Zum Inhalt der Seite

Miss Keep-Your-Distance

Auftrags-Killer
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Episode 9: Vermisst

Vermisst
 

Am nächsten Tag erwachte Trysha erst gegen Mittag, weil sie den Abend zuvor nicht hatte einschlafen können. Ihre Gedanken waren die ganze Zeit nur um die Szene mit Lefti im Fahrstuhl gekreist. Verärgert schlug sie ihre Decke zurück und setzte sich auf. Sie dachte ja schon wieder daran!

Sie erhob sich von ihrem Sofa, auf dem sie seit Rebecca bei ihr wohnte, schlief und streckte sich genüsslich. Sie ging ins Bad um sich kurz frisch zu machen. Als sie ihr Spiegelbild betrachtete hätte sie beinahe einen Schrecken bekommen, so unausgeschlafen sah sie aus. Schnell fuhr sich durch die Haare und zog sich einen gemütlichen Jogginganzug an. Dann ging sie in die Küche um den Frühstückstisch zu decken. Rebecca war eine waschechte Langschläferin, soviel hatte Trysha wenigstens schon raus bekommen. Geistesabwesend fütterte sie Sparky, der ihr bettelnd um die Beine strich. Ungewollt schweiften ihre Gedanken wieder zu dem gestrigen Abend und sie fragte sich was das alles zu bedeuten hatte. Sie war sauer, dass Lefti nicht zu ihrem Auftrag gekommen war. Wenn er etwas so wichtiges zu erledigen hatte, wieso konnte er ihr das vorher nicht sagen? Okay, er hatte es angeblich vergessen und stattdessen ihrem Vater gesagt, aber wenn er eins und eins zusammenzählen konnte, dann hätte er wissen müssen, dass die Nachricht sie nicht erreichte! Auch wenn sie wusste, dass es eigentlich die Schuld ihres Vaters gewesen war, projizierte sie ihren Ärger auf Lefti. Er hätte es einfach wissen müssen! Er redete doch die ganze Zeit davon, dass sie ein Team waren, dann sollte er sich gefälligst auch an die Regeln halten!

Sie knallte geräuschvoll die Butterdose auf den Tisch, sodass Sparky sie erschrocken ansah.

„’Tschuldigung...“, murmelte sie und versuchte sich wieder zu fassen. Sie nahm die ganze Sache einfach zu ernst! Und schuld daran war allein Lefti! Wieso benahm er sich auch einmal wie ein Arschloch, aber dann wieder wie... sie konnte es nicht beschreiben. Manchmal, wenn ein Streit zwischen ihnen wieder zu eskalieren drohte, dann änderte sich abrupt seine Stimmung und er ergab sich einfach. Das wäre ja eigentlich kein Problem, aber gleichzeitig zwang er sie ebenfalls dazu ihre Waffen fallen zu lassen. Was er damit bezwecken wollte war ihr nicht ganz klar, aber sie glaubte, dass er einfach keine Lust auf diese ewigen Streitereien hatte. Er war plötzlich nett, einfühlsam und begann zweideutige Dinge zu sagen. Als er versucht hatte diese simple Frage zu formulieren, hatte er sich dermaßen schwer getan, dass sie gar nicht gewusste hatte was eigentlich los war. Das einzige woran sie gedacht hatte, war wie süß er sich doch selbst im Weg stand... Zudem war ihr wiedermal aufgefallen, wie unverschämt gut er eigentlich aussah und dann war er auch noch in diesen Südstaatenakzent verfallen, der Trysha nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie musste unvermittelt an heiße, schwüle Nächte denken, die er mit einer Unbekannten irgendwo in einem alten Heuschober verbrachte. Wie er ihr mit diesem gedehnten Akzent unanständige Sachen zuflüsterte während sie sich unter ihm rekelte.

