Klärungsbedarf
Zwar spielte Lily gerne Quidditch und im Moment erschien es ihr auch als eine angenehme Abwechslung zu all den Gedanken, die sie sich wegen Rose machte, aber eine wirkliche Ablenkung war es nicht. Als Sucher hatte man einfach zu wenig zu tun. Lily hielt Ausschau nach dem Schnatz und versuchte gleichzeitig das restliche Spiel halbwegs zu verfolgen. Die Jäger des gegnerischen Teams waren sehr engagiert und gelangten ständig mit gerade noch akzeptablen Manövern an den Quaffel. Lily folgte dem roten Ball mit ihrem Blick und sah plötzlich etwas Goldenes blitzen. Sofort stürzte sie sich in diese Richtung, in der Hoffnung es wäre der Schnatz. Von den anderen schien es keiner bemerkt zu haben und sie fragte sich, ob sie das Spiel wirklich so schnell beenden wollte, vorausgesetzt sie erwischte den kleinen goldenen Ball.
Als Lily im vorbeifliegen auf einer Tribüne ihre Cousine Rose entdeckte, entschied sie sich dafür, den Schnatz jetzt zu fangen. Es gab ein paar Dinge, die sie klarstellen musste.
Sie beschleunigte so schnell sie konnte und kam dem Schnatz immer näher.Mittlerweile schien auch James gemerkt zu haben, was sie da tat und war ihr schon dicht auf den Fersen. Doch bevor er nah genug herankommen konnte, hatte Lily den Sieg schon in der Hand.
Sie sank hinab auf den Boden du der Rest, welcher nicht sonderlich begeistert schien, dass das Spiel schon beendet war, tat es ihr nach.
„Was soll das Lily?“, motzte James, „das waren keine fünf Minuten.“
„Tut mir leid, aber mir ist gerade noch etwas eingefallen, dass ich dringend erledigen muss.“, antwortete Lily und verschwand in Richtung Umkleide.
„Und das hätte nicht warten können?“, rief James ihr noch nach, doch sie ignorierte es.
Schnell zog Lily sich um und machte sich dann hastig auf den Weg zum Schloss. Unter keinen Umständen wollte sie Albus oder James über den Weg laufen, die sie mit Sicherheit aufhalten und so ihr Vorhaben verhindern würden.
Als Lily die Eingangshalle betrat, wäre sie beinahe in Professor McGonagall hineingelaufen, die es sehr eilig zu haben schien.
Als sie Lily sah, blieb McGonagall abrupt stehen. „Miss Potter, wenn sie ihren Bruder sehen, teilen sie ihm doch bitte mit, dass er sich in meinem Büro einfinden soll.“ Sie schien ziemlich aufgebracht und stürmte sofort weiter in Richtung ihres Büros.
Lily fragte sich was Albus schon wieder verbrochen hatte, denn es war klar, dass McGonagall ihn gemeint hatte. James war ein viel zu guter und bei den Lehrern beliebter Schüler.
Als Lily den Gemeinschaftsraum erreichte, konnte sie Rose nirgends entdecken. Allerdings war es auch sehr voll. Trotzdem fand Lily einen Platz am Feuer und erholte sich dort ein wenig von den Anstrengungen des Tages. Rose würde schon auftauchen.
Da hörte sie plötzlich lautes Gelächter vom Portraitloch. Sie drehte sich dorthin um und erblickte auch schon ihre Cousine, die, an Scorpius Arm geklammert, lauthals lachte.
Lily schüttelte den Kopf und erhob sich schwermütig von ihrem weichen Sitzplatz. Sie hatte von Anfang an keine große Lust gehabt, dieses Gespräch mit ihrer Cousine zu führen, doch sah sie die Notwendigkeit, beim Anblick des ungleichen Paars, noch viel mehr und so ging sie hinüber zu den beiden.
Augen zu und durch.
