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Miss Keep-Your-Distance

Auftrags-Killer
von

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Episode 8: Fahrstuhlsituation

Fahrstuhlsituation
 

Lefti erreichte die Innenstadt von Chicago. Der Tag war relativ gut verlaufen, zumindest was die Planung anging. Er hatte heraus gefunden was er heraus finden wollte. Auch wenn das, was er letztendlich erfahren hatte weniger positiv war. Eher das genaue Gegenteil. Er hatte zwar den Grund für Carrys Tod herausbekommen, aber der Grund an sich war nicht besonders entlastend für ihn selbst...

Wenigstens hatte er beim Poker genug Geld erspielt, damit dieser Tag ihn nicht auch noch finanziell etwas kostete. Denn das Spritgeld, das Jackett und den verpassten Auftrag heute Abend hatte er damit locker wieder draußen. Den Auftrag, den Trysha alleine erledigt hatte, oder noch erledigte? Lefti legte seine Stirn in Falten. Ob sie es wohl geschafft hatte?

Klar hatte sie! Schließlich hatte sie Erfahrung in Einzelgängen und diese Informationen zu beschaffen war nicht gerade schwer... Aber was wäre, wenn es Komplikationen gegeben hatte? Dann hätte er jetzt noch jemanden auf dem Gewissen... indirekt.

Es half nichts. Wenn er in Ruhe schlafen wollte, musste er sich versichern, dass alles glatt gelaufen war. Lefti bog in eine Seitenstraßen ein, die über einen kleinen Umweg zur Zentrale führte. Er wollte nur eine kurze Bestätigung, dass alles in Ordnung war.
 

„Lass mich los!“, zischte Trysha und zerrte an ihrem Arm.

„Was ist denn in dich gefahren Rob?“, fragte Allen empört.

„Was in mich gefahren ist?!“, rief Rob entgeistert. „Dieses kleine Flittchen hier kennt meinen Namen!“

„Na und?“

„Kannst du dich vielleicht erinnern, dass ich mich vorgestellt habe?“, kam es sarkastisch zurück. Allen überlegte und schüttelte dann den Kopf.

„Hey, Dave“, rief Gerry genervt von der Situation, „Hast du ihr Robs Namen verklickert?“ Dave löste sich aus seiner dunklen Ecke, kam grimmig näher und zuckte mit den Schultern.

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Aha! Da habt ihr's!“, triumphierte Rob und schaute Trysha jetzt auffordernd an. Anscheinend erwartete er eine Erklärung. Etwas, das sie nicht hatte. Außer sie würde die Wahrheit erzählen, aber dann konnte sie sich auch gleich selbst begraben! Wie konnte man auch nur so blöd sein!? Hätte sie nicht einfach „Tschüss“ sagen können und alles wäre gut gewesen? Nein, sie musste sich erst noch in Schwierigkeiten bringen!

„Raus mit der Sprache! Woher weißt du meinen Namen?!“, richtete Rob das Wort wieder an Trysha. Jetzt musste eine gekonnte Notlüge her!

„Weil... eine meiner Kolleginnen erzählt hat,... dass hier Nachts eine kleine Gruppe Dealer herumlungert und der große, gutaussehende Dunkelhaarige... äh Rob heißt“, versuchte sie ihn um den Finger zu wickeln, was allerdings nicht besonders gut klappte.

„Wer ist denn diese Kollegin? Wenn sie uns beim Namen kennt, dann ist das umgekehrt auch der Fall“, hakte Rob nach und kam ihr einen bedrohlichen Schritt näher. Trysha merkte, wie ihr Puls schneller ging. Was sollte sie jetzt tun? Einfach irgendeinen Namen sagen? Die Chance einen richtigen zu treffen dürfte verschwindend gering sein...

„Sag schon!“, fauchte Rob sie an und quetschte ihre Handgelenke mit einer seiner Pranken gegeneinander, die andere ballte er zur Faust. Trysha versuchte sich zu befreien, aber vergebens.

„Ähm... Cindy, ich glaube ich weiß es von ihr.“ Stille. Die vier Männer schauten sich gegenseitig an und schüttelten mit den Köpfen.

„Noch nie gehört“, verkündete Dave. Trysha schluckte, als sie merkte, wie Rob sie musterte. Hilfesuchend drehte sie sich zu Allen und Gerry um, doch die blickten sie ebenso misstrauisch an.

