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A fight to the finish

Heaven´s help
von

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It´s just a feeling

Menschen schrien; nach Hilfe oder aus Verzweiflung.

Viktoria beobachtete eine ältere Frau, die sich über die entstellte Leiche ihres Sohnes beugte. Sanitäter huschten immer wieder durch die Szenerie, transportierten Verletzte zu den wartenden Krankenwagen. Überall war Blut, bei genauerem hinsehen waren auch einzelne Gliedmaßen auf der Straße zu erkennen; die Wucht der Explosion schien einige Menschen buchstäblich zerrissen zu haben.

„Bei dem Anschlag auf den Flughafen in Kairo kamen nach ersten Informationen elf Menschen ums Leben, 26 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Sprengladung explodierte um etwa 9:30 Uhr Ortszeit auf dem Platz vor der Eingangshalle und war vermutlich unter einem wartenden Taxi befestigt. Das Fahrzeug wurde bei der Detonation nahezu komplett zerstört. Zu dem Anschlag hat sich mittlerweile die international gesuchte Terrorgruppe […]"

Viktoria blendete die sonore Stimme des Nachrichtensprechers von CNN aus. Sie wandte sich von dem Fernseher ab, der an der Wand im Cafe der Uni befestigt worden war, um die Studenten rund um die Uhr mit Neuigkeiten aus aller Welt zu versorgen. Nachdem sie ihren Kaffee gezahlt hatte, machte sie sich mit dem dampfenden Becher in der Hand auf den Weg zurück zur Bibliothek.

Ihre Mitstudenten schienen bester Laune. Sie freuten sich über das schöne Wetter, obwohl es bereits Mitte Oktober war, schien die Sonne und die Temperaturen waren mild. Doch Viktoria konnte sich über all das nicht wirklich freuen. Sie war nicht halb so gut gelaunt wie ihre Kommilitonen. Ernst war sie geworden in letzter Zeit, ernst und nachdenklich. Wenn man sie fragte, wie sie sich fühlte, konnte sie nicht sofort eine Antwort darauf geben. Denn obwohl sie so ernst geworden war und fast täglich von einer tiefen inneren Unruhe befallen wurde, war sie nicht unglücklich. Und dass, obwohl gerade auf der ganzen Welt schreckliche Dinge passierten.

Der Terroranschlag auf den Flughafen in Kairo war nur die Spitze des Eisbergs. In den letzten Wochen war es zu einer Häufung von Naturkatastrophen, Unfällen, Terroranschlägen und Gewaltverbrechen gekommen. Vor zwei Wochen hatte es im Elbtunnel in Deutschland einen Unfall gegeben, aus dem ein Feuer resultiert war. Etwa ein Dutzend Menschen hatten in den Flammen den Tod gefunden; der Tunnel würde noch Wochen unbefahrbar bleiben. Vor fünf Tagen war eine Bombe in der Londoner King´s Cross Station detoniert, etliche Menschen starben oder wurden verletzt. An einer Schule in Sao Paulo, Brasilien hatte vor drei Tagen ein junger Mann ein Blutbad angerichtet, als er Amok lief und sich und siebzehn Kinder zwischen zwölf und sechzehn Jahren in den Tod riss. In fast allen Städten der Welt war in den letzten Monaten die Verbrechensrate stark angestiegen; fast täglich las man in den Zeitungen von Raub, Vergewaltigung und Mord. Amerika erlebte gerade die schlimmste und auch längste Hurrikanesaison seit Jahren. Erst vor wenigen Wochen hatte Hurrikane Michael in Louisiana gewütet, mit katastrophalen Folgen. Dazu kamen Erdbeben fast überall auf der Welt. Auch hier in San Francisco, wo Viktoria seit drei Jahren lebte, wartete man auf das große Beben. Bis jetzt war es lediglich zu kleinen Erschütterungen gekommen. Diese waren in San Francisco allerdings normal.

Viktoria hatte durchaus Angst vor diesem großen Beben. Aber die anderen Katastrophen beunruhigten sie gleichermaßen. Obwohl sie nicht direkt betroffen war, beeinflussten sie diese Ereignisse mehr, als ihr lieb war.

Sie erreichte die Bibliothek und zog mit der freien Hand die gläserne Tür auf. Wegen dem schönen Wetter waren die Tische im großen Saal kaum besetzt; die meisten Studenten lernten draußen in der Sonne. Einer der wenigen Menschen, die sich trotzdem für die Bibliothek entschieden hatten, war Jim Richmond. Er saß an einem der hinteren Tische und sah kurz von seinem Buch auf, als sich Viktoria mit dem heißen Getränk in der Hand auf dem Stuhl ihm gegenüber niederließ. Er runzelte die Stirn. „Kleines, dafür, dass du sowieso schon so unruhig bist, trinkst du entschieden zu viel Kaffe“, meinte er mit einer Spur Besorgnis in der Stimme. Jim war der beste Freund, den sie hier in San Francisco hatte. Beide studierten das Fach Criminal Justice Studies, hatten sich bei der ersten Vorlesung kennengelernt und waren Freunde geworden. Er hatte sich in letzter Zeit ein wenig Sorgen um seine Freundin gemacht. Auch ihre Unruhe und Nervosität war ihm nicht entgangen. „Die Unruhe kommt nicht von dem Kaffee, Jim. Die hat irgendeine andere Ursache. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig. Wir müssen für den Test lernen, “ erwiderte sie stur. Jim musste unwillkürlich grinsen. Er wusste, dass es keinen Sinn machen würde, jetzt mit ihr zu diskutieren. Also tat er es Viktoria gleich und widmete sich wieder seinen Aufzeichnungen.

