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Living In A Toy Box

von

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Moonrise

Langsam öffnete Jazmin die Augen. Verdammt, sie war schon wieder eingeschlafen! Sie hatte es sich geschworen, in dieser Bruchbude auch nie nur ein Auge zu schließen, doch brach diesen Schwur schon bei der kleinsten Gelegenheit, die sich bot, mal ein kurzes Nickerchen zu halten.
 

Es war Nacht. Der weißgelbe Mond schien durch die verdreckten Scheiben und von dem hellen Licht erleuchtete lediglich nur noch ein grauer Schleier spärlich den Raum.

Ihr Schlaf- und Wachverhalten hatte sich seit sie die neue Gesellschaft des Verrückten genoss um 180 Grad gedreht. Nachts hausten sie durch die Gegend, wie herrenlose Hunde und tagsüber verkrochen sie sich in dem alten Appartement und mieden das Tageslicht. Die Sonne musste gerade erst untergegangen sein, doch von der Dämmerung war schon längst nichts mehr zu sehen.

Langsam richtete sie sich auf und wischte sich den Schlaf aus dem Puppenaugen. Sie saß auf der alten Couch, in der mindestens 5 verschiedene Arten von Ungeziefer hausten. Suchend neigte sie das Köpfchen, einmal über die rechte Schulter, einmal über die linke.

Stille.
 

Wie so oft, wenn sie allein war. Das war ihr nicht neu. Oft wurde sie hier eingesperrt, wenn ihr beschäftigter Mitbewohner mal wieder auszog um anderen das Fürchten zu lernen. Und mal wieder hatte sie keine Ahnung, was wohl als nächstes für Unheil anstand.

Sie stand vorsichtig auf und wandelte an der Couch vorbei. Ihre dünnen Beinchen zitterten im Angesicht der Kälte und der düsteren Atmosphäre, doch Angst hatte sie nicht, nur Respekt vor dem Unerwarteten. Heizungen waren eben Luxus...

Sie hatte keine Ahnung wie spät es war, hoffte durch den Blick durch das Fenster schlauer zu werden, doch die finstere Nacht und die funkelnden Sterne verrieten ihr lediglich, dass es Zeit zum schlafen war. Gut, das war aber schon abgehakt, was steht als nächstes an?
 

Etwas verärgert wendete sie den Blick vom Fenster ab und starrte in die Finsternis, bis etwas im lauen Schein zu schimmern begann. Ihre Aufmerksam wurde von dem kleinen Holzgegenstand in der hintersten Ecke des Raums geweckt. Sie ging auf die kleine Kindergeige zu und kniete sich zu ihr hinab. Die hatte sie total vergessen. Sie versuchte sich an den Tag zu erinnern, an dem sie sie zurück zu sich geholt hatte, doch die Alarmglocken in ihrem Kopf verboten ihr, sich daran zu erinnern. Das alte Hexenhaus und das Monster sollten Geschichte sein. Nur das Bild des brennenden Hauses und der Leiche, die mit aufgeschlitzter Kehle den Küchenboden voll tropfte sollte in ihren Gedanken verweilen dürfen. Mehr. Nicht.
 

Sie ließ sich auf den Po plumpsen und zog die Geige auf ihren Schoß. Sie zögerte nicht lang und klemmte das gute Stück unter ihr Kinn, hielt es mit der Linken, mit der Rechten umfasste sie den Bogen und ließ ihn sacht auf den Saiten aufliegen. Diese Haltung kam ihr so ungewohnt vor. Wie lange hatte sie schon nicht mehr gespielt. Schnell überschlug sie im Kopf die Jahre, doch es waren zu viele um noch in Übung zu sein.

Jazmin versuchte sich an ein leichtes Lied zu erinnern, doch irgendwie fiel ihr nichts ein. Während sie überlegte, ließ sie ihren Blick in das Mondlicht streifen. Plötzlich übermannte sie der Geistesblitz und sie stimmte die ersten Töne von der »Mond ist aufgegangen« an. Trotz der vielen Jahre in Unbenutzung und Verstaubung waren die Saiten noch recht gut gestimmt, nur ein paar Mal musste sie sie wieder nach ziehen. Der Anfang klang grässlich, was für eine Überraschung. Doch ungewöhnlich schnell wandelte sich das Krächzen in ein angenehmes Summen um. Mit viel Gefühl umfasste sie den Bogen, als könne er jeden Moment zerbrechen.