„Sie... Sie hat zwei Namen! Einen normalen und einen Decknamen... Cindy benutzt sie auf der Arbeit und den anderen privat“, Trysha versuchte versöhnlich zu lächeln, was aber kläglich scheiterte. Sie erinnerte sich an eine Studie, die sie mal irgendwo gelesen hatte über Amerikas häufigste Namen, „Ihr richtiger Name ist... Ashley.“ Sie war sich sicher, dass dieser unter den Top Five gewesen war. „Vielleicht kommt sie euch jetzt bekannt vor?“, fragte sie und drückte sich selbst die Daumen.

Die Männer tauschten wieder Blicke aus. „Könnte sein“, gab Dave seelenruhig zu, trat trotzdem näher an sie heran, sodass er jetzt bedrohlich vor ihr aufragte.

„Kann ich dann gehen?“, fragte Trysha kleinlaut und es hörte sich eher wie ein ersticktes Quieken an und nicht wie ihre eigene Stimme.

„Nicht, bevor du mir verraten hast, wie diese Ashley aussieht...“, er bedeutete Rob sie loszulassen, dieser überließ ihm ohne zu zögern das Ruder. Dave war also hier der Leitwolf, stellte Trysha fest, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Frage. Woher sollte sie wissen wie diese blöde Ashley aussah? Sie hatte so gut wie verloren! Sie sackte innerlich zusammen und senkte den Blick.

„Sie ist... blond“, riet Trysha. Daves Hand schnellte in ihre Haare und riss ihren Kopf nach hinten, sodass sie ihn angucken musste.

„Falsch. Die Ashley, die ich kenne hat schwarze Haare! Wer bist du und was willst du?“

„Gar nichts!“, rief Trysha und hielt seinem stechenden Blick stand.

„Sie lügt!“, gab Rob seinen Senf dazu und Dave nickte.

„Die Vermutung bekomme ich langsam auch. Und wenn sie nicht verraten will, warum sie wirklich hier ist, dann wird sie uns wohl so lange Gesellschaft leisten müssen, bis sie damit heraus rückt.“ Mit diesen Worten drehte er ihr den Arm auf den Rücken und stieß sie gegen die kalte Hauswand. Trysha keuchte unvermittelt auf.

Dave drückte ihr den Arm so weit in den Rücken, dass ihre Brüste und ihre Wange schmerzhaft gegen die Wand gepresst wurden.

„Jetzt sag mir die Wahrheit Schnecke. Was willst du hier? Schickt dich irgendwer?“ Trysha schloss die Augen und holte tief Luft.

„Niemand, okay!? Wie oft denn noch? Es ist alles so wie ich gesagt habe! Ashley hat deinen Freund halt öfter erwähnt, deswegen konnte ich mir denken, dass er es ist. Auch von seiner Art her, weil sie meinte er ist eher ernst und nachtragend. Vielleicht hatte sie bei euren Treffen mal die Haare gefärbt und deswegen... ach was weiß ich!? Und jetzt lass mich los du Idiot!“ Sie versuchte sich mit ihrem zweiten Arm von der Wand weg zu drücken, aber dadurch schob er ihren anderen Arm nur noch weiter nach oben.

„Versuch mich nicht für dumm zu verkaufen!“, drohte Dave und rammte ihr zusätzlich den Ellenbogen zwischen die Schulterblätter, was Trysha erneut leise nach Luft schnappen ließ.

„Jetzt reicht es aber. So geht man doch nicht mit einer Dame um!“, sagte eine tadelnde Stimme und alle Köpfe drehten sich zu Lefti, der lasziv am Anfang der Gasse mit verschränkten Armen gegen die Hauswand lehnte. Trysha merkte, wie ihre Wange sich ein wenig aufschürfte, als sie ihren Kopf drehte. Aber es war ihr egal, denn in diesem Moment fiel ihr ein riesengroßer Stein vom Herzen und sie wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, wenn sie hier nicht festgenagelt wäre.

„Lefti!“, rief Trysha erleichtert aus. „Sag dem Typen er soll mich los lassen!“

„Du kennst sie?“, fragte Dave skeptisch und gleichzeitig verwundert.

