Zum Inhalt der Seite

Tobrisches Schattenspiel

Lares und Zylya im Dienste des KGIA 27 Hal
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Lares vs. Galotta

Lares vs. Galotta

Lares. Rondra 27 Hal.
 

Es war eher eine plötzliche Ahnung, als dass er wirklich etwas spezielles bemerkt hätte. Vielleicht war sie durch winzige Bewegungen der Wachen ausgelöst worden, durch das Unbehagen, das plötzlich in der Luft lag ...

Als er den Kopf wandte, stand am Treppenaufgang der Mann in der schwarzen Robe. Der Stoff glänzte seiden, die Schatten in der Kapuze waren so tief, das nur auf das kräftige Kinn und den schmallippigen Mund ein wenig Licht viel, ein diffuses Unlicht, das den Anschein vermittelte, als wäre die Haut von einer rötlichen Tönung. Als wäre das Gesicht in Blut getaucht.

Lares schluckte, seine Augen flogen über das Zhayad. Was bedeuteten die Zeichen ? Er wünschte sich nicht zum ersten Mal, er hätte Kurse in der Magier-Geheimsprache belegt, als er noch in Belhanka lernte - anstatt dessen hatte er sich für lebende, gesprochene Sprachen entschieden ... Er hatte kein verstaubter Bücherwurm werden wollen, dessen Welt auf Papier gebannt war und in abgehobenen Beschwörungen bestand, aber manchmal ... manchmal war klassische Bildung wohl nicht zu verachten. Er sog kurz die Luft durch die Zähne, als litte er Schmerzen. Jetzt war es, zunächst mal, zu spät.

Der Träger der Robe war recht klein und hielt die Schultern auf eine Art und Weise, die ausdrückte, dass er nicht mehr allzu jung war ... Lares konnte ihn nicht einordnen, aber eines war ganz deutlich: Dieser Mann war nicht Aramis. Und er war nicht ohne Grund hier oben.

Lares zwang sich zu einem höflichen Nicken und dann dazu, sich unbeteiligt abzuwenden. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Die winzige Chance, dass der Magier nicht wegen ihm hier oben war. Dass er nicht von Charissia geschickt worden war. Oder dass sie ihn nicht gut genug beschrieben hatte. Alles, was er tun konnte, war teilnahmslos auszusehen.

Schritte, leicht auf dem Marmorboden. Die schwarze Gestalt schob sich neben ihn, nahe, in Gesprächsnähe. Angst kroch mit kalten Fingern an Lares hinauf, langsam, unaufhaltsam wie Wasser in einem untergehenden Schiff.

" Ignorantes Pack." Ein leises Geräusch, das ein Kichern darstellen könnte, folgte diesen Worten aus der Kapuze. Die Stimme war trocken und spröde wie gealtertes Pergament. "Der Adel war im Wegsehen schon immer gut. Das Volk, ihre Vasallen und Untertanen werden niedergemacht, und das blaue Blut feiert, dessen ungeachtet."

Lares wusste nicht, ob von ihm eine Antwort erwartet wurde. Er entscheid sich dagegen, als sein Gegenüber wieder seltsam lachte und sich ihm die Schatten in der Kapuze ein wenig zuwandten. "Was versprecht Ihr Euch wohl davon, hier zu sein ? Weshalb geht Ihr das Risiko ein, Euch im Schafspelz unter die Herde zu mischen ?"

Sie hatte ihn verraten. "Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Hochgelehrter", kam es lahm über seine Lippen.

" Hochgelehrter", wiederholte der Mann leicht amüsiert. "Gebildet seid Ihr ... Ihr haltet mich für einen Magier, nein, gar für einen Magus ... Ihr kennt Euch aus mit Gildenetikette ?"

Ein gedanklicher Fluch. "Wie es sich für einen Mann meines Standes geziemt."

" Ah. Und was für ein Stand soll das sein ?"

Lares bemühte sich um äußere Ruhe, um Gelassenheit. Pokern. Es blieb ihm nichts als zu pokern. "Ich bin ein Baron, Hochgelehrter. Ich weiß nicht, was Euch daran zweifeln lässt."

Einen Moment herrschte Schweigen, gespannte Stille wie vor dem Donner, wie vor der Urteilsverkündung bei Gericht ...

Dann schüttelte der Magier beinahe unmerklich den Kopf, und Lares wusste, er hatte das Spiel verloren.