„Rose?“Rose wandte sich ihr zu und schien nicht sonderlich überrascht sie zu sehen. Aber sie schien wohl sowieso zu ahnen, was für ein Gespräch Lily mit ihr führen wollte.
„Jetzt nicht Lily!“, wehrte Rose ab und widmete sich wieder ihrem Freund. Das hatte Lily schon erwartet und innerlich seufzte sie. Weshalb musste alles immer so kompliziert sein?
„Es ist aber sehr wichtig.“, drängte Lily. Sie würde sich nicht abschütteln lassen. Sie konnte nicht zulassen, dass Rose Scorpius so ausnutzte und verletzte.
„Worum geht’s denn?“, fragte ihre Cousine, nun mit einem deutlich genervten Unterton und sah sie obendrein noch mit ihrem fiesen Blick an, der sogar Albus zum Schweigen brachte.
„Nicht hier.“, antwortete Lily. „Lass uns nach oben in deinen Schlafsaal gehen.“
Rose seufzte lautstark, löste sich dann aber doch endlich von Scorpius und folgte Lily.
In Rose Zimmer angekommen ließ sich Lily auf das Bett ihrer Cousine fallen und Rose setzte sich neben sie. „Ich nehme an, du weißt worum es geht?“, begann Lily das Gespräch.
„Darum, dass du in Scorpius verknallt bist nehme ich an.“, erwiderte Rose patzig.
Lily errötete leicht, fing sich aber schnell wieder.
„Nicht direkt.“, stellte sie klar. „Es geht mir eher darum, wie du ihn behandelst. Wir wissen doch beide, dass du ihn in Wirklichkeit gar nicht liebst.“
Rose wollte sie unterbrechen, doch Lily bedeutete ihr, sich ihre Erwiderung für später aufzusparen. „Jahrelang hast du ihm das Leben zur Hölle gemacht und jetzt hattest du plötzlich einen Sinneswandel und hast dich in ihn verliebt? Nein, ich denke eher, dass da wieder einer deiner Pläne hinter steckt und du nur auf die passendste Gelegenheit wartest, um ihn so tief zu verletzen wie du nur kannst.“
Rose schien nicht sonderlich überrascht von Lilys Schlussfolgerungen, sah aber etwas zerknirscht aus. „Weißt du Lily, das geht dich alles überhaupt nichts an. Scorpius ist mein Freund und ich kann machen was ich will. Du hast damit rein gar nichts zu tun, also misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein.“ Rose Stimme hatte einen sehr kalten Unterton angenommen, wovon sich Lily aber nicht im Geringsten stören ließ. Sie kannte ihre Cousine einfach viel zu gut, als dass sowas sie in ihrem Vorhaben beeinflusst hätte.
„Du überschreitest eine Grenze Rose. Deine Verhaltensweise war schon in den letzten Jahren nicht in Ordnung, aber ihm zu sagen, dass du ihn liebst, obwohl das ganz klar nicht der Fall ist, das geht einem viel näher und verletzt einen tiefer, als all die Streiche die du ihm in den letzten Jahren gespielt hast.“
Rose kniff die Augen zusammen. Langsam wurde sie sauer und Lily wusste, dass sie dieses Gespräch schnell zu einem Ende bringen musste, wenn sie nicht wollte, dass ihre Cousine ausrastete, denn dann konnte man nicht mehr mit ihr reden und Rose würde sich in der nächsten Zeit auch auf kein Gespräch mehr einlassen.
„Wieso behauptest du eigentlich die ganze Zeit, ich würde Scorpius nicht lieben? Dass kannst du doch gar nicht wissen. Und wie ich schon sagte, es geht dich nichts an. Du redest dir das alles ein, weil du nicht damit klar kommst, dass Scorpius mit mir zusammen ist und nicht mit dir. Halt dich einfach raus, ok?“
Langsam wurde auch Lily wütend. Es war klar gewesen, dass Rose nie zugeben würde, dass ihre Beziehung zu Scorpius aus ihrer Sicht nur Schein war. Doch dass sie sich nicht mal ins Gewissen reden ließ, dass sie einfach nicht einsehen wollte, dass sie etwas Falsches tat, machte Lily sauer.