„Lass sie los“, meinte Lefti nur und grinste versöhnlich. Tatsächlich merkte Trysha, wie der Druck ein wenig nachließ. „Und ja ich kenne sie.“

„Woher?“, schnauzte Rob an Lefti gewandt.

„Hast du nicht gehört, was er gesagt hat?“, zischte Trysha Dave an. „Nimm deine Hände weg.“

„Sie ist meine Cousine“, log Lefti ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir waren hier verabredet, sie sollte vor dem Haus auf mich warten.“

„Ja klar“, meinte Dave ironisch. „Wir wissen schon, dass deine Braut ne kleine Nutte ist, also lass den Scheiß mit der Cousine.“ Lefti zuckte mit den Schultern.

„Meinetwegen“, er richtete seinen Blick auf Trysha. „Was hast du nur schon wieder angestellt?“, fragte Lefti und schnalzte mit der Zunge, „Die Jungs hier scheinen dich nicht besonders zu mögen... na ja kein Wunder bei deinem Mundwerk.“ Er steuerte auf Dave zu und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. Dann befreite er Trysha aus seinem Griff und meinte müde: „So und jetzt lass uns zu mir fahren.“ Mit diesen Worten legte er ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie sanft vor sich her. Trysha nickte, sie war müde, geschafft und es kostete sie viel Kraft aufrecht zu gehen.

Die vier Dealer tuschelten hinter ihrem Rücken miteinander. Lefti hatte ihr das perfekte Alibi gegeben, eines, das sich mit ihrer Geschichte deckte. Immerhin hatte sie behauptet noch mit einem Kunden verabredet zu sein. Was zählte da schon diese blöde Haarfarbe von irgendeiner Ashley? Dave schien das genauso zu gehen, denn keiner seiner Freunde hielt sie auf.

„Ich muss noch meinen Pullover von drin holen!“, sagte Trysha zu Lefti, aber absichtlich laut, sodass die vier es auch hörten und sie endgültig als ungefährlich abstempeln konnten.

„Na, gut. Dann aber los!“, willigte Lefti ein und Trysha begab sich zurück in das Haus um ihren Pullover wieder überzuziehen. Sie ließ sich extra ein bisschen Zeit, damit man glauben konnte, dass sie wirklich kurz in ihre Wohnung gegangen war, falls die Typen doch noch misstrauisch waren. Während sie wartete ebbte ihre Dankbarkeit ab und der Ärger auf Lefti kam wieder hoch. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass er der Held der Nation war, nur weil er doch noch gekommen war um sie zufällig zu retten! Pah! Sie zupfte ihr Oberteil noch ein wenig zurecht und trat dann wieder auf die Straße, wo Lefti ein paar Meter weiter auf sie wartete.

„Mein Motorrad steht da drüben.“ Sie folgte ihm zwar, sah sich aber nach einem U-Bahn Schild um, welches sie auch am Ende der Straße entdeckte. „Du hast dich also als Strichbiene ausgegeben?“, fragte er belustigt, als sie weit genug von der Gasse entfernt waren. Trysha zuckte nur mit den Schultern. Er sah sie prüfend von der Seite an. Sie war doch sonst nicht so wortkarg. „Die haben doch nichts mit dir angestellt, oder?“, hakte er vorsichtig nach, doch sie blickte gleich noch gereizter drein.

„Kann dir doch egal sein.“

Lefti seufzte und beließ das Thema dabei. „Ich habe dir deinen Helm mitgebracht, den du gestern am Motorrad stehen gelassen hast“, meinte er und grinste sie versöhnlich an.

„Nett von dir, aber ich fahre mit der Bahn“, sagte Trysha knapp. Er brauchte sich gar nicht einzubilden, dass er Stunden zu spät kommen konnte, um dann auf heile Welt zu machen.

„Warum das?“, er runzelte die Stirn als wäre ihm jetzt erst bewusst geworden, dass sie wegen ihm so schlecht gelaunt war. „Oh man. Du bist doch nicht immer noch wegen gestern ärgerlich, oder?“ Trysha stutze.

„Natürlich bin ich wegen gestern noch verärgert und habe auch allen Grund dazu! Aber das ist nicht das, worum es jetzt geht! Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht weißt wovon ich rede! Und wenn doch, dann denk mal scharf nach bevor du gleich was sagst!“ Lefti machte einen irritierten Eindruck und schien wirklich einen Moment nachdenken zu müssen.