Die Melodie des Kinderliedes säuselte nun wie Beethovens 9. durch den düsteren Raum. Die Lied bekam eine neue, bedrückendere Stimmung, fast wie ein Trauerzug. Schwer und langsam erfüllte jede Note die stickige Luft, umhüllte sie wie eine unsichtbare Hülle, umhüllte Jazmin, wie einen unsichtbaren Schutz. Schutz vor der Realität. Sie war nicht mehr hier. Nein, sie war weg. An einem anderen Ort, in einer anderen Zeit. Sie schloss die Augen, versuchte blind zu spielen, ja fast übermannte sie wieder der Schlaf. Doch das hier war viel intensiver als Schlaf, es war eine Art Trance.
 

Sie spielte Note für Note, als tat sie ihrer Lebzeit nichts anderes. Doch plötzlich hörte sie das Schloss knacken und die Tür aufgehen. Ein eiskalter Luftzug ließ ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen. Sofort drehte sie den Kopf, doch die Tür sah so aus wie immer, nämlich geschlossen. Etwas verwundert legte sie die Geige wieder auf ihre Schulter und setzte erneut an, begann jedoch nicht zu spielen. Ganz leise, ja, kaum hörbar hörte sie ein Atmen hinter sich. Es war viel zu leise um es zu hören, doch zu laut, als dass Jazmin es überhören konnte. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, sie fror in ihrer Haltung ein und hielt kurz die Luft an. Langsam wanderte ihr Blick über den Geigenhals bis sie schließlich aus den Augenwinkeln einen violetten Schimmer erkennen konnte. Ruckartig ließ sie das Instrument fallen, drehte sich um und krabbelte auf allen Vieren rückwärts, bis die Couchlehne ihr den Weg versperrte. Sie erblickte den Joker, der vor ihr stand. Etwas erleichtert atmete sie aus, so erleichtert wie man eben sein konnte, wenn der psychopathische Geiselnehmer zurück kehrte. Mit den Schultern nach oben gezogen, presste sie ihren Körper an die Lehne und blickte nach oben. Flink wie eine Katze huschte der Joker zu ihr auf den Boden und kniete sich vor sie, so dass kaum noch ein Blatt Papier zwischen deren beider Gesichter hätte passen könnte.
 

„Hallo, Püppi. Bin wieder da-ha.“ Selbst in der Dunkelheit konnte sie das blutrote Lächeln erkennen.

„Warum bist du nicht im Bettchen? Morgen wird ein großer Tag!“ Neckisch legte er den Kopf schief und starrte ihr in die hellblauen Äuglein, ehe er sich wieder so schnell erhob, wie er eben auf die Knie kam. Jazmin begann langsam wieder zu atmen. Obwohl sie diese Person schon „so lange“ kannte, jagte sie ihr immer noch einen unbeschreiblichen Schrecken ein. Er war einfach zu unberechenbar, zu undurchschaubar.

Der Joker ging in Richtung Fenster und breitete theatralisch die Arme aus.

„Denn morgen jagen wir den Wayne Tower in die Luft!“ Er kicherte wie ein kleiner Junge, der morgen Geburtstag hatte und endlich seine Eisenbahn bekam.

Jazmin zog sich langsam an der Couch nach oben und stellte sich auf die knochigen Beinchen. „Was ?“, fragte sie zögerlich.

„Was?“, fragte der Joker zurück, „Den Wayne Tower. Ein großes Haus mit vielen Fenstern und 'n Haufen beschäftigter Leute drin. Sag bloß du kennst den nicht? Also bitte. Und ich dachte schon, ich wohn' hinterm Mond“, sagte er missbilligend. Jazmin schien noch nicht das Glück der Erleuchtung zu haben und hakte weiter nach.

„Und warum?“
 

Doch anstatt zu antworten schüttelte der Joker nur den Kopf und verzog das Gesicht. Ja, anscheinend hatte sie echt keine Ahnung, nicht einmal, dass Bruce Wayne, der vorzeige Millionär eine Multiple Persönlichkeit besaß, sie sich Batman nannte oder anders herum.

Ja, ja, das Püppchen musste noch viel lernen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dragonaura
2009-01-11T10:23:50+00:00 11.01.2009 11:23
Wieder ein sehr schönes Kapitel.
Ich habe auch letztens meine geige nach 2 Jahren wieder ausgepackt ^^
Nur eine Frage hab ich doch. Woher weiß der Joker, dass Bruce Wayne Batman ist?


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