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Behind the Scenes

von

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Act 2 Scene 5: Ai to shi no Rondo

Gaichi brach es das Herz ihre Freundin so gebrochen zu sehen. Nachdem Sena aus der Wohnung gestürmt war hatten sich die Umstehenden nur langsam aus ihrer Starre gelöst. Saeko hatte noch immer kein Wort gesprochen, aber zumindest hatten sie die andere dazu gebracht sich zumindest zu setzen damit sie nicht in sich zusammenbrach und sich eventuell noch mehr an den noch immer am Boden liegenden Scherben verletzen könnte. Die andere starrte nur zu Boden, reagierte nicht auf das, was man ihr sagte. Sie schien noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass Yuuhi die Wunde an ihrem Bein versorgte, wobei das Desinfizieren allein wehtun musste. Kiriyan sammelte derweil die Scherben vom Boden auf und begann damit die Flüssigkeit auf zu wischen. Die beiden hatten ebenfalls noch kein Wort gesagt. Kimu hatte irgendwann die Flucht ergriffen ohne, dass es jemand von ihnen gemerkt hatte. Interessieren tat es in dieser Situation sowieso keinen der Anwesenden. Nur, dass Kimu jetzt von der in die Brüche gegangenen Beziehung von Sena und Saeko wusste ging Gaichi etwas gegen den Strich.

"Saeko jetzt sprich doch endlich mit mir", versuchte sie abermals zu ihrer Freundin durch zu dringen. Vergebens. Vorsichtig strich sie dem ehemaligem Top Star eine Haarsträhne zurück, legte die Hand auf ihre Schulter. Das schlimmste war, dass sie rein gar nichts tun konnte. Gaichi war es gewohnt immer und überall irgendwie ihre Finger im Spiel zu haben, das Geschehen zu lenken, aber an Sena und Saeko schien sie zu scheitern, aus welchem Grund auch immer. Dabei wollte sie nur, dass ihre Freunde glücklich waren.

Die Senka sah auf als die Tür zur Wohnung wieder auf ging, ebenso wie Kiriyan und Yuuhi. Osa trat wieder ein, kreidebleich und wie es schien ein bisschen verstört. Gaichi warf kurz einen Blick zu Saeko, die noch immer auf den Boden starrte und stand auf, ging zu Osa.

"Ist was passiert?" Keine Reaktion. "Osa?"

Als sie der anderen die Hand auf die Wange legte schreckte diese doch leicht auf.

"Was? Uhm... alles okay. Mach dir keine Sorgen."

"Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."

"So etwas ähnliches..."

So wirklich etwas damit anfangen konnte Gaichi nicht, aber sie belies es erstmal dabei. Wenn Osa nicht von alleine mit der Sprache rausrückte, dann würde sie ihre Gründe haben.

"Gaichi?" Kiriyan war hinter sie getreten und dabei sah sie, dass Yuuhi sich zu Saeko gesetzt hatte und ihr zuredete. "Was machen wir jetzt?"

"...Ich weis es nicht." Die Senka seufzte. "Wir müssen das erst einmal sacken lassen." Abermals warf sie einen Blick zu Saeko. "Ich würde sagen, wir nehmen sie mit zu uns und ich bleibe morgen zuhause. Ihr seht morgen nochmal beim Training nach Sena."

"Das musst du aber Yuuhi sagen. Mein Trainingsplan unterscheidet sich von ihren. Ich bin einer ganz anderen Halle."

"Verstehe..." Gaichi sah hinüber zu Yuuhi, die nur nickte.

"Ich mach das schon", sagte Yuuhi und lächelte etwas. "Macht euch mal keine Sorgen. Ich bekomm sie schon wieder hin."

"Hoffendlich. Rede ihr mal etwas Verstand ein", sagte Osa, wirkte dabei leicht gereizt, aber abermals schwieg Gaichi darauf. Irgendwas war da zwischen Osa und Sena vorgefallen.
 

Einige Zeit später saß Asako, noch immer halb angezogen, auf dem Rand ihres Bettes, den Kopf auf ihre Hand abgestützt und die Augen geschlossen. Sie fühlte sich furchtbar. Kimu schlief, nackt, in ihrem Bett, aber Asako hatte nicht die Kraft gehabt sich zu ihr zu legen. Das 'Abregen' hatte seinen Zweck keinesfalls erfüllt, sondern sie fühlte sich nur noch elendiger. Kimu hatte durchaus ihren Spaß gehabt, so viel war sicher. Jeder Fleck auf dem Körper der anderen bewies das, jeder Ton, den sie währenddessen von sich gegeben hatte und ihre ganze Reaktion.

Der Top Star stand auf und fischte nach ihrem Hemd am Boden, zog es sich über und knöpfte es so weit zu, dass es das wichtigste verdeckte. Sie hatte nicht vor weit zu gehen, ging auf ihren Balkon und betrachtete die Landschaft. Noch immer war es furchtbar kalt und sie fror, sah, wie ihr Atem sichtbar wurde kaum, dass er über ihre Lippen rollte. Sie hasste den Winter, alles davon. Den Schnee, die Kälte, das klaffende Loch, dass diese ungemütliche Jahreszeit in den Herzen hinterlies bis der Frühling wieder kam. Nie vorher hatte sich die Otokoyaku so furchtbar einsam gefühlt, aber das war wohl das Schicksal eines Top Stars. Sie hatte es schon immer geahnt. Sie waren nichts weiter als singende Vögel in einem goldenem Käfig, angehimmelt, wunderschön an zu sehen, aber es war nicht ihr Sinn glücklich zu sein. Sie sollten nur andere Menschen beglücken mit dem, was sie taten. Keiner sah je die Dunkelheit, die in ihnen schlummerte.

Sie trat vor, legte die Hände auf das gefrorene Metall und sah hinab. Asako wusste genau, dass sie nicht bei Saeko sein konnte, nicht so während sie immer noch so war wie sie war. Doch wie war sie überhaupt? Saeko hatte sie immer als wundervoll beschrieben. Das schönste Wesen, was sie gesehen hatte. Und dann wieder war sie egoistisch und verzogen. Osa war auch nicht besser. Kimu nannte sie Megumi, Göttin.

Vielleicht... vielleicht sollte sie einfach so sein, wie andere sie haben wollten. Sie schloss die fAugen, fühlte, wie ihr die Tränen über die Wangen rollten. Nicht mehr sie selbst sein. Den Gedanken hatte sie schon einmal. Sie hatte einmal versucht sie selbst zu sein, nur für Saeko, aber das hatte sich ja als Fehler erwiesen. Takarazuka war kein Ort für Selbstverwirklichung. Es war ein Ort in dem es nur darum ging nach oben zu kommen, egal wie. Es ging darum, den größtmöglichen Fanclub zu haben, das größtmögliche Ansehen, die meisten Kontakte, denn daher kam das Geld. Wie jemand anderen einen sah, das war wichtig, nicht wie man war. Sie seufzte.

