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Wiedergeboren

- Ilanaes Wandlung -
von

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Sommer. Spätsommer. Fast schon Herbst.

Aber es ist noch recht warm, da müsste es doch auch noch hell sein.

Doch Yelia kann kaum die eigene Hand sehen, die sie probehalber vor ihr Gesicht hält und bewegt. Ein Schemen, aber nicht mehr. Nur ein grauer, vager Schemen… Vollmond ist es, aber es reicht nur dafür, ihre Hand bläulich grau schimmern zu lassen.

Es schaudert Yelia, läuft ihr kalt den Rücken herunter, während ihre Schritte hastiger und unvorsichtiger werden, sie eilt auf die Stadt zu, in der sich das Haus ihrer Eltern befindet. Mutter wird sie schelten, weil sie erst so spät kommt, aber das ist egal, sie will sich bloß im Sicheren wissen, sicher sein, dass stabile Mauern sie umgeben.

Denn sie fühlt sich beobachtet; auf Schritt und Tritt verfolgt. Etwas, das sie schier wahnsinnig werden lässt, sie vor Beunruhigung fast rennen lässt.

Sie sieht sich um. Nervös, fast panisch. Natürlich, nichts. Schwarze Bäume vor dem dunkelblauen Himmel. Das sanfte Rauschen des Winds in ihren Kronen. Sie wendet sich wieder dem Weg zu, geht weiter. Versucht, ruhig zu bleiben. Das Städtchen, Ryvale mit Namen, rückt näher, sie kann schon die Wachen erkennen, die das hölzerne Tor bewachen.

Und plötzlich hört sie es. Das Knacken eines zerbrochenen Astes, ein Körper der durch die Luft fliegt. Der dumpfe Aufprall ihres Körpers auf den Boden. Instinktiv hat sie sich zusammengekauert, versucht, ihren Kopf zu schützen.

Sie fühlt sich nicht verletzt. Abschürfungen an Händen und Knien sicherlich, ein kaputter Rock, ein Schock. Und natürlich das Etwas auf ihr, das sie bäuchlings zu Boden drückt. Aber ansonsten… Nicht verletzt.

Zaghaft versucht Yelia, ihren Kopf zu drehen, die Wange in den Dreck gedrückt, einen Blick auf das zu erhaschen, das sie zu Boden riss.

Fell. Langes, drahtiges Fell streift ihr Gesicht. Grau, ganz hellgrau.

Sie versucht sich zu wehren, windet sich, greift nach dem langen Fell, das ihr jedoch erstaunlich leicht wieder entgleitet. Nur kurz kann sie einen Blick auf das Gesicht des Wesens auf ihr erkennen. Eine lange Schnauze, spitze, pelzige Ohren, lange, gefährlich aussehende Fänge und… Diese Augen… Eisig blau, intelligenter als es für einen Wolf angemessen wäre und so voller kalter Grausamkeit… Die Augen, die sie auf dem ganzen Weg begleiteten.

Zähne, die dolchgleichen Fänge, die sie gerade eben noch vor sich sah, bohren sich in ihre Seiten, reißen ein Stück Fleisch heraus, ohne sich am Stoff ihrer Bluse zu stören, welcher einfach ebenfalls zerfetzt wird.

Yelia kann sich nur noch leise “Hilfe… Ich will leben…” wimmern hören, während ihr schwarz vor Augen wird…
 

Blinzeln. Ein undeutlicher, verschwommener Eindruck einer fremden Umgebung.

Schlagartig blitzt die Erinnerung wieder auf. Yelia versucht hastig, sich aufzusetzen. Eine Hand drückt sie bestimmt aber sanft zurück. Yelia reißt die Augen auf, nur um sie gleich wieder zu schließen. So hell… Und alles dreht sich.

Aber… Sie wurde doch gebissen. Spürte, wie ihr das Fleisch aus dem Leib gerissen wurde. Sie müsste tot sein. Als Mahlzeit eines Werwolfs geendet sein.

Der Schmerz, der nicht nur ihre Seite erfüllt, und die Tatsache, dass sie sich unwohl fühlt, deuten allerdings stark darauf hin, dass sie wider allen Gesetzen doch noch lebt. Wieder blinzelt sie, versucht den Besitzer der Hand, die sie zurück auf den Deckenhaufen, der wohl ein Bett ersetzen sollte, drücke, ausfindig zu machen. Einen verschwommenen Schemen kann sie erkennen, mehr nicht… Er sitzt neben ihr, auf dem Boden. Langsam streckt sie die Hand aus, berührt ihn.