" Mutig", sagte die papierne Stimme. "Mutig, aber dumm." Der Mann winkte nahezu beiläufig mit der Linken, und zu Lares' Schrecken nahmen alle Wachen auf der Etage Haltung an. Befehligte er etwa all diese Männer ?

Ein leises Klacken hinter seinem Rücken. Ein Türschloss. Lares drehte sich erschrocken um. Zylya stand im Türrahmen der Privatgemächer, mitten in der Bewegung erstarrt. Ihr Blick flog über die Anwesenden, schätze die Situation ein. Lares starrte sie an; wie konnte er sie warnen, ohne sie in Gefahr zu bringen, wie konnte er sie von hier fort schaffen, ohne sie anzusprechen ? Alles, was sie an Signalen abgesprochen hatten, würde bemerkt werden, es war sogar schon zu auffällig, sie auf diese Weise anzusehen, wollte er ihre Identität schützen. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft hielt er sein Gesicht, die Augen emotionslos, wandte sich wieder ab. Seine Gedanken flogen zu ihr. Hau ab, verdammt ! Hau ab !

Der Magier hatte sich ihm zugewandt, Zylya kaum angesehen. Er war kleiner als Lares, aber trotzdem wirkte es nicht, als würde er zu ihm aufschauen, nein, er blickte definitiv auf ihn herab, als seine Stimme durch den Raum glitt wie Schlangenhaut über rauen Stein. "Blockiert den Treppenaufgang. Ich will niemanden hier oben sehen, bis ich das Gegenteil anordne."

Obwohl er die Wachen nicht einmal angesehen hatte, setzten sie sich sofort in Bewegung, strömten zur Treppe, und binnen Sekunden war der gesamte Gang leer. Auch Zylya war verschwunden.

Langsam sickerte es durch Lares' Bewusstsein: Er war jetzt mit diesem Mann völlig allein. Was immer hier geschehen sollte, es würde keine Zeugen geben. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück, hob eine Hand, um, falls nötig, zu einer Zaubergeste ansetzen zu können. Er fühlte sich schutzlos ohne seinen Stab, irgendwie beschnitten. Er hätte gerne einen Gardianum gesprochen, aber ohne einen Magierstab dauerte es zu lang, um daran ungehindert zu bleiben, und außerdem wollte er nicht seinen einzigen Trumpf preisgeben: Wer er war. Oder besser, was er war. Falls sein Gegenüber das nicht schon längst wusste.

Der Magier ließ einige Augenblicke verstreichen. Lares wurde immer nervöser, dachte Dutzende von Möglichkeiten, dieser Situation zu entkommen, an und verwarf sie wieder.

Dann die leisen, ruhigen Worte: "Warum seid Ihr hier ?" Die Drohung dahinter war unverhohlen. Das und die Tatsache, dass es nichts nutzen würde, sich weiter als Baron auszugeben. Aber inwieweit wusste der Magier über ihn Bescheid ? Und was sollte er schon sagen ? Dass er im Auftrag des KGIA hier war, um ein Artefakt zu stehlen, bevor es in Reichweite der Borbaradianer kam, also vermutlicherweise zum Beispiel in die seines Gegenübers ? Dass er nicht wusste, um was für ein Artefakt es sich überhaupt handelte, sondern dass er nur grob wusste, wie es aussah ? Über Lares' Gesicht schlich sich ein schmales Lächeln. Galgenhumor. Er schwieg.

Eine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Eine knappe Handbewegung des Magiers, und hinter Lares' Stirn explodierte ein reißender Schmerz, so tief und scharf, dass er einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte. Weißes Licht gleißte vor seinen Augen, für Herzschläge orientierungslos taumelte er einen Schritt zurück. Ein heftiger Stoß traf ihn an der Brust, bevor er sich wieder fangen konnte, er verlor das Gleichgewicht und stürzte hart, konnte sich gerade noch mit den Händen abfangen. Der Schmerz in seinem Kopf flachte ab, beinahe so schnell, wie er gekommen war, hinterließ jedoch ein seltsam taubes Gefühl, das anzeigte, dass es sich nicht um Phantomschmerzen gehandelt hatte. Eine Verletzung, eine schwere Wunde, in seinen Geist gerissen.

Fulminictus.

Als er endlich wieder sehen konnte, ragte die Gestalt in der schwarzen Kutte über ihm auf, ein Schatten vor dem Himmel. Lares' hörte seinen eigenen, zitternden Atem, Angst riß an ihm, lähmte ihn. Was sollte er tun ... sich wehren, ein Magierduell beginnen, das aller Wahrscheinlichkeit nach damit enden würde, dass er unterlag, den Rapier ziehen, den er nicht führen konnte ? Versuchen, zu fliehen, den Wachen in die Arme oder, treffender, in die blanken Schwerter laufen ? Wenn er nicht vorher von einem Ignifaxius zu Asche verbrannte wurde ?

