Zum Inhalt der Seite

Eine Schatzkiste...

...voller Geschichten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Grün ist die Farbe der Hoffnung

Da stand sie, sich der Tatsache unbewusst, dass er sie schon seit geraumer Zeit beobachtete.

Beobachtete, wie sie mit geübter Hand nach den Pflanzen griff, über ihre Blätter streichelte und schließlich etwas auf ihrem Klemmbrett vermerkte.

Beobachtete, wie sie immer wieder eine Strähne hellblonden Haares aus ihrem Gesicht schieben musste, weil sie aus ihrem unordentlich gebundenen Zopf gefallen war.

Kurzum, er studierte ihre Eigenheiten, wie er sonst nur Pflanzen oder Tierwesen erforschte.

Und Rolf Scamander war sich sicher: Das musste wahre Liebe sein!

Oder zumindest behauptete das sein Freund Landon die ganze Zeit und Rolf war sich sicher, dass er noch nie so fasziniert von einem Menschen gewesen war.

Dieses Seminar in Kräuterkunde hatte er eigentlich nur belegt, um seinem Freund Gesellschaft zu leisten und eventuell noch etwas dazuzulernen. Doch seit Beginn des Seminars hatte er sich mehr mit der jungen Frau beschäftigt als mit seinen Pflanzen.

An einen Baum gelehnt beobachtete er sie weiterhin.

Da, für einen Moment galt ihre Aufmerksamkeit nicht mehr den Kräutern zu ihren Füßen, sondern der Sonne am Himmel. Nein, sie schien etwas in der Luft mit den Augen zu verfolgen, doch obwohl Rolf sich anstrengte, es ebenfalls zu sehen, konnte er nichts erkennen.

Jetzt drehte sie sich um und... sah ihm direkt in die Augen. Sie hatte wirklich schöne Augen, ein wenig zu groß vielleicht, aber von einem wunderschönen Grau. Ihr Blick war weder vorwurfsvoll noch neugierig, er verriet keinerlei Emotionen. Doch Rolf verstand, dass sie schon die ganze Zeit gemerkt hatte, wie er sie anstarrte.

Als er immer noch nichts sagte, blinzelte sie einmal und wollte sich dann wieder ihren Pflanzen zuwenden. Rolf, der seine Chance schwinden sah, trat schnell an sie heran und sagte: „Hi, ich bin Rolf.”

Sie quittierte das mit einem trockenen Nicken. „Und was ist mit dir?”, hakte er nach, nicht bereit jetzt schon wieder aufzugeben.

„Ich heiße Luna”, kam es von ihr. Ihre Stimme klang irgendwie abwesend und realitätsfremd, doch Rolf wollte unbedingt mehr von ihr hören.

„Was hast du da vorhin beobachtet?”

Sie warf ihm einen überraschten Blick zu, vielleicht hatte sie doch nicht gewusst, dass er sie beobachtet hatte. „Schlickschlupfe”, war die Antwort, als wäre es das natürlichste der Welt. Rolf schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn.

„Selbstverständlich. Hast du hier ein Nest entdeckt? Das wäre nicht gut. Ich dachte eigentlich, die leben nur noch in der Schweiz”, kommentierte er nachdenklich.

Luna sah ihn wieder überrascht an. „Meinst du das ernst?” Rolf runzelte die Stirn. „Warum sollte ich über Schlickschlupfe Scherze machen? Die Viecher sind nicht gut für das Gehirn.”

Luna nickte ernst. „Ja, das sage ich auch immer, aber normalerweise glaubt mir keiner.”

„Und du kannst sie sehen? Sonst sind sie ja für das menschliche Auge unsichtbar.”

„Sie hinterlassen immer eine Staubspur in der Luft, man muss nur genau genug hinsehen.”

„Wirklich?” Rolf war fasziniert. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und fragte: „Äh, hast du heute Abend schon was vor?”

„Wieso?”

„Weil wenn nicht, dann könnten wir uns vielleicht weiter über Schlickschlupfe und andere Wesen unterhalten, wenn du möchtest”, schlug Rolf vor.

Sie sah ihn an. Eine Spur von Traurigkeit schlich sich in ihren Blick und sie umklammerte ihr Klemmbrett. Dann sagte sie: „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Es tut mir leid.” Mit diesen Worten wandte sie sich ab und suchte sich eine andere Stelle zum Forschen. Rolf jedoch blieb stehen, um sein weiteres Vorgehen zu Überdenken, denn, wie bereits gesagt, so schnell würde er nicht aufgeben.
 

„Alle mal herhören”, der Seminarleiter hatte anscheinend beschlossen, sich nach Stunden mal wieder einzumischen, „wir finden uns jetzt in Paaren zusammen und kümmern uns um die verdorrten Beete.” Er benutzte immer die 1. Person Plural, obwohl er nie irgendetwas selber machte.

Rolf jedoch nutzte diese Gelegenheit, um sich wieder neben Luna zu stellen. „Na, wie sieht's denn aus, Partner?” Luna warf ihm wieder einen undefinierbaren Blick zu, aber diesmal zuckten ihre Mundwinkel. Rolf verbuchte das als Erfolg.

„Du gibst wohl nie auf”, stellte sie fest, „habe ich früher auch nicht.” Er bemerkte, wie traurig sie das stimmte und wusste, er sollte nicht weiter nachfragen, schon allein aus Höflichkeitsgründen, aber er wollte wissen, was sie bedrückte, und es danach schnellstmöglich aus der Welt schaffen.

So oder so ähnlich sagte er es ihr und sie lächelte traurig, bevor sie sich endlich dem Beet vor sich zuwandte.