"Schön...", sagte sie zu sich. Dann würde sie so sein. Eine Göttin für die, die es wollten. Sie würde andere Leute in ihr Leben lassen und sie fest halten wie eine Spinne ihre Beute. Vielleicht konnte sie so das Loch in ihrem Inneren füllen, dass Saeko hinterlassen hatte als sie beschloss die ehemalige Otokoyaku aus ihrem Leben zu streichen. Asako war sich bewusst, dass sie sich so selbst aufgeben würde, aber das hatte sie getan, als sie sich auf Kimu eingelassen hatte. Der Top Star griff in ihre Tasche, holte die stehengebliebene, silberne Taschenuhr heraus und strich mit den Fingern über die eingravierten Engelsflügel. Engel hatte Saeko sie immer genannt. Ihr Engel.

Die Uhr glitt zwischen ihren Fingern hindurch, verlor sich in der Dunkelheit der Nacht als Asako sich umdrehte und zurück in die Wohnung ging.
 

Yuuhi blieb noch bei Kiriyan als Osa und Gaichi die noch immer völlig fertige Saeko aus der Wohnung brachten und sie mit zu sich nahmen. Inzwischen hatten sie das meiste, was an Scherben in der Wohnung lag, beseitigt. Zwar klebte der Boden noch immer von dem Getränk, aber darum würden sie sich später kümmern. Die zwei Freunde warfen sich auf die Couch und Kiriyan seufzte einmal schwer.

"Wer hätte mal gedacht, dass sowas passiert?", sagte die Lucheni-Darstellerin und beugte sich vor, fuhr sich durch die Haare. "Glaubst du wir sollten noch bei Asako vorbeischauen?"

"Du hast Gaichi gehört. Lassen wir sie ersteinmal in Ruhe. Ich sehe morgen mal nach ihr."

Kiri setzte sich wieder auf, sah zu Yuuhi und verschränkte ihre Finger eineinander.

"Denkst du das gibt sich wieder?"

"Keine Ahnung", seufzte Yuuhi und schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken. "Wir können nur warten. Du hast gesehen was passiert wenn wir uns einmischen. Ich hab es euch ja gleich gesagt."

"Ich weis. Sorry, dass ich dir das ausgeredet habe."

"Schon okay..."

Yuuhi schielte zu Kiriyan, verharrte aber alles in allem in ihrer Position. Wieder wurde sie daran erinnert wieso sie keinen Schritt auf Kiri zu machte und es stattdessen bei Freundschaft belies. Sie würde es nicht ertragen sich mit ihrer Freundin so zu streiten, sie gar zu verlieren. Kiri war ihre beste Freundin, auch wenn sie schon von Osa erfahren hatte, wie es war als sie noch in Asako verschossen gewesen war. Wenigstens konnte sie Kiri einigermaßen nahe sein, wenn sie etwas getrunken hatte. Ihre Freundin vertrug in etwa so viel Alkohol wie Asako.

"Yuuhi?", fragte Kiriyan und die Rudolph-Darstellerin hob den Kopf etwas.

"Hm?"

Mit einem Mal schob sich die andere auf ihren Schoß, lehnte den Kopf an ihre Schulter und schloss die Augen. Yuuhi spürte, wie sie rot wurde, legte aber eine Hand um die Hüfte der anderen. Sie wusste, dass Kiriyan Zuneigung brauchte, aber trotzdem war sie sich manchmal nicht sicher, ob sie die richtige Person dafür war.

"Ich will nicht, dass das alles auseinander bricht. Dazu hab ich euch alle zu gerne."

"Ich doch auch nicht. Wir schaffen das alle schon."

Kiriyan hob den Kopf, nahm Yuuhis Hand in ihre und sah ihr in die Augen. Abermals viel ihr auf, dass Kiri eine unglaubliche Anziehungskraft auf sie hatte. Unbewusst nahm sie die Hand der anderen etwas fester.

"Und wenn nicht? Was passiert dann?"

"Jetzt mach dir mal keine Sorgen. Selbst wenn Asako und Saeko sich nicht wieder einkriegen sollten heißt das nicht, dass alle anderen auch automatisch weg sind."

Kiriyan schluckte einmal, senkte den Blick etwas.

"Ich würde es nicht ertragen, wenn du auf einmal weg wärst..."

"Nie. Dazu bedeutest du mir zu viel", sagte Yuuhi leise und zog Kiriyan etwas enger, wobei die andere die Arme um ihren Hals legte. Die andere strich ihr einige Haare zurück, lehnte die Stirn an ihre. Yuuhi schluckte leicht, krallte sich mit der zweiten Hand etwas in die Hüfte der anderen ohne es zu merken.

"Kiriyan."

"Ich hab dich im übrigem angelogen."

Für eine Sekunde sackte Yuuhi das Herz in die Hose.

"Was? Was soll das heißen?"

"Was die Party angeht meine ich. Ich kann mich gut daran erinnern was du in der Gasse zu mir gesagt hast."

Und da hatte sie gedacht es konnte nicht schlimmer werden. Bedrückt und geradezu erwischt wie ein Kind, dass die Hand in die Keksdose gesteckt hatte sah sie auf die Seite.

"Hör mal das..."

"Ist okay."

Okay? Es war okay? Einfach so? Verwirrt sah sie die andere an.

"Uhm... was?"

"Es ist okay, wenn du mir noch ein bisschen Zeit gibst."

Yuuhi schwieg kurz.

"Alle Zeit der Welt."
 

Am nächsten Tag betraten zwei junge, sich unterhaltende Frauen den Probenraum. Eine davon war Asumi Rio, Spitzname Mirio, zusammen mit ihrer besten Freundin Ryuu Masaki, die allgemein Masao gerufen wurde.

"Aber jetzt glaub mir doch endlich mal, Masao. Sie hat mich wirklich eingeladen."

"Und ich werde nächstes Jahr Top Star. Warum sollte Sena gerade dich einladen?"

"Weis ich doch nicht. Nur, weil du schonmal mit ihr getanzt hast heißt das nicht, dass ich keine Chance habe." Mirio brummte etwas und verschränkte die Arme, zog eine Schmolllippe. "Geh du lieber zu deiner eigenen Probe."