„Meinst du weil ich den heutigen Auftrag abgesagt habe?“, hakte er vorsichtig nach. Trysha lachte kurz auf.

„Abgesagt? Das ist ja nicht zufassen! Das ist vielleicht nicht das richtige Wort, mein Lieber!“

„Wie meinst du das? Du solltest froh sein, dass ich doch noch gekommen bin, sonst würden die jetzt sonst was mit dir anstellen!“

„Wie ich das meine? Du hast mich stehen gelassen ohne ein Wort zu sagen! Ich habe eine geschlagene Stunde vor der Zentrale gestanden, bis ich beschlossen habe mit der U-Bahn zu fahren, weil du nicht fähig bist pünktlich zu sein! Und dann soll ich deiner Meinung nach auch noch froh sein?! Kannst du nicht wenigstens vorher Bescheid sagen, wenn dir was dazwischen kommt!?“, stellte ihn Trysha zur Rede. Lefti schien geradezu überrumpelt, bis er langsam zu verstehen begann, was sie meinte.

„Du willst mir sagen, du hast nicht gewusst, dass ich heute nicht kommen konnte?“

„Woher denn auch?“, rief Trysha aus. Das schien Lefti als Antwort zu reichen und er drückte ihr ihren Helm in die Hand, danach stülpte er sich seinen über den Kopf.

„Aufsetzten!“, befahl er und schwang sich auf seine Maschine. Als sie zögerte klappte er sein Visier hoch und fixierte sie warnend. „Mach schon!“

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?!“, fragte sie ungläubig.

„Trysha, ich meine es ernst! Keine Widerrede!“, mahnte er in das Futter seines Helms hinein. Seufzend tat Trysha, was er sagte und nahm hinter ihm Platz. Irgendwann auf dem Weg merkte sie, dass er ihr zu Hause ansteuerte.
 

Gegenüber von ihrem Wohnblock parkte Lefti sein Motorrad auf dem Bürgersteig.

Trysha sprang ab und machte sich ohne eine Verabschiedung auf den Weg. Hätte er sich nicht wenigstens entschuldigen oder rechtfertigen können? Stattdessen würgte er sie mitten im Gespräch ab und nötigte sie dazu bei ihm mitzufahren!

Sie erwartete, dass er den Motor wieder anschmiss und davon brauste, doch stattdessen ging dieser aus und sie hörte hinter sich Schritte. Sie beschleunigte ihre eigenen, stieß die Tür zum Hochhaus auf und ging schnurstracks zum Fahrstuhl.

„Mist!“, fluchte sie, weil die Türen nicht gleich öffneten als sie den Knopf drückte. Die Kabine musste irgendwo in den oberen Stockwerken sein. Lefti stellte sich genau neben sie und wartete ab. Nach ein paar Sekunden kam sich Trysha lächerlich vor.

„Was willst du?!“, fragte sie ohne ihn anzugucken.

„Reden.“

„Es gibt nichts zu reden!“, war die Antwort, in dem Moment kam der Fahrstuhl an und sie sprang erleichtert hinein. Trysha bediente den Knopf ihres Stockwerks, der anfing rot zu leuchten. Sie brauchte gar nicht nachzuschauen ob Lefti ihr gefolgt war. Denn erstens würde er sich nicht einfach geschlagen geben und zweitens spürte sie es an der Spannung, die ihr gefolgt war. Sie drehte sich entschlossen um. „Also worüber willst du reden!? Darüber, dass du heute nicht gekommen bist?“

„Zum Beispiel.“

Der Fahrstuhl schloss die Türen und fuhr los.

„Ach weißt du was? Es ist mir egal!! Okay? Ich will es gar nicht mehr wissen!“

„Schön! Denn den Grund hätte ich dir sowieso nicht gesagt! Nur, dass ich verpennt habe es dir persönlich zu sagen, mich aber gestern bei Reilly abgemeldet habe und ihn gebeten habe es dir zu erzählen.“ Trysha wusste im ersten Moment nicht was sie darauf erwidern sollte und schaute ihn nur wütend an.

