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Scream in the sphere of destiny

Wage den Schritt hinaus
von

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Lichtblicke

Den nächsten Tag verbrachte ich in der Schwebe.

In der Schwebe zwischen Hoffnung und Resignation.

Ich wagte kaum zu hoffen, dass ich den jungen Japaner wieder sehen würde.

Und doch tat ich es.

Ich wollte mich nicht damit abfinden, dass ich Kaito nie mehr sehen würde.

Und doch versuchte ich es.

Das war fast schlimmer als dieser leere Zustand, in welchem ich mich zuvor befunden hatte.

Schlimmer, als kein Ziel zu haben, war es, eins zu haben und es nicht zu erreichen.

Schlimmer als die Ungewissheit konnte doch nur die Gewissheit sein, dass er nie mehr auftauchen würde.

Oder?

Alan, warum sollte er wiederkommen? Du hast ihm geholfen. Der Fall ist erledigt. Abgeschlossen.

Nein, verflucht!

Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass es vorbei war.

Auch wenn es vielleicht besser für mich gewesen wäre. Denn der Junge beherrschte meine Gedanken jetzt schon viel zu sehr.

Ich wagte nicht zum Tierheim zu fahren. Auch nicht zu seiner Schule.

Ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Oder vielleicht auch vor seiner Abweisung.

Ich fürchtete mich davor, dass er mich nicht ansehen würde.

An jenem Tag sah ich Kaito nicht.

Und auch am nächsten Tag tauchte er nicht auf.

Genau wie in der darauffolgenden Woche hoffte ich vergeblich auf jene dunklen Augen, deren Zauber mich in den Bann geschlagen hatte.

Der Sommer neigte sich nun endgültig dem Ende und auch die Kühle des Herbstes kroch langsam hervor und nahm das Land ein; zauberte goldene Blätter und Laubebenen, die jeden Schritt geräuschvoll untermalten.

Ich wurde zunehmend ruhiger und schaffte es selten, aus jenem grauen Nebel zu entfliehen, der meinen Kopf wieder eingenommen hatte.

Oft stand ich nachts erneut am Fenster und ertappte mich bei den Gedanken über mein Leben.

Lisa beobachtete meinen Gemütswandel mit besorgten Augen.

Was sie wohl sagen würde, wenn sie wüsste, warum ich vielleicht nie mehr der alte Alan sein werde?

Und dann geschah eines Tages das Wunder, worauf ich kaum noch gehofft hatte.

Ich verließ an jenem Tag die Kanzlei recht spät, da mich ein schwieriger Fall noch lang festgehalten hatte.

Den Kragen meines Mantels stellte ich auf, da die Abende bereits frisch geworden waren.

Ich lief rasch zu meinem Auto und wühlte nebenher in meiner Tasche nach dem Schlüssel.

Das Aufblinken der Lichter, welches anzeigte, dass der Wagen geöffnet war, enthüllte gleichzeitig eine schlanke Gestalt, die an der Motorhaube lehnte.

Zuerst dachte ich an einen Überfall.

Dann an einen meiner Klienten, der vielleicht noch eine Frage hatte.

Erst dann bemerkte ich die seltsame Vertrautheit dieser geschmeidigen Gestalt, die sich nun von meinem Auto abstieß und aus den Schatten trat.

Herz, bleib bei mir.

Das war Kaito.

Unverkennbar. Faszinierend wie immer.

Er sprach kein Wort, sah mich einfach ruhig an, die Hände wieder in den Hosentaschen seiner tief sitzenden Jeans.

Das dunkle Haar war ein wenig länger geworden fiel mir idiotischer weise auf.

Ich blinzelte und blinzelte nochmal; wiederstand dem Drang, mich nach allen Seiten umzusehen, ob sich jemand einen Streich mit mir erlaubte.

Wieder blickten wir uns stillschweigend an, während der kühle Herbstwind das Laub über den Parkplatz wehte.

Mein Hirn schien wie leergefegt, selbst die kleinste Bewegung war mir unmöglich.

Wenn ich mich rühren würde, würde er dann verschwinden?

Der junge Japaner trug nicht mehr als ein Shirt und eine kurze Jacke.

Wie lang er hier wohl schon wartete? In der Kälte? Auf mich.

Ich wollte mir nicht einreden, dass er wegen mir hier war und doch tat ich es.

Beweg dich endlich, Alan oder willst du hier Wurzeln schlagen?

Ich schritt nun auf den Jungen zu und zog mir noch im gehen den Mantel aus, um diesen Kaito über die Schultern zu werfen.

Der Stoff war dem jungen Japaner viel zu groß und doch schmiegte er sich fast sofort dankbar hinein.

Der Gedanke, dass er etwas von mir trug, erfüllte mich mit einem gewissen Stolz und der zarten Wärme von Freude. Auch wenn diese Gefühle vielleicht mehr als fehl am Platz waren.

Kaito sah unter seinen dunklen Strähnen zu mir auf. Die Mundwinkel hoben sich leicht, kaum wahrnehmbar und doch war es da. Dieses kleine Lächeln, das mich für alle vergangenen Tage ohne ihn entschädigte.

Und Alan, was willst du jetzt machen? Willst du ihn mit nachhause nehmen und deiner Familie vorstellen? Oder wieder sinnlos durch die Stadt fahren?

Ich sah den Jungen noch eine Weile stumm an, dann öffnete ich die Beifahrertür, wie an jenem Tag vor Kaito’s Schule und sah ihn abwartend an.

Er zögerte nicht und stieg ein.

Das war verrückt. Mehr als verrückt.

Da saß ich nun wieder neben diesem Jungen, fuhr durch die Stadt, vorbei an Läden und Restaurants, vorbei an dem normalen Leben und konnte mir nichts Schöneres vorstellen.

Ich saß wieder neben jenem Jungen, den ich kaum kannte und von dem ich geglaubt hatte, ihn nie wieder zu sehen.

Ich zog mein Handy während der Fahrt heraus und rief Lisa kurz an, um ihr mitzuteilen, dass es noch etwas später werden konnte.

Sie fragte nicht weiter nach. Und ich kam nicht in die Verlegenheit, ihr irgendeine Lüge auftischen zu müssen.

Ganz abgesehen davon, dass Kaito neben mir saß und mich aufmerksam beobachtete. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass er scheinbar jede Bewegung, jedes Wort von mir still in sich aufsaugte.

Ich fuhr ganz bewusst wieder zum Tierheim.

Elene freute sich ehrlich, mich wieder zu sehen, noch dazu in Begleitung von Kaito.

An diesem Abend sprachen wir alle wenig, kümmerten uns einfach um die Tiere und verrichteten nötige Arbeiten.

Ja, selbst ich packte mit an.

Alan, seid wann fühlst du dich zu so niederen Arbeiten berufen?

Ich wusste es nicht.

Kaito tauchte in den darauffolgenden Tagen immer öfter bei mir auf.

Immer wartete er schweigend an meinem Wagen, um mich mit einem kleinen Lächeln zu begrüßen, welches mich besser wärmte, als jeder Mantel und mir sofort die Sorgen des Tages nahm.

Immer wieder fuhren wir zum Tierheim, um Elene dort mit den vielen Hunden, Katzen, ja sogar Vögeln und Nagern zu helfen.

Und ich entwickelte eine wahre Zuneigung für die Tiere.

Ich hätte nie gedacht, dass es mir Spaß machen könnte, vollgesabberte Bälle zu werfen, zotteliges Fell zu waschen oder Ohren zu kraulen.

Doch die stille Dankbarkeit, die aus den Augen der Tiere strahlte, gab mir wahrlich das Gefühl, etwas Richtiges und Wertvolles zu tun.

Außerdem schrieb man Tieren wohl nicht ohne Grund eine heilende Wirkung zu. In ihrer Nähe fühlte ich mich zufrieden und ausgeglichen; fühlte mich endlich wieder wie ich selbst.

Nun, vielleicht lag das aber nicht allein nur an den putzigen Vierbeinern.

Kaito´s Lächeln trug mit Sicherheit auch einen großen Teil dazu bei.

Denn je mehr mir die Tiere ihr Vertrauen schenkten, desto mehr taute der junge Japaner auf und schien mir auch selbiges zuzugestehen.

Er begann zu reden.

Anfangs nur belanglose Sachen, die man eben mit jemandem besprach, den man kaum kannte.

Nach einiger Zeit erzählte er dann auch immer mehr von sich selbst.

Zuerst musste ich ihn noch gezielt fragen und irgendwann redete er ganz von selbst.

Von seiner Kindheit.

Hauptsächlich von seiner Zeit in Japan und seinem leiblichen Vater, auf den er höllisch stolz schien, wobei er ihn eigentlich kaum kannte.

Kaito´s Mutter hatte den Jungen irgendwann geschnappt und hatte sein Heimatland mit ihm verlassen. Warum, dass wusste Kaito selbst nicht wirklich, da er damals wohl einfach noch zu klein gewesen war.

Wir sprachen von seiner Leidenschaft für die Musik und ich entwickelte mich langsam, durch Kaito’s Hilfe, zu einem wahren Kenner in der Musikszene.

Ich erfuhr von seinen Vorlieben, was Essen anging und Lieblingsbeschäftigungen.

Er sprach von der Schule und klärte mich immer wieder über den neuesten Klatsch und Tratsch zwischen den Lehrern und Schülern auf.

Oft lachten wir gemeinsam über seine Erlebnisse und ich trug nicht selten zu einem Kichern seinerseits bei, wenn ich alte Geschichten aus meiner Schulzeit zum Besten gab.

Ich erzählte ihm, warum ich mich für den Job als Anwalt entschieden hatte und er gestand mir seinen innigsten Wunsch für die Zukunft, auf den er eisern hinarbeitete.

Er wollte Veterinärmedizin studieren.

Ich war ehrlich beeindruckt von seinem Ehrgeiz und gleichzeitig hätte ich mir keinen Besseren für diesen Beruf vorstellen können.

Kaito schien wie geschaffen dafür.

Er hatte einfach ein Händchen für Tiere; selbst die störrischsten Vierbeiner wurden bei ihm zahm wie Kätzchen.

Hat er dich auch schon gezähmt, Alan?

Vielleicht.

Ab und an erschien Kaito wieder mit dieser hässlichen Brille oder schonte andere Körperstellen.

An diesen Tagen schwieg er wie am Anfang und sprach kaum ein Wort, schien regelrecht unsicher und in sich gekehrt.

Tonlos verrichteten wir dann unsere Arbeiten im Tierheim, selbst Elene wagte ihre üblichen Scherze dann nicht.

Diese Tage waren mir ein Grauen.

Weil ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Weil ich mich so schrecklich hilflos fühlte.

Ich wagte ihn nicht darauf anzusprechen. Das Thema Stiefvater hatten wir eh immer gemieden. Kaito hatte auch nie von ihm erzählt.

Ich spürte grenzenlose, doch sinnlose Wut, wenn ich Kaito so sah.

Rede mit mir! Vertrau dich mir an! Ich helfe dir!

Ich wollte ihm diese Worte an den Kopf werfen und ihn schütteln, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er nicht allein war.

Doch ich tat es natürlich nicht.

Aus Angst, ihn dadurch zu verlieren.

Dieser Junge war mir so kostbar geworden wie meine eigenen Kinder. Wie mein Leben, das ich mir ohne ihn schon gar nicht mehr vorstellen konnte.

Ich war fast süchtig nach diesen gemeinsamen Stunden im Tierheim; nach diesen Stunden, in denen ich mich der Illusion hingeben konnte, das Kaito und seine Aufmerksamkeit allein mir gehörten.

Und ich fühlte mich frei und unbeschwert in dieser Zeit, die ich fern ab von Familie und Arbeit verbringen konnte.

Wenn Kaito einmal nicht an meinem Auto wartete, war ich sofort unruhig, besorgt und stand förmlich neben mir.

Lisa erzählte ich eines Tages die Wahrheit. Zumindest die teilweise Wahrheit.

Ich berichtete ihr davon, dass ich abends oft noch im Tierheim aushalf mit einem Kollegen zusammen.

Meine Frau war anfangs recht verwirrt, fast ungläubig.

Ich im Tierheim?! Alan Harpor im Tierheim?!

Wo mir doch früher schon rote Warnleuchten in den Augen aufgeblitzt waren, als Susan nur von einem Haustier gesprochen hatte.

Doch nach einigen recht logischen Erklärungen gab sie sich damit zufrieden. Immerhin sprachen meine Anzüge voller Tierhaar ja ihre ganz eigene Sprache.

Ab und an fand sich auf den teuren Klamotten sogar wieder ein kleines Unglück von einem Welpen, bei dessen Anblick ich natürlich sofort wieder an Kaito und jenen Tag nach dem Sommergewitter zurückdenken musste.

Ich redete mir ein, dass es nichts als väterliche Gefühle waren, die ich für diesen jungen Japaner empfand.

Eine ganze Weile funktionierte das auch wunderbar.

Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem jede Illusion zerbricht und die Wahrheit gnadenlos ans Licht strebt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dayce
2010-12-28T19:26:05+00:00 28.12.2010 20:26
"Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem jede Illusion zerbricht und die Wahrheit gnadenlos ans Licht strebt" - besser hättest du das alles nicht erklären können. Im geheimen weiß Alan sicherlich schon längst was er will und was Sache ist. Doch passt das ganz und gar nicht in die sonst so heile Welt.
Wenn man einmal weiß das man weg muss, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Und ich bin gespannt wie es weiter geht.
Tschaui Dayce

Von:  Khaosprinzessin
2010-11-25T17:35:09+00:00 25.11.2010 18:35
Wahrheit ans Licht strebt?! Wo und vor allem: WANN?! Himmel, was bin ich kribbelig!!!*rumzappel*
Meine LIeblingsstelle ist übrigens die, wo Kaito an Auto lehnt und Alan denkt: Herz, bleib bei mir! Hihi, zu niedlich!!! *immer noch zuckeschock hab*
Man, mittlerweile bin ich regelrecht süchtig nach Screan in the sphere of destiny! Und du bist schuld!*knuddel* Bis zum nächsten Mal

beast


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