"Ist ja gut. Aber immerhin hast du verschlafen. Also reg dich nicht so auf."

Masao klopfte ihrer Freundin noch kurz auf die Schulter ehe sie den Raum wieder verlies und Mirio sah sich zunächst um. Sie war mit ihren vier Jahren bei Tsukigumi noch nicht wirklich lange dabei, hatte aber schon einige größere Rollen gespielt, worauf sie sehr stolz war. Sie gehörte eigentlich noch immer zu den Shinji Kouen, den jüngsten Darstellern der jeweiligen Truppen, die eigentlich keine dermaßen großen Rollen bekamen, aber gerade desshalb war sie glücklich in den meisten Auftritten nahe an den Top Stars zu sein und gerade Sena war ihr ganz großes Vorbild. Sie hatte neben Sena bissher nur Ayaki Nao als Top Star gehabt und die zwei hatten einen Führungsstil wie Tag und Nacht. Während Ayaki sich zu ihrer Zeit meistens darum bemüht hatte ihren eigenen Stil zu verbessern und eine gute Show hin zu legen war sich Sena nicht zu schade sich auch mal zu den 'Kleinen' zu stellen, ihnen Tipps zu geben und sich mit ihnen zu unterhalten. In den zwei Jahren, in denen sie unter Sena gearbeitet hatte war ihr aber auch aufgefallen, dass sich der Top Star etwas verändert hatte. Sie war strenger geworden, aber Mirio dachte sich, dass man das als Gruppenleiter so sein musste. Sena konnte durchaus auf den Tisch schlagen wenn ihr etwas gegen den Strich ging, das machte ihre Auftritte aber nur umso besser.

Apropos Sena. Sie sah den vergleichsweise jungen Top Star, wie sie recht mittig im Raum stand, sich dehnte und warm machte. Sie trug diese für sie so typischen grauen Jogginghosen und das etwas weitere Hemd, dass sie immer an hatte wenn es noch nicht darum ging die Kostüme zu imitieren und mit ihnen zu üben. Die Stiefel, die sie laut Regelwerk immer trugen sahen darauf höchst peinlich aus, aber nach einigen Jahren hatte man sich daran gewöhnt. Die ersten paar Tage mussten sie sich immer erst wieder einarbeiten, da einige der Schauspieler sich nicht einmal das Script angesehen hatte. So wie sie Sena kannte hatte sie das ganze schon mit Kritik durchgearbeitet. Mirio lächelte, ging zu Sena und beugte sich vor ihr hinunter als diese gerade die Hände auf den Boden legte während ihre Beine noch immer gestreckt waren. Der Top Star war unglaublich gelenkig.

"Guten Morgen", sagte sie freundlich, wobei Sena den Kopf etwas hob und sie für ein paar Sekunden verwirrt ansah. Dann lächelte sie jedoch.

"Guten Morgen, Rio." Sie richtete sich auf und streckte sich einmal. "Ich hoffe mal, dass du dich auf Arbeit eingestellt hast."

Die jüngere lachte, winkte etwas ab.

"Wie immer, denke ich. Sag mal dürfte ich deine Einladung annehmen?"

Sena blinzelte etwas, runzelte dann die Stirn.

"Einladung?"

"Dass wir zusammen das Script durchgehen. Der Text ist wirklich nicht leicht."

Der Top Star legte die Hand ans Kinn, schien ein paar Sekunden zu überlegen bevor sie abermals lächelte und nickte.

"Natürlich gerne. Wenn wir hier fertig sind kann ich dich gerne mit zu mir nehmen und wir können da noch arbeiten."
 

Asako war etwas verwirrt, als die jüngere mit einem Mal vor ihr stand, da sie den ganzen Tag noch kein Wort mit irgendwem gewechselt hatte. Selbst als sie aufgestanden war, sie hatte die Nacht auf der Couch verbracht, war sie gegangen ohne Kimu zu wecken, hatte ihr nur einen Zettel hinterlassen dass sie schon weg war. Sie war noch immer nicht ganz auf der Höhe, aber immerhin schauspielerte sie ausgezeichnet. Kimu war eine ausgezeichnete Ablenkung, aber Asako langweilte sie dann doch schnell und da sie das mit Saeko mitbekommen hatte war ihr auch sehr unwohl, wenn sie ausserhalb des Betts Zeit miteinander verbrachten. Rio bewies sich vielleicht als gute Ablenkung.

"Gerne", sagte die jüngere mit einer kleinen Verbeugung. "Ich freu mich."

"Du musst aber davon ausgehen, dass du auf mich warten musst. Die halten mich oft noch etwas länger hier."

"Okay. Ich kann ja in der Zeit schon anfangen."

"Guter Vorsatz." Asako sah sich kurz im Raum um. Normalerweise war doch Rio immer bei diesem anderen bekannten Gesicht unterwegs, deren Namen ihr gerade entfallen war. "Wo ist eigentlich deine Freundin?"

"Freundin? Oh du meinst Masao? Die ist in dem anderen Stück."

"Sie ist also Kiriyan zugeteilt?"

"Ja. Die trainieren in einem anderen Gebäude."

So dann würde sie Kiriyan diese Saison wohl kaum zu Gesicht bekommen. Die Auftrittssaison, die sich über gerade mal zweieinhalb Wochen verteilte, würde eine kleine Tour durch Japan sein, was hieß, dass sie sich nur mit Yuuhi abgeben musste. Glücklicherweise war sie nicht so furchtbar aufdringlich wie Kiriyan.

"Ah verstehe. Naja wenn wir weniger sind, dann kommen wir schneller vorran. Machen wir eine gute Show."

"Asako!" Wenn man vom Teufel sprach. Yuuhi kam zu ihnen gelaufen. Sie lächelte und sah vergleichsweise gut gelaunt aus. "Guten Morgen."

"Guten Morgen, Yuuhi. Du hättest nicht so rennen müssen. Ich laufe nicht weg."

"Nennt sich warmlaufen."

"Du hast verschlafen", sagte Rio und grinste breit.

"...Das auch."

Asako lachte. Die kleine war ihr jetzt schon sympatisch.
 

Noch immer versuchte Gaichi vergeblich irgendwie zu ihrer Freundin durch zu dringen. Zwar bewegte sich der ehemalige Top Star inzwischen wieder selbstständig und sie hatte sie sogar dazu gebracht wenigstens etwas zu schlafen und nach dem Aufstehen einen Kaffee zu trinken, aber gesprochen hatte sie all die Zeit noch kein Wort. Es war als hätte Sena die Stimme der anderen einfach so mit sich mitgenommen. Osa war schon wieder zu ihrer eigenen Probe gegangen, denn immerhin musste sie noch arbeiten für das nächste Stück. Gaichi selbst hatte sich krank gemeldet, sagte, dass es ihr nicht gut ginge und sie sich einen Tag ausruhen wolle. Da sie sonst immer wunderbare Arbeit lieferte war es kein Problem für ihren Chef gewesen sie einen Tag zu entbehren.