„Hast du allen Ernstes geglaubt, das mein Vater mir das sagt? Du kennst ihn doch!“

„Nein ich kenne ihn nicht! Ich weiß nur, dass ihr irgendein Problem miteinander habt, wo ich immer mit rein gezogen werde!“

Trysha schwieg erneut. Er hatte Recht. Es war nicht gerecht Lefti für die Fehler ihres Vaters verantwortlich zu machen. „Na gut. Es war nicht deine Schuld. Ich werde morgen mit ihm darüber reden. So, hätten wir das geklärt und du kannst gehen.“

„Falsch, ich rede mit ihm und verschwinden werde ich jetzt auch nicht. Weil ich nämlich auch noch eine Frage an dich habe.“

„Und welche?“

„Na zum Beispiel was gestern los war?“

„Gestern?“, Trysha überlegte. Sie wusste zwar genau was er meinte, nämlich dass sie peinlicherweise vor ihm zu heulen angefangen hatte, aber mit ihm darüber reden wollte sie auf keinen Fall.

„Ja, gestern. Was war los mit dir?“

„Wovon redest du?“

„Du weißt genau was ich meine...“, er warf ihr einen abschätzenden Blick zu, so als wüsste er nicht genau, was sie bezwecken wollte.

„Nein, weiß ich nicht.“ Trysha verschränkte die Arme. „Erklär's mir.“ Sie musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie merkte, dass sie ihn damit aus dem Konzept brachte. Man merkte es ihm zwar nicht offensichtlich an, aber wenn man ihn etwas kannte, dann wusste man, dass es untypisch für ihn war nervös mit den Fingern zu trommeln und ihrem direkten Blick auszuweichen.

Endlich wieder auf gewohntem Territorium!, dachte sie, entspannte sich wieder und nahm Haltung an.

„Tja...“, er verlagerte sein Gewicht, „also... ich weiß nicht ob du drüber reden willst, aber... gestern Abend, nachdem... ich meine... ich hab... vielleicht hab ich ja – ach egal! Vergessen wir das! Wo ist das Mädchen?“, wechselte er schnell das Thema.

„Sag ich dir nicht!“

„Oh, doch das wirst du!“, er fixierte sie nachdrücklich.

„Nein, das kannst du vergessen! Meinst du ich bin so blöd und weiß nicht was du dann mit ihr machen würdest?“

„Ich habe Zeit. Zur Not begleite ich dich in deine Wohnung und warte bis du mir verrätst wo die Göre ist“, drohte er ihr beherrscht.

Wenn der wüsste, dass er ihre Wohnung nur betreten müsste um heraus zu bekommen wo sich Rebecca befand, dachte Trysha und in dem Moment kapierte sie auch, dass sie mächtig in der Patsche saß. Wenn sie ihm nicht verriet wo Rebecca war, würde er ihr in die Wohnung folgen und sie selbst finden. Aber wenn sie es ihm verriet, dann würde er ihr erst Recht folgen und womöglich nachholen, was er gestern Abend versäumt hatte. Ihr Augen weiteten sich vor Panik und ihre Gedanken rasten. Wie konnte sie bloß verhindern, dass er Rebecca fand? Sie brauchte mehr Zeit zum Nachdenken, aber die hatte sie nicht, weil der Fahrstuhl gleich in ihrem Stockwerk ankommen würde!! Schnell hechtete sie zu dem Schaltbrett des Fahrstuhls und drückte den Stopp-Kopf, sodass der Fahrstuhl ruckelnd anhielt. Im gleichen Moment fragte sie sich, was sie da eigentlich tat.

„Was machst du??!“, fuhr er sie an. „Wieso hältst du den Fahrstuhl an? Bist du verrückt?!“, er schob sie von dem Schaltbrett weg und drückte wild auf den Knöpfen herum. „Gibt es hier denn keinen Weiter-Kopf?!“, rief er verzweifelt. „Was bedeuten denn diese merkwürdigen Symbole??“ Er wirbelte zu ihr herum. „Du bist wirklich... die dümmste...“, er fasste sich an den Kopf, so als würde er ihm weh tun und kniff die Augen zusammen, „dumme Kuh die ich kenne!!“

„W- was?!“, fragte sie völlig entgeistert und starrte ihn an. „Ich bin-? Oh! Weißt du was du bist??! Du bist der nervigste, unzuverlässigste, unfreundlichste und egoistischste Trottel den ich kenne!“

