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Inhuman

von

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Schwarze Perlen hinter Glas

Mein Zimmer befand sich im alten Pfarrhaus, welches westlich des Schulgebäudes lag. Es war ein altes Fachwerkhaus über zwei Etagen und, bis auf die Seite die zum Haupthaus wies, von Pappeln umwachsen. Ein ruhiges und schüchternes Mädchen teilte sich mit mir das großzügig ausgestattete Zimmer. Auch wenn ich der Überzeugung war, dass wir sehr gut miteinander auskommen würden, so war ich doch froh darüber, die ersten Tage über meine Ruhe zu haben.

„Selbst wenn unsere Unterkunft ein wenig abseits liegt, wir haben immerhin einen sehr schönen Blick aufs Grüne.“, sagte Emilia, meine Zimmergenossin, als sie einen Strauß Wiesenblumen auf das Fensterbrett stellte und sah mich scheu an.

Nickend stimmte ich ihr zu und lächelte freundlich zurück.

„Ich finde es sowieso total schön hier muss ich sagen. Darf ich dich Emi nennen?“

Überrascht schaute sie auf, dann lächelte sie wieder, diesmal sah es nicht ganz so zurückhaltend aus.

„Na klar darfst du! Mich hat schon ewig niemand mehr so genannt^^“

„Dann wird es wohl Zeit was?“

Diesmal war sie es, die nickte.

Während ich mich daran machte meine Koffer auszupacken überlegte ich, wie ich wohl den Rest des Tages verbringen würde. Die weiteren Unterrichtstunden nach Geschichte waren um einiges interessanter gewesen, schon allein wegen der Lehrer. Frau Marinus, sie unterrichtete Französisch und Latein, war mir vor allem durch ihren blassblauen Teint aufgefallen. Sie hatte eine spitz zu laufende Nase und ihre dunkelblauen Augen waren tief in ihre Höhlen gefallen. Ihr Mund war sehr klein aber dafür hatte sie geschwungene Lippen und ein freches Grinsen, was so gar nicht zu ihrem Äußeren passte. Ganz anderes wiederrum sah der Lehrer für Biologie aus. Herr Masashi schien zwar Japan zu stammen, jedoch ließ darauf nicht ein Teil seines Körpers, bis auf die schmalen Augen, darauf deuten, dass er aus diesem Raum stammte. Er war sehr kräftig gebaut und hoch gewachsen, ich schätzte ihn mindesten eins achtzig, wenn nicht sogar mehr.

Seine Augen waren so grün, dass ich den Vergleich mit sommergrünem Gras, welches von der Sonne angestrahlt wurde, nicht ausschlagen konnte. Da er gerade mal wie ein maximal fünfundzwanzig Jähriger wirkte, und noch dazu ein zwar maskulines aber trotzdem auch irgendwie weiches Gesicht hatte, war er besonders bei den weiblichen Schülerinnen beliebt.

Als ich meine Schulbücher ins Regal einsortierte, erinnerte ich mich an Elias Nachricht.

Nach einem kurzen Blick auf die tickende Uhr, welche über der Zimmertür hing, schob ich den Koffer erst mal unter mein Bett und hängte meine Schultasche über die Garderobe.

„Sag mal Emi, wie komm ich eigentlich am schnellsten zum alten Nonnenhaus?“

Skeptisch zog der braunhaarige Lockenschopf die Augenbraue hoch. Ihre blauen Augen schauten mich fragend an.

„Was willst du denn da?“, bekam ich eine merkwürdig misstrauische Frage zurück.

„Einladung von Elias Killian….ich weiß nicht was er will aber irgendwas an mir scheint ihm wohl gegen den Strich zu gehen.“, antwortete ich schulterzuckend und kramte nebenbei mein Handy aus der Tasche. Nur aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich ihre Miene versteinerte.

„Elias Killian? Hör zu, egal was er oder seine Leute sagen, hör auf sie! Ich weiß nicht genau wie ich das beschreiben soll…Elias und seine Gang…, sind so etwas wie die Wächter der Schule. Sie passen auf, dass hier keiner am Rad dreht und Mist baut, auch wenn sie dass selber schon früher nach bestem Wissen und Gewissen getan haben. Die haben es faustdick hinter den Ohren, also hör auf das was sie sagen, dann werden sie dir keine Probleme machen. Sie tun alles für ihre Zuhause und die Schule…manchmal würde ich gerne wissen, welche Geschichte sie verbindet.“

Es lag keine Angst in ihren Worten, es war eher eine Art Respekt, ein gut gemeinter Rat anstatt einer Warnung. Trotzdem starrte ich sie etwas verwirrt an.