"Saeko", rief sie als sie mit einer kleinen Schüssel Suppe wieder aus der Küche kam. Sie hatte ihre Freundin auf der Couch zurück gelassen, aber da war sie nicht mehr. Ein kurzer Blick in den Eingangsbereich verriet ihr, dass sie auch nicht nach drausen gegangen war, denn ihre Schuhe standen noch und ihre Jacke hing an der Gaderobe. Wo war sie hin?

"Hier", kam es aus Richtung des Schlafzimmers. So wie es aussah hatte sich Saeko an das Panoramafenster im Schlafzimmer gestellt. Der ehemalige Top Star liebte immer die freie Aussicht. Als sie noch in Takarazuka war hatte sie oft auf dem Dach gestanden und sich den Wind um die Ohren wehen lassen. Gaichi ging zu Saeko, blieb aber im Türrahmen stehen.

"Wie geht es dir?", fragte die Senka, sah, wie Saeko sich die Decke umgehangen hatte. Gaichi hatte ihr ein etwas von sich geliehen, was nur aus einem Nachthemd bestand, dass der anderen bis übers Knie ging. Die Decke hing nur lose über ihre Armbeugen, dadurch größtenteils auf dem Boden. Es wirkte etwas wie ein Umhang.

"Wie solls mir schon gehen? Ich hab die einzige Frau verloren, die mir je ernsthaft etwas bedeutet hat. Ich bin so ein Idiot..."

Wenigstens redete sie wieder. Das war zumindest ein Anfang. Gaichi stellte die Schüssel beiseite, trat langsam an ihre Freundin heran und legte ihr eine Hand auf die nackte Schulter.

"Sie ist nicht tot, Saeko."

"Für sie bin ich es aber."

"Das ist nicht wahr."

"Du hast sie gehört. Sie hat es mir ins Gesicht gesagt." Saeko zog die Decke etwas mehr um sich und senkte den Kopf, sodass einige ihrer Haare in ihr Gesicht fielen. Gaichi seufzte und stellte sich hinter ihre Freundin, strich ihr die Haare zurück und band sie mit einem kleinem, lilafarbenem Band zusammen, dass sie in der Hosentasche hatte. Dann sah sie Saeko in der Spiegelung des Fenster an, lies die Hände auf ihren Schultern ruhen.

"Wir sagen alle Dinge, die wir nicht so meinen. Sena liebt dich. Das weist du."

"Da bin ich mir nicht mehr so sicher."

Gaichi seufzte etwas, lächelte zart.

"Hör mal Saeko... Sena denkt, dass du sie völlig vernachlässigt hast. Das ist verständlich. Aber wenn du ihr einmal in Ruhe erklärst was genau passiert ist wird sie es verstehen. Du bist ein guter Mensch, auch wenn du da manchmal selbst nicht daran glaubst. Hab doch mal ein bisschen mehr Selbstvertrauen wenn du einen Schritt in eine ernsthafte Beziehung wagst."

"Und wenn sie mich nicht wieder will?"

"Wir sehen doch alle, dass sie ohne dich nicht kann. Und du ohne sie nicht. Sena tut dir gut. Ich hätte vor zwei Jahren nie gedacht, dass eine einzelne Person es schafft dich von deinem Trip runter zu bekommen."

"Ich auch nicht. Ich bin nicht stolz auf das, was ich gemacht habe."

"Das hab ich gesehen als Mizu hier war."

"Chika hat sich dagegen kein Stück verändert."

"Nein. Sie steht immer noch auf dich. Dass du es schaffst ihr den Rücken zu zu drehen ist erstaunlich. Allerdings..." Kurzes Schweigen. Saeko sah über die Schulter zu Gaichi.

"Allerdings was?"

"Du wirst ihr alles erzählen müssen, Saeko. Nicht nur das, was du die letzten zwei Jahre getan hast."

"Aber..."

"Du warst gewillt sie in dein Leben zu lassen. Wenn du wirklich willst, dass das mit euch funktioniert musst du sie in alles einweihen. Auch wenn es ihr vielleicht nicht gefällt."

Saeko schwieg daraufhin nur.
 

Das Training war nicht ganz so anstrengend wie es werden würde, allerdings anstrengend genug, dass die Darstellerinen gehörig ins Schwitzen kamen. Zu den Dehn- kamen Stimmübungen, erste Teile einer neuen Choreographie und erste Refains der Lieder. Irgendwie waren sie darauf gekommen zur Übung ein paar alte Choreos durch zu gehen, wobei Asako ein paar Schritte aus ihrer Hanagumi-Zeit zeigte. Der Choreograph begrüßte das nur, denn so konnte er sich einige Ideen holen. Hier und da sorgten die Schritte für Begeisterung und Asako hatte sich bereit erklärt diese auch den anderen Darstellerinnen bei zu bringen. Es war nicht nur eine Koordinationsübung, sondern steigerte auch die Teamfähigkeit. Dabei überzeugte Asako wieder als Top Star von Tsukigumi, denn sie sah jeden Fehler sofort in den riesigen Spiegeln und sprach die jungen Frauen direkt an.

"Sena." Der Choreograph kam zu ihr, wobei Asako sich zu ihm umdrehte und in seine Unterlagen sah, die er ihr zeigte. Es ging um einen Partnertanz. "Wenn du eine Idee dazu hast, raus damit." Sie erkannte die Szene sofort, strich sich kurz über den Nacken und drehte sich in Richtung der jungen Frauen, die gespannt zu ihrem Top Star sahen. Es war ein Päärchentanz, aber Asako war noch nie sonderlich gut in so etwas gewesen. Ihr Blick fiel auf Rio, die sich mit einer der Musumeyaku unterhielt. Sie erinnerte sich da an eine Choreo, die sie mal mit Masao hatte bei ihrem Konzert, aber es war schon so lange her, aber sie erinnerte sich noch gut daran. Dennoch fand sie, dass diese Choreo ganz gut passen würde.

"Rio!" Die junge Frau sah in ihre Richtung. "Komm mal bitte her."

Die andere reagierte sofort, ging zu ihr und sah sie etwas fragend an.

"Hat Masao dir jemals ein paar der ihrer Choreos gezeigt?"