Wenn er aber so mit ihr redete, dann machte es sie irgendwie schwach und das wiederum machte sie verletzlich. Dies hatte sie gestern schmerzhaft spüren müssen, als sie ihm die Wahrheit über Rebecca offenbart und er es ihr nicht einmal geglaubt hatte. Er war seit langem der erste Mensch der ihren Schutzwall ab und an bröckeln ließ, aber damit war jetzt Schluss! Sie musste ihm gegenüber vorsichtiger sein! Nur weil er verdammt gut aussah und von der einen zur anderen Minute anders sprach oder sensibel zu sein versuchte, war er immer noch derselbe gefühllose Klotz! Keine spannungsgeladenen Szenen in irgendwelchen abgelegenen Gassen oder Fahrstühlen mehr! Sie musste aufhören in alle seine Gesten irgendetwas hinein zu interpretieren was nicht da war.

Sie rückte gerade den Brotkorb zurecht und legte zwei Messer neben die Teller, als Rebecca durch die Tür geschlurft kam. Ohne ein Wort ließ sie sich auf einen Stuhl plumpsen und starrte mit schlaftrunkenen Augen das Essen an.

„Guten Morgen!“, sagte Trysha in ihrer best möglichsten Laune und lächelte. Rebecca brummte nur irgendwas Unverständliches und griff nach einer Scheibe Brot. Trysha seufzte und setzte sich ebenfalls. Sie überlegte wie sie am besten ein Gespräch anfangen konnte.

„Wie geht es dir heute?“, fragte sie und schnitt ein Brötchen auseinander. Rebecca warf ihr einen missbilligenden Blick zu und zuckte nur mit den Schultern. Sparky, der mittlerweile seinen Fressnapf leer gefuttert hatte strich Trysha um die Beine und bettelte schon wieder. Als er aber merkte, dass er bei Trysha keinen Erfolg haben würde versuchte er sein Glück bei Rebecca. Die musterte ihn kurz und schob ihn verärgert mit dem Fuß beiseite.

„Ich kann diesen fetten Kater nicht leiden...“, murmelte sie anklagend.

Trysha seufzte. Sie wusste einfach nicht wie sie an Rebecca heran kommen sollte, geschweigedenn wie sie die ganze Sache angehen sollte. Sie musste versuchen Rebecca auf ihre Seite zu ziehen und ihr klar machen, dass Reilly ein mieser Erpresser war. Dann würde Rebecca ihr vielleicht verraten wo sie wohnte...

Irgendwann würde sie sowieso damit heraus rücken, aber heute war erst ihr zweiter Tag in 'Gefangenschaft' und Trysha wollte nicht mehr so lange warten. Außerdem wollte sie nicht, dass Rebecca sie hasste und ihr nur ihren Wohnort verriet, damit sie endlich von hier weg kam. Doch momentan wusste sie ja noch nicht einmal, dass sie mit Trysha verwandt war. Das war das erste worüber sich Trysha Gedanken mach musste: Wie konnte sie Rebecca beweisen, dass sie die Schwester von Sheyla war?

Wenn sie nur die äußere Ähnlichkeit vorzuweisen hatte, dann würde das Mädchen ihr wahrscheinlich nicht glauben. Ihre einzige erreichbare Verbindung war Reilly. Er war Rebeccas Großvater und sie kannte ihn durch Besuche. Also musste sie sich überlegen, wie sie Rebecca beweisen konnte, dass sie selbst die Tochter von Reilly war. Ein wasserdichter Plan musste her!

Trysha war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie Rebecca aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen war. Kurz darauf hörte sie auch schon den Fernseher vor sich hin brabbeln. Entmutigt biss Trysha von ihrem Käsebrötchen ab.
 

Im Nebenzimmer klopfte Rebecca leise neben sich auf das Sofa. Sie zog ein wenig Luft durch die Zähne, sodass ein leises Zirpen zu hören war. Endlich sprang Sparky neben ihr auf die Couch und Rebecca streichelte ihn belohnend. Dann zog sie ein Stück Schinken aus ihrer Tasche, das sie eben vom Tisch mitgeschmuggelt hatte und fütterte ihn damit. Sie kraulte ihn hinter den Ohren und lächelte.

