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Loveletter

von

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Die Zuversichtliche

Den ersten Arbeitstag erfolgreich hinter sich gebracht, betritt Mia ihre nun endlich eigene Wohnung, hängt die Jacke an die Garderobe und lässt sich auf ihr neues Sofa fallen.

Sie kann es immer noch kaum fassen:

Vor drei Tagen hatte sie noch immense Zweifel wegen des Umzugs und jetzt sitzt sie hier und hat alles zusammen was sie braucht und alles erledigt, was zu erledigen war.
 

Jedes Mal, wenn sie daran denkt, kommt ihr ihre Angst kindischer vor.

Andererseits hätte sie so Michael nie kennengelernt und ohne seine Hilfe wäre das niemals so schnell von statten gegangen.
 

Mit dem Beschluss, sich einen Tee und etwas zu Essen zu machen, begibt sie sich in die angrenzende Küche.

Der Wasserkocher ist noch halbvoll, sie muss ihn nur noch anschalten. Im Kühlschrank finden sich Brot und Käse. Die Butter hat sie auf der Ablage stehen lassen.

Doch bevor sie wirklich damit anfängt sich ein kaltes Abendessen zu richten, bleibt Mias Blick noch für eine Weile auf der Kühlschranktür ruhen.

Da hängt, befestigt mit einem Magneten in Form eines lächelnden Marienkäfers, der Zettel mit Michaels Nummer.

Wie ist sie jetzt froh darüber, ihn angerufen zu haben. Auch wenn es einiges an Überwindung gekostet hatte.
 

Vielleicht sollte sie die Nummer so langsam doch in ihrem Handy einspeichern.
 

~*~*~
 

Nervös kaute Mia auf ihrer Unterlippe während sie regungslos in ihrem Zimmer stand und die handgeschriebenen Zahlen auf dem kleinen Blatt Papier musterte.

Die ganze Zeit schon hatte sie mit dieser Frage gehadert. Hatte ihr Zimmer leergeräumt, alles weggeschmissen, was sie nicht mehr brauchte, den Rest in Kisten und Taschen verpackt, ihre Bilder von den Wänden genommen. Alles um die Entscheidung hinauszuzögern.
 

Sie konnte sich doch von einem wildfremden Mann nicht beim Umzug helfen lassen. Was, wenn der auf sie losging, sobald sie allein waren?

Sie nahm ihr Handy in die Hand und ließ ihren Daumen über die Zahlen schweifen, die sie würde wählen müssen. Er hatte weder ihre Adresse, noch ihre Telefonnummer. Sie könnte den Zettel wegschmeißen, ihn in die Tüte zu dem anderen Müll stopfen, und würde Michael vermutlich nie wieder sehen.
 

Ein wenig schade fände sie das dann allerdings doch. Er war nett gewesen.

Und was, wenn er jetzt ernsthaft auf ihren Anruf wartete? Wenn er sich frei genommen hatte und den ganzen Tag nicht außer Haus ging, damit sie ihn erreichen konnte?
 

Mia beschloss, dass es keinen Sinn hatte, weiter darüber nachzugrübeln. Davon würde sie auch nicht schneller vorankommen.

Genervt aufseufzend gab sie sich also einen Ruck, tippte die Nummer ein und drückte dann so rasch wie noch nie auf den grünen Telefonhörer, damit sie es sich nicht noch einmal anders überlegen konnte.
 

Mit klopfendem Herzen wartete sie das Tuten ab. Nach dem dritten Mal nahm am anderen Ende der Leitung jemand den Anruf entgegen: „Ja?“

„Michael? Hallo!“, sie räusperte sich, „Hier ist Mia!“

„Schön, dass du anrufst. Freut mich wirklich!“

Ja, das entsprach der Wahrheit. Sie konnte es aus seiner Stimme ganz deutlich heraushören. Mia fühlte sich wieder etwas sicherer.

„Wie kommst du mit dem Kistenschleppen voran?“, fragte er weiter.

„Ich hab noch nicht angefangen!“, gestand sie, „Die stehen hier noch überall in der Gegend. Hör zu, was ich dich eigentlich fragen wollte“, sprach sie schnell weiter, bevor er sie unterbrechen konnte – sie brauchte Klarheit, „Warum hast du mir deine Hilfe überhaupt angeboten? Du kennst mich doch gar nicht!“
 

Stille.

Für mindestens 10 Sekunden herrschte absolute Stille am anderen Ende der Leitung.

Dann drang ein Seufzen an Mias Ohr. Er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.

„Also ganz sicher nicht aus den Gründen, die dir gerade durch den Kopf spuken. Ich weiß es ja selbst nicht! Vielleicht gerade, weil ich dich kennenlernen möchte. Aber du hast natürlich jedes Recht dazu misstrauisch zu sein. Ich würde mir an deiner Stelle ja auch nicht trauen. Es war idiotisch.“, er hatte hastig gesprochen, jetzt brach er ab und seine nächsten Worte waren deutlich ruhiger, „Ich hab wirklich nicht vor dir etwas zu tun. Aber ich kann nicht mehr, als dir mein Wort darauf geben. Wenn dir die Sache zu unheimlich ist, dann lass es. Ist auch okay, ehrlich!“
 

Nun war es an Mia, zu schweigen. Und mit sich zu hadern.

Sie wollte ihm glauben.

Ihn, aus einem bestimmten Gefühl heraus, ebenso näher kennenlernen. Wenn dies den Beginn einer Freundschaft bedeutete, war es doch wert das Risiko einzugehen.

„Kannst du einen Werkzeugkasten mitbringen?“, fragte sie schließlich geradeheraus, „Du weißt schon, für die Möbel.“

„Natürlich!“, er klang erleichtert, was Mia wiederrum lächeln ließ.

„Hast du Stift und Papier da? Dann sag ich dir die Adresse.“

„Warte kurz!“, man hörte eine Schublade auf und zu gehen, irgendetwas klapperte, „Gut, du kannst!“
 

*
 

Keine Viertelstunde später klingelte es an ihrer Tür. Mia öffnete und sah sich, wie erwartet, dem schlanken, jungen Mann vom Vortag gegenüber. Diesmal in Jeans und Turnschuhen. Die dunkelbraunen Haare nicht ganz so gebändigt wie gestern.

„Hallo!“, lächelnd gab er ihr die Hand.
 

Mias ganze Unsicherheit war mit einem Mal verschwunden. Sie hätte nicht gedacht, dass es so gut tun würde ihn wiederzusehen.

„Komm rein!“
 

„Da hast du aber wirklich schon eine Menge geschafft!“, anerkennend ließ Michael seinen Blick über die Koffer, Taschen und Plastikkisten schweifen, die in dem Zimmer standen.

„Womit fangen wir an?“, Mia ging auf Lob nicht gerne ein, „Bringen wir die ganzen Sachen erst einmal in die andere Wohnung?“

Michael nickte.

„Dann haben wir hier wieder etwas mehr Platz!“, stimmte er ihrem Vorschlag zu.
 

Die Kiste mit den Büchern trugen sie gemeinsam. Der Rest ging einzeln.

Da Michaels silberner Wagen um einiges größer war, als Mias Golf, fand auch alles Gepäck auf einmal einen Platz im Kofferraum oder der Rückbank.

So konnte sie ihn vom Beifahrersitz aus lotsen und musste nicht vorne weg fahren.
 

Es war eine kleine Zweizimmerwohnung mit Küche und Bad.

Hell, mit Parkett ausgelegt.

Sie befand sich im dritten Stock eines Hochhauses, das zum Glück einen Aufzug hatte. So ging die Arbeit zwar nicht unbedingt schneller, dafür aber einfacher.

Worüber beide sehr froh waren.
 

*
 

„Ich nehme mal an, da jetzt einfach die Schrauben raus drehen?“, misstrauisch betrachtete Mia die drei Möbelstücke, die auseinandergebaut werden wollten, und ihr mit einem Mal doppelt so groß vorkamen wie gewöhnlich.

„Genau! Und nach Möglichkeit keine verlieren!“, Michael legte den Werkzeugkasten vor sich auf den Boden, „Möchtest du den Akkuschrauber? Damit geht’s einfacher.“

„Mach du nur!“, wehrte sie lachend ab und kniete sich zu ihm, „Ich werde sehen, wie weit ich per Hand komme!“
 

Sie arbeiteten schweigend. Eine Unterhaltung wäre bei dem Lärmpegel ohnehin nicht möglich gewesen.

Es wurde spät, bis sie die Teile in die andere Wohnung geschafft hatten und noch später, bis Michael sie wieder zusammengebaut und Mia ihre Kisten ausgepackt hatte.

Die Sonne war schon lange untergegangen.
 

Mit je einem Glas Wasser standen sie schließlich nach getaner Arbeit in Mias Küche.

„Gut, einiges fehlt noch!“, stellte Michael fest, „Esstisch, Stühle …“

„Sofa, Kleiderschrank!“, zählte sie weiter auf, „Aber das besorg ich mir so nach und nach in den nächsten Tagen. Dafür hat mir meine Mutter genug Geld auf einem extra Konto angelegt.“

„Wenn du möchtest, kann ich mitkommen. Vielleicht morgen oder übermorgen?“, schlug er vor, „Ich kann aus meinem Wagen auch noch die hinteren Sitze ausbauen.“
 

Diesmal zögerte Mia keine Sekunde.

„Aber du musst mir versprechen, nicht auf die Idee zu kommen, irgendwas zahlen zu wollen!“
 

~*~*~
 

Dieses Versprechen hatte er gehalten.

Schmunzelnd nippt Mia an ihrem Kräutertee. Und er hatte auch sein Wort gehalten, ihr nichts zu tun.

Über ihr Misstrauen ihm gegenüber kann sie jetzt nur noch den Kopf schütteln.

Michael ist wirklich in Ordnung.

Sie kann ihm vertrauen, das spürt sie.



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