Rolfs Laune sank. Hatte er zu viel gewagt? Hatte er es sich verdorben? Er beschloss, diesen Nachmittag so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und kniete sich neben sie.

Dann hörte er ein Flüstern, ganz leise an seinem Ohr: „Erinnerst du dich an den Krieg?” Er nickte nur und hielt die Luft an. Wenn er sich nicht irrte, war Luna kurz davor sich ihm zu öffnen.

„Ich war stark, ich habe nicht aufgegeben, habe in Kerkern ausgeharrt und in der Schlacht um Hogwarts gekämpft, ohne ein einziges Mal die Hoffnung aufzugeben”, berichtete sie schlicht und, wenn sie das sagte, dann klang es kein bisschen überheblich.

„Doch nach dem Krieg sah das anders aus.” Sie stockte und Rolf wagte es, seine Hand auf ihre zu legen.

„Der Junge, den ich liebte, verließ mich. Er wollte mich nicht verletzen, das weiß ich, es sollte einfach nicht sein, das sagten sogar die Nargel, aber das Gefühl war einfach zu stark. Dann, als ich nach Hause zurückkehrte, war unser Haus zerstört und mein Vater tot, von den Todessern ermordet.”

„Ich verstehe”, sagte Rolf leise.

„Wirklich?”, sie sah ihn zweifelnd an, „das sagen viele, aber versteht ihr wirklich, wie es mir ging? Im Krieg selbst nicht die Hoffnung zu verlieren ist kein Kunststück, keine große Leistung, denn ansonsten gibt man sich geschlagen und hat bereits verloren. Aber nur der, der nach dem Krieg, nachdem er alles verloren hat, weiterlebt und sein Leben meistert, der hat die Hoffnung nie aufgegeben. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Ich bin ohne Hoffnung.”

„Das denke ich nicht”, sagte Rolf bestimmt, „ wenn du wirklich aufgegeben hättest, dann würdest du nicht dieses Seminar besuchen, du würdest nicht mit mir darüber reden.” Er schob ein paar abgestorbene Blätter beiseite und zum Vorschein kam ein grüner Stängel.

„Siehst du, du bist wie diese Pflanze, du trägst ein paar kaputte Teile mit dir herum, aber wenn du sie los wirst, kannst du weiterleben. Soll ich dir dabei helfen?”

Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin. Luna sah die Überzeugung in seinen Augen und spürte, wie sich ein warmes Gefühl in ihrem, sonst kalten, Körper ausbreitete. Sie spürte, wie sie aufatmete, sich aus den Fängen der schlechten Erinnerungen befreite.

Sie spürte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl und dort blieb, als sie seine Hand ergriff und nach oben gezogen wurde.

Luna Lovegood war wiedergeboren, denn sie glaubte wieder an eine glückliche Zukunft, vielleicht sogar mit Rolf.

Rolf war wie verzaubert von diesem Lächeln, wie glücklich mussten ihre Freunde früher gewesen sein, wenn sie dauernd diese Lächeln hatten sehen dürfen?

Und wie nebenbei war die Zeit vorangeschritten und der Seminarleiter verkündete zusammen mit dem Sonnenuntergang das Ende der heutigen Übungen.

Luna wandte den Blick zur untergehenden Sonne und sagte: „Ich mag den Sonnenuntergang nicht, dann geht der Tag zu Ende und alles wird dunkel.”

„Und jeden Morgen geht die Sonne wieder auf - das ist doch ein gutes Zeichen, oder nicht?”, wandte Rolf ein.

Lunas Lächeln wurde noch ein wenig breiter und erreichte endlich ihre Augen.

„Ja”, sagte sie, „das ist ein gutes Zeichen.”



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-10-25T09:08:14+00:00 25.10.2011 11:08
Hallo Couscous! ♥

Als erstes - ich fühle michn geehrt, dein allererstes Wichtelkind zu sein - das freut mich wirklich sehr! Und das wir uns dann auch noch gegenseitig etwas schenken ist auch sehr passend! *kicher*

Witzig ist auch, wie unterschiedlich unsere Lunas sind; meine, voller Hoffnung und strotzend vor Optimismus und deine, geschlagen und erschüttert von der Nachkriegszeit. Das ist sehr interessant, vor allem, da sich unsere beiden OS recht gut zusammen fügen, finde ich. Während des Krieges - nach dem Krieg. Aus Nevilles Sicht - aus Rolfs Sicht. Sie sehen Luna auch sehr unterschiedlich, und doch sind sie beide von ihr fasziniert.

Die Idee von dem Kräuterkunde-Seminar und Rolf, der ihr liebestoll nachläuft, ist einfach himmlisch - auch wenn er eigentlich, durch den großen Altersunterschied, wahrscheinlich schon ein höheres Amt kleidet, oder? Außer natürlich, er hatte Pech in der Karriere. xD

Es war auch sehr schön, dass du das Grün in verdorrter Erde aufgegriffen hast, das hat gut gepasst - und war wieder parallel zu meiner Metapher mit der Hoffnung, die Wurzeln schlagen soll! xD Es ist ein schöner Gedanke, dass man an Luna nur ein paar vertrocknete Blätter und Stängel abschneiden muss, damit sie wieder gesund wird.

Ein sehr, sehr schöner OS, liebe Couscous, danke dafür. Ich habe mich unheimlich gefreut und er passt sehr, sehr gut zu mir und meinen Vorstellungen über Luna♥Rolf.

Ich hoffe sehr, du bleibst im Kreis der Wichtelsüchtigen bestehen und beglückst noch etliche andere mit deinem wunderschönen Schreibstil. Ich liebe ihn! ♥

Allerliebste Grüße,
deine abgemeldet.


Zurück