Zum Inhalt der Seite

Glue The Heart

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Motive eines Stalkers

Ich fühle mich schuldig, obwohl es Daniel war, der den Stein damals ins Rollen gebracht hat und zu allem Überfluss bewegt sich Finn immer noch nicht. Mein Instinkt rät mir, ruhig zu bleiben und abzuwarten, aber nicht ohne mein Gegenüber dabei genau zu mustern.

Finns ansonsten haselnussbraunen Haare sind etwas feucht an den Spitzen und ringeln sich dunkel. Sie sind etwas länger, als Daniels damals, das merke ich an einer besonders eigenwilligen Strähne, die sich ihren Weg über Finns Ohrläppchen bahnt und ihn vermutlich mit der Spitze am Kinn kitzeln könnte, wenn sie trocken und gekämmt wäre.

Dadurch, dass er sein Gesicht verdeckt, fällt es mir immer leichter, das von Daniel an dessen Stelle zu sehen. Schrecklich, nicht wahr? Ich sollte nicht an ihn denken, trotzdem kann ich nichts dagegen tun, dieser Vorgang ist bereits zu vertraut, diese Suche nach Ähnlichkeiten.
 

»Also war es wirklich seinetwegen?«

Finns niedergeschlagene Stimme klingt matt zwischen seinen Fingern hindurch. Er sieht mich nicht an und er will nicht, dass ich ihn sehe, das signalisiert er mir damit. Es ist meine eigene Schuld, ich hätte es ihm vorsichtiger beibringen müssen, das alles muss doch ziemlich überwältigend gewesen sein.

«Es.. war seinetwegen, ja.»

Die Hand weicht.

Finn sieht mich an, nein, er starrt, durchbohrt mich beinahe mit seinem Blick, der mit so viel Wut und Verachtung geladen ist, dass es mir schwer fällt, ihm stand zu halten. Ich schlucke nervös, weil ich spüren kann, wie meine Kehle trocken wird. Es nützt nichts. Mir fällt nichts ein, das ich hätte sagen können, um die Situation zu beschwichtigen. Meine Worte waren verletzend, das weiß ich, aber weil sie die Wahrheit waren, kann ich sie nicht entkräften.
 

»Du..«

Das selbe zornige Du, das ich vorhin verwendet habe, aber dabei bleibt es nicht, denn Finn ist nicht auf den Mund gefallen.

»Du krankes, perverses Arschloch! Was hast du dir davon erhofft?! Hä? Na sag schon, was denn?!? Wolltest du ihn durch mich ersetzen?! Oder soll das der Beginn einer abartigen Art der Rache gewesen sein?!?«

Dann lehnt er sich zurück und lacht. Abrupt und laut, sehr laut sogar, markerschütternd und beinahe schrill hört es sich an. Es ist schon fast komisch, ihn dabei zu beobachten, wenn da nicht dieser bittere Nebengeschmack wäre.
 

«Finn... so war das nicht. Ich wollte dich kennenlernen.» versuche ich zu erklären.

»Kennenlernen? Kennenlernen!?!«

Er schnaubt und seinen Mundwinkel verziehen sich zu einer grausamen Grimasse. Noch mehr Ähnlichkeiten mit Daniel muss ich feststellen. Diesen bedrohlichen Gesichtsausdruck konnte er mindestens ebenso gut einsetzen wie Finn.

»Dass ich nicht lache! Ich wusste doch, dass mit dir was nicht stimmt!«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Als wüsste ich das nicht selbst. Wer spioniert schon der Familie seines Ex hinterher? Ich hab das ja auch nicht gerade zum Vergnügen gemacht, ich wollte doch nur wissen, was...

Meine Gedanken werden unterbrochen, als Finn von der Bettkante aufspringt.

»Mir reichts jetzt!«

«Warte!»

Etwas langsamer und auch ziemlich unbeholfen stolpere ich auf ihn zu, schaffe es jedoch Finns Oberarm zu umklammern. Ich weiß selbst nicht, wie ich so schnell dazu kam, aber ich kann ihn nicht gehen lassen, nicht auf diese Weise und vor allem nicht, wenn er mich derart missversteht.
 

Finns wütender Blick liegt wieder auf mir und seine Lippen öffnen sich, zweifellos um mir erneut Beschimpfungen an den Kopf zu werfen, aber so weit lasse ich es nicht kommen. Ich ziehe ihn ruckartig an mich, um ihm die Luft zu nehmen. Dabei schlinge ich die Arme fest um dessen Oberkörper, lasse ihm kaum Platz sich zu rühren, geschweige denn zu atmen und schließe schließlich die Augen.

«Es war unfair, was dein Vater getan hat.»

Ich flüstere, traue meiner eigenen Stimme nicht, der Kloß in meinem Hals ist groß genug, dass ich mir sicher bin, nicht mehr als ein Krächzen hervorzubringen, sollte ich sie erheben.

Finns anfängliche Gegenwehr erschlafft, stattdessen glaube ich, ihn sich an mich lehnen zu spüren.