"Uhm manchmal wenn sie dazu gekommen ist. Wieso?"

"Nun ich weis nicht ob du dich erinnerst, aber sie hatte einmal eine Choreo mit mir an meinem Hangumi-Abschlusskonzert. Hat sie dir die zufällig gezeigt?"

Die jüngere legte einen Finger an die Wange, dachte ein wenig nach.

"Ja hat sie. Ich weis aber nicht, ob ich die noch zusammen bekomme."

"Lass es uns trotzdem mal versuchen."

"Ich kenn den Text aber nicht."

Asako grinste. Das war fast zu leicht.

"Ich schon. Ich denke das reicht. Ich helfe dir auch."
 

Yuuhi konnte nichts anders tun als stumm dabei zu zu sehen wie Asako die Otokoyaku und die Musumeyaku gleichzeitig anwies, wobei selbst ihre eigentliche Partnerin, Ayano Kanami, die der Musumeyaku-Top-Star von Tsukigumi war, etwas aussen vor blieb. Stattdessen hatte sie sie sich die junge Mirio gekrallt, zeigte ihr zunächst die Schritte. Yuuhi kannte die Choreographie nur flüchtig, aber laut Erzählungen war es eigentlich ein reiner Otokoyaku-Paartanz, Fanservice sozusagen.

"Ist das denn zu fassen?" Yuuhi drehte sich zu Ayano, die direkt neben ihr stand. Zwar redete sie nicht laut, aber für Yuuhi selbst immer noch deutlich zu hören. Dennoch klang sie mehr als empört.

"Was ist?" Die Otokoyaku antwortete nur ebenso leise damit die Umstehenden nicht mithörten.

"Ist dir mal aufgefallen, dass sie immer weniger mit mir tanzt?"

Yuuhi grinste. "Eifersüchtig?"

"Ich? Auf wen denn bitte? Nein aber wir als Top Stars sollten dann doch mehr miteinander arbeiten. Ich erkenn sie kaum wieder."

"Hm? Wieso?"

"Als Ayaki noch da war haben wir uns super verstanden. Seit sie weg ist redet Asako immer weniger mit mir. Dabei hatten wir uns Anfangs so gefreut eine Kombi zu sein."

"Ihr kennt euch schon länger, oder?"

"Ja. Wir waren damals zusammen in einer Klasse. Aber..."

"Das gilt auch für euch zwei da hinten!", rief Asako von vorne und sowohl Ayano als auch Yuuhi sahen schlagartig nach vorne. Erst jetzt merkten sie, dass sich die Frauen inzwischen allesammt in Päärchen aufgeteilt hatten-

"Uhm... Wir tanzen miteinander." Redete Yuuhi sich raus und nahm Ayano's Hand.

"Dann stellt euch gefälligst auf. Ich hab keine Lust ewig auf euch zu warten. Wir haben heute noch etwas anderes vor."

Jetzt merkte selbst Yuuhi was Ayano gemeint hatte.
 

Irgendwann musste Saeko sich dann doch zurecht machen, denn egal wie elend sie sich fühlte, sie musste immer noch arbeiten. Und am ersten Tag schon zu spät zu kommen war nicht vertretbar, nicht bei ihrer Reputation. Sie hatte hart für diesen Job geackert und war gewillt es durch zu ziehen, Asako oder nicht. Vielleicht bekam sie dann doch irgendwann Gelegenheit mit der anderen zu sprechen.

"Du bist sicher, dass du das machen willst? Du kannst sagen, dass du krank bist, was nicht mal so gelogen wäre so wie du aussiehst."

"Ich muss, Gaichi. Ausserdem würde mir Osa den Kopf abreisen wenn sie nach Hause kommt und ich bin immer noch da."

"Wieso sollte sie?"

"Du weist, dass sie nicht viel von mir hällt."

"Vielleicht mag sie dich nicht, aber sie schätzt dich und deine Meinung. Sonst hätte sie dich wohl eher umgebracht als dich an Sena ran zu lassen."

Saeko lächelte etwas müde. Sie sah fast genauso aus wie sie sich fühlte. Ihre Hautfarbe war eher blässlich, ihre Augen noch immer leicht gerötet und ihre Haare nur notdürftig gemacht. Sie hatte sich von Gaichi ein Hemd und Hose geben lassen, denn im Kleid wollte sie bei Takarazuka nicht antanzen. Als ehemalige Otokoyaku war es ihr wichtig auf ihr Image zu achten.

"Da hast du vielleicht Recht. Aber danke, dass du für mich da bist."

"Immer. Das weist du."

Sie verabschiedeten sich noch und Saeko verlies das Apartment, nutzte aber die öffendlichen Verkehrsmittel um in das Trainingsgebäude zu kommen. Sie kannte sich damit etwas besser aus als vielleicht Gaichi oder Osa. Ihrer Uhr nach hatte sie auch noch etwas Zeit bis sie in den Probenraum musste, was sie dazu nutzte sich etwas in dem Gebäude um zu sehen. Viel verändert hatte sich nicht, ganz und gar nicht. Obwohl es 'nur' Probenhallen waren, waren die Gänge prunkvoll ausgeschmückt, überall hangen Bilder von den verschiedenen Auftritten, welche Takarazuka seit deren Entstehung hatte als Motivation besonders für jüngere Darstellerinnen. Vor einem blieb sie dann entgültig stehen. Es war ein Bild von der Elisabeth-Aufführung, in der sie mitgewirkt hatte. Sich selbst als den Tod zu sehen war immer noch merkwürdig und lies sie nicht los. Es war ihre Traumrolle gewesen seit sie ihn einmal gespielt hatte, als sie selbst noch zu den Shinji Kouen zählte. Damals hatte man sie als süß bezeichnet, geradezu liebenswert, aber als Top Star hatte sie keiner mehr angezweifelt. Asako als Elisabeth war mit ihr auf dem Bild. Es war die Szene, in der sie sich heimlich einen Kuss gestohlen hatte, die Szene im Ending. Sie erwischte sich dabei wie sie sich diese Zeit zurückwünschte, aber sie wusste es war vorbei. Sie war aus Takarazuka ausgestiegen, konnte nichts weiter tun als das was sie wusste und konnte der nächsten Generation weiter zu geben.

Seufzend ging die ehemalige Otokoyaku weiter, vorbei an den Bildern, auf denen sie teilweise auch Asako erkannte. Ihr Schützling hatte sich tatsächlich besser gemacht als sie zunächst gedacht hatte. Man sah es an ihrer Haltung. Wieder merkte Saeko, wie viel sie in den beiden Jahren verpasst hatte. Natürlich hatte ihr die Nähe zu ihrer Freundin gefehlt, aber was hätte sie großartig tun sollen? Sie musste an die Zukunft denken. Es war immerhin auch zu Asako's Bestem gewesen.