"Wer seid Ihr ?" wiederholte der fremde Magier in gefährlich leisem Tonfall. "Weshalb seid Ihr hier ?"

Lares schloss kurz die Augen, seine Gedanken rasten. Zylya. Er musste den Kerl von der Tür zum Zimmer der Baroness ablenken, damit sie fliehen konnte, musste ihn so lange beschäftigen, dass sie genügend Zeit hatte, zu entkommen.

" Ihr habt recht", sagte er. "Ich bin nicht Echterdingen. Aber ich bin nicht hier, um Euch oder dieser Gesellschaft zu schaden."

" Ach ja ?" Ein schmales Lächeln unter der Kapuze, gebogen und blitzend wie ein blankes Messer. "Und weshalb dann ?"

Lares versuchte aufzustehen, eine Hand einhaltgebietend erhoben. Der Mann ließ ihn gewähren, er hatte scheinbar zumindest sein Gehör gefunden. "Das Mädchen, mit dem ich hier bin. Mirinda. Sie glaubt, ich bin es. Und ihr Vater glaubt es auch. Wir werden bald heiraten, und ihre Mitgift wird meine finanziellen Sorgen beheben."

Das war die Erklärung, die er und Zylya für den Fall vorbereitet hatten, dass einer von ihnen auf diese Weise aufflog. Die Folgen blieben recht überschaubar, da man erstrangig einander betrog. Er hoffte inständig, dass seine Stimme fest genug klang, dass ihm der Magier diese Lüge abkaufte.

" Finanzielle Sorgen", wiederholte dieser in seltsamer Tonlage.

" Spielschulden", fügte Lares hinzu.

" Wie ... pragmatisch. Und was ist nach der Hochzeit ? Irgendwann wird sie es herausbekommen."

" Vorher wird sie unglückseligerweise erkranken."

" Und wird ihr Vater nicht misstrauisch werden ?"

Lares zuckte mit steinernem Gesicht die Schultern. "Damit werde ich fertig. So oder so."

" Eure Schulden müssen hoch sein, wenn Ihr solche Risiken eingeht."

" Sind sie. Und meine Gläubiger warten nicht gern."

" Schlimme Situation für einen Pantheonhelden."

Lares blieb beinahe das Herz stehen. "Was ?"

Der Magier grinste. "Keiner der Pantheonhelden ist ein Spieler, nicht einmal die kleine Diebin, die Ihr so bemüht als reiches Gutstöchterlein auszugeben versucht. Gute Geschichte, die ihr da habt ... aber nicht gut genug!"

Der zweite Angriff erfolgte fast bevor er überhaupt zu Ende gesprochen hatte. Lares blieb nicht einmal die Zeit, richtig aufzunehmen, was überhaupt geschehen war, bevor wieder Licht vor seinen Augen aufflammte, so blendend hell und allumfassend, dass er zu keiner Handlung mehr fähig war. In Erwartung des Schmerzes, der da kommen musste, krümmte er sich ... aber er blieb aus. Kein Fulminictus. Ein Blitz dich find. Als ihm das klar wurde, war es jedoch schon zu spät.

Ein übler Schlag mit einem harten Gegenstand traf ihn seitlich am Kopf, die Wucht riß ihn zur Seite, die Welt verlor für Momente ihre Festigkeit, glitt aus den Fugen, tanzte um ihn herum. Schmerz raubte ihm für Augenblicke die Fähigkeit, seinen Körper zu kontrollieren. Er spürte den Aufprall auf den Boden kaum, seine Schultern und sein Hinterkopf kollidierten hart mit dem kalten Marmor. Die Welt wurde für Momente farblos.

Ein Schatten, der auf ihn zuflog.

Irgendwie riß er die Arme über den Kopf. Der Knüppel, oder was immer es war, traf seine Ellen, er blinzelte zwischen ihnen hindurch, Gefahr, sein Körper erwachte zum Leben, grimmige Spannung drängte Schmerz und Angst zurück. Ohne nachzudenken trat er nach den Beinen des Gegners und fegte ihn von den Füßen, rollte sich instinktiv aus der Bahn. Heißes Blut strömte träge über seinen Hals, sein rechtes Auge begann von außen her zuzuschwillen. Der Magier kam dumpf knapp neben ihm auf die Knie, Lares griff sofort nach ihm, bekam den Stoff an den Schultern zu fassen und zerrte daran, um ihn völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Die Kapuze glitt widerstandslos von dem kahlen, tiefrot gefärbten Kopf.