Jedoch fiel mir plötzlich wieder die Uhrzeit ein und ich nickte nur als Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte.

„Pass auf dich auf!“, rief sie mir hinterher als ich aus dem Zimmer verschwand.

Erst als ich schon auf dem Weg zum Haupthaus war viel mir ein, dass sie vergessen hatte mir den Weg zu beschreiben. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die nächstbeste Person zu befragen. Dass ausgerechnet die Person, die mir als erstes entgegen kam um die zwei Meter groß sein musste, muskelbepackt und ein Kreuz wie ein doppeltüriger Kleiderschrank hatte, das war dann wohl mein Pech gewesen. Und den Riesen sollte ich jetzt ansprechen?? Hilfe x___X

Prompt blieb er direkt vor mir stehen und musterte mich mit seinen tiefroten Augen.

Generell konnte ich es überhaupt nicht leiden, wenn man mich so schamlos anstarrte und somit lief ich gleich puterrot an.

„S-sagen Sie, wissen Sie wie i-ich zum Nonnenhaus komme?“

Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass meine Stimme so piepsig klang.

Ein nicht zu deutendes Lächeln ging über sein Gesicht.

Da ich mein Gesicht nach unten gewandt hatte sah ich, dass er schwere Schnallenstiefel trug, in denen er seine Hose gesteckt hatte. Dazu trug er ein schneeweißes Muskelshirt was seinen ohnehin schon beachtlichen Bizeps noch mehr betonte. Geschmack hatte er immerhin.

„Schade. So etwas Schnuckeliges als Nonne?“, antwortete mir seine basslastige Stimme und ich dachte ich hätte mich verhört. Der flirtete doch nicht gerade wirklich mit mir oder??

„Ich kann dich ja hinbringen Süße. Oder triffst du sich schon mit jemandem?“

Bei diesen Worten hatte er sich leicht zu mir herunter gebeugt und seine Augen starrten direkt in meine. Ich wich ein paar Zentimeter zurück. Er hatte eine sehr dunkle, fast schwarze Haut, wodurch seine blutroten Augen noch besser zur Geltung kamen. Seine Haare waren zu Dreads geflochten, lagen eng am Kopf an und fielen im Nacken zu einem Zopf zusammen.

Plötzlich wünschte ich mir einen dunklen verregneten Tag her, damit dieses Monstrum von Kerl nicht sehen konnte, wie meine Gesichtsfarbe seinen Augen Konkurrenz machte.

Aber die Sonne schien munter weiter und dachte gar nicht daran, mir den Gefallen zu tun und irgendwelchen Wolken Platz zu machen.

„Ich treff mich dort mit Elias. Elias Killian.“

Meine Stimme hatte sich wieder verfestigt, jedoch war ich innerlich nicht weniger beunruhigt als vorher.

Der Unbekannte zog seine Augenbraue hoch und richtete sich wieder auf.

„Ach ja? Fein, genau den such ich nämlich auch! Na dann, folg mir einfach, ich bring dich hin Süße“

Als er mein Gesicht sah lächelte er und wandte sich um.

Wir gingen querfeldein über die große Wiese die sich zwischen dem U-förmigen Internats-und Schulgebäude erstreckte.

Als wir den äußersten Rand hinter uns gelassen hatten sah ich am Waldrand ein altes Felssteinhaus. Wie starrende leere Augen blickten die schwarzen Fenster auf das Gelände. Das Haus musste mindesten ein paar dutzende Jahre alt sein. Manche Dachgiebel waren bereits gelöst und auf den lehmigen Boden vor die toten Fenster gefallen.

Wir betraten das alte Nonnenhaus vom Hintereingang, so dass es niemand sah.

„Wenn sich Elias hier mit dir treffen will, dann geht das, denke ich, in Ordnung.“, sprach die tiefe Stimme in den leeren Raum, jedoch klang ein seltsamer Unterton darin mit.

Aus den Fenstern heraus blickte ich in einen alten Innenhof der mit Gräsern und Wildblumen zugewachsen war.

Ein fauliger und gleichzeitig verbrannter Geruch schlich sich in meine Nase. Der große Raum in dem wir standen erinnert mich an ein alte Empfangshalle. Alle Möbel waren mit, wahrscheinlich ehemals weißen aber mittlerweile ergrauten Leinentüchern bedeckt und eine dicke Staubschicht auf dem knarzenden Holzdielenboden dämpfte die Schritte die ich machte.