»Was weißt du schon?«

Er flüstert ebenfalls und ich kann die Erleichterung spüren, die mich mit diesen Worten überkommt. Kein Zorn mehr, dafür ist die Resignation geblieben. Resignation darüber, dass seine Familie zerstört wurde, dass er sich nicht gegen mich wehren kann, dass Nick ihn nicht mehr braucht.
 

Ich schmiege mich vorsichtig an ihn und streiche tröstend über seinen Rücken.

«Nichts. Aber ich weiß dafür wie es ist, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Daniel hat seine Entscheidungen ohne mich getroffen und ohne mich entschieden, dass er nicht mehr zu mir passt, dass ich ihn an Dinge erinnere, an die er nicht mehr denken will.»

»Das ist nicht das Selbe.«

«Nein, ist es nicht.»

»Es tut mir leid, wegen ihm.« murmelt er zögerlich.

«Hmm... schon gut, ihn hats schlimmer getroffen als mich.»

»Das tut mir auch leid.«

Ich grinse.

«Auch wenn dir lieber gewesen wäre, er wäre niemals aufgetaucht?»

Jetzt schweigt er. Offenbar muss er erst über die Frage nachdenken.

Dann seufzt er schwer und löst sich aus der Umarmung, als ich wieder bereit bin loszulassen.

»Er hätte nicht kommen sollen, er hat alles kaputt gemacht damit, aber es war nicht nur... seine Schuld und wenn ich ihn sowieso nie wieder sehen muss, kann es mir auch leid tun.«
 

Finn versucht gerecht damit umzugehen, mit ihm und seinem Halbbruder, auch wenn er jetzt allen Grund hätte, selbstsüchtig zu handeln und wütend zu sein. Ich mag das an ihm, wie ernst er sich einer Sache, einem Problem nähert. Manchmal ist er ein bisschen tollpatschig dabei, aber man sieht es in seinem Blick, wie sehr er sich bemüht.

Wieder beruhigt lasse ich mich zurück aufs Bett sinken und lächle versöhnlich.

«Jetzt, da das alles geklärt ist, hast du vielleicht Hunger?»

Ich nicke auf den Sushiteller, der immer noch in Begleitung der Bierflasche meinen Nachttisch ziert.
 

»Ian.«

Finn zögert, die Worte, die ihm auf der Zunge liegen, scheinen keine leichten zu sein, also lächle ich ihn aufmunternd an.

«Ja? Verträgst du keinen Fisch?» versuche ich zu scherzen, aber Finns Mundwinkel zucken nur beiläufig über diese Bemerkung.

»Wieso gibst du dich mit mir ab? Man könnte meinen, du würdest mir eigentlich aus dem Weg gehen wollen. Ich würde das machen an deiner Stelle.«

Er sieht mich bei diesen Worten nicht direkt an, vielleicht schämt er sich dafür, vielleicht hat er auch Angst vor der Antwort. Es ist schwer zu deuten und noch schwerer ist es für mich, die richtigen Worte zu finden.

«Weißt du... » beginne ich zögerlich.

«... ich hatte das ja auch alles gar nicht vor, mit dir zu reden, geschweige denn, dich bei mir unterzubringen.»
 

Ich seufze schwer. Wie kann ich es ihm nur am besten begreiflich machen?

«Das mit Daniel ist schon gut vier Jahre her und fast so lange liegt auch das ganze mit dem Nachspionieren von dir und deiner Familie zurück.»

Das Pochen in meinen Ohren nimmt wieder zu und ich kann spüren, wie mir eine vertraute, verräterische Wärme in die Wangen schießt.

«Ich hab versucht, dir aus dem Weg zu gehen, so zu tun, als würde ich dich nicht kennen, aber... na ja... manchmal...»

Das Pochen wird lauter.

Mein Blick wandert zu meinen Fingern, die nervös am Saum meines Shirts zupfen.

«... manchmal habe ich dich eben doch angesehen. A.am Anfang hab ich nach Ähnlichkeiten gesucht.. z.zu ihm.»

Ich habe keine Ahnung, welches Gesicht Finn gerade macht, ich will es ja wirklich wissen, aber zum Aufschauen bin ich zu feige und zu nervös. Eines weiß ich jedoch genau, wenn ich jetzt den Kopf hebe und mich von ihm ablenken lasse, habe ich nicht mehr den Mut die folgenden Worte zu sagen, was mir ja auch jetzt bereits enorm schwer fällt, ich beginne ja sogar zu stottern. Aber irgendwie muss ich ihm die Wahrheit beibringen.
 

«Irgendwann... kannte ich dein Gesicht besser, als seines und musste nicht mehr vergleichen. Aber.. ich hab dich trotzdem.. beobachtet.»

»Wusstest du auch von Nick?«

Ich zucke etwas zusammen, bei der plötzlichen Frage, seufze dann jedoch nur.

«Nicht gleich. Ich hab gemerkt, dass sich deine Gewohnheiten verändert haben, das hat mich neugierig gemacht.»

»Du hättest uns verpetzen können. Wieso hast dus nicht getan?«

Ein Lächeln huscht mir über die Lippen, bitter und kalt.