Lares erstarrte. Seine Gedanken waren lahm vom Kampf, aber trotzdem ...

Roter Kahlschädel. Eine Strafe, die nur einem Magier auferlegt worden war, vom Kaiser persönlich. Der Lehrer für Magierecht hatte diesen Fall lange durchgenommen, als Beispiel für verblendete Rachsucht, für die schreckliche Macht der Magie, wenn sie in den falschen Händen war. Lares blinzelte, starrte in die graugrünen Augen des Mannes, die ihn fixierten wie ein Habicht ein entdecktes Kaninchen. Er spürte nichts als blanken Unglauben. Das konnte nicht sein ... "Galotta." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als der Name über seine Lippen kam, seine Gedanken an die Luft drängten.

Die roten Lider seines Gegenübers zuckten, er nutzte Lares' Fassungslosigkeit und somit Bewegungsunfähigkeit. Seine Hände zuckten hoch, beide je ein Ende eines kurzes, geraden Stabes umfassend, er warf ihn rücklings um. Der Stab setzte sich an seine Kehle, und Galotta stützte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf, kaum dass Lares am Boden lag. Sein Gesicht war unbewegt, nur die von zahlreichen fächerförmigen Falten umgebenen Augen leicht verengt, in kaltem Zorn.

Lares würgte, schnappte nach Luft. Der brutale Angriff verlieh ihm wieder die Fähigkeit, sich zu bewegen, er kämpfte seine Hände unter Galottas Knien hervor, schob sie unter den Stab an seinem Hals und versuchte, ihn hochzudrücken. Galotta hielt dagegen, in seinem Gesicht die grimmige Entschlossenheit, zu töten. Es war ein stummes Kräftemessen, finster, verzweifelt.

Lares wusste nicht, wie lange es angedauert hatte. Alles, woran er denken konnte, war, die Bedrohung abzuwenden, am Leben zu bleiben, sein Blick in dem Galottas gefangen. Es schien fast wie ein Kampf des Willens, mehr das als ein Kampf der puren Muskelkraft ... aber dennoch schien es irgendwann, als gewänne er die Oberhand. Millimeter um Millimeter konnte er den würgenden Stab anheben.

Im Gesicht des über ihm knienden Mannes zuckte es erneut, und urplötzlich ließ er ein Ende los. Der Stab schnappte zur Seite, Lares atmete keuchend ein, versuchte sich wegzurollen. Galottas rechte Hand landete schwer auf seiner Brust, hielt ihn am Boden. Lares riß ein Knie hoch und traf ihn auf Höhe der Rippen. Ein kurzes Schnauben war die einzigste Reaktion, dann bewegten sich die Lippen des Magiers, flüsterten fremde Laute.

Lares' Herz hörte auf zu schlagen.

Seine Augen weiteten sich, als eine formlose, schwarze Leere direkt in seine Brust griff und sich nebelfeuchte Finger um sein Herz legten, es anhielten, als bedeutete es nichts. Namenloses Grauen fegte durch seinen Geist, lähmte ihn, ließ seine Hände, die schon auf dem Weg gewesen waren, die Hand auf seiner Brust fortzustoßen, verhalten. Ein Zittern ergriff ihn, ein Schauer vor der Kälte, die ihn plötzlich von innen heraus erfüllte. Schatten schienen um ihn herum zu wachsen, krochen an den Wänden, am Himmel und am toten Lächeln in Galottas Gesicht hinauf. Er versuchte, etwas zu sagen, egal was, aber nur ein gedämpfter Laut kam über seine Lippen.

Es war wie ersticken.

Weiße Klauen schlugen durch den dünnen Schleier seines Lebens, zerfetzten seine Kräfte, seine Gedanken wie Spinnweben. Die Schatten stürzten auf ihn ein, er spürte vage, wie seine erhobenen Hände zu Boden sanken, sein Körper erschlaffte. Irgendwie hatte er den rätselhaften Eindruck, dass es heller wurde, ein fahles Licht kam aus ungenauer Quelle, leckte an den Grenzen seines Geistes und...