An der Wand des Salons hingen alte Spiegel, mannshoch, die Rahmen verziert mit abgeblätterten Ornamenten. Alle waren zersplittert.

An den offenen Fenstern befanden sich zerrissene, vergilbte Seidenvorhänge.

Eine warme Sommerbrise verirrte sich in den Raum, die durchsichtigen Vorhänge schwebten dadurch wie Geister über dem Boden und wirbelten den Staub auf.

Dann war der Zauber plötzlich wieder vorbei. Nur noch die Sonnenstrahlen brachen sich auf eigeneartige Weise in den tanzenden Staubkörnchen.

„Wow…was war das hier, nachdem es kein Nonnenhaus mehr war?“, fragte ich fasziniert.

Ein Faible für alte und mystische Gebäude hatte ich schon seit ich denken konnte.

Gerade deswegen hatte ich mir diese Schule ausgesucht. Im Herzen der Highlands, jedoch nur unweit von der Küste, war sie die perfekte Umgebung für mich. Wochenends würde ich mich nie langweilen da ich immer eine andere der dutzenden alten Burg-und Schlossruinen besuchen konnte.

Der riesige Kerl blickte kurz auf die Uhr. Einen Moment lang überlegte ich, ob man für solche Handgelenke wie die Seinen eine Sonderanfertigung benötigte.

„Warum hat der Junge nur solche Probleme mit Uhrzeiten?“, murmelte er leise während er auf und ab schritt wobei sein Blick oft die alte und brüchig aussehende Treppe schweifte. Wenn er sich umwandte brachen sich die Sonnenstrahlen in seinen Augen und verliehen ihnen ein seltsames Funkeln.

„Sag mal, du weißt nicht zufällig was Elias von dir will oder? Hast du ihn verärgert?“

Er blieb vor ihr stehen und in seiner Stimme fand sich kein Funken von Witz, sondern nur purer Ernst. Es regte mich trotzdem auf, dass der meine Frage einfach ignorierte.

Jedoch fiel mir nichts Plausibles ein, als ich darüber nach dachte, was zur Hölle ich verbrochen hatte, das Elias gleich ein Treffen ausmachen musste. Und ein Date schien das ja nun beim besten Willen nicht zu sein, so wie sich der Hüne verhielt.

„Das Einzige was ich falsch gemacht haben könnte ist, dass ich seinem Soziologie-Buch geblättert habe. Einer anderen Sünde alá Elias Kilian bin ich mir echt nicht bewusst.“, antwortete ich wahrheitsgemäß und seufzte.

„Wie heißt du überhaupt?“

Er schnaubte kurz auf, sah mich nicht minder ernst an als vorher, doch dann lächelte er.

„Uriel St. John. Aber es reicht wenn du mich Uriel nennst. Und mit wem habe ich das Vergnügen, Schönheit?“

Während er antwortete stütze er sich lässig an der Wand ab, beugte sich näher zu mir herab.

Zum wiederholten Mal in der letzten halbe Stunde, kam ich mir endlos dämlich vor. Mit plumpen Anmachsprüchen und Komplimenten konnte ich genauso wenig etwas anfangen wie mit dem ungenannten Problem, welches Elias mit mir hatte.

„Jill…“, für einen Augenblick dachte ich darüber nach, ihm auch meinen zweiten Namen zu nennen, kam aber zu dem Schluss, es doch lieber bleiben zu lassen. Es reichte wenn er mich schon so mit Oberflächlichkeiten zu häufte, einen weiteren Grund musste ich ihm nicht liefern.

„Jill Hazel. Wie ein Heiliger siehst du aber nicht gerade aus…“, antwortete ich schließlich, wohl leider etwas zu pampig und als er mich mit hochgezogener Augenbraue musterte, wich ich einen Schritt zurück.

„Bist du eigentlich gut mit ihm befreundet?“, lenkte ich um.

„Mit wem? Elias?“

Als ich nickte lachte Uriel donnernd und zuckte mit seinen muskulösen Schultern.

„Es geht. Ich bin wohl einer der Wenigen, die überhaupt mit ihm klar kommen beziehungsweise es wollen. Er ist zwar beliebt aber an ihn ran trauen tut sich keiner wirklich. Er ist zu unnahbar.“

Der Riese sprach in einem ruhigen und monotonen Ton, den man ihm gar nicht zutrauen würde. Doch dann trat er wieder näher an mich ran und nahm wieder seine typische raue Stimme an.