Der Kater war ihr einziger Verbündeter. Sie mochte es, wenn er schnurrte, das erinnerte sie an ihre eigene Katze zu Hause. Sehnsüchtig dachte sie an ihre Eltern, sie machten sich wahrscheinlich große Sorgen. Doch wie konnte sie zurück gelangen, wenn diese Trysha sie hier einsperrte? Die hatte zwar gemeint, dass sie Rebecca nach Hause bringen würde, wenn sie ihr verriet wo sie wohnte, doch Rebecca glaubte ihr nicht.

Dann könnte sie mich auch gleich laufen lassen, dachte sie bei sich und schaltete das Programm um. Sie hatte die Befürchtung, dass Trysha und vielleicht auch ihr krimineller Freund ihren Eltern etwas antun wollten, damit niemals heraus kam, dass sie die beiden Verkäufer in dem Laden umgebracht hatten. Sie würden ihnen drohen oder sonst was verlangen. Rebecca wusste es nicht genau, aber sie konnte es sich nicht anders erklären. Immerhin hatte sie so etwas schon oft in Filmen gesehen, die ihr Vater manchmal abends schaute. Weshalb sollte diese Trysha sie sonst gefangen halten? Sie hörte wie sich nebenan die Kühlschranktür schloss und schnell schubste sie Sparky vom Sofa herunter.
 

Trysha warf noch eine leere Plastikhülle in den Müll und wandte sich dann zum Wohnzimmer. Im Türrahmen blieb sie stehen und musterte Rebecca, die stur auf den Fernseher glotzte. Sparky saß am Boden und putzte sich beleidigt das Fell.

„Ich bin mal kurz unterwegs. In einer Stunde oder so bin ich wieder zurück“, verkündete Trysha, durchquerte das Wohnzimmer und zog sich eine Jacke über. Dann verließ sie die Wohnung und schloss von außen ab. Da sie bei Rebecca momentan nicht weiter kam würde sie erstmal zur Zentrale gehen und die Infos von ihrem Auftrag gestern berichten. Vielleicht hatte sie sogar zur Abwechslung mal Glück und Lefti war bis jetzt noch nicht dort gewesen, sodass sie den nächsten Auftrag mehr oder weniger bestimmen konnte.
 

„Vorgestern wurde Chicago erneut durch ein grauenvolles Verbrechen erschüttert. In der Nacht wurden ein Kleinladenbesitzer und sein Assistent kaltblütig ermordet. Die beiden Leichen hatten jeweils eine Schusswunde. Die Tatwaffe wurde bereits anhand der Kugeln identifiziert. Doch der Täter und das Motiv bleiben weiterhin unbekannt. Die Polizei ist mit vollem Einsatz an dem Fall dran. Augenzeugen gibt es unter den Anwohnern in unmittelbarer Nähe nicht“, las Reilly leise vor sich hin und runzelte die Stirn über dem Zeitungsartikel. Er saß an seinem Schreibtisch in der Zentrale. „Irgendwas stimmt da doch nicht...“ Erneut überflog er die Zeilen und dann zuckte er merklich zusammen. Wütend knallte er die Zeitung auf den Tisch und griff nach seinem Telefon. Dann wühlte er in seinen Unterlagen herum bis er die Nummer fand, die er suchte. Er tippte sie fluchend ein und hielt sich sein kabelloses Telefon an die Ohrmuschel.

„Craig? Hier ist Reilly! ... Und ob es ein Problem gibt, hast du heute schon mal in die Zeitung geschaut?! ... Nicht? Dann solltest du das vielleicht mal tun!“, zischte er aufgebracht. Er fuhr mit dem Finger über das Papier und zitierte: „Bla, bla, wurden ein Kleinladenbesitzer und sein Assistent kaltblütig ermordet. Die beiden Leichen hatten jeweils eine Schusswunde und so weiter! Fällt dir daran was auf?“ Er blickte auffordernd durch den Raum ließ dem am anderen Ende der Leitung jedoch keine Gelegenheit um zu antworten.