„Na super! Ich merke schon, wir werden uns blendend amüsieren während wir hier festsitzen!“

„Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Wer musste denn unbedingt ungeladen mitkommen?“

„Glaub mir, wenn ich das geahnt hätte wäre ich gleich zu Hause geblieben! Dann hättest du selbst mit den Typen zurecht kommen können!“ Sie wollte gerade wieder dagegenreden als er ihr zuvor kam: „Aber das wäre für dich natürlich kein Problem gewesen, ich weiß. Du brauchst meine Hilfe ja nicht, geschweige denn die von irgendwem anderes, schon klar.“ Er winkte mit der Hand ab und lehnte sich gegen die teilweise ziemlich demolierte Fahrstuhlwand. Trysha schwieg ebenfalls, weil sie mit der Streiterei sowieso nicht weiter kommen würden.

„Ich weiß wie man hier wieder raus kommt“, meinte sie und verschränkte die Arme.

„Ach und ich wette du wirst es mir nicht einfach so verraten.“

„Richtig.“ Trysha nickte. „Nicht bevor du versprichst, dass du nicht weiter nach dem Mädchen fragst.“ Lefti betrachtete sie prüfend und schien zu grübeln.

„Also gut. Aber nur, wenn du dir absolut sicher bist, dass sie nicht redet und mir meine Frage von eben beantwortest!“

„Macht sie nicht!“, versicherte Trysha ihm und hegte gleichzeitig gewisse Zweifel, ob sie das wirklich gewährleisten konnte. „Und ich weiß immer noch nicht was du mit 'was war los?' meintest, also wenn ich dir irgendwas beantworten soll, dann musst du es schon verständlich formulieren!“, bemerkte sie spitz. So leicht würde sie es ihm nicht machen.

Lefti nickte. Das war schwer. Er machte sowas nicht oft. Oder eigentlich nie, wenn er genau darüber nachdachte. Einfühlsam sein. Aber wenn er ihr die Frage ins Gesicht brüllen würde, was für ihn viel einfacher wäre, dann stünden die Chancen auf eine ordentliche Antwort gleich Null. Also holte er tief Luft: „Ähm gestern. Ich habe nichts Schlimmes geahnt. Oder zumindest nicht gedacht, dass es so schlimm ist... äh wäre... für dich meine ich. Immerhin wollte ich nur... also sie war eben ein Zeuge! Aber du...“, er warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu, doch sie hörte ihm nur gespannt zu. Er hätte mit einem blöden Grinsen gerechnet, oder, dass sie uninteressiert tun würde, aber stattdessen hing sie förmlich an seinen Lippen. Sie war... er glaubte, dass sie irgendwie fasziniert war. Schluss! Er musste sich darauf konzentrieren nicht so herum zu stottern! Am besten kurze und knappe Sätze, dann verhaspelte er sich nicht so leicht. „Für dich war es... anders. Ich meine, als ich in den Laden zurückgekommen bin... da...“, er brach ab. Er konnte einfach nicht. „Scheiße“, rutschte es ihm heraus und er knirschte mit den Zähnen.

„Da...?“, fragte Trysha wie von selbst um ihn zum Weiterreden zu animieren. Es folgte eine längere Pause, in der Lefti mit sich rang und nach den passenden Worten suchte.

„Da warst du so... traurig. Warum?“, flüsterte er schließlich leicht verlegen und sie lächelte. Trysha machte einen Schritt auf ihn zu, sodass ihre Hand auf dem Schaltbrett entlang tasten und einen Knopf drücken konnte. Er sah sie fragend an.

„Der Hausmeister-Knopf“, erklärte sie.

„Sicher, der Hausmeister-Knopf“, er schlug sich grinsend vor den Kopf. „Bist du dir auch sicher, dass der kommt?“

„Ganz sicher“, sie nickte. „Du kennst Newt wohl nicht.“

Er schüttelte den Kopf und musterte sie eine Zeit lang mit seinen dunklen Augen.

Und da war sie wieder, diese prickelnde Spannung. Keiner von beiden sagte ein Wort und sie standen sich einfach nur schweigend gegenüber. Sein Blick wanderte über ihren Körper und blieb dann an ihrer aufgeschürften Wange hängen. Zögernd hob er seine Hand und berührte ganz sacht ihre Kratzer mit dem Daumenballen. Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde gewesen, aber Trysha bekam trotzdem eine leichte Gänsehaut.