Plötzlich war es vorbei. Ein Schrei schnitt durch die graue Luft, der Druck auf seiner Brust verschwand, und mit einem Satz nahm sein Herz die Arbeit wieder auf, die Wucht des ersten Schlages nach langer Pause ließ ihn unkontrolliert zucken. Die Welt fiel zurück in Form und Farbe, er riss die Augen weit auf, atmete.

Galotta war seitlich von ihm herabgeglitten, mit einer Hand stützte er sich mühsam auf, während er mit der anderen versuchte den Dolch zu erreichen, der aus seiner Schulter ragte. Lares starrte die Wurfwaffe benommen an, versuchte sich aufzusetzen. Sein Herz pochte so heftig, dass der Klang von den Wänden wiederzuhallen schein.

Galotta erreichte die Klinge und riss sie so rigoros aus seinem Körper, dass Blut über den Boden spritzte, sein Kopf flog herum, in seinem Gesicht blanke Wut, die Zähne gebleckt.

Eine eiskalte Ahnung ergriff von Lares Besitz, er folgte Galottas Blick.

Zylya stand vor der weit geöffneten Tür zum Zimmer der Baroness, blass, mit geröteten Wangen, die Augen glänzten vor Aufregung und Furcht. Jetzt, wo Galotta sie anstarrte, trat sie unwillkürlich einen Schritt zurück, schluckte sichtbar. Lares dämmerte, dass sie den Dolch geworfen haben musste.

Galotta würde sie töten. Ihm war sicher klar, dass das nicht irgendein Dienstmädchen war, noch dazu, weil sie just in diesem Moment aufgetaucht war, und das auch noch aus diesem speziellen Raum. Jetzt warf er den Dolch achtlos davon, ballte die Rechte zur Faust, seine Lippen öffneten sich ...

Lares überlegte nicht lange. Er sprang auf und warf sich mit seinem ganzen Körper gegen ihn, umklammerte ihn mit beiden Armen. "Verschwinde !" schrie er Zylya zu. "Lauf !"

In Zylyas Gesicht stand eine Mischung aus Protest, Unglauben und Angst. "Aber ...!"

Ein Wutschrei entfuhr Galotta, als er versuchte, Lares abzuschütteln. Es klang fast wie ein Fauchen. Lares rang ihn irgendwie nieder.

"Geh ! Zylya, bei allen Zwölfen, bitte geh !" Seine Stimme hallte in den Marmorgängen, grausam verzerrt von Panik, es war nahezu ein Flehen. Hörte er sich wirklich so an ?

Ihre Miene war ein Bild der Erschütterung, als er einen Blick auf ihr Gesicht erhaschte, blutleer, irgendwie hilflos. Sie sah so ... verwundbar aus. Es zerriss ihm das Herz.

Galotta kämpfte sich einen Arm frei, schlug unkontrolliert um sich. Lares spürte, wie er seinem Zugriff entglitt. "Schnell !!!" gellte er.

Wie von einem Schlag getroffen zuckte sie zusammen, wirbelte herum und rannte davon. Endlich.

Mit einem kräftigen Schlag stieß Galotta ihn von sich. Lares' Herz machte einen Satz, kam für Augenblicke aus dem Takt. Schwarze Nebel wallten vor seinen Augen auf. Noch nicht ... sie ist noch nicht in Sicherheit ... noch nicht ...

Er federte zurück und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an die schwarze Kutte, brachte den Aufstehenden aus dem Gleichgewicht. Eine kurze Ablenkung. Aber sie reichte aus: Zylya verschwand um eine Ecke. Kein Zauber, den Galotta sprach, konnte sie treffen, ohne dass er sie sah.

Die Welt verschwamm, sein Puls pochte in seinen Ohren, er spürte, wie sein Griff sich lockerte, der glatte Stoff ihm entglitt. Es war, als hätte er seinem Körper mehr abgekauft, als er eigentlich zu leisten bereit gewesen war.

" Wachen !!!" Galottas Stimme schnitt durch die Hallen. "Hierher ! Ergreift sie ! Dort ! Dort entlang !"

Schwere Schritte stampften die Treppe herauf, an ihnen vorbei. Lares versuchte verzweifelt, einen klaren Kopf zu behalten, die Kontrolle über seinen Körper zurückzugewinnen. Er rappelte sich mühsam auf die Ellenbogen hoch, versuchte wieder auf die Beine zu kommen.