„Sollten es nicht eigentlich drei Leichen sein?! Und hattest du mir nicht versichert, dass es auch drei Leichen sind?!!“, schrie er jetzt. Dann lauschte er ein paar Sekunden. „Was heißt hier gehört?!!“, brüllte Reilly wütend, „Willst du mir weiß machen, dass du es eigentlich gar nicht weißt?! Nur weil du zu blöd oder zu faul bist um nachzugucken?!“ Er stutzte kurz, weil er unterbrochen wurde.

„Ach Papperlapapp!! Was nützen mir drei Schüsse?!! Ich will drei Leichen!!“, donnerte er, „Schluss jetzt mit den Ausreden, das macht die Sache auch nicht besser! Du hast es vergeigt und zwar komplett!!“ Wieder entstand eine kurze Pause. „Jetzt komm mir bloß nicht so! Das Mädchen scheint noch zu leben und das ist ganz allein dein Verdienst... Nein, du hättest dafür sorgen müssen, dass alles glatt läuft, auch wenn es nicht dein Auftrag war, Idiot!!“, zornig knallte Reilly das Telefon wieder in die Station. Er fuhr sich besorgt durch die Haare und überlegte. Sein Handy bimmelte und er zog es aus seiner Tasche und ging geistesabwesend dran.

„Ja?“, fragte er genervt.

„Hey, Daddy!“ Bei der Stimme am anderen Ende saß er sofort aufrecht und hätte beinahe laut geflucht.

„Sheyla...? Was ist los?“, fragte er jetzt freundlicher.

„Ach, ich wollte nur fragen, wann ich Becca heute abholen soll. Wir hatten doch abgemacht, dass sie nur zwei Tage bleibt, weil sie heute einen Zahnarzttermin hat.“

„Ach ja. Ja... ähm“, er war nicht darauf vorbereitet gewesen so schnell mit der neuen Situation umgehen zu müssen. Er musste sich schnell etwas glaubhaftes einfallen lassen. Er konnte ihr ja schließlich nicht die Wahrheit verklickern: Ich wollte mein Enkelkind eigentlich von Lefti, einem meiner Angestellten, umbringen lassen. Natürlich im Beisein von Trysha, die übrigens deine Schwester ist, von der du nur nichts weißt. Warum? Ach, ich wollte, dass Trysha ein bisschen leidet, nimm's nicht persönlich. Na ja mein Vorhaben ist allerdings fehlgeschlagen und jetzt ist deine Tochter verschwunden!

„Paps?“

„Oh! 'Tschuldige!“, rief er aus, als sie ihn aus seinen Gedanken riss. „Ich war gerade abgelenkt. Also, ich habe schlechte Neuigkeiten für dich, aber reg dich bitte nicht auf. Eigentlich hatte ich gehofft, dir das gar nicht erzählen zu müssen, weil ich dachte sie kommt vielleicht noch vorzeitig zurück... Aber Becca ist gestern Morgen weggelaufen und noch nicht wieder aufgetaucht...“, erklärte er lahm und hoffte sie würde ihm glauben.

„Was?! Weggelaufen? Du veräppelst mich doch!“, meinte Sheyla misstrauisch.

„Nein, ich sage die Wahrheit!“

„Das ist nicht lustig Papa!“, erwiderte Sheyla gereizt.

„Ist es auch nicht! Also glaub mir doch endlich!“ Er bekam ein paar Sekunden lang keine Antwort, doch dann fragte Sheyla: „Du meinst es ernst; oder?“

Reilly verdrehte die Augen. „Ja doch!“

„Aber warum?!“, japste Sheyla entsetzt und Reilly befürchtete, dass sie gleich hysterisch werden würde.

„Ich weiß nicht warum. Ich bin mit ihr kurz zum Bäcker gegangen... sie wollte draußen auf dem Spielplatz auf mich warten, während ich drin anstand. Doch als ich wieder raus kam war sie verschwunden...“ Reilly kaute sich nervös auf der Unterlippe herum und zog die Augenbrauen zusammen.

