Nebel
Titel: Sehnsucht
Author: Croceon
Genre: Allgemein
Warnings: -
Rating: P12-Slash
Pairing: -
Kommentar: Sequel zu Agonie (dem Sequel zu Party). Eigentlich mehr eine Stilübung um eine bestimmte Atmosphäre zu erschaffen. Lasst mich wissen, ob es funktioniert hat. „Ja, schon.“ oder „Nein, langweilig.“ reicht schon.
Croceon
Sehnsucht
Der Himmel ist grau. Und die Welt ist still.
Abgesehen von einem kleinen Zimmer. Durchzogen von hellen Dunstschleiern, nur sichtbar bei jedem neuen Blitz, der die Erde erschüttert. Sie zeigen einen jungen Mann, vielleicht 24, der achtlos an seiner Zigarette zieht. Es gibt kein Licht mehr.
Blicklose Augen schauen in die graue Welt hinaus, aber fokussieren sich nicht. Sie sind weit in die Welt hinaus und tief in die Zeit hinein gerichtet; in die Vergangenheit.
Dieser junge Mann hat keinen Namen, weil er nicht wichtig ist. Aber er hat einen Freund. Dieser Freund ist wichtig. Und er ist tot.
Die Zigarette wird ausgedrückt. Er erhebt sich.
„Ich bin glücklich. Weil hier jemand ist, der für mich weint. Weil ich einen Freund habe, der Rosen an mein Grab legen wird. Ich bin glücklich.“
„Lügner.“
Er muss an ein Lied denken, ein schönes Lied. Sein Freund hat immer geweint, wenn er es hörte. Sowieso hat er immer geweint. Es war nicht immer sichtbar, aber er hat es gesehen. Und dann hat er es nachgesungen, mit heller, viel zu heller Stimme, die leise war, viel zu leise, weil er sich nie getraut hat. Von einer Sehnsucht, die den Tod überdauert und einem Versprechen, das auf die andere Seite führt.
Seine Schritte führen ihn durch die grauen Schlieren auf das Fenster zu. Die Welt scheint weit entfernt zu sein. Und es ist still, von hier bis zum Rand der Welt.
Er muss an seinen Vater denken. Ein alter Mann, schon viel zu alt um sein Vater zu sein eigentlich. Daran wie er jeden Tag aufsteht, jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht. Und wie er seine Kleidung zusammensucht und auf das große Ehebett legt. Jeden Morgen. Dann geht er um das Bett herum und zu dem zweiten Schrank und sucht ein wunderschönes, weiches, frisches Kleid heraus und breitet es sorgfältig mit den altersschwachen, weichen Händen auf der anderen Seite des Bettes aus. So begrüßt er seine Frau. Und manchmal weint er und umarmt die Kleider, weil sie nach ihr riechen, auch nach Jahren der Wäsche und Pflege. Jeden Morgen.
Dann fährt er zu ihrem Grab.
Er hat ihn nicht geliebt. Er war nur sein Freund. Aber er kann sein Lächeln noch spüren. Er nimmt sich vor, seinen Vater zu besuchen. Direkt danach.
„Kommst du? Es wird gleich beginnen.“
Er dreht sich vom Fenster ab und folgt.
Dann muss er ihn sehen. Beinahe nicht zu erkennen, mit den weißen Haaren auf dem weißen Kissen. Kein seliges Lächeln auf den Lippen. Die Lippen blutleer, die Hände gefaltet. Sie konnten auch mit Farbe nicht verbergen, wie er starb. Zerschmettert. Er wartet darauf, dass die grauen Augen sich öffnen und ihn sanft anblicken. Aber sie tun es nie wieder.
„Sie müssen jetzt Abschied nehmen.“
Blanker Hohn. Er antwortet ja nicht mehr. Er beachtet die entsetzten Blicke und Schluchzer der Menschen um ihn herum nicht, als er sich vorbeugt und seinem Freund einen seichten Kuss auf die eisigen Lippen drückt.
„Warte auf mich, Kleiner.“
Dann legt er die Rosen in den Sarg und dreht sich um. Er wird nicht sehen, wie sein Freund in der Erde versinkt. Er muss es nicht sehen. Sie haben sich nie so geliebt. Aber er kann sein Lachen hören.