„Weißt du was?“, fuhr sie ihre Cousine an, „Wie wärs wenn ich jetzt nach unten gehe und mal mit Scorpius über dieses Thema rede? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich auch die Frage gestellt hat woher dein plötzlicher Sinneswandel rührt. Vielleicht erkennt er was für ein Miststück du bist und beendet das ganze selbst, bevor du es tun kannst.“ Lily wollte sich schon vom Bett erheben um in den Gemeinschaftsraum zu gehen, doch sie wurde von Rose am Arm zurückgehalten.
„Du glaubst vielleicht, dass dir das irgendwelche Vorteile verschafft. Aber ich kann Scorpius auch einfach sagen, dass du bloß versuchst uns auseinander zu bringen, da du in ihn verliebt bist.“ Rose Stimme war gefährlich leise geworden. So sauer hatte Lily sie lange nicht erlebt.
„Ich lass es drauf ankommen. Wenn er dir glaubt, kann man ihm sowieso nicht mehr helfen.“, zischte Lily zurück.
Sie riss sich los und verließ den Schlafsaal.
Auf der Treppe hörte sie wie die Tür von Rose Zimmer zuknallte und dann Schritte, Rose folgte ihr also.
Scorpius saß noch immer da, wo Lily und Rose ihn vorhin zurückgelassen hatten.
„Scorpius?“ sprach Lily ihn an.
Scorpius sah sie an und nickte kurz.
„Ich würde gerne kurz mit dir reden. Es geht um Rose.“Scorpius zog fragend eine Augenbraue hoch und wartete dass Lily fortfuhr.
Grade als diese ansetzte, wurde sie von ihrer Cousine unterbrochen, die genau in dem Moment neben Lily auftauchte.
„Was gibt es denn Interessantes über mich zu erzählen?“, fragte sie mit neugieriger Stimme. Sie war wirklich eine sehr gute Schauspielerin wenn sie wollte.
Lily warf ihr einen bösen Blick zu und wandte sich dann wieder an den jungen Malfoy.
„Hast du dich nicht gefragt, woher Rose plötzlicher Sinneswandel in Bezug auf dich herrührt? Ich meine, die Tatsache, dass sie jetzt scheinbar plötzlich in dich verliebt ist, erscheint mir doch ziemlich abwegig.“
„Ja, da habe ich schon viel drüber nachgedacht.“, antwortete Scorpius.
„und zu welchem Schluss bist du gekommen?“, hakte Lily nach. Musste man ihm denn alles aus der Nase ziehen?
„Ich bin noch bei der Analyse.“
Was für eine Aussage. Dann halt anders.
„Und was ist mit dir? Liebst du sie denn? Ich meine, sie hat dir jahrelang das Leben so schwer gemacht wie sie konnte, wie kannst du sie da lieben?“
Lily warf einen kurzen Blick zu Rose, die sie mit einem geschockten Gesichtsausdruck ansah.
„Was soll das Lily? Natürlich liebt er mich. Du bist doch bloß eifersüchtig, weil du ihn am liebsten für dich selbst hättest.“
Lily sah zu Scorpius um zu sehen wie er auf diese Aussage reagierte, doch der saß einfach in seinem Sessel und schien total in Gedanken vertieft. Lilys Worte hatten ihn wohl zum Nachdenken gebracht.
Auch Rose schien zu merken, dass ihr Freund nicht reagierte.
„Scorpius?“, fragte Lily vorsichtig nach.
Scorpius schaute immer noch halb in Gedanken zu seiner Freundin und schien dann eine Entscheidung zu treffen.
„Rose, wir sollten reden.“