„Was hast du denn unternommen? Hast du sie gesucht? Ich kann das gar nicht glauben!! Becca ist noch nie einfach so weggelaufen... W- was ist wenn sie entführt wurde?!! Es gibt so viele Perverse!! Oh mein Gott, was sollen wir denn jetzt machen!?“, plapperte sie völlig verwirrt ins Telefon.

„Bis jetzt habe ich noch nichts unternommen, weil ich gehofft hatte, dass sie von alleine wieder auftaucht...“

„Was!!? Sie ist seit gestern morgen verschwunden und du hast noch nichts unternommen??! Hast du wenigstens die Polizei verständigt?“, keifte Sheyla ins Telefon und Reilly verstand wie dumm diese Aussage von ihm gewesen war.

„Ähm doch. Die Polizei ist schon informiert...“, log er schnell und kritzelte nebenbei mit seinem Kugelschreiber auf seiner Schreibtischunterlage herum, „Aber vor 24 Stunden unternehmen die sowieso nichts.“

„Hättest du uns nicht Bescheid sagen können? Was hast du dir dabei gedacht, das vor uns geheim zu halten?!“

„Ach Schätzchen“, begann Reilly versöhnlich, „ ich wollte doch nur nicht, dass ihre euch unnötige Sorgen macht, außerdem-“

„Unnötige Sorgen?! Ich glaube ich höre nicht richtig! Ich kann nicht fassen, dass du dich nicht gemeldet hast! Ich- ach ist jetzt auch egal, wir müssen Rebecca finden! Wir kommen sofort nach Chicago! Also sei in einer Stunde zu Hause oder du kannst dein blaues Wunder erleben, Vater!“ Reilly wusste, dass es ihr ernst war. Das lag wohl in der Familie, wenn eine Drohung ausgesprochen wurde, dann war diese auch ernst zu nehmen.

„Ja, ja ist schon in Ordnung“, murmelte er und sie legte auf. Reilly seufzte kurz und schüttelte den Kopf. Heute war echt ein scheiß Tag! Dann besann er sich und wählte die Nummer von dem Polizei-Departement in Chicago. Dort gab er eine Vermisstenanzeige auf, indem er den Polizisten die gleiche Geschichte erzählte wie vorher Sheyla. Zwar würden sie dann in einer völlig anderen Gegend anfangen nach dem Mädchen oder dem Entführer zu suchen, aber das konnte ihm nur recht sein. Denn wenn sie das Mädchen fanden und sie befragten, dann würde man den Mord von den zwei Männern höchstwahrscheinlich irgendwie mit ihm in Verbindung bringen können. Zumindest würde die Bullerei misstrauisch werden, weil er ihnen eine falsche Geschichte aufgetischt hatte. Womöglich würde sogar seine gesamte Organisation aufgedeckt werden! Nein, es war besser wenn Rebecca für immer verschwand...

Die Tür der Zentrale schwang auf und Trysha kam herein spaziert. Der Tag wird ja immer besser, dachte Reilly sarkastisch.
 

„Tachchen Trysha!“, begrüßte Reilly sie mit einem leicht ironischen Unterton.

„Tag Chef!“, sagte sie betont geschäftlich und setzte sich auf eine Ecke seines Schreibtisches. „Ich möchte über den gestrigen Auftrag Bericht erstatten.“ Ihr Vater musterte sie nachdenklich und nickte. „Also ich habe alle vier Vornamen in Erfahrung gebracht, aber die gibt es erst nach Bezahlung.“ Sie grinste und streckte ihre Hand aus. Reilly musterte diese und ließ sich danach viel Zeit um den gewünschten Umschlag aus einer Schublade heraus zu kramen. Er drückte ihn Trysha in die Hand und zog eine Braue hoch.

„Ich glaube du hast den zweiten Umschlag vergessen...“, merkte sie gespielt nachsichtig an.

„Nein, der wäre für Keaton gewesen, aber da der, wie wir beide wissen, nicht anwesend war, verfällt sein Anrecht darauf“, Reilly grinste schadenfroh, er glaubte wohl, dass sie noch nicht wusste, dass er ihr diese Information vorenthalten hatte. Aber da sie von Lefti schon darauf hingewiesen wurde, konnte sie jetzt ganz ruhig bleiben.

