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Loveletter

von

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Der Luftschlosserbauer

Der Abend war schön gewesen.

Mit diesem Gedanken und einem Lächeln auf den Lippen, legt Michael Schlüssel und Geldbeutel auf dem Esstisch ab.

Ein Griff in seine Jackentasche lässt ihn sein Handy spüren. Sie hat ihm tatsächlich ihre Nummer gegeben! Sein Herz beginnt schneller zu schlagen.
 

Er zieht das kleine, silberne Gerät hervor. Dabei fällt ein Zettel zu Boden. Michael bückt sich danach, faltet ihn vorsichtig auseinander und erkennt den Kassenbon des Blumenstraußes von heute wieder. Immer noch lächelnd befestigt er ihn an der Pinnwand, die gegenüber seinem Sofa an der Wand hängt.

Ein leichtes Kribbeln setzt in seiner Magengegend ein.
 

Warum fühlt er sich auf einmal so, als könne er die ganze Welt umarmen?
 

~*~*~
 

Geduldig darauf wartend, dass die Verkäuferin den Strauß fertig zusammenstellte, sog Michael den schweren, leicht süßlichen Geruch tief in sich auf. Unglaublich. Warum hielt er sich so selten in Blumenläden auf?

Vermutlich weil ihm bisher immer der passende Anlass gefehlt hatte, dachte er zynisch. Noch nicht einmal seiner Mutter, hatte er die letzten Jahre Blumen geschenkt; sie an ihren Geburtstagen immer nur mit Pralinen und Gutscheinen überschüttet, worüber sie sich aber nie beschwert hatte – zumindest nicht in seiner Anwesenheit.
 

Mia hatte ihn zum Essen eingeladen. Bei sich. Um sich für die Mithilfe beim Umzug zu bedanken. Sie wolle für ihn kochen, hatte sie gesagt.

Und sich nicht davon abbringen lassen, auch wenn er zwei, drei Versuche gestartet hatte, zu protestieren.

Er konnte sich doch von keiner frisch gebackenen Uni-Absolventin bekochen lassen, die noch nicht mal ihr erstes Monatsgehalt empfangen hatte!

Und wer wusste denn schon, was sie vorhatte? Vielleicht kam sie da mit einem Super-edlen Drei-Gänge-Menü an und stürzte sich seinetwegen in immense Unkosten?

Ganz zu schweigen, von der vielen Arbeit, die sie sich damit machte!
 

Nein, es wäre ihm wirklich lieber, er könnte sich für sie an den Herd stellen. Nicht umgekehrt.

Aber wie gesagt, sie hatte sich nicht umstimmen lassen.
 

Also würde er ihr nun wenigstes Blumen mitbringen. Keine klischeehaften Rosen, sondern einen bunt zusammengewürfelten Frühlingsstrauß in weiß- und verschiedenen rosa-Tönen. Hoffentlich traf er damit ihren Geschmack.
 

*
 

Tat er.

Mia strahlte, blühte regelrecht auf, als sie ihm wenige Stunden später die Tür öffnete und sein Mitbringsel in Empfang nahm.

„Die sind wunderschön. Danke!“, sie ging ihm voraus in die Küche. Michael folgte ihr in den Wohnbereich. Es roch nach Fisch.

„Kann ich dir noch bei irgendwas helfen?“

„Nö. Ist schon alles fertig!“, sie lachte, „Setz dich.“

Sie war auffallend guter Laune. Und Michael musste sich eingestehen, dass es ihm gut tat sie so zu erleben.
 

Auch seine Sorgen, waren unbegründet gewesen. Es gab kein Menü. Sondern lediglich Schollenfilet mit Kartoffeln und einem einfachen Salat.

„Ich bin ja eigentlich kein sonderlicher Fan von Fisch“, versuchte er nach den ersten Minuten des Schweigens ein Gespräch in Gang zu bringen, „aber …“

„Oh!“, Mia ließ die eben zum Mund geführte Gabel zurück auf ihren Teller sinken und sah ihn beschämt an, „Das tut mir Leid. Ich hätte nachfragen sollen, nicht wahr?“

Michael verzog den rechten Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen.

„Aber“, nahm er den Faden wieder auf, „der hier ist wirklich ausgezeichnet. Und damit übertreibe ich kein bisschen, glaub mir!“

Sie schaffte es nicht ganz, das geschmeichelte Lächeln auf ihrem Gesicht zu verbergen.

„Dann stehst du eher auf Fleisch?“, stellte sie schnell die nächste Gegenfrage.

„Ja!“, er nickte, „Bis auf Geflügel.“

Überrascht sah er auf, da Mia versucht war, ein Lachen zu unterdrücken. „Was ist?“

„Nichts!“, grinsend schüttelte sie den Kopf, „Ich mag nur auch kein Geflügel und meine Mutter ist mir damit die ganze Zeit in den Ohren gelegen!“

„Warum denn? Du kannst doch nichts für deinen Geschmack.“

„Sie hatte Angst ich würde zu wenig Eiweiß abbekommen. Als könnte ich das durch Rindfleisch nicht auch aufnehmen!“, sie verdrehte die Augen.
 

Er schmunzelte.

„Wo wohnen deine Eltern, wenn sie zu weit weg waren, um mal eben her zu kommen?“

„In München!“, antwortete Mia knapp, da sie gerade im Begriff war einen Schluck von ihrer Apfelschorle zu trinken. Alkohol hatte sie nicht angeboten, da ihr Gast immerhin noch fahren musste.