Der ehemalige Top-Star ging in das Büro ihres jetzigen Chefs, klopfte einmal bevor sie eintrat und sich verbeugte. Sie kannte den Mann schon, auch wenn sie wusste, dass hinter ihm eine noch mächtigere Frau saß. Die eigentliche Chefin Takarazukas war eine Frau mittleren Alters, durchsetzungsfähig und dementsprechend mächtig. Sie hatte ihren Mann in jeder Hinsicht unter Kontrolle.

"Guten Tag. Freut mich, dass sie jetzt schon da sind", sagte der Mann. Saeko lächelte.

"Ich halte mich nur an meinen Termin."

"Wundervoll, wundervoll. Warten sie ich suche ihnen sofort den Raum..."

"Lass es, Darling. Ich bringe Nao persönlich hin."

Besagte Chefin betrat den Raum durch eine Seitentür, lächelte und Saeko verbeugte sich abermals kurz. Die Frau war definitiv gealtert seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte, aber immer noch hatte sie diese Aura von Macht um sich herum, was sie aber nicht minder freundlich wirken lies.

"Freut mich sie wieder zu sehen", sagte Saeko und schüttelte der Frau die Hand.

"Geht mir auch so. Ich freue mich sehr sie hier wieder begrüßen zu dürfen."

"Die Freude ist meinerseits. Danke, dass sie mich einstellen."

"So ein Talent darf immerhin nicht vergeudet werden."

Mit der älteren vorraus verlies sie das Büro wieder, wobei die zwei Frauen unterwegs noch etwas miteinander redeten.
 

In der Trainingshalle waren die Mitglieder von Tsukigumi immer noch fleißig am Trainieren, wobei Asako inzwischen die Choreographie wieder auf die Reihe bekommen hatte und sie den anderen Darstellerinnen beibrachte. Die Choreo an sich beinhaltete eigentlich einige Standartelemente. Schritte aus Standarttänzen, Gesangsparts, in denen nicht wirklich getanzt wurde, aber was wohl für sie persönlich und auch für andere viel interessanter war, die Abschnitte, in denen sich die jeweiligen Partner recht nahe kamen. Es war nur ein kurzer Abschnitt, aber es reichte um Asako zu zeigen, welche Wirkung sie auf die junge Rio hatte. Für einen Top-Star war es ein leichtes zu unterscheiden ob jemand nur schauspielerte oder tatsächlich Reaktionen zeigte. Gerade als sie den Schritt zeigte, bei dem sie ein Bein zwischen die ihrer Partnerin stellte, eine Hand an ihr Kinn legte und ihr so nahe kam, dass ihre Nasenspitze fast die Wange der anderen berührte bemerkte sie die Reaktion, die sie sich erhofft hatte. Es war für andere wohl unauffällig, aber für sie dafür deutlicher. Rio nahm den Kopf ein klein wenig zur Seite, wobei ihre Augenlieder ein wenig hinunter sackten. Es hätte Asako wohl nicht gewundert, wenn sie auch noch zusätzlich gewinselt hätte. Die Vorstellung allein war reizvoll. Zufrieden mit der Reaktion packte sie den Arm der anderen, stand einen Takt später hinter ihr und zeigte den Rest der Choreographie. Dabei vergaß sie keine Sekunde entweder die Takte ab zu zählen oder den Text zu singen, der sich so in ihr Gedächnis gebrannt hatte. Gerade diesen Tanz hatte sie so oft üben müssen, dass sie ihn wohl nie mehr vergessen würde. Sie hatte damals Probleme gehabt mit jemanden aus einer anderen Troupe zusammen zu arbeiten und Masao war schon damals ein Teil von Tsukigumi gewesen.

Der Choreograph aplaudierte als es schließlich doch irgendwie alle geschafft hatten und auch Asako klatschte ein paar Mal in die Hände.

"Gut gemacht. Machen wir fünf Minuten Pause", sagte sie und ging nach vorne. Vor der provisorisch auf den Boden gezeichneten Bühne stand eine Reihe von Tischen, daneben ein Klavier, an denen jeweils die Leiter des Stückes saßen. Asako war nicht entfallen, dass ein Platz noch immer frei war, was sie dann aber nicht weiter erstaunte. Der Platz gehörte dem Stimmtrainer, der praktisch ein Assistent des Chorleiters war. Die Aufgabe bestand meist nur darin die fehlerhaften Töne während des Gesangs auf zu spüren und aus zu merzen, wobei es inzwischen auch geläufig war derartiges bei der Choreographie und bei der Schauspielerei zu kritisieren. Kein Wunder also, dass Takarazuka vorzugsweise ehemalige Top Stars einstellte, die neben der Ausbildung noch Erfahrung aufwisen. Allgemein wurden sie nur 'Assistenten' genannt, verdienten aber letztenendes so viel wie Choreograph und Chorleiter zusammen.

Asako ging nach vorne, hatte dabei ihr Script in der Hand und beugte sich beim Choreographen über dessen Notizen, fing an mit ihm zu diskutieren welche Choreos aus dem alten Stück übernommen werden sollten, denn ihr Stück wurde ja nicht zum ersten Mal aufgeführt, und welche gänzlich neu gemacht werden mussten.

"Miladies", hallte es mit einem Mal vom Eingang der Trainingshalle. Ihre Vorgesetzte war eingetreten, klatschte einmal in die Hände um die Aufmerksamkeit der Schauspielerinnen zu erregen. "Ich denke euch ist schon aufgefallen, dass wir noch immer keinen Assistenten haben. Nun ich darf sie euch endlich vorstellen. Sie wird diese Saison und hoffendlich auch die nächsten bei uns bleiben. Die meisten von euch dürften sie bereits kennen. Ayaki Nao."

Fast hätte Asako ihr Script fallen gelassen, konnte aber nicht mehr verhindern, dass der Stift krachend auf dem Boden landete. Sie starrte zum Eingang, wo der ehemalige Top Star eintrat, lächelte und sich einmal umsah. Asako knirschte mit den Zähnen. Am liebsten hätte sie aufgeschrieen, hätte sie rausgejagt und ihr gesagt sie solle nie wieder kommen, aber wirklich etwas tun konnte sie nicht. Wenn Saeko tatsächlich die Rolle des Assistenten übernahm, dann konnte sie sie nicht einfach feuern oder rauswerfen. Stattdessen riss sie sich zusammen, legte ihr Script beiseite. Als Top Star und damit an der höchsten Position in Tsukigumi hatte sie eine gewisse Haltung zu wahren. Ausserdem hatte sie sich vorgenommen ihre Gefühle nicht überhand nehmen zu lassen, besonders nicht vor allen anderen. Gelassenen Schrittes ging sie zu der anderen, setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und hielt der anderen die Hand hin.

