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Schachmatt mit der Hölle

(KaRe) Sequel zu 'Schachmatt mit dem Himmel'
von

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Spiel

Der Ärger war grösser als der Schock. Er war wütend auf diesen Irren, der sich Kai nannte, weil er in seinen Augen irgendein krankes Spiel mit ihm spielte. Und er war wütend auf sich selbst, weil er sich gegen ihn nicht wehren konnte. Er war wütend und unsicher, weil sein Verstand ihm sagte, dass so etwas eigentlich nicht sein durfte. Nichts, was in den letzten Wochen passiert war, hätte sein dürfen. Er war wütend auf seinen Körper, der ihm nicht mehr zu gehorchen schien. Wütend auf sein Unterbewusstsein, das ihm Bilder projizierte, wann immer er sie nicht verdrängen konnte.

Die Träume waren nicht verschwunden, doch sie hatten sich verändert. Es waren nun mehr flackernde Fragmente und Bruchstücke. Da waren immer noch der Engel und der Dämon, die Kai und ihm selbst bis aufs Haar glichen, und Schach spielten, doch dann plötzlich kam diese unglaublich beängstigende Unruhe auf, alles geriet durcheinander, er konnte beobachten, nein, er musste mit ansehen, wie Kai die schönen Flügel ausgerissen wurden, er schrie auf vor Schmerz, und dann fiel er und Rei versuchte, ihn zu retten, streckte die Hände nach ihm aus, doch es war zu spät, Kai fiel und fiel ins tiefe schwarze Nichts.

Schweißgebadet und mit einem stummen Schrei auf den Lippen wachte Rei auf. Sein Atem ging schnell und ruckartig, sein Herz pochte in der Geschwindigkeit eines Libellenflügels, seine Hände zitterten. Er setzte sich auf und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, griff nach dem Glas neben dem Bett und trank es gierig aus, versuchte, seine ausgetrocknete Kehle zu befeuchten. Als er das Glas zurückstellte, streiften seine Finger kurz das Buch und er hielt inne.

Dieses Buch hatte ihm nichts als Unheil gebracht. Schon mehrere Male hatte er es loswerden wollen, doch es brachte es nicht über sich.

Er ignorierte es und schob die Beine über den Bettrand, stellte die nackten Füße auf den Boden. Tief atmete er durch, um sich zu beruhigen, bevor er sich erhob und er sich mit wackeligen Knien in das kleine Badezimmer begab. Großzügig schaufelte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann stützte er sich mit beiden Händen am Waschbecken ab, die Augen geschlossen, und das Wasser lief ihm über das Gesicht, er spürte, wie es sich einen Weg über seine Wangen zum Kinn bahnte, wie es von dort hinuntertropfte, der Schwerkraft der Erde hilflos ausgeliefert.

Tief seufzend öffnete er die Augen und betrachtete sich im Spiegel. Dunkle Augenringe zeichneten sich ab, seine Wangen waren eingefallen. Er fühlte sich wie einer dieser Wassertropfen. Hilflos ausgeliefert in einem Spiel, dessen Regeln er nicht kannte. Er konnte nicht kontrollieren, wohin es ihn trieb, doch die Träume rissen ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn. Und Rei hasste es, die Kontrolle zu verlieren. Er hasste es und er verfluchte sich dafür, dass er dieses Tagebuch in dieser Nacht nicht einfach hatte liegen lassen. Mit einem frustrierten Stöhnen stieß er sich vom Rand des Waschbeckens ab, löschte das Licht und legte sich zurück ins Bett. Es war viel zu früh um aufzustehen und doch wusste er genau, dass es ihm nicht gegönnt sein würde, in einen tiefen, entspannenden Schlaf zu fallen. Es war wie jede Nacht, seit Kai das letzte Mal hier war.

Der Traum kehrte zurück, kaum hatte er die Schwelle des Schlafs überschritten. Doch diesmal waren es hauptsächlich Gefühle, hauptsächlich Eindrücke, die ihm beinahe die Luft abschnitten. Er fühlte Wut, in sich selbst und von außen, Hitze stieg rund um ihn auf, Worte wurden gesprochen, Worte, die anklagend klangen, voller Verachtung, dann spürte er einen kräftigen Schlag mitten ins Gesicht und sein Kinn schmerzte. Gegen seinen Willen wurde er an den Armen gepackt und in ein Verlies geworfen, es war dunkel und einsam und Verzweiflung überkam ihn, Verzweiflung darüber, dass er nicht bei dem sein konnte, den er liebte, Trauer und Hilflosigkeit übermannten ihn und er bebte am ganzen Leib.
 