So sehr sie es auch versuchte, sie schaffte es einfach nicht, sich zu konzentrieren. Immer wieder tauchten die Bilder aus Kairo vor ihrem inneren Auge auf und verdrängten die gelesenen Informationen in den hintersten Teil ihres Gehirns. Irgendwann schlug sie frustriert ihr Buch zu, packte es in ihre Tasche und stand auf. Jim blickte sie überrascht an. „ Bist du etwa schon fertig?“ Viktoria schüttelte den Kopf und seufzte. „Nein, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Ich gehe jetzt erst mal nach Hause und komme vielleicht später nochmal her.“ „Wenn du meinst. Sehen wir uns morgen, “ fragte Jim. „ Ja, ich denke schon. Wenn du magst, kannst du ja zum Frühstück vorbeikommen, “ schlug Viktoria vor, wohlwissend, dass er das Angebot annehmen würde. Jim wohnte im Studentenwohnheim, hatte also keine eigene Küche und damit keine Möglichkeit, sich selbst Frühstück zu machen. Und schon erwiderte er grinsend: „Klar, immer wieder gerne.“ Auch Viktoria musste unwillkürlich lächeln. „Gut, dann sehen wir uns morgen früh. Viel Spaß noch beim Lernen.“ Mit diesen Worten drehte sich Viktoria um und ließ Jim mit dem leeren Kaffeebecher in der Bibliothek zurück.
 

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Dass Viktoria eine eigene Wohnung hatte, war ungewöhnlich. Sie war Studentin und schon das Studium war in Amerika ungemein teuer. Deshalb wohnten die meisten Studenten wie Jim im Studentenwohnheim oder in einer WG. Viktoria hatte den Luxus einer eigenen Wohnung ihren Eltern zu verdanken; genauer gesagt, ihrem Vater. Er hatte die Wohnung gekauft, als er noch in San Francisco gelebt und gearbeitet hatte. Das war allerdings schon lange her. Als er Viktorias Mutter in Wien kennengelernt und sich in sie verliebt hatte, war er dort geblieben. Als Architekt konnte ohnehin überall arbeiten. Seine Familie in Amerika war nicht besonders begeistert von seiner Entscheidung gewesen, in Wien zu bleiben. Ihrer Ansicht nach hätte er bessere Erfolgschancen in den USA gehabt. Der Kontakt zwischen Viktorias Vater und seiner Familie brach endgültig ab, als sie erfuhren, dass seine Frau schwanger war. Diese Funkstille hielt an; auch als Viktorias Mutter plötzlich starb. Zu diesem Zeitpunkt war Viktoria gerade sechs Jahre alt gewesen. Viktorias Vater machte seine Sache gut. Natürlich fehlte für eine unbeschwerte Kindheit ihre Mutter. Und doch war Viktoria glücklich. Bis vor 3 ½ Jahren; dann war auch ihr Vater gestorben. Ebenso überraschend wie ihre Mutter damals. Viktoria war alleine; sie hatte weder Tanten noch Onkel und ihre Großeltern mütterlicherseits waren schon lange tot. Da sie bereits volljährig war, blieb ihr das Kinderheim und die Unterbringung in einer Pflegefamilie erspart. Ihre Zukunft war ungewiss gewesen. Sie hatte vor wenigen Wochen die Schule beendet und hatte eigentlich studieren wollen. Doch daran hatte sie nach dem Tod ihres Vaters keinen Gedanken mehr verschwendet; tatsächlich hatte sie überhaupt keine Zeit dafür gehabt.

Nach der Beerdigung hatte sich ein Mann bei Viktoria gemeldet und sich als der Anwalt ihres Vaters vorgestellt. Mark Richter hatte die junge Frau schnell ins Herz geschlossen. In den folgenden Wochen hatten beide viel Zeit miteinander verbracht. Mark regelte den Nachlass ihres Vaters. Er hatte Viktoria erklärt, dass ihr Vater ihr ein nicht unbeträchtliches Vermögen hinterlassen hatte. Zu diesem Vermögen gehörte auch die Wohnung in San Francisco.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Viktoria nicht einmal daran gedacht, dass noch ein anderer Teil ihrer Familie in Amerika war. Denn obwohl sie den Nachnamen ihres Vaters trug und die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, hatte sie keinerlei Beziehung zu diesem Land gehabt.