„Egal ich will ihn trotzdem haben, weil ich den Auftrag alleine gemacht habe und deshalb mit niemandem teilen muss!“, beharrte Trysha und lächelte kurz. Zwar war Lefti ihr in letzter Sekunde noch zur Hilfe gekommen und hatte sie sozusagen gerettet, aber das musste Reilly ja nicht wissen. Dieser zögerte. „Den zweiten Umschlag oder ich vergesse die Namen auf der Stelle!“, zischte Trysha und wusste, dass sie gewonnen hatte, denn Reilly war rot angelaufen und kochte vor Wut. Endlich holte er den zweiten Umschlag heraus und knallte ihn auf den Tisch.

„Rob, Dave, Allen und Gerry. Schreibs dir auf, wenn du es dir nicht merken kannst“, stichelte sie.

„Wie ist es eigentlich gelaufen? Gab es Komplikationen?“, fragte Reilly scheinheilig und beobachtete Tryshas Gesicht dabei ganz genau. Die musste sich beherrschen um nicht loszulachen und ihm vorzuhalten, dass sie zufällig seine Enkeltochter getroffen hatte und dabei war diese zu bekehren.

„Nein, keine besonderen Vorkommnisse“, sie zuckte mit den Schultern. „So, hast du den nächsten Auftrag schon geplant?“, fragte sie gleichgültig. Reilly schnaubte und räusperte sich. Verheimlichte sie etwas vor ihm? Hatte sie Rebecca erkannt oder nicht? Hatten die beiden sie vielleicht einfach laufen gelassen? Wahrscheinlich schon, was hätten sie denn sonst machen können, außer sie zu töten? Aber warum war das Mädchen dann verschwunden? Becca war doch nicht auf den Kopf gefallen und wusste auch wie man U-Bahn fuhr oder sich sonst Hilfe beschaffte. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Aber aus Trysha würde er bestimmt keine Informationen heraus bekommen... Er konzentrierte sich wieder auf das Blatt in seiner Hand.

„Ja, also der Auftrag wäre dann in drei Tagen und zwar-“

„Kannst du vegessen!“, unterbrach Trysha ihn und fächerte sich mit ihren Umschlägen Luft zu. „Ich glaube für drei Tage reicht das Geld locker!“

„Geht das schon wieder los? Meinst du dein Partner wäre einverstanden damit, dass du eure Aufträge absagst?“ Reilly grinste. Er wusste, dass er diesen Punkt aufführen konnte, seit Trysha in einem Team arbeitete. Doch anders als sonst war es Trysha diesmal und in Zukunft egal, was Lefti davon hielt. Er hatte sich nicht an die Teamarbeit gehalten, indem er einfach weggeblieben war, also konnte sie genauso gut die Regeln brechen.

„Das geht mir am Allerwertesten vorbei und jetzt sag mir wann der nächste Auftrag ist“, forderte sie spitz. Reilly schaute sie kurz verblüfft an, doch dann schien er zu verstehen, dass sie sauer auf Lefti war und es ihr im Moment egal war was dieser von irgendwas hielt. Er sah ein, dass er schon wieder den Kürzeren ziehen würde und holte resigniert einen neuen Ordner heraus.

„Also gut. Dieser Auftrag ist am Samstag...“, er sah kurz auf, aber sie schien keine Einwände zu haben, „Er ist verbunden mit einem 60. Geburtstag. Das Geburtstagskind will einen geladenen Gast tot sehen und lädt die beiden Killer, in diesem Fall ihr, ein. Er verlangte nach einem männlichen und einem weiblichen Killer, weil so weniger Aufsehen erregt wird, wenn ihr als glaubwürdiges Paar erscheint. Deswegen kommt auch eigentlich nur ihr beide für diesen Auftrag in Frage. Die Bezahlung ist natürlich auch dementsprechend“, er sah vielsagend zu ihren Umschlägen. „Ein Foto der Zielperson und die Einladungskarten lässt er uns morgen oder übermorgen zukommen, ihr könnt sie euch also schon vorher abholen. Allerdings steht ihr nicht auf der Gästeliste, damit ihr nachher nicht in Verdacht geratet und müsst euch irgendwie einschleichen... aber wie ihr das macht überlasse ich euch. Alle weiteren Informationen werden wahrscheinlich auf der Einladung stehen, zumindest weiß ich nicht um wie viel Uhr diese Party steigt. Nur, dass der Gastgeber einer von den hohen Tieren der Stadt ist, er ist der Besitzer von irgendeinem Betrieb. Das bedeutet der Dresscode wird wahrscheinlich kostspielig sein, also verplempere deinen Reichtum nicht sofort“, wieder ein Blick auf ihre Umschläge. Trysha steckte sie in ihre Jackentasche.

„Mach dir darum mal keine Gedanken“, sagte sie und erhob sich. „War nett mit dir geplaudert zu haben. Bis demnächst.“ Trysha verließ die Zentrale und machte sich auf den Weg zurück. Zwar hatte sie noch keine großen Fortschritte bei Rebecca gemacht, aber wenigstens hatte sie den nächsten Auftrag um eine Woche heraus gezögert!

Missmutig begann Reilly ebenfalls seine Sachen zu packen. Er musste sich auf den Weg nach Hause machen um sich mit der zweiten seiner beiden Töchter zu duellieren. Auch wenn diese nur ein halb so anspruchsvoller Gegner war wie Trysha.
 

Erst gegen Abend konnte Reilly Sheyla und ihren Mann abschütteln und sie zum nach Hause fahren bewegen. Vorher waren sie noch drei Stunden bei der Polizei gewesen und hatten Fotos, Beschreibungen von Rebecca, die bis hin zu ihrem Lieblingsessen und ihrer Lieblingsfarbe gingen, abgeliefert. Danach waren sie ziellos durch die Stadt gefahren und hatten an verschiedenen Orten nach ihr gesucht. Sheyla war regelmäßig in Weinkrämpfe verfallen und sein Schwiegersohn Matthew hatte ab und an wild mit Schimpfwörtern um sich geschmissen. Reilly hatte ganz den besorgten Großvater gespielt und sich immer wieder Vorwürfe anhören müssen. Er hatte sich mindestens genauso oft entschuldigt und war heilfroh gewesen, als die beiden endlich eingesehen hatten, dass sie sich in Geduld üben mussten.

„Die Polizei wird das Ding schon schaukeln“, hatte er zu ihnen gesagt, als sie abgefahren waren, „ich halte euch auf dem Laufenden!“

Jetzt war er endlich auf dem Weg zurück in die Zentrale und der Tag stand ihm jetzt schon bis Oberkante Unterlippe!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Wolkenfee
2012-01-14T18:04:21+00:00 14.01.2012 19:04
Hallo und noch ein frohes neues Jahr!
Tut mir Leid, dass ich erst jetzt wieder zum Lesen komme!
Ich find es sehr interessant, wie Trysha über Lefti nachdenkt, obwohl sie das eigentlich nicht will.
Rebecca tut mir irgendwie Leid, immerhin hat sie ja keine Ahnung, was los ist. Während ich mir Gedanken darüber gemacht hab, ob sich ihre Eltern nicht eigentlich Sorgen machen müssten, schreibst du auch schon, wie ihre Mutter anruft :) Meine Güte, Reilly ist so ein Mistkerl. Ich weiß, das sag ich jedes Mal, aber wie er mit seinen Töchtern umgeht und dass er einfach seine Enkelin umbringen lassen will, ist furchtbar. Warum hasst er Trysha denn so?
Ich hoffe jedenfalls, dass sie mit Rebecca weiterkommt!
Und ein Auftag, bei dem Trysha und Lefti ein Paar spielen müssen, wird sicher interessant :)
Aber jetzt muss ich wie alle anderen auch auf das nächste Kapitel warten...
LG, Fee
Re-✖✐✖


Zurück