Rei atmete die frische, kühle Luft ein. Es war früh morgens und kaum jemand war unterwegs. Er hatte nicht mehr schlafen können. Die Träume schnürten ihm die Brust zu, wann auch immer er an sie dachte. Einschlafen wollte er nicht mehr. Doch das Chaos in seinem Kopf war beängstigend. Keine seiner Fragen wurden beantwortet. Und derjenige, der vielleicht im Stande gewesen wäre, ihm Antworten zu geben, tauchte nur auf, wann es ihm für richtig erschien. Er seufzte und schloss die Augen, wandte das Gesicht der morgendlichen Sonne zu, deren Strahlen sanft über seine Haut streichelte, als wolle sie ihn beruhigen, als wolle sie ihm sagen, dass alles gut werden würde. Doch der Grund, warum ihm wieder etwas wärmer ums Herz wurde, verschwand schlagartig und an deren Stelle war Schatten getreten, dunkel und kalt.

Blinzelnd öffnete er die Augen und versuchte etwas zu erkennen, doch er sah lediglich eine Silhouette, die sich vom grellen Licht der Sonne abhob. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er, die Person zu erkennen und stöhnte, als er die silbrig-grauen Haare und die roten Augen wiedererkannte. Das Leben wollte ihn verhöhnen.

„Was willst du?“, fragte er unwirsch und er schloss die Augen wieder, wünschte sich, dass der andere vielleicht verschwand, wenn er ihn nicht mehr sehen konnte. Doch er hätte es besser wissen müssen, dachte er sich, als er spürte, wie Kai neben ihm auf der Bank Platz nahm. Er drehte den Kopf in seine Richtung und öffnete die Augen einen Spalt, blickte ihm fragend direkt in das höhnisch grinsende Gesicht. Grummelnd richtete er sich etwas auf.

„Hör mal, ich weiß zwar nicht, was für ein das Spiel ist, das du mit mir treibst, aber hör auf damit! Okay? Hör einfach auf!“, spuckte er aus hob die Hände, um seine Worte mit heftigen Gesten zu unterstreichen. Er war wütend, er war einfach nur wütend, er wollte sich sein Leben nicht von einem dahergelaufenen Möchtegern-Engel kaputt machen lassen. Er hörte, wie Kai leise seufzte.

„Das ist kein Spiel“, knurrte er und Rei rollte genervt mit den Augen, gab sich keine Mühe, es zu verstecken.

„Dann erklär es mir! Was willst du von mir? Bist du ein verdammter Stalker, oder was?“, flehte Rei, er wollte doch einfach nur Antworten.

Kai grinste schief, was Rei beinahe zur Weißglut brachte. Er schob den Unterkiefer nach vorne und verspürte das Verlangen ihn mit seinen bloßen Blicken zu erdolchen.

„Für Außenstehende mag das in der Tat so aussehen. Aber ich brauche dir nicht zu sagen, wer ich bin, du weißt es schon“, meinte Kai mit seiner kühlen Stimme. Rei blickte ihn verständnislos an. Das war eben gerade nicht das, was er hören wollte. Er presste die Zähne aufeinander, um ihn nicht gleich anzuschreien.

„Wieso sollte ich dir glauben?“, fragte Rei mit vor Beherrschung zitternder Stimme.

„Wieso vertraust du mir nicht?“, stellte Kai die Gegenfragte und Rei hätte ihm dafür am liebsten den Hals umgedreht.

„Du hast nicht gerade viel dafür getan. Vertrauen soll verdient sein, weißt du“, spuckte er aus und verschränkte stur die Arme vor der Brust.

Abermals hörte er Kai leise seufzen.

„Ach Rei, was muss ich denn tun, damit du mir vertraust?“, fragte er, mehr zu sich selbst.

Verunsichert wandte Rei seinen Blick zurück zu Kai. Konnte sein, dass er es sich nur eingebildet hatte, doch er dachte, Verzweiflung in dessen Stimme zu hören. Und das machte ihn stutzig.

„Sag mir die Wahrheit“, forderte Rei.

„Du kennst die Geschichte!“

„Ich glaube diesen Schwachsinn nicht“, zischte Rei und musste sich stark zusammenreißen, nicht einfach aufzustehen und weg zu laufen.

„Wenn es doch wahr ist“, stöhnte Kai auf und fasste sich an den Kopf, als hätte er Schmerzen. Rei starrte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Das ganze war einfach nur lächerlich. Er glaubte es nicht, er wollte es nicht glauben.

Plötzlich wurden Kais Züge ganz sanft und er blickte ihn mit funkelnden Augen an, das Rot schimmerte warm und er streckte eine Hand aus, um mit zwei Fingern leicht über die Narbe an seinem Kinn zu streicheln. Die Berührung war zart und hinterließ ein Kribbeln auf der Haut.

„Woher hast du diese Narbe, Rei?“, fragte Kai flüsternd, schaute ihm tief in die Augen.

Rei schluckte. Er konnte diesen Blick nicht Aufrecht erhalten.

„Ich bin als Kind hingefallen“, log er und drehte den Kopf weg.

„Lügner“, hauchte Kai ihm ins Ohr und überrascht, wie nah dieser ihm plötzlich war, drehte er den Kopf zurück, starrte ihn mit geweiteten Augen an.

„Der Dämonenfürst hat dich ins Gesicht geschlagen, weil du verhindern wolltest, dass man mir die Flügel ausreißt. Es ist das einzige, was bei Dämonen ein Mal hinterlässt.“

Reich schluckte hart. Kai war ihm immer näher gekommen, seine Hand hatte sein Kinn fest umschlossen und verhinderte, dass er zurückweichen konnte. Da war ein Ausdruck in seinen roten Augen, den er nicht beschreiben konnte. Vielleicht war es Dankbarkeit, Sehnsucht, Lust.

„Ich habe dich vermisst, Rei“, hauchte er gegen seine Lippen und Rei war unfähig, sich zu bewegen. Wieder einmal schien sein Verstand keine Macht über sein Hirn, sein Unterbewusstsein zu haben. Seine Brust war wie zugeschnürt und er fühlte ein Ziehen in seinem Bauch, es war, als hätte er Bauchschmerzen, die nicht weh taten. Seine Lungenflügel flatterten, als er einatmete. Sein Kopf füllte sich mit Watte und er erschauderte unter Kais intensiven Blicken. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt, voller Erwartung.

„Ich-“, versuchte Rei etwas zu sagen, vielleicht sogar abzublocken, doch seine Stimme versagte. Zu nah war Kai, zu deutlich konnte er dessen Wärme spüren, den Atem auf seinen Lippen, zu deutlich konnte er seinen Duft wahrnehmen, diese ummantelnde Aura.

Kai ließ seine Hand über sein Gesicht gleiten, den Kiefer nach hinten, er streichelte mit dem Handrücken über die Wange nach oben, strich ihm in der gleichen Bewegung eine verirrte Haarsträhne zur Seite, fuhr mit seinen Fingern über den Wangenknochen, wieder hinunter, zu seinem Mundwinkel und Rei kam ihm leicht entgegen, indem er den Kopf ein wenig zur Seite drehte und er spürte Kais Fingerspitzen hauchzart über seine Oberlippe tänzeln. Reis Lider flatterten und er legte den Kopf ein bisschen mehr nach hinten, atmete stockend durch den Mund aus.

Sein Körper kribbelte, und ihm war so heiß, dass er befürchtete, jeden Moment zu verbrennen. Da war dieses Verlangen in ihm, das er sich nicht erklären konnte, das tausend Mal stärker war als in seinen Träumen, von denen Kai behauptete, dass sie wahr waren, dass sie ihm seine Vergangenheit zeigten und Rei war sich plötzlich nicht mehr so sicher, dass das alles Humbug sein sollte. Da war etwas in ihm, in seinem Kopf, das nicht nur Kai und dessen Berührungen kannte, sondern auch die Wahrheit. Und dieses Etwas wurde grösser, je mehr er zuließ, dass Kai ihn berührte, bis es groß genug war, um seine Meinung ins Schwanken zu bringen. Nur weil die Menschen nicht an Engel und Dämonen glaubten, hieß das noch lange nicht, dass es sie nicht gab, dass sie nicht existierten.

Er fühlte, wie Kais Finger von seiner Oberlippe zur Unterlippe huschte und sie leicht nach unten drückte und er kam ihm nach, indem er seinen Mund leicht öffnete. Ein elektrisierender Schauer jagte durch seinen Körper und er bekam keine Luft mehr. Keuchend atmete er ein. Kai war ihm so nah. Und er bedachte ihn mit einem Blick, den ihn nur noch mehr erschaudern ließ.

Er wusste nicht, konnte nicht sagen, wie lange sie auf dieser Bank saßen und dieses Spielchen spielten, die Zeit wurde ein unwichtiger, nicht mehr messbarer Faktor in einem Universum voller übermannender Gefühle. Worte, Sätze durchschweiften seine Gedanken, summten in seinem Kopf, waren so greifbar wie Nebelschwaden. Er erkannte die Stimmen, Kais Stimme. Und seine.
 

‚Was für ein Spiel treiben Sie hier eigentlich?’, hörte er Kai unwirsch fragen, erkannte darin seine eigene Frage, seine eigene Unsicherheit und erkannte sich selbst antworten. ‚ Ich treibe keine Spielchen.’
 

‚Möchten Sie, dass ich Ihnen auch noch den Rest der Geschichte erzähle?’ Wieder er selbst.
 

‚Wie kommt es, dass Sie offensichtlich als einziger so viel über dieses Schach wissen?’ Kai.
 

‚Ich hatte mir gedacht, dass Sie leidenschaftlich sind, aber so fordernd.’ Seine Stimme, die so außer Atem klang.
 

‚Wie ist es möglich, dass Sie so erotisch sind?’ Kais flüsternde Frage.
 

‚Ich möchte Sie sehen können.’
 

Ein heißkalter Schauer übermannte ihn. Das klang alles so vertraut, als hätte er es schon einmal gehört. Er wollte, musste sicher sein, dass das stimmte. Mit vollem Willen hob er die Hand. Diesmal sollte er es sein, der freiwillig handelte. Er legte die Hand in Kais Nacken, fühlte die weichen, dunkelblauen Haare zwischen seinen Fingern hindurch gleiten, dann zog er ihn an sich, legte seine Lippen auf Kais. Er fühlte, wie Kai lächelte, vielleicht erleichtert, vielleicht triumphierend. Er spürte sein Herz, das beinahe einen Takt aussetzte und dann heftig gegen seine Rippen schlug. Er erschauderte, als Kais Lippen ihn leidenschaftlich zurück küssten und sein ganzer Körper kribbelte, als hätte er endlich Erlösung gefunden.
 

Warum nur hatte er sich so sehr dagegen gesträubt?
 

Warum nur war er darauf fixiert, dass diese Geschichte Schwachsinn war?
 

Warum nur hatte er dieses Spiel nicht viel früher angefangen mitzuspielen...?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BeautyRani
2011-11-27T13:38:35+00:00 27.11.2011 14:38
Hi^^

zuerst möchte ich sagen, dass ich den Schachmatt One-Shot klasse fand, alles hat gepasst, die ungewöhnliche Story, das Setting, die tolle Ausdrucksweise von damals (du weißt ja inzwischen wie sehr ich darauf stehe ^^) und ich hab mich richtig gefreut, als du daraufhin noch eine Fortsetzung geschrieben hast.

Die hast du ebenfalls gut hinbekommen, wobei der One-Shot wirklich mein Favorit bleibt, hast du da ja alles in einem Kapitel sehr gut verpackt und auf den Punkt gebracht^^

Trotzdem interessiert es mich, wie die Story in der Neuzeit weitergeht, wo Rei zu einem kleinen Dieb geworden ist :D
Seinen Raubzug hast du übrigens sehr gut beschrieben...hast darin wohl schon Erfahrungen gemacht ^.~

Kleiner Schwerz am Rande, mich würde aber mal interessieren, wieso Kai sich nun an alles erinnern kann und Rei nicht, wurde er ja schließlich genauso wiedergeboren wie Rei oder ist er wirklich fast 500 Jahre alt? o.O"

So, nun freu ich mich schon mal auf den Epilog und die Lemon? Oder hab ich die mit Sudents verwechselt ^^° *bisschen verwirrt bin*

LG


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