Zum Inhalt der Seite

Schachmatt mit der Hölle

(KaRe) Sequel zu 'Schachmatt mit dem Himmel'
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schach

Es war ihm ein Leichtes, in das Gebäude einzubrechen. Er war schon viele Male drin gewesen und nach jedem Diebstahl, der früher oder später entdeckt werden musste, wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, doch nie dort, wo die eigentliche Schwachstelle war.

„Was hast du vor?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm, die er irgendwie schon einmal gehört hatte. Erschrocken drehte Rei sich um und erblickte den Mann, der am Vormittag neben ihm gestanden und das Schachspiel angeschaut hatte.

„Was zum-! Was geht Sie das an?“, keifte er und blickte ihn misstrauisch an. Der andere lächelte ein kaltes Lächeln.

„Wenn du das vor hast, was ich denke, dann geht es mich sehr wohl etwas an“, sagte er berechnend und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Hausmauer.

„Sie waren es doch, der gesagt hat, es wäre ein Jammer, das Schach in einem Glaskasten zu sehen“, giftete Rei zurück, langsam wurde er sauer, dieser Idiot versaute ihm noch seinen geplanten Einbruch.

„Natürlich, das ist noch immer meine Meinung, aber es zu klauen“, seufzte der andere und er fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das im nächtlichen Licht silbern schimmerte.

„Hören Sie, wenn Sie etwas dagegen haben, dann halten Sie mich auf und rufen Sie die Polizei oder die Nachtwache, ansonsten wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich einfach weitermachen ließen“, versuchte Rei geduldig zu bleiben. Was fiel diesem Kerl ein, was dachte er, wer er war, dass er ihm so kam.

„Tu, was du nicht lassen kannst“, seufzte der Fremde jedoch nur.

Fragend blickte Rei ihn an, zuckte jedoch dann mit seinen Schultern und wandte sich erneut seinem Vorhaben. Geschickt kletterte er an dem Seil hoch in den dritten Stock. Das Schachspiel befand sich zwar im Erdgeschoss, doch auch da würde er irgendwie hinein gelangen. Lautlos kletterte er über einen schmalen Sims etwa zur Mitte der Fassade. Dort hatte die Verwaltung ihr Büro und die Sekretärin öffnete in der Regel immer das Fenster, bevor sie nach Hause ging und wie er sich gedacht hatte, war das Fenster einen Spalt breit geöffnet. Es fiel ihm nicht schwer, die Verriegelung durch den Spalt aufzumachen und das Fenster aufzustoßen. Leichtfüßig glitt er hinein und durchquerte das kleine Zimmer, huschte durch die Tür, an den Wächtern vorbei, die sowieso schläfrig und unachtsam waren, in das Erdgeschoss. Es war stockdunkel im Raum, einzig die Lichter der Taschenlampen der Wächter erleuchteten hie und da eine Plastik oder auch nur Fußboden. Aber er brauchte kein Licht, seine Augen waren zu gut. Schnell hatte er das Schloss der Vitrine geknackt und nur kurz hielt er das Schachspiel in den Händen, um es schließlich in seinen Sack zu verstauen, den er immer auf seine Beutezüge mitnahm. Den Rest interessierte ihn nicht und so huschte er durch die Tür der Cafeteria, wo er sich eine Praline aus einem Schälchen auf einem Tisch stibitzte und einfach das Fenster öffnete und daraus verschwand, um dann über den Zaun zu klettern.

Siegessicher grinsend schritt er die Straße wieder hinauf. Dort stand noch immer der Fremde an die Wand gelehnt. Augenverdrehend wollte er an ihm vorbeigehen, doch der Mann streckte einen Arm aus und hielt ihn auf.

„Hat es sich gelohnt?“, fragte er mit trockener Stimme.

„Klar doch!“, grinste Rei triumphierend.

Auch auf das Gesicht des Fremden stahl sich ein kleines schiefes Grinsen, wurde aber sofort wieder ernst.

„Du hast etwas, was mir gehört.“

Perplex starrte Rei ihn an. Er hatte keine Ahnung, was er damit meinen könnte. Doch ehe er fragen konnte, hörten sie von Innen laute Stimmen, anscheinend war der Diebstahlt bereits bemerkt worden.

„Das ging ja schnell“, grummelte Rei.