„Oha!“, Michael hob beeindruckt die Augenbrauen, „Das ist wirklich weit weg! Heißt das, du bist freiwillig hier hoch in den Norden gekommen?“

Sie bejahte lächelnd: „Ich wollte schon immer in irgendeine Hansestadt. Das war mein Traum, seit wir zweimal hier oben Urlaub gemacht hatten!“

„Und du hast ihn wahr gemacht!“, sagte Michael anerkennend, während er den Blick über ihr Gesicht wandern ließ, als würde er sie heute zum ersten Mal ansehen, „Ich weiß nicht, ob ich es mich damals getraut hätte, gleich am Anfang so weit von zu Hause wegzuziehen!“

Ihm war mit einem Mal sehr warm und er fühlte sich merkwürdig leicht.
 

„Was arbeitest du eigentlich?“, fragte sie interessiert, „Wir reden die ganze Zeit nur von mir.“

„Ich bin bei einem Verlag. Als Lektor!“, Michael griff nach dem Salatbesteck und nahm sich nach.

„Ich hab auch mal überlegt, in die Richtung zu gehen!“, erzählte Mia, „Aber … mich immer durch Bücher quälen, auch durch solche die mich thematisch gar nicht interessieren, das könnte ich nicht!“.

„Klar, versteh ich!“, gab er zu, „Ich kann nach Feierabend auch kein Buch mehr sehen. So richtig Muse zum Lesen, bekomme ich eigentlich auch nur während meines Urlaubs oder manchmal an den freien Wochenenden. Und was hast du studiert?“

„Journalismus!“

„Dann schreibst du für die Zeitung?“

„Ja!“, ein ganz klein wenig Stolz konnte er bei diesem Wort aus ihrer Stimme heraushören, „Jetzt zu Anfang, natürlich nur kleine Sachen. Eigentlich fotografiere ich ja lieber, als dass ich schreibe. Wer weiß, vielleicht kann ich das später auch noch mit einbringen?“

„Ganz bestimmt!“, er lächelte aufmunternd, „Du brauchst einfach nur ein wenig Geduld!“
 

Er hätte ewig so mit ihr weiterreden können. Einfach nur reden. Zuhören. Ihrer Stimme lauschen und sie dabei unverwandt ansehen dürfen.

Was hätte er darum gegeben, die Zeit anzuhalten. Der Abend verging wie im Flug. Und viel zu schnell.
 

*
 

Schweren Herzens warf Michael sich seine Jacke über. Er wollte sich gerade noch einmal zu Mia umdrehen, als er eine flüchtige Berührung an seiner Hand spürte. Ein Zettel, der hineingeschoben wurde.

„Meine Nummer!“, Mia blickte ihm zwar selbstsicher in die Augen, konnte aber bei ihrem nächsten Satz, das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht gänzlich verbergen, „Ich würde dich gern wiedersehen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde, war er sprachlos. Was sollte er tun? Durchklingen lassen, wie sehr ihn das Angebot freute? Oder es lieber kaschieren?

Dem ersten Impuls nachgebend lächelte er schließlich. Offen und ehrlich. Dann ein Nicken.

„Ich melde mich die nächsten Tage bei dir!“, er klang trotzdem rau. Als hätte er tagelang nicht mehr gesprochen.

Doch das schien ihr, Gott sei Dank, nicht aufzufallen. Sie lächelte nur warm zurück.

„Komm gut nach Hause!“
 

Er speicherte sich die Nummer ein. Noch im Auto, bevor er losfuhr.

Und brauchte dafür drei Versuche, weil er sich auf der kleinen Tastatur seines Handys andauernd vertippte.

Doch das war ihm gleichgültig. Er hätte sich die Zahlenreihe ohnehin Stundenlang durchlesen können, bis er sie vorwärts und rückwärts auswendig wüsste.
 

~*~*~
 

„Ich würde dich gern wiedersehen.“

Michael hat den Klang dieses Satzes immer noch im Ohr. Er lässt sein Herz jubilieren und ihn selbst leicht schwindeln vor Glück.

Konnte man sich wirklich so plötzlich verlieben?

Er hat keine Lust darüber nachzudenken. Weiß nur, dass es sich unsagbar wundervoll anfühlt!
 

Sie will ihn wiedersehen. Zeit mit ihm verbringen. Freiwillig, von sich aus!

Er vollführt mit ausgebreiteten Armen eine Drehung einmal um die eigene Achse, bevor er sich auf sein dunkelgraues Sofa fallen lässt.

Und er hat gesagt, er würde sich bei ihr melden.

Doch was vorschlagen?

Eis essen, solange die Tage noch schön waren? Kaffeetrinken?

Kino? Nein, da lief im Moment nur Schrott. Haufenweise vulgäre, peinliche Komödien! Keine gute Idee.

Aber vielleicht ein Spaziergang an der Alster? Bei den herbstlichen Farben zurzeit da draußen bestimmt großartig! Und dann auch noch für eine Hobby-Photographin wie sie …
 

Wie elektrisiert fährt Michael mit einem Mal hoch.

Sie interessiert sich für Fotografie. Natürlich! Die Fotoausstellung im Rathaus!

Das wäre doch was für sie!

Hoffentlich ist Mia noch nicht drin gewesen.

Er würde sie morgen Nachmittag einmal anrufen und sicherheitshalber nachfragen.



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