Galottas Blick erfasste ihn, voll kaltem Hass und geringschätziger Verachtung, wie man etwa eine lästige Fliege betrachtet. Lares erstarrte. Plötzlich, zum ersten Mal seit Stunden, wie es ihm schien, hatte er Angst. Lähmende, schreckliche Angst vor diesem Mann und seinen Kräften. Das eben ... er hatte einfach seinen Herzschlag angehalten ! Und er zweifelte nicht daran, dass er das wieder tun konnte. Und dass er es nicht noch einmal überleben würde.

" Genug", sagte Galotta scharf, er spie die Worte geradezu aus. "Glaubst du, du kannst mir irgend etwas entgegensetzen, ein kleines, unbedeutendes Licht, so wie du es bist ?" Die Worte kamen langsam, sorgfältig betont, jedes einzelne mit der Wirkung eines Nadelstiches. "Glaubst du, du und dieses blonde Flittchen könnten meine Pläne durchkreuzen ?! Weswegen seid ihr hier, heh ? Weshalb ?!!" Er trat zu.

Lares unterdrückte ein Stöhnen, als sich die harte Stiefelspitze zwischen seine Rippen bohrte, versuchte, rückwärts zu robben. Ein zweiter Tritt traf ihn in die Nierengegend, er krümmte sich unter Schmerzen.

" Glaub bloß nicht, dass du hier lebend wieder rauskommst !" Galottas Stimme hob sich vor Wut. "Glaub bloß nicht, dass ich irgendeine Rechnung offen lasse ! Hältst du dich für einen Helden ? Glaubst du, deine Götter können dir jetzt helfen ?" Ein weiterer Tritt. Lares' entfuhr ein erstickter Laut. "Einen qualvollen Tod wirst du sterben, das verspreche ich dir, aber vorher wirst du reden ! Jede Einzelheit wirst du mir erzählen ! Ich habe bisher jeden Geist gebrochen, und deiner wird für mich nicht einmal eine Herausforderung darstellen, nicht für mich, der selbst einen Oger dazu bringen kann, die Analysis anzuwenden, der vier Elfen alles tun lassen kann, was immer und wann immer es ihm beliebt ... !"

Lares musste das alles nicht hören, um zu wissen, dass er verloren war. Gaius Cordovan Eslam Galotta war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Beherrschungsmagie, und zwar eine in der schwärzesten Ausrichtung. Er hatte nie irgendeine Form ethischen Skrupels bewiesen, und Lares rechnete nicht damit, dass er bei ihm eine Ausnahme machen würde. Wenn er hier nicht herauskam, würde er sterben. Und vorher alles sagen, was er wusste. Daran bestand nicht die geringste Ungewissheit.

Laufen war zwecklos, er hatte auch seine Zweifel, dass er es überhaupt schaffen würde, aufzustehen. Er konnte einfach nicht mehr. Aber vielleicht hatte er noch eine Chance ... vielleicht, wenn Galotta sich weiter so in Rage redete, wenn er ihn nur für einen Augenblick aus den Augen ließ, wenn er für einen Moment nicht daran dachte, das Lares Magier sein könnte, oder wenn er sein Spezialgebiet nicht kannte, wenn ...

Zu viele wenn's.

Lares dachte an den vereinbarten Treffpunkt, ein winziges Wäldchen inmitten der Hecken, die die Felder vor Hohenfels-Siedlung voneinander abgrenzten und vor Wind schützten. Dort hatten er und Zylya sich treffen wollen, wenn etwas schief ging.

Zylya ... hoffentlich entkommt sie ... hoffentlich ...

Er überschlug die Entfernung. Fast drei Kilometer von hier aus gesehen, wenn nicht mehr ... so weit hatte er sich bisher nie teleportieren müssen. Aber um keinen Preis wollte er in Sichtweite der Burg oder gar darin bleiben ... Galotta würde ihn finden ...

Es war seine einzige Chance.

Ein weit ausgeholter Tritt traf ihn, warf ihn auf den Rücken. Keuchend schnappte er nach Luft, stöhnte, hob lahm die Arme über den Kopf. Er durfte keine Absicht zur Gegenwehr vermitteln. Nichts. Einfach aufgeben. Es fiel ihm nicht schwer. Sein Rumpf schmerzte höllisch unter der Wucht der Angriffe, die er abgekommen hatte, aber er zog es vor, grün und blau geschlagen zu werden, als eine einzige weitere magische Attacke abzubekommen. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass nicht mehr viel fehlte, bis das Leben in ihm genug hatte und sich geschlagen gab.

Tatsächlich hörten die Tritte auf, als er sich nur noch passiv zusammenkrümmte. Ein abschätziger Laut, fast ein Ausspucken folