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Ausgerechnet Er...

von

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Erinnerungen und Rum

Der dickliche kleine Mann warf noch einen letzten Blick nach draußen. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die Straße des Vororts von Tokio, in dem er lebte. Sein Kopf wanderte zuerst nach links, dann nach rechts und schlussendlich in die Ausgangsposition zurück. Die Laternen erleuchteten den Nachthimmel, während sich ihr Licht im vom Wintergewitter nassen Asphalt spiegelte. Irgendwo in der Ferne war ein Hund zu hören, der schon den ganzen Tag lang seinen Unmut über zu wenig Auslauf in die Welt hinausbellte.  Ein paar Krähen zankten sich mit einer Katze um den Müll des Nachbarn, doch das Gesamtbild war friedlich.
 

Mit einem Seufzer schloss der Mann die Tür.

„Die Luft da draußen ist so rein wie das Gewissen eines Neugeborenen.“, zischte er dem Hünen zu. Dieser hatte immer noch Sorgenfalten im Gesicht.

„Bist du dir da sicher? Absolut sicher?!“

Big N zeigte ein Grinsen, welches seine ablehnende Haltung Mundhygiene gegenüber mit einer weitgehenden Zahnlosigkeit untermauerte: „Ich verwette das Leben meiner Großmutter darauf. Also das von der, die mir nicht immer den Hintern versohlt hat.“

Er lachte, doch Uragiris Mundwinkel zeigten keinerlei Regung.

„Ach, komm schon. Was ist denn mit dir los?!“, fragte Nakamura verwundert.

Der hünenhafte Mann gab zunächst nur ein Stöhnen von sich, bis er einige Sekunden später doch anfing zu sprechen: „Ich habe ein Problem, okay?!“

Der Gesichtsausdruck des kleinen Mannes verfinsterte sich: „Tja, dann hoffe ich mal, dass dein Problem verdammt nochmal 'ne vernünftige Erklärung bereithält, warum du hier einfach bei mir zuhause aufkreuzt, wo ich dir doch extra gesagt hab', dass 'de mich nur im Club treffen sollst. Da draußen hab' ich 'nen paar Feinde und die sollen sicher nich' rausfinden, wo ich wohne. Ich hab doch Kinder, Herrgott!“

Uragiris Antwort war überraschend ruhig: „Dann überrascht's mich, dass du mir deine Adresse überhaupt gegeben hast...“

Big N verdrehte die Augen: „So war das nich' gemeint. Wir sind doch immer noch alte Kumpels...“

Endlich konnte sich auch der Hüne zu einem Lächeln durchringen: „Schön zu hören! Denn im Augenblick steckt dein alter Kumpel tief in der Scheiße. Wirklich tief in der Scheiße...“ Und dann erzählte der große Mann dem kleinen Mann alles, was ihm in letzter Zeit widerfahren war...
 

„Und du verarschst mich nicht?! Das ist dein Ernst?!“, fragte Nakamura, auch wenn er wusste, dass es müßig war.

Auch wenn sie sich lange nicht gesehen hatten, so kannte er seinen alten Freund doch genug, um nach einem Blick in seinen Augen die Wahrheit zu erkennen, die durch die Pupillen schimmerte.

„Und ich soll das hier für dich aufbewahren?“ Er hielt das Röhrchen gegen das Licht und begutachtete die transparente Flüssigkeit, die es enthielt.

„Ja, das ist unglaublich wichtig. Wenn diese Mistkerle mich kriegen, dann kannst du sie damit immer noch fertigmachen. Bitte versteck' es an einem sicheren Ort.“

Der kleine Mann legte hatte zuerst Mühe, doch schließlich erreichte er die Schulter des Riesen und legte seine Hand darauf: „Keine Sorge, Ich weiß einen Platz, der absolut sicher is' . Ich werde dieses Zeug hüten wie meinen Augapfel, das schwöre ich.“

Uragiri blickte ihn mit freundlicher Miene an: „Danke. Für Alles. Ich verschwinde – vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder?“

Bevor ein „Ich hoffe es!“ folgen konnte, war der hünenhafte Mann verschwunden.
 

Die kalte Luft im Eingangsraum war noch nicht vollständig erwärmt worden, als das kleine Mädchen den Raum betrat und Nakamura mit großen Augen ansah: „Papa, ich weiß, es ist schon spät, aber können ich und Akira noch eine Folge Kamen Yaiba gucken?“

Der alleinerziehende Familienvater lächelte: „Nein, mein Engel, ihr beide gehört dringend ins Bett.“

Yoshie Nakamura setzte einen Schmollmund auf.

„Na gut...“, murmelte sie und ging zurück ins Wohnzimmer, um ihren Zwillingsbruder von der unerfreulichen Nachricht in Kenntnis zu setzen.

Ihr Vater schickte ihr noch einige liebevolle Blicke hinterher, bevor er das Röhrchen ein letztes Mal im Licht betrachtete. Man konnte vieles über Hiroki Nakamura sagen, – bei den Schilderungen seiner Straftaten legte er den Begriff der Wahrheit sehr frei aus – aber sein Wort würde er immer halten.
 

Zurück in der Gegenwart war Kogoro Mori gerade damit beschäftigt, einen Ausweg zu suchen. Einen Ausweg aus dieser misslichen Lage. Er betrachtete den Innenraum des Gebäudes sorgfältig, in der Hoffnung, noch irgendetwas Hilfreiches zu entdecken. Doch es hatte sich nichts daran geändert, dass der Raum trostlos und leer war. Immer noch war der klapprige Stuhl in der Mitte des Raums. Außerdem war der Boden übersät mit Betonkrümeln, die entweder von der Schießerei oder von einer gewissen Schlampigkeit beim Bau des Gebäudes herrühren mussten. Alles nutzlos. Doch dann entdeckte Mori etwas – unter dem Stuhl lag ein Baseballschläger. Er hastete zu dem Stuhl, hob den Sportgegenstand auf und positionierte sich dann wieder rechts neben dem Türrahmen. Nun betrachtete er seine neugewonnene Waffe, an der immer noch das Blut seiner Nase klebte. Jetzt hatte er eine Idee.
 

Die beiden Organisationsmitglieder erreichten das Haus.

„Da ist er eben rein gerannt!“, zischte einer der Beiden.

„Gut! Du bewachst das Fenster.“

Der andere wirkte etwas verwirrt: „Wozu?! Sieht mir nicht danach aus, als wenn da einer durchpassen würde.“

„Trotzdem – sicher ist sicher. Wir wollen doch nicht, dass er uns nochmal abhaut. Außerdem kannst du ihn vielleicht durch das Fenster erledigen, wenn er sich zum Beispiel in meinem toten Winkel versteckt.“

„Na schön...“, grunzte der Mann und bog ihn die Seitengasse rechts neben dem Haus ein, in deren Richtung das Fenster des kleinen Gebäudes zeigte. Sein Partner stellte sich vor die eingetretene Tür und blickte in das Haus.
 

„Herr Mori. Sie verstecken sich neben der Tür!“, rief er „Sie wollen mich wohl beim Reinkommen überraschen. Ich kann ihnen verraten, dass ihnen das nicht gelingen wird.“

Er lächelte: „Mein Partner wird sie nämlich gleich durch das Fenster erschießen.“ In diesem Moment warf ihm Mori die kleinen Betonstücke ins Gesicht.

„WAS?!“, war das letzte, was der vollkommen überraschte Mann in schwarz rufen konnte, bevor Mori ihm den Baseballschläger mit voller Wucht seitlich gegen den Kopf schlug.

Dann fiel er bewusstlos auf den harten Untergrund. Während der Privatdetektiv sich nach der Pistole bückte, hetzte der Komplize des soeben Niedergeschlagenen aus der Seitengasse heraus. Mori schnappte sich die Waffe und rannte auf die linke Seite des Gebäudes zu, wo sich ebenfalls ein Seitenweg befand. Sein Verfolger drückte zwar ab, doch die Kugel riss lediglich Teile des Straßenteers auf. Kogoro rannte etwas weiter in die Gasse hinein, doch der Mann hinter ihm wandte sich ohnehin seinem ohnmächtigen Kollegen zu. Erst als er sich versichert hatte, dass die Verletzung nicht lebensbedrohlich sein würde, folgte er Mori.

Die Schulter des Privatdetektivs brannte. Seine Nase pochte unentwegt. Und erst diese Kopfschmerzen.

Doch trotz seiner beeinträchtigten Aufmerksamkeit fiel ihm etwas auf. Die Hochhäuser, an denen er vorbei rannte, kamen ihm bekannt vor. Und der Platz, in den die Gasse mündete, auch. Und dann sah er ihn. Der grelle Neonschriftzug des Club Paradise leuchtete vor seinen Augen auf. Uragiri hatte ihn nur wenige hundert Meter vom Club entfernt gefangen gehalten. Ein Schuss zischte knapp über seinen Kopf hinweg.

„Verdammt, wieso hat der Kerl meinen Vorsprung so schnell aufgeholt?!“, fluchte Mori in Gedanken, während er auf den Nachtclub zusteuerte. Hastig riss er die Tür des hell erleuchteten Gebäudes auf, in dem alle fröhlich feierten. „FEUER!“, brüllte er so laut er konnte.

Sofort war die festliche Stimmung zerstört. Niemand schien besonders große Lust zu haben, den Wahrheitsgehalt seiner Aussage zu prüfen. Der ganze Raum war binnen weniger Sekunden von einer hellen Aufregung erfüllt. Chaotisch rannten die Menschenmassen hin und her, bis eben noch flirtende Pärchen stürmten in entgegengesetzten Richtungen voneinander weg. Nachdem alle ihre wichtigsten Habseligkeiten zusammengerafft hatten, kannte die Masse nur noch ein Ziel: Den Ausgang.
 

Kaum hatte der schwarzgekleidete Mann das Gebäude erreicht, in dem Mori soeben verschwunden war, kam ihm eine enorme Menge angsterfüllter Menschen entgegen. Junge und alte, bekleidete und weniger bekleidete. Jede Hoffnung, den Überblick zu behalten, war innerhalb einiger kurzer Momente im Keim erstickt. Resigniert griff das Organisationsmitglied zu seinem Handy.
 

Die Frau nahm das Gespräch sofort entgegen: „Was ist?!“
 

„Ich - äähhh.... - Wir haben ihn verloren...“
 

„WAS?! Wie konnte das passieren?!“
 

„Es gab – ähm – Es gab Komplikationen...“
 

„Das wird ein Nachspiel haben! Sie sind den Fall los. Ich werde ihn Rum übertragen.“
 

„Rum?! Sind sie sicher, dass sie so schwere Geschütze auffahren wollen?“
 

„Das scheint ja offensichtlich nötig zu sein...“, antwortete sie mit vorwurfsvoller Stimme...



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