„Du hast Temperament, das ist selten geworden in letzter Zeit…aber es steht dir.“, lächelte er eindeutig.

Blitzartig zuckten seine Augen nach rechts zur Treppe, die in den ersten Stock führte.

Auf den Stufen saß ein schlanker Typ mit blau schimmernden Haaren. Er war überdurchschnittlich groß aber noch immer mindestens einen Kopf kleiner als Uriel.

Ein bordeaux roter Ledermantel verdeckte seinen Körper und sein androgynes Gesicht wurde von zwei Augenbrauenpiercings und einem Septum geschmückt. Eine Sonnenbrille verdeckte seine Augen und seine Lippen waren zu einer schmalen Linie gezogen.

„Mach dich nicht andauernd an kleine Mädchen ran Uriel. Das wird langsam lächerlich.“, wisperte er sarkastisch. Obwohl er sehr leise sprach, schien seine Stimme hundertfach in meinem Kopf wieder zu hallen, als würde ich sie durch mehrere Verstärker gleichzeitig hören.

Seine Stimme war klar und hatte keinen so heftigen Bass wie Uriel‘s, jedoch hörte man aus ihr heraus, dass man sich vor ihm in acht nehmen musste.

Wieder schnaubte Uriel.

„Darian, altes Arschloch!“, grinste er.

´Netter Umgangston…´, dachte ich mir und zog skeptisch die Augenbraue hoch.

Es dauerte nur ein paar Sekunden bis ich meine Stimme wieder fand.

„Freut mich auch dich kennen zu lernen aber bitte verzichte in Zukunft darauf, mich als kleines Mädchen zu bezeichnen.“, beschwerte ich mich leicht pikiert in Richtung Treppe.

Wenn hier nicht bald ein paar Individuen auftauchen würden, die nicht überdurchschnittlich gut aussahen, dann würde ich hier definitiv noch eine totale Meise bekommen.

Ich seufzte und wand mich wieder an Uriel, um wieder das Thema aufzufassen, welches wir hatten, bevor Darian auftauchte.

„Naja ich finde ihn schon ein wenig komisch…Wo bleibt er denn jetzt eigentlich? Er ist schon eine halbe Stunde zu spät…“

Nach kurzem Überlegen fügte ich hinzu:

„Aber irgendwie seht ihr alle so aus, als würde euch jeder wollen aber niemand bekommen…“

Uriel lief wieder auf und ab.

„Eine halbe Stunde erst? Das ist noch gut, glaub mir.“

Nach dem er das genuschelt hatte zündete er sich ein Zigarette an und drehte sich grinsend zu mir um.

„Sehe ich tatsächlich so aus ja?“, fragte er selbstgefällig feixend.

„Ach komm schon! Du baggerst doch alles an was halbwegs Vorbau hat.“, knurrte Darian.

Der Angesprochene zuckte die Schultern.

„Kann ja nicht jeder so gefühlskalt und frigide sein wie du. Is doch ne Süße…“

Darian stand auf und schnippte seine Kippe achtlos auf den Boden.

„Und sowas wie dir vertraut Elias. Er ist echt erbärmlich.“

Genervt stöhnte ich auf.

„Gibt es noch mehr von eurer Sorte oder war´s das langsam mal?“

Ich stellte die Frage in der Hoffnung, endlich erlöst zu werden. Sie gingen mir nicht wirklich auf die Nerven, aber ihr Verhalten machte mich kirre. Das konnte ja noch was werden die nächsten Jahre.

„´Türlich gibt es noch mehr von uns, Süße.“

„Jetzt bildet der sich auch noch was ein…ich glaub das nicht“, murmelte Darian abfällig.

„Ach halt doch die Labbe alter Stinkstiefel! Ruf lieber mal Elias an.“, patzte Uriel zurück.

„Warum ich?? Er will sich doch mit der da treffen!“, fauchte der Blauhaarige und wies auf mich.

Uriel lächelte mich besänftigend an.

„Hey, sei ihm nicht böse. Er spinnt halt öfters.“

Er zeigte Darian eine eindeutige Geste mit dem Mittelfinger und zückte dann sein Handy.

Während er versuchte Elias zu erreichen begann ich darüber nach zu denken, ob diese Kerle noch ganz bei Verstand waren. Oder ich. Denn irgendwie wurden sie mir sympathisch.