„Dann sollten wir besser verschwinden“, meinte der Fremde und wandte sich zum Gehen, Rei nickte bloß und folgte ihm, da er in die gleiche Richtung gehen musste, was ihn ärgerte.

Doch weit kam er nicht, denn der Fremde drehte sich plötzlich um, packte ihn an den Schultern und knallte ihn gegen eine Hausmauer.

„Was zum Teufel soll das?“, fauchte Rei ihn an und schubste ihn weg. Das war die Höhe. „Wer sind Sie überhaupt?“

Der Fremde starrte ihn an und seine roten Augen bohrten sich in die seinen und er konnte es nicht beschreiben, doch er hatte das Gefühl, diese Augen zu kennen.

„Ich bin Kai Hiwatari und du hast mein Tagebuch“, raunte der Fremde.

Reis Augen weiteten sich, als er erfasste, wo er den Namen schon mal gehört, in diesem Falle gelesen hatte. Er blinzelte.

„Du siehst aber nicht aus wie vierhundertachtzig Jahre“, wollte er ihn veräppeln und prustete los.

„Vierhundertneunundsiebzig“, korrigierte er ihn und seine Stimme war so eisig, dass Rei sofort verstummte, „und eigentlich wurde ich in der Zwischenzeit wiedergeboren.“

Ungläubig und mit einer hochgezogenen Augenbraue starrte Rei ihn an. Sein rechter Mundwinkel zuckte. Doch dann besann er sich, was in dem Buch stand.

„Aber, das ist unmöglich!“, versuchte er sich selbst zu überzeugen, doch weiter kam er nicht, denn der Fremde hatte sich ohne die kleinste Vorwarnung nach vorne gelehnt und drückte die Lippen auf seinen Mund, den er vor Schreck geöffnet hatte. Protestierend krallte er ihm die Finger in die Schultern um ihn wegzuschieben, doch er scheiterte kläglich. Sein Körper spielte nicht mit. Als ob ein Teil seines Gehirns nicht mehr unter seiner Kontrolle stand. Er fühlte die Zunge in seinem Mund, fühlte die Hände auf seinem Körper und ihm wurde unglaublich heiß. Doch er wollte sich wehren. Und seinen Willen würde er durchsetzen. All der Verstand, der ihm noch übrig geblieben war, kratzte er zusammen, ballte die Hand zur Faust und schlug zu, so fest er konnte. Kais Lippen wurden weggerissen, doch er blieb an Ort und Stelle und rieb sich lediglich das Kinn.

„Du hasst es noch immer, die Kontrolle zu verlieren, unglaublich, Rei“, murmelte Kai und ein Lächeln legte sich auf die Lippen. Doch Rei war auf etwas ganz anderes aufmerksam geworden.

„Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er keifend und versuchte, irgendwie zwischen diesem Irren und der Wand zu entkommen. Doch Kai stütze nun auch die andere Hand an der Mauer ab und ließ den Kopf hängen.

„Du hast doch das Tagebuch gelesen, Rei, und auch die Bilder gesehen, kannst du nicht eins und eins zusammenzählen?“ seufzte er tadelnd und Rei fühlte sich sofort schuldig.

„Natürlich habe ich das, aber wieso sollte ich diesen Schwachsinn glauben, der da drin steht? Das ist ein schlechter Witz, weiter nichts!“

Irritiert und wütend zugleich stieß er Kai von sich und stürzte einige Schritte von ihm weg, warf ihm noch einen letzten, zweifelnden Blick zu, dann rannte er nach Hause, ohne sich auch nur noch einmal umzublicken. Kai seufzte.

„Wieso hast du dann das Schachspiel gestohlen, Rei?“
 

Als Rei zuhause war, zog er sich ohne Umschweife aus und legte sich ins Bett, zog die Bettdecke weit über seinen Kopf und zwang sich, zu schlafen. Doch auch als die Sonne aufging und es draußen hell wurde, konnte er noch immer kein Auge zu tun und so stand er auf und zog die Vorhänge zu. Sein Blick fiel auf den Sack mit dem Schachspiel drin und irgendwie wurde er das Gefühl nicht mehr los, dass es ihn anklagte. Nicht, dass er jemals ein schlechtes Gewissen gehabt hätte nach einem Diebstahl.

Es war zum verrückt werden. So sehr er sich auch auf etwas anderes versuchte zu konzentrieren, so tauchte stets wieder das Bild dieses Mannes vor seinem geistigen Auge auf, das kühle, emotionslose Gesicht dieses irren Fremden, der sich selbst Kai nannte und der behauptete, vierhundertneunundsiebzig Jahre als zu sein und ihn zu kennen.

Und da war da dieses komische Tagebuch, das ihm gehörte und in dem sein eigenes Ebenbild gezeichnet worden war. Und dann diese Geschichte. Sollte sie tatsächlich wahr sein, was Rei keinesfalls auch nur ansatzweise glaubte, dann würde das ja heißen, dass dieser Kai der Engel war und er selbst der Dämon. Das war lächerlich. Dieser Kerl war alles andere als ein Unschuldslamm, geschweige denn ein Engel. Waren Engel nicht so etwas wie heilige Gesetzeshüter? Dann hätte er ihn doch vom Diebstahl abhalten sollen und ihn erst recht nicht geküsst. Das hatte eher was mit einem Dämon gemein.

Rei schnaubte und Anbetracht der Tatsache, dass er sowieso nicht mehr hätte schlafen können, erhob er sich von seinem Bett und kramte in der Tasche des Mantels, den er zuvor einfach achtlos zu Boden hatte fallen lassen, nach dem Tagebuch. Es ließ ihn einfach nicht los.

Er schlug die Seiten mit den Skizzen auf. Und da waren sie wieder, diese feinen Linien, die sein Gesicht formten. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er in den Spiegel, der an der Wand seines Zimmers hing. Jedes Detail stimmte. Die Augen, die Augenbrauen, die Nase, der Mund, die hohen Wangenknochen, die Fransen, die ihm ungezähmt ins Gesicht hingen, die feine Narbe am Kinn. Er hatte sich nie gefragt, woher er diese Narbe hatte. Er war damit aufgewachsen und hatte immer angenommen, dass er als Kind einmal gestürzt war. Er hätte auch keine Eltern mehr gehabt, die ihm hätten sagen können, was passiert war.

Sein Blick fiel auf eine weitere Skizze, auf der sein Ebenbild schief lächelte. Nur zu gut kannte er dieses schiefe Lächeln. Er trug es selbst oft. Etwas, was die Frauen schwach werden ließ.

„Nein“, sagte er plötzlich und die Lautstärke erschreckte ihn selbst, das Buch fiel ihm aus den Händen.

Die Lippen zusammenpressend betrachtete er das kleine lederne Buch noch ein letztes Mal, bevor er sich abwandte und es einfach liegen ließ.

Nein, er wollte nicht zulassen, dass er vielleicht doch noch mit dem Gedanken zu spielen anfing, dass diese absolut lächerliche Geschichte wahr sein könnte. Er war lediglich übermüdet.
 

Die darauffolgenden Tage verbrachte er damit, spazieren zu gehen. Er musste seinen Kopf lüften. Alpträume suchten ihn nun jede Nacht heim und erfüllten seinen Kopf mit Chaos und irrwitzigen Gedanken von diesem Engel und dem Dämon, träumte Dinge von sich selbst und diesem irren Fremden, die er niemals getan hatte und nicht einmal in den kühnsten Träumen freiwillig geträumt hätte. Es schienen wie Erinnerungsfetzen an ein altes Leben zu sein, so präzise und detailreich wie sie in seinem Gedächtnis hängen blieben.

Kopfschüttelnd blieb er stehen und drehte sich abrupt um. Seit dem Treffen mit Kai fühlte er sich merkwürdig beobachtet, als würden dessen rote Augen jedem einzelnen seiner Schritte folgen. Es war unheimlich. Einmal hatte er sogar gerufen, er solle rauskommen, wenn er sich traue, doch natürlich war keine Antwort gekommen.

Das wachsende Gefühl, paranoid zu werden, ließ ihn frustriert aufstöhnen. Es war nun schon einige Wochen her, seit er den Fremden das letzte Mal gesehen hatte. Wut machte sich jedes Mal in ihm breit, zusammen mit einer ihm unerklärlichen Erregung, wenn er nur daran zurück dachte, wie er ihn geküsst hatte. Er hatte sich damals kaum rühren können. Als würde er selbst es nicht zulassen, als wolle er tief in seinem Inneren von ihm geküsst werden und er erinnerte sich nur zu gut an die Träume, in denen er vor Leidenschaft beinahe vergangen war.