«Ich wollte nicht, dass du weißt, dass es mich gibt. Außerdem wusste ich, dass du auch ohne mein Eingreifen leiden hättest müssen. Immerhin ist er ein verheirateter Lehrer.»

Mein Blick senkt sich wieder zu meinen Knien. Hinterher schäme ich mich dafür.
 

«Ich war nicht gut auf dich zu sprechen, du hast mich an Daniel erinnert, wann immer ich dich gesehen habe. Du hast mir einen Daniel gezeigt, der sich einem Lehrer hingibt und ausliefert. Ich habe es gehasst, dich und ihn und ich habe den Tag herbeigesehnt, an dem er dich fallen lässt, wie eine heiße Kartoffel.»

Die Worte kamen mir wütend über die Lippen, beinahe als hätte ich sie ausgespuckt, giftig und unheilbringend. Dann schüttle ich den Kopf.

«Aber als es so weit war, hast du mich überrascht.»

Ich kann nicht anders, als bei der Erinnerung an den Tumult zu lächeln und dann zu grinsen.

«Ich meine, du hast ihm ein blaues Auge verpasst! Du hast dich endlich gegen ihn gewehrt und das getan, wovor ich mich die ganze Zeit über gedrückt habe. Ich wollte ihm zwar keine verpassen, aber Daniel, oder ich wollte, dass Daniel mir eine verpasst, dafür, dass ich ihn einfach gehen hab lassen, aber das ist nie passiert, ich konnte es nicht und er genauso wenig. Nur du hast das geschafft und darum beneide ich dich. Du bist so ernst und leidenschaftlich in allem was du tust. Und ich Trottel war davon so beeindruckt, dass ich dich gleich wieder sehen wollte, nachdem ich davon gehört habe. Aber diesmal hast du es mir schwer gemacht, du warst nicht zuhause und auch sonst nirgendwo, wo du dich manchmal herumtreibst. Ich war so erleichtert, als ich dich endlich im Park gefunden habe, dass ich dich schon angesprochen hatte, ehe mir einfiel, dass ich das gar nicht tun wollte.»
 

»Du hast mich gesucht? Nein warte, du hast mich gehasst, dann bewundert und dann gesucht? Wolltest du...?«

Finn legt den Kopf stirnrunzelnd schief. Er scheint von meiner Geschichte doch ziemlich verwirrt zu sein und er mustert mich auch skeptisch, schätzt vermutlich ein, wie vieles von dem, was ich gesagt habe, wohl der Wahrheit entspricht.

»Und dann.. hast du mich bemitleidet?«

Ich schüttle lächelnd den Kopf.

«Und dann habe ich beschlossen, dich endlich mal persönlich kennen zu lernen, wo ich mich ohnehin schon verraten hatte.»

»War keine angenehme Erfahrung, oder?«

Die Frage erscheint anfangs scherzhaft, aber um wirklich ein Scherz zu sein, fehlte ihr die nötige Leichtigkeit, außerdem ruhen Finns Augen immer noch ernst auf mir.

Das macht es nicht gerade leichter, er prüft mich und erwartet bereits eine negative Antwort, alles Positive wird er als Lüge abtun, weil er selbst nicht daran glaubt.

«Ich hab sie nicht bereut.» antworte ich also nur.
 

»Wieso nicht?«

Er ist also immer noch nicht damit fertig, mich zu testen.

«Hmm... mal sehen...»

Ich schließe die Augen und lasse meinen Oberkörper langsam aufs Bett zurück sinken, ehe ich die Lider wieder öffne und an die Decke starre.

«Ich denke, es liegt daran, dass du dabei immer du selbst warst. Du hast mir viel von dir gezeigt, dich mir anvertraut. Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll, aber.. das... schmeichelt mir.»

Ich grinse verlegen die Decke an. In den letzten Tagen bin ich wirklich wichtig für ihn geworden und das nicht nur, weil er bei mir wohnt. So nahe wie jetzt war ich ihm noch nie.
 

»Du bist ein richtiger Arsch.« sagt er zerknirscht.

«Ja, ich weiß.»

Nicht alles, was ich ihm erzählt habe, spricht für mich, eher im Gegenteil sogar. Trotzdem liege ich jetzt zufrieden in meinem Bett mit Finn am anderen Ende und weiß genau, dass er nicht weglaufen wird, nicht diesmal.

»Du hättest früher mit mir reden sollen.«

«Das konnte ich nicht.»

»Wenn du gewollt hättest schon.«

«Ich bin nicht wie du, ich bin ein Feigling.»

Daraufhin schweigt er.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Haru_
2011-07-10T15:42:14+00:00 10.07.2011 17:42
ooooh~
cooles Kapitel :D
ich freue mich schon, wenn es weiter geht und darauf, dass sie sich vielleicht noch näher kommen *-*
*giggle*
Von:  sensi-chan
2011-07-10T09:13:53+00:00 10.07.2011 11:13
:3
hihihihihihihi
ian du schlimmer hund
sowas hätte man von dir wirklich nicht erwartet~
einfach so rumstalken und fynns beobachten
wobei du ihn wohl schon gesehn hast...
hohoho
*räusper*
wie dem auch sei
tolles kapitel
mooaarrrr!


Zurück