„Du solltest wirklich vorsichtiger sein. Das hätte heute böse ausgehen können...“, murmelte er in einem weichen Südstaatenaktzent, den sie vorher noch nie bei ihm gehört hatte. Es kam ihr vor, als würde er die Worte wie ein Kaugummi genüsslich auseinander ziehen. Er ließ seine Hand wieder sinken und seine Augen fanden die ihren. „Also gut Schätzchen. Ich hab meinen Text aufgesagt. Jetzt bist du dran.“

Das holte Trysha wieder in die Realität zurück. Sie hatte gemerkt, dass es aus irgendeinem Grund schwierig für ihn gewesen war diese simple Frage zu formulieren. Deswegen musste sie ihm auch antworten. Aber was? Doch nicht etwa die Wahrheit? Sie wollte es ihm nicht verraten, aber andererseits, was hatte sie schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall war es ihm einfach egal und im besten Fall würde er sie vielleicht besser verstehen und ihre Entscheidung das Mädchen zu schützen akzeptieren. Sein warmer Atem streifte ihre Haare. Sollte sie es also wagen sich ihm anzuvertrauen? Unsicher blickte sie zu ihm auf. Er wartete geduldig auf ihre Antwort, er schien zu begreifen, dass es für sie ebenfalls nicht einfach war ihre Gefühle preis zu geben.

„Das Mädchen in dem Laden, sie ist...“, Trysha schluckte, los sag's ihm! „Sie ist die Tochter meiner Schwester.“ Jetzt war es raus und sie wartete regungslos auf seine nächste Reaktion.

„Das Mädchen soll die Tochter deiner Schwester gewesen sein?“, fragte er vorsichtshalber nochmal nach.

„Ja, ich hab sie erst nicht erkannt, weil sie gefärbte Haare hatte.“

„Sie ist also deine Nichte?“, folgerte Lefti.

„Nenne es wie du willst. Ich sag nur wie es ist!“ Trysha wartete immer noch auf die entscheidende Reaktion.

„Du willst mir erzählen, dass das deine Nichte war und du sie am Anfang nicht erkannt hast wegen ihrer Haare?“ Er sah sie ungläubig an und Trysha nickte langsam. „Und sie hat dich auch nicht erkannt?“ Wieder ein Nicken. „Und sie ist ganz zufällig genau zu dem Zeitpunkt in den Laden gekommen, als wir auch dort waren?“

„Ja. Sie heißt Rebecca“, ergänzte Trysha. Er schwieg eine Weile, doch dann begann er zu grinsen.

„Ist klar. Meinst du ich merke nicht, wenn du mich verarschst?“, er begann leise zu lachen. „Aber trotzdem, prima Geschichte. Ich hätte wissen müssen, dass ich nichts aus dir heraus bekomme, egal wie vernünftig ich nachfrage.“

„Warte mal...“, sie musste Luft holen, weil sie sie zuvor angehalten hatte, „soll das heißen, du glaubst mir nicht?“

„Ja“, antwortete er seine Enttäuschung verbergend. Trysha merkte, wie sich ihr Magen zusammen krampfte. „Ist schon egal. Ich hab versucht normal mit dir darüber zu reden, aber wenn du absolut nicht willst, kann ich auch nichts machen.“

Ihr klappte der Kiefer herunter. Sie hatte ihr Innerstes nach außen gekehrt und er glaubte ihr nicht? Er hatte es wirklich geschafft den schlimmsten Fall noch zu übertrumpfen! Es war ihm nicht nur egal, nein, er glaubte ihr noch nicht einmal!! Sie hätte es ihm nie anvertrauen sollen, das war ein Fehler gewesen! „Du glaubst mir wirklich nicht?“

„Trysha, lass gut sein.“ In diesem Moment setzte sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung. „Mh. Dieser Newt hat es tatsächlich geschafft“, bemerkte er und Trysha nickte bloß. Ihr steckte ein riesiger Kloß im Hals und sie fühlte sich auf einmal unfähig dazu ihm die Meinung zu sagen. Wenn sie erst anfangen musste wieder mit ihm zu streiten um ihm verständlich zu machen, dass sie die Wahrheit sagte, dann war es das nicht Wert. Sie kniff ihre Lippen aufeinander und wartete bis die Fahrstuhltüren sich endlich im richtigen Stock öffneten. Dann flüsterte sie bedrückt, ohne ihn dabei anzuschauen: „Danke für dein Vertrauen...“ Sie verließ die kleine Kabine bevor er ihr antworten konnte.
 

Lefti blieb im Aufzug zurück. Was war das denn jetzt gewesen? Normalerweise hätte sie sich doch lautstark verteidigt, auch wenn sie im Unrecht war mit ihrer Notlüge. Denn ihre Geschichte klang eher unlogisch als schlüssig. Wieso hätte ihre angebliche Nichte sie denn auch nicht erkennen sollen? Das bedeutete doch offensichtlich, dass sie Trysha überhaupt nicht kannte. Aber wenn er genauer darüber nachdachte, dann passte ihre Erklärung zu ihrem Verhalten. Dass sie plötzlich, als sie ihre Nichte erkannt hatte, so aufgewühlt und gegen sein Vorhaben gewesen war. Er schüttelte den Kopf und fuhr zurück ins Erdgeschoss. Er wurde aus Trysha einfach nicht schlau. Und das war nicht nur auf ihre Geschichte bezogen, sondern auch auf sie selbst! Auf der einen Seite war sie rechthaberisch und stahlhart, doch da war noch eine andere Seite in ihr, die sie vor anderen um jeden Preis verbarg. Auch vor ihm. Er wusste, dass das bescheuert war, aber er wurde langsam neugierig und fragte sich seit gestern wie diese Seite von ihr wohl im Detail aussah. Wer die echte Trysha war. Die Trysha, die gestern vor Verzweiflung geweint hatte und die sich protestlos von ihm über die Wange streicheln ließ. Die Trysha, die eben, als er ihr nicht glaubte, so verdammt enttäuscht ausgesehen hatte, sodass er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.

Fast so, als hätte er sie mit seinem Unglauben tief getroffen. Lag das daran, dass sie doch die Wahrheit gesagt hatte? Er wusste es einfach nicht zu hundert Prozent. Aber, verflucht nochmal, wenn er auf seine nicht vorhandene weibliche Intuition hören könnte, dann hatte Trysha ihm vielleicht doch keine Lüge aufgetischt!
 

***
 

So, die 8 Episode hätten wir auch!! =P
 

~Fahrstuhlflirt oder was?~
 

Lefti steigt in den Aufzug. Drinnen steht Trysha: Lange dunkle Haare, endlose Beine, Minirock, knappes Top.

Plötzlich reißt sie sich das Oberteil vom Leib und ruft: "Mach, dass ich mich endlich wie eine richtige Frau fühle!"

Lefti schaut erst ein wenig verdatter drein. Dann grinst er, zieht sein Hemd aus, schmeißt es vor sie auf den Boden und ruft: "BÜGEL DAS!!!!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wolkenfee
2011-12-18T12:44:06+00:00 18.12.2011 13:44
Hallo :)
Und wieder mag ich den Titel sehr ^__^
Dass Lefti sich entscheidet, noch bei Trysha vorbeizuschauen, finde ich sehr gut, und es war ja auch nötig ;) Hat mir gefallen, wie sie versucht hat, sich herauszureden, vor allem dass mit den häufigsten weiblichen Vornamen (eine Freundin von mir in Amerika heißt auch Ashley XD) und dass sie sich selbst die Daumen drückt.
Die Situation im Fahrstuhl hat mir auch sehr Gefallen, der Streit ist sehr gut beschrieben. "Dümmste dumme Kuh" fand ich sehr lustig :)
Wie die Stimmung dann plötzlich in ernst umschlägt, war auch sehr nachvollziehrbar und es ist ist irgendwie niedlich, dass es Lefti so schwer fällt, seine Frage zu formulieren.
Damit, dass Trysha ihm die Wahrheit sagt, hätte ich nicht gerechnet, aber ich kann gut verstehen, dass sie enttäuscht ist, als er ihr nicht glaubt. Allerdings würde ich das an Leftis Stelle wahrscheinlich auch nicht glauben.
Insgesamt wieder ein sehr schönes Kapitel :)
LG, Fee
Re-✖✐✖


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