die Welt erfährt, in der sich die Geschichte abspielt. Auch die Informationen über Helena sind ganz praktisch, da ihre Rolle in der Geschichte ja immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ihre Vergangenheit finde ich sehr glaubhaft beschrieben, da du mit dieser auch erklärst, worin ihre Motivation liegt und warum sie trotz ihres jungen Alters so viel weiß, so entschlossen und stark ist. Aber auch Rufus Charakter bzw. dessen Wandel hin zum 'etwas Erwachsener sein' finde ich durchaus logisch und nachvollziehbar. Von daher habe ich an deinem Beitrag jetzt nicht sonderlich viel auszusetzen.
Ein paar Flüchtigkietsfehler habe ich noch bei der Rechtschreibung gefunden, aber bei der Menge an Wörtern fallen die kaum auf ;)
reisten sie mit dem was sie am Leibe truben und das war nicht viel trugen nicht truben
Lonán über ihnen drehte immer wieder Kreise uns Schlaufen, und nicht uns
Lonán gehörte er nicht. ich vermute, dass es ihr und nicht er heißen muss
ohne zu hinterfragen, wenn du alos willst, dass ich weiterhin Lonán und dir folge also und nicht alos
Ingesamt eine sehr gute Weiterführung der Geschichte.
mfg Sotar


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