“Wart Ihr es…? Der mich gerettet hat?”, fragt sie mit leiser, krächzender Stimme.

Die Hand, weicher und zarter, als sie gedacht hätte, streichelt sanft über die schweißnasse Stirn an der die hellbraunen Haare kleben.

“Schhht…. Ruh dich aus, Kleines.”, spricht der Schemen mit leicht spöttischer Stimme, legt die Hand auf Yelias Augen und schon dämmert sie wieder in einen unruhigem Schlaf hinüber.
 

Alles wirkt klarer, als Yelia abermals wach wird. Noch immer brodelt der Schmerz in ihr, schlägt hartnäckig immer wieder seine Fänge in ihren Körper.

Sie kann erkennen, dass sie sich wohl in einer Art Scheune befindet, ihr Lager als mehreren alten Pferdedecken besteht… Ein sauberer Verband, offenbar erst vor kurzem gewechselt, verbirgt den offenen Blick auf ihre Wunde.

Offenbar ist sie alleine. Ob der Schemen, ihr geheimnisvoller Retter sie hier alleine zurückgelassen hatte? Nie mehr wieder kommen würde?

Doch schon ehe sich diese Gedanken festsetzen könnten, öffnet sich die Tür und eine von einem grauen Umhang verhüllte Gestalt huscht herein, schließt sofort hinter sich die Türe.

Yelia setzt sich auf, streicht die hellbraunen Locken zurück hinter ihre Ohren, während sie sich neugierig erkundigt: “Ihr seid wieder da…?” Die Gestalt unter dem Umhang nickt, antwortet leiser, aber mit der vertrauten Stimme, in der sanft der milde Spott mitklingt, “Dir geht’s ja eindeutig schon wieder besser… Aber sei besser ruhig, man könnte uns hören…”

Yelia will etwas entgegnen, aber schon sitzt die Gestalt neben ihr auf dem provisorischen Bett und sie kann klar sehen, wer sich unter der Kapuze des Umhangs verbirgt. Ein hübsches, ausgewogenes Frauengesicht mit kurzen, platinblonden Haaren, einem einprägsamen Kinn und einer geraden, strengen Nase. Der sanfte Spott, der nicht nur in der Stimme schwingt, sondern auch ihr Lächeln färbt. Und vor allem die Augen… Eisblau wie die des Werwolfes, der sie attackierte, sie zerfetze. Und doch lebt sie, auch wenn diese kühlen Augen es nun sind, die sie erstarren lassen.

“Du…”, Yelias Stimme klingt tonlos, matt. Sie hatte auf einen strahlenden Retter gehofft und nun ist sie dem Werwolf ausgeliefert, “Was willst du von mir, warum hast du mich nicht getötet?”

Kühle Augen mustern sie, dann erhebt sich leise die Stimme der Frau: “Du sagtest, du wolltest leben… Und ich ließ dich leben. Als Lykantrophin wie ich auch eine bin. Als Werwölfin, wie uns die Menschen nennen.”
 

Eine Weile ist vergangen, das Mädchen, das man einst Yelia nannte, steht einige Meter vom Ufer des Sees entfernt. Gerade tauchte sie noch, nun steht sie auf dürren, staksigen Beinen in dem kalten Gewässer, sieht zu dem Sichelmond am Himmel auf und gibt sich selbst den Namen Ilanae. Rein gewaschen ist sie nun. Fröstelnd ob des kühlen Wassers und doch ist ihr warm, sie erstrahlt im bleichen Licht des Mondes. Kein Mensch mehr, keine Yelia. Eine Lykantrophin. Und diese benötigt einen eigenen Namen, denn Yelia starb in jener Vollmondnacht. Nur ihr Körper lebte weiter, als Gefäß der Werwölfin.

Leise wispert sie den selbst erwählten Namen in die dunkle Nacht, hoch zu Mond und Sternen. “Ilanae.” Ihre Stimme klingt samtig, liebevoll, schmeichelhaft. Als würde sie mit einem Geliebten sprechen und nicht bloß dem Mond ihren neuen Namen verraten.

Sachte spielt der Wind mit dem kurzen, leichten Kleid, dass sie trägt. Das weiße, schlichte Kleid, das im Lichte der Nacht bläulich schimmert. Und immer wieder hallt der Name sanft über den sich kräuselnden See.

“Ilanae… “



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