"Dann freue ich mich auf gute Zusammenarbeit."
 

Wie Saeko es schaffte noch aufrecht zu stehen war ihr schleierhaft. Ihr war danach einfach auf die Knie zu brechen, Asako alles zu beichten und dann am liebsten einfach in Ohnmacht zu fallen. Allerdings riss sie sich am Riemen, brachte sogar ein Lächeln zustande. Wieder fühlte sie, wie sie in Takarazuka die Masken aufsetzten um sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu lassen. Dennoch merkte sie, dass sie bleicher wurde als sie die Hand der anderen Frau schüttelte.

"Ich freue mich auch."

"Nun die meisten wirst du kennen." Asako drehte sich zur Hälfte, zeigte die vergleichsweise spärlich besetzte Truppe. "Wir arbeiten an zwei Projekten parallel, also sind wir auch nur die Hälfte der Leute. Es wird dir die Arbeit sicher erleichtern."

Eine der Musumeyaku trat zu ihr, lächelte sie an. Sie kannte das Gesicht, konnte aber den Namen nicht zuordnen.

"Ayano Kanami. Ich bilde die Kombi mit Sena", sagte sie höflich und auch ihr schüttelte Saeko die Hand mit einem Lächeln.

"Erfreut. Schön, dass Tsukigumi wieder eine Musumeyaku als Top Star hat."

Im Augenwinkel sah sie, wie Yuuhi zu ihnen kam, wobei sich Asako gleichzeitig von ihnen entfernte. Just als die zwei für einen Moment nebeneinander standen sah sie nur, wie Asako etwas zu Yuuhi sagte, die Angesprochene aber nur etwas betrübt dreinsah ehe sie entgültig zu Saeko ging.

"Schön, dass du wieder da bist", sagte die Otokoyaku, lächelte etwas schief. Saeko warf einen Blick von Yuuhi zu Asako und wieder zurück, aber Yuuhi schüttelte nur dezent den Kopf. Die Tod-Darstellerin lächelte.

"Freut mich ebenso. Also wie weit seid ihr?"

"Wir haben gerade Pause gemacht als du reingekommen bist", rief Asako vom anderen Ende des Raumes her. Sie hatte sich das Script genommen, ging damit durch den Raum während sie darin blätterte.

"Gut. Dann macht eure Pause noch zuende. Danach würde ich sagen fangen wir mit den Szenen an."
 

Obwohl es deutlich spürbar war, dass zwischen Saeko und Asako eine gewisse Spannung bestand schafften es beide Frauen einigermaßen gesittet das Training hinter sich zu bringen, mit Erfolg obendrein. Sie hatten es geschafft eine ganze Szene durch zu spielen. Viel, wenn man bedachte, dass es der erste Tag war. Zwar liefen die meisten noch mit Script in der Hand in den Szenen herum, aber zumindest kamen sie vorran. Saeko machte ihre Sache ebenfalls hervorragend. Da sie schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in Tsukigumi hatte, nicht zuletzt, da sie ja vor einigen Jahren selbst noch Top Star der Troupe gewesen war, erleichterte es ihr die Arbeit erst noch Respekt der jungen Schauspielerinnen zu bekommen. Gleichzeitig beobachtet die ehemalige Otokoyaku, dass Asako ihre Leute mehr als fest im Griff hatte. Sie sah manchmal im Spiegel, wie sie zu einigen der Frauen hinging, sie korregierte oder zusammenstauchte. Das alles mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Parallelen zu ihrem eigenem Führungsstil erschreckten selbst die Tod-Darstellerin. Selbst die Leiter des Stückes, die meist vorne an den Tischen saßen, schienen geradezu nach ihrer Pfeife zu tanzen, was Saeko ihre Arbeit dann doch etwas erschwerte. Es war nicht leicht gegen einen Top Star an zu reden, selbst, wenn nur die Hälfte der eigentlichen Troupe, die immerhin trotzdem aus über 30 Leuten bestand, hinter ihrem Top Star stand. Mit Ausnahme von vielleicht Yuuhi bemerkte Saeko auch ab und an diesen bewundernden Blick, den besonders die Jüngeren ihrem Top Star zuwarfen.

Am spätend Abend saß Saeko vorne auf ihrem Platz, hing über den Liedtexten und summte leise vor sich hin. Ihr gefiel das ganze Zusammenspiel der Töne nicht, wesshalb sie spontan entschieden hatte diese um zu stellen. Bis jedoch das Klavier frei war, an dem noch Asako mit dem Chorleiter eine Solonummer übte, musste sie sich mit ihrem eigenen Gehör und ihrer Erfahrung zufrieden geben. Hier und da schielte sie einmal zu Asako. Zwar übten sie nur den Refrain des Titelliedes, aber Saeko konnte deutlich hören, dass sich nicht nur das Verhalten sondern auch die Stimme des Top Stars entwickelt hatte. Sie stürzte nicht mehr mitten im Ton ab, hatte sehr viel mehr Atem und ihre Stimme klang angenehmer. Erst jetzt merkte sie, dass sie Asako's letzten Gesang nur als Elisabeth kannte. Ein Unterschied wie er größer nicht sein konnte, ebenso verwunderlich. Dass Asako sowohl die Frauen- als auch die Männerstimme übernehmen konnte... so ein Talent war selten, selbst in Takarazuka.
 

Asako starrte währenddessen gebannt auf ihr Script während sie mit dem Fuß leicht mitwippte und die Zeilen heruntersang so wie es ihr gesagt wurde. Es störte sie unheimlich, dass die Zeilen manchmal nicht auf die Melodie oder auf den Takt passten, was sie ebenso anmerkte und schon im Script verzeichnet hatte, aber bis es geändert wurde konnte sie nichts anderes tun als es so zu singen wie es auf dem Papier stand. Auch der Stift in ihrer Hand klopfte den Takt auf dem harten Holz des Klaviers, während aus selbigem die merkwürdig indisch angehauchte Musik kam. Sie mochte das Stück nicht. Die Geschichte war gut, mehr als gut sogar, aber die Verarbeitung war einfach unter aller Sau. Die Lieder waren ihr zu fremdartig, der Text teilweise sinnlos und obendrein war ihr Charakter ein einziges Weichei. Sie konnte sich jetzt schon in dem peinlichem Turban sehen, aber wenigstens musste sie das nur auf der Bühne tragen. Wenn es den Fans gefiel, dann war es ihr recht. Bei dem einen Ton musste sie jedoch drei mal ansetzen bevor sie ihn endlich traf. Es war dieser verflixte Ton, der zwischen zwei anderen lag und den ihre Stimme irgendwie nicht fassen konnte.