Ob das daran lag, dass sie mich an meine ehemaligen Freunde erinnerten, kurz bevor…

Mein Herz krampfte sich zusammen und für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen so dass ich sie kurz schließen musste. Nach wenigen Augenblicken war der schwummrige Zustand vorbei und ich öffnete die Augen wieder.

„Ihr versteht euch nicht sonderlich gut oder?“, fragte ich wieder an Uriel gewandt.

Dabei sprach ich nur leise und grinste vorsichtig. Ich hatte das dumme Gefühl, dass ich in Zukunft noch mehr mit diesen Leuten zu tun haben würde. Nicht nur in der Schule.

Er setzte sich auf eine Bank, die genau wie alle anderen Möbel mit einem verstaubten Tuch überdeckt war.

„Ach naja eigentlich schon, nur schau ihn dir an, er hat keine Freunde.“

Er grinste.

„Elias wird gleich da sein, hatte mal wieder Stress mit ´nem Lehrer.“

„Er hat IMMER ein Problem mit irgendwem. Und sie hier scheint auch irgendwas ausgefressen zu haben. Ich konnte ihren Schmerz gerade förmlich schmecken“, wisperte Darian, der plötzlich hinter mir stand. Ich zuckte zusammen als ich seine dunkle Stimme so nah an meinem Ohr vernahm.

„Ob wir wirklich zulassen sollten, das sie nochmal mit unserem kleinen Prinzen spricht?“, hauchte er mit seinen Lippen an meinem Nacken. Sie berührten mich nicht doch sein heißer Atem überbrachte mir eine Gänsehaut die mich erzittern ließ.

„Hör auf ihr Angst zu machen Darian! Sie ist gerade mal den ersten Tag hier, was soll sie schon groß angestellt haben? Außerdem will Elias nur mit ihr reden also halten wir uns da schön raus, ist das klar?“ Bei den letzten drei Worten sprach er mit jedem eine lautlose Drohung aus. Er klang nun ganz und gar nicht mehr spaßig.

„Komm schon du Töle! Du willst ihr ja nur an die Wäsche, außer einem strammen Hintern und ordentlichen Brüsten nimmst du doch wohl eh nichts mehr ernst!“, knurrte er im gleichen bedrohlichen Ton zurück.

Dass sich die Atmosphäre zwischen den Beiden gerade extrem verändert hatte nahm ich nur nebensächlich wahr. Was hatte Darian damit gemeint, dass er meinen Schmerz geschmeckt hatte?

Bei der Vorstellung, er würde etwas von dem erfahren was ich getan hatte, lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Niemand außenstehendes sollte mich jemals daran erinnern was passiert war, egal wie und warum. Ich versuchte die Gedanken zu verdrängen und konzentrierte mich auch den Streit der beiden so ungleichen Personen.

„Jungs? Könnt ihr mir sagen was hier los ist?“, fragte ich zögernd und merkte dass meine Stimme leicht zitterte.

Darian leckte sich über die Lippen.

„Würde ich dir sagen was hier los ist, müsste ich Dinge tun, für die ich Schlimmeres als den Tod auf mich nehmen müsste.“

Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.

Gerade als er seine Brille abnehmen will steht Uriel knurrend auf.

„Elias kommt. Reiß dich zusammen!“

Da ich leicht fror schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper.

Ich war froh als Elias das Haus betrat, er schlichtete die Situation durch seine bloße Anwesenheit.

Durch die Auseinandersetzung der Beiden hatte ich total vergessen, dass es ein Problem zu klären gab. Was konnte jetzt noch kommen?

Während Uriel ihn kameradschaftlich begrüßte, nickte ihm Darian nur zu.

„Warum willst du unbedingt mit ihr reden?“

Wegen der Sonnenbrille war sein Blick nicht zu ergründen.

„Falls du sie loswerden willst…Dann sag es nur, ich habe… Hunger.“

Uriel baute sich vor Darian auf und knurrte wieder drohend.

„Fass sie an und du bist tot.“

„Ohhh, Töle wird böse.“, lachte er nur und starrte mich an.

„Irgendwann…“

Wieder lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Das war nicht nur ein Wort. Es klang fast wie ein Versprechen. Wie ein tödliches Versprechen.

Endlich trat Elias auf mich zu und Darian wich ihm widerwillig aus. Uriel lächelte mir ermutigend zu. Doch das half nicht. Darian´s Worte hallten zu sehr nach.