Und trotzdem hatte sie keinen Moment gezögert, als Mark ihr vorgeschlagen hatte, nach San Francisco zu gehen und dort neu anzufangen. Viktoria hatte allerdings auch zugestimmt, weil sie nach der Familie ihres Vaters suchen wollte. Mit Marks Hilfe hatte sie alle Formalitäten erledigt und sich an der San Francisco State University eingeschrieben. Als die Zusage gekommen war, hatte sie ihre Sachen zusammengepackt. Mark hatte sie zum Flughafen gebracht und zum Abschied gewunken, als Viktoria nur drei Monate nach dem Tod ihres Vaters in Flugzeug nach Amerika gestiegen war.
 

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„Haben sie heute schon die Nachrichten gesehen? Schrecklich, was da passiert ist, nicht wahr? Und diese ganzen Erdbeben überall. Da kann man nur hoffen, dass wir hier noch ein bisschen länger verschont bleiben, “ meinte Mrs. Brenner, als sie Viktoria im Hausflur über den Weg lief. Sie trug wie fast immer eine an den Knien verdreckte Latzhose, darüber eine Bluse mit Blumenmuster und erdige3 Gartenhandschuh. Anscheinend war sie auf dem Weg in den kleinen Vorgarten des Hauses, dass sie beide bewohnten.

Als Viktoria damals in die Erdgeschosswohnung eingezogen war und dann erfahren hatte, dass über ihr eine ältere Frau lebte, war sie sofort nach oben gegangen, um ihr anzubieten, die Wohnungen zu tauschen. Aber die kleine, resolute 70-Jährige hatte nicht daran gedacht, dass Angebot ihrer neuen Nachbarin anzunehmen. „Das bisschen Treppensteigen macht mir doch nichts aus, “ hatte sie gemeint. „So bleibe ich wenigstens fit!“ Dann hatte sie laut gelacht. Auch wegen dieses herzlichen Lachens war Mrs. Brenner Viktoria sofort sympathisch gewesen. Sie war meist gut gelaunt und immer für ein kurzes Gespräch zu haben.

Aber heute hatte Viktoria keinen Nerv dafür. Zu viel ging ihr im Kopf herum. Und so reagierte sie nur mit einem abwesenden Nicken auf die Fragen ihrer Nachbarin. Erst als sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, fiel die Unruhe und die Nervosität der letzten Stunden ein wenig von ihr ab. Hier fühlte sie sich wohl, hatte ihre Ruhe. Achtlos ließ sie ihre Tasche von der Schulter rutschen. Sie fühlte sich plötzlich unglaublich müde. Sie brauchte unbedingt etwas Schlaf.
 

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Die Unruhe war wieder schlimmer geworden. Nachdem Viktoria etwa zwei Stunden geschlafen hatte, lief sie nun nervös von Zimmer zu Zimmer. Immer wieder versuchte sie, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Sie probierte es mit Geschirrspülen, mit Lernen und sogar mit Fensterputzen. Ohne Erfolg. Das Gefühl der Unruhe ließ nicht nach.

Bilder des Terroranschlags von Kairo flimmerten vor ihren Augen. Viktoria hatte den Fernseher eingeschaltet; Nachrichten. Nach dem Bericht über den Terroranschlag folgten Meldungen über verschiedene Naturkatastrophen; ein schweres Erdbeben hatte Neuseeland erschüttert. Der Nachrichtensprecher räusperte sich kurz und fuhr dann mit völlig emotionsloser Stimme fort. „In San Francisco wartet man unterdessen auf das große Beben. Die letzten Tage erschütterten mehrere kleine Beben die Region, keines richtete größere Schäden an. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis dieses große Erdbeben kommt. Die Anwohner der Stadt lassen sich davon aber kaum in ihrem täglichen Geschäft beeinflussen. Man hat sich auf die ständige Gefahr eingestellt und lebt mit ihr. Doch das erwartete Beben könnte nach Expertenmeinungen das stärkste in der Geschichte der Stadt werden. Deshalb investierte die Regierung San Franciscos in den letzten Jahren in Frühwarnsysteme, um die Sachschäden und vor allem die Opferzahl möglichst gering zu halten. Denn die Frage ist nicht, ob es passiert, sondern wann.“

Der Bildschirm wurde schwarz, Viktoria hatte den Fernseher abgeschaltet. Sie trat ans Fenster und schaute nachdenklich in die dunkelblaue Nacht; die Lichter San Franciscos leuchteten verheißungsvoll. Der Nachrichtensprecher hatte Recht, dachte Viktoria. Es würde etwas geschehen. Etwas von kolossalem Ausmaß. Die Frage war nur wann.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-04-18T18:32:59+00:00 18.04.2011 20:32
hey :) ich find das kaiptel super, auch wenn nicht viel passiert ist :P
aber ich kann mir viktoria echt gut vorstellen, außerdem kann man sich die situation, die in der story herrscht,gut vorstellen. die ganzen katastrophen und so :)


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