Seufzend schloss er die Augen und rieb sich die Stirn. Wenn diese Träume so weitergingen, dann musste er vielleicht doch einen Psychologen aufsuchen, der seine freudschen Theorien ausbreiten und ihn analysieren konnte. Oder gleich zu einem Psychiater, der ihn der Schizophrenie diagnostizieren und ihm irgendein Medikament dagegen verschreiben würde. Doch er hielt nichts von Traumdeutung und dass er nicht wirklich schizophren war, wusste er selbst. Da würde auch das stärkste Medikament nicht helfen. Denn er bildete es sich nicht ein. Weder Kai, noch irgendetwas anderes.
 

Das konnte er spätestens drei Tage danach eindeutig bestätigen, als er gerade die Tür zu seinem Zimmer im dritten Stock öffnete und den Raum betrat. Dort hockte Kai auf dem Fenstersims und sofort verfluchte er sich selbst, dass er das Fenster offen gelassen hatte. Mit zusammengekniffenen Augen warf er ihm funkensprühende Blicke zu.

„Was willst du hier?“, keifte er und fragte sich gleichzeitig, wie er überhaupt hier hoch gekommen war. Auf jeden Fall nicht durch die Tür.

„Mein Tagebuch holen. Aber da du es offensichtlich ständig bei dir trägst, hole ich mir eben das da“, sagte er trocken und hielt den Sack mit dem Schachspiel hoch, dem er zwar immer wieder böse Blicke zugeworfen, es jedoch nie ausgepackt hatte.

„Was?“, fauchte er empört und schritt auf den Eindringling zu, der ihn nur schief angrinste.

Nur einen halben Meter von ihm entfernt blieb er stehen und streckte die Hand nach dem Sack aus, da wurde er überraschend am Kinn gepackt. Kai zog ihn dicht an sein Gesicht. Das intensive Rot seiner Augen funkelte heimtückisch, bevor er ihn noch etwas näher zog und seine Lippen auf Reis presste. Rei keuchte auf und wollte ihn von sich stoßen, doch sein Körper gehorchte nicht. Es war, als würde er von einer ihm völlig fremden inneren Kraft getrieben, den Kuss zu erwidern. Sein Mund öffnete sich und er spürte, wie die Zunge des Fremden frech über seine Lippen leckte und sich langsam zwischen sie schob. Rei fühlte die Hitze in sich ausbreiten, fühlte dieselbe Leidenschaft und Erregtheit wie in seinen Träumen, nur tausendmal stärker. Sein Arm hob sich und seine Hand legte sich wie von selbst in den Nacken des Fremden, während er sich mit der anderen an dessen Handgelenk festklammerte. Sein Herz schlug furchtbar schnell. Seine Sinne waren beinahe vollkommen vernebelt.

„Ach Rei, du wirst mir niemals widerstehen können.“

Es war, als hätten ihm diese Worte einen Schlag mitten ins Gesicht verpasst. Mit einem Mal wurde er sich wieder bewusst, wo er war und was er hier tat. Erschrocken und wütend riss er sich von den Lippen des anderen los und stieß ihn mit aller Kraft zurück. Wie in Zeitlupe sah er, wie Kai nach hinten kippte und ihm wurde bewusst, dass das Fenster noch immer offen stand. Doch Kais Lachen verwirrte ihn und er war hin und her gerissen zwischen Wut und Angst und bevor er einen weiteren klaren Gedanken fassen konnte, war Kai rücklings aus dem Fenster gefallen.

„Kai!“, rief er und der Name hallte in seinem Kopf nach, als er mit ausgestreckten Armen zum Fenstersims preschte um hinunter zu blicken.

Doch da war niemand. Einzig Kais Name und dessen Lachen hallte in seinem Kopf wieder, während er mit weit aufgerissenen Augen und Mund auf das Gras unter seinem Fenster starrte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jackie20
2011-11-07T07:52:58+00:00 07.11.2011 08:52
tolles kapitel
find das Sequel echt gut
frag mich ob rei sich bald wieder errinnern kann
schreib schnell weiter
freu mich schon auf das nächste kapitel
bye


Zurück