Szene 5
Wieder Setting 1. Die beiden Mädchen wirken nachdenklich, fast ein bisschen nostalgisch; Im Hintergrund zwitschert ein Vogel.
Ina: Zu weltlich...
Mariana: Vielleicht ist das das eigentliche Problem. Vielleicht sind wir nicht weltlich genug, sind es nie gewesen.
Ina: Werden wir jetzt philosophisch?
Mariana: Naja, denk doch mal nach: Wir sind von Mutters Schutz gleich in den Kindergarten gegeben worden, danach in die Grundschule, danach Gymnasium. Unser ganzes Leben haben wir in einer Konserve verbracht, voller zahmer Jugendabenteuer und dennoch fernab von der Welt. Warum, glaubst du, haben wir alle so eine Angst vor der Zukunft?
Ina: Wir werden philosophisch...
Mariana: Weil wir genau das wissen! Weil uns zum ersten Mal bewusst wird, dass wir nicht in der richtigen Welt gelebt haben, sondern in einer rosaroten Kopie, aus der alle großen Fehler mit einem Tastendruck gelöscht wurden. Wir wissen, dass wir es nie wieder so leicht, so unbeschwert haben werden - deswegen fürchten wir uns...
Ina: Scheißphilosophisch.
Mariana: Philo - hier lernst du was fürs Leben.
Ina: Und? Hat uns das jetzt irgendwie weitergebracht? Jetzt wissen wir also offiziell: Das Leben ist scheiße. Zumindest, wenn man deinem wehmütig – neunmalklugen Gerede glaubt.
Mariana: Erinnerst du dich an die Sache mit dem halbvollen Glas?
Ina: Ach, halt den Mund.
Kurzes Schweigen.
Mariana: Ich meine es ernst. Vielleicht hätten wir uns viel mehr mit echten Problemen beschäftigen müssen...
Ina: Naja, für dich war das Abi doch problematisch genug.
Mariana: Versuch nicht, abzulenken. Wir hätten tiefer gehen sollen. Nicht nur dem Schein glauben, sondern uns mit den Menschen beschäftigen.
Ina: Ist das auch aus Philo?
Mariana: Nein. Das ist von mir.
Ina: Klingt toll...
Mariana: Glaubst du, ich liege falsch? Haben wir alles richtig gemacht?
Ina: Offensichtlich nicht. Das ist also eine dumme Frage.
Mariana: Es gibt keine...
Ina: Doch. Es gibt sie, und das weißt du.
Mariana: Naja, dann hätten wir uns vielleicht die richtigen Fragen stellen müssen. Die guten Fragen.
Ina: Ja, das hätten wir wohl. Aber, verdammt, wir sind doch alle wandelnde Klischees. Warum also hinterfragen, was so herrlich leicht ist?
Mariana: Weil es uns vor diesem Gespräch bewahrt hätte?
Ina: Gutes Argument.
Stille.
Ina: Wenn wir schon so einsichtig sind: Was wären den die guten Fragen gewesen?
Mariana: Ich weiß nicht. Vielleicht: Kann es sein, dass es Dinge gibt, die ich nicht verstehe? Bin ich so klug und frei, wie ich glaube? Und: Warum hat sie gefragt, wenn sie nicht wollte?
Ina: nachdenklich Das wäre wirklich eine gute Frage gewesen.