„Elias.“, grüßte ich ihn und blickte in seine hellgrünen Augen.

„Jill“, erwiderte er.

Die Luft war wieder geladen, ich wusste nicht wo es herkam aber es war, als würde ein einziger Funken alles zum Explodieren bringen. Im Hintergrund hörte ich Darian kurz aufschnauben.

Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Wir starrten uns an, als würde wir damit einen stillen Konflikt ausführen. Doch mein Kopf war leer. Ich verlor mich regelrecht in seinen Augen.

Um die maigrüne Iris sprenkelte ein golden schimmernder Rand. Wenn man sich in Elias Augen verlor, wusste man, wie tief man fallen konnte. Das begriff ich in dem Moment, in dem sich das Gold silbern verfärbte und eine leichte Windbrise seinen Geruch in meine Nase trug.

Den Geruch, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wieder in meiner Gegenwart ertragen zu müssen.

Den Geruch, den nur sie verströmten.

Und in diesem Moment wurde mir bewusst, welche Rolle Uriel und Darian spielten, und warum sie anscheinend die einzigen waren, die Elias an sich heran ließ.

Mir wurde bewusst was er war.

Und ich wusste, dass er als das was er war, niemals hier sein dürfte.

Denn ich bekam Durst.

Darian stürmte vor, stellte sich zähnefletschend vor mich.

„Wage es nur daran zu denken Blutsauger!“

Er schob seine rechte Hand kaum merklich unter seinen Mantel.

Verstört presste ich mich an die Marmorwand. Ich konnte spüren, wie sich meine Augen zu einem eisigen Blau verfärbten und mein Puls immer schneller raste. Die Waffe in Darian´s Hand blitzte auf, doch noch hatte er sie nicht auf mich gerichtet.

Nur für einen Augenblick hatte ich die Kontrolle verloren. Aber warum war einer von ihnen hier? Erstarrt blickte ich Darian an. Meine Hand zuckte und ehe ich mich versah war der Lauf seiner Waffe an meine Brust gepresst und zielte direkt auf mein Herz. Ein Klicken verriet mir, dass sie bereits entsichert war und mich mir keinen Fehler mehr erlauben durfte.

Nicht mal zu Atmen traute ich mir.

„Darian!!“, brüllte Uriel.

Er stürzte auf uns zu, warf sich dazwischen. Sein schwerer Arm prallte gegen meine Schläfe und ich kippte kurz zur Seite, bevor er mich mit dem anderen Arm rechtzeitig auffangen konnte.

Nur kurz sah ich, wie er dabei die Sonnenbrille von Darian´s Gesicht riss.

Der Blitzeinschlag kam vollkommen unerwartet.

Ich riss meinen Kopf hoch und starrte in seine Augen.

„Nein!!“, rief Elias

„SCHEIßE!!!!“, brüllte Uriel unglaublich laut doch es kam nur wie durch einen Schallschutz bei mir an.

Stumpf.

Darian´s Augen wurden pechschwarz.

Sie waren leer.

Endlos leer.

Genauso endlos wie die Kälte, die sich augenblicklich in meinem Herz ausbreitete.

Sie arbeitete sich durch meine Muskeln und Venen, ich fühlte wie mein Gesicht wie zu Stein erstarrte doch meinen Blick konnte ich nicht abwenden.

Ein Windzug an meiner Seite ließ mich vermuten, dass jemand an mir vorbei gerast war.

„Lass es!!“, schrie eine Stimme durch den dicken Vorhang der alles so schrecklich dumpf klingen ließ.

Doch es war zu spät.

Darian hat mein Herz berührt, in meine Seele gesehen und meine Gefühle geschmeckt.

Seine Worte nahm ich nur halbwegs war. Ich schwebte an einer Grenze von der ich bis heute nicht einmal gewusst hatte, dass sie existiert.

„Lecker…“, hauchte mir eine Stimme ins Ohr.

Den Rest verstand ich nicht mehr.

Meine Gefühle schienen sich aufzulösen.

Ich war auf dem Boden meiner Seele zu Asche zerfallen. Weiße Asche.

Wie Schnee fiel sie in Flocken auf den Grund meines Innersten.

Doch als sie ihn erreichten explodierten sie wie Bomben und zersplitterten meinen Körper vom Mittelpunkt meines Seins.

Fühlte es sich so an, wenn man seine Seele verlor?

Ein tiefer Bass erklang, dann wurde alles um mich herum pechschwarz.



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