"Nimm den Kopf etwas hoch dabei", kam es von der Seite. Asako sah sich um und sah zu Saeko. Am liebsten hätte sie einen giftigen Kommentar abgelassen. "Schau mich nicht so an. Ich weis, dass du dich nicht gern kritisieren lässt, aber leb damit. Versuch es einfach."

Es half wohl nichts. Der Top Star hob das Script hoch, hielt es sich vor die Nase damit sie den Kopf etwas heben konnte. Zu ihrer Verwunderung traf sie den Ton tatsächlich, brummte aber nur leicht. Leider musste sie zugeben, dass Saeko wusste wovon sie sprach. Statt sich weiter zu beschweren legte sie das Script beiseite, sah noch zu dem Chorleiter.

"Ist es okay, wenn wir für heute aufhören? Es ist spät."

Der Chorleiter nickte nur etwas bevor er seine Sachen zusammenpackte. Ungeachtet der anderen Frau, die noch immer an ihrer Seite stand, drehte sie sich auf dem Absatz um, ging zu ihrer Tasche, die sie achtlos unter eine der Bänke geworfen hatte, und verstaute ihre Sachen. Noch immer spürte sie Saeko's beinahe durchdringenden Blick auf sich und es stellte ihr die Nackenhaare auf. Sie wollte nicht, dass die andere so eine Wirkung auf sie hatte, aber sie konnte es auch nicht verhindern. Asako konnte nicht anders als sich ein zu gestehen, dass sie die andere doch irgendwie vermisste, auch wenn sie gesagt hatte, dass sie Saeko nicht wiedersehen wollte. Sie vermisste den Atem der anderen an ihrem Hals, die Hände an ihrem Körper, die Haut der anderen an ihrer...

Asako schüttelte den Kopf. Nein sie durfte so nicht denken. Verdammt warum hatte Saeko nur so eine Wirkung auf sie? Es war schon fast nicht mehr lustig. Schon wieder fühlte sie diese gähnende Leere in sich, dieses klaffende Loch, dass Saeko in ihrem Leben hinterlassen hatte. Sie musste sich unbedingt ablenken. Glücklicherweise wartete Rio drausen auf sie.

Ohne die andere eines weiteren Blickes zu würdigen griff sie nach ihrer Tasche als sie aufstand, obwohl sie immer noch den Blick der Älteren spürte, ging strammen Schrittes zur Tür und verlies die Probenhalle. Fast gleichzeitig merkte sie, wie die Anspannung zumindest etwas von ihr abfiel. Es wurde ein wenig besser als sie das kalte Gebäude hinter sich gelassen hatte.

"Sena!", rief Rio, als sie auf sie zugelaufen kam. Ihre Nase war leicht angerötet und sie war dick in ihre Jacke und den Schal eingepackt. Sie hatte einen altmodischen Rucksack über der Schulter, aus der ein paar Seiten des Scriptes hingen.

"Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Wartest du schon lange?"

"Ein wenig."

"Na dann lass uns gehen, bevor du noch auf der Stelle fest frierst. Ich kann dir bei mir einen Kaffee machen."
 

Im Inneren des Gebäudes hatten sich inzwischen auch der Choreograph und die letzten Schauspieler verabschiedet, sodass Saeko die letzte im Raum war. Die Assistenten besaßen einen eigenen Schlüssel für die jeweilige Halle, denn sie blieben oftmals noch bis tief in die Nacht an den Klavieren oder hingen über ihren Scripten. Dafür mussten sie am Folgetag nicht ganz so früh erscheinen wie die Schauspieler, denn der Vormittag war meist für Aufwärmübungen und Wiederholungen reserviert. Der ehemalige Top Star hatte sich ans Klavier gesetzt, überflog die Notizen, die Asako ihr gereicht hatte zum ein oder anderem Lied. Sie verstand das Problem auf Annhieb, denn es war ihr auch schon aufgefallen. Die Lösungen dazu hatte sie aber auch schon im Hinterkopf. Schnell hatte sie die Motivation jedoch verlassen, hatte ihr Tagespensum immerhin schon erfüllt, und sie erwischte sich dabei, wie sie einfach irgendwelche Melodien auf den Tasten klimperte, die ihr gerade in den Sinn kamen.

Sing für mich.

Leise begann Saeko vor sich hin zu summen.

Was möchtest du denn hören?

Die Erinnerungen hingen ihr nach. Sie schloss die Augen, sah vor ihrem inneren Auge, wie sie mit Asako das Bett teilte und sie ihr leise zuflüsterte, sie langsam in den Schlaf sang.

Etwas, was ich kenne. Überrasch mich.

Die erst willkürlich gespielten Töne formten sich langsam aber sicher zu einer Melodie, die ihr nur allzu vertraut war. Saeko begann leise und für sich zu singen. Den Text und die Melodie, die sie schon so oft gesungen hatte.

"Tatta hitori no ningen na no ni (Nur ein einfaches menschliches Wesen)

Ore o furue saseru (Dennoch erbebe ich durch dich)
 

Omae no inochi ubau kawari (Ich kann dich nicht deines Lebens berauben)

Ikita omae ni aisaretai n da (Ich will die Liebe deines lebenden Ichs)

Kinjirareta ai no tabuu kara (Ich kann mich nicht befreien)

Ore wa mou nugedasenai (von dieser verbotenen Liebe, die ich beanspruche)
 

Kokoro o shimeru kono omoi (Dieser Gedanke, der Besitz von mir ergreift)

Karada ni kizamarete (zerreist meinen Körper)

Aoi chi o nagasu kizuguchi wa (Blut rinnt aus den Wunden)

Omae dake ga iyaseru (Du bist die einzige, die mich heilen kann)
 

Mada uketorenai sono inochi o (Für das Leben, dass ich noch nicht habe)

Ore no kono ai wa motomenu kagiri wa (Suche ich die Grenzen dieser Liebe)

Omae no ai o kachi eyou to oikake kita (Ich verfolge dich, bis ich deine Liebe gewinne)
 

Doko made mo oikake tsuzukeru (Woimmer du hingehst, ich werde dir folgen)

Ai to shi no rondo." (Das Lied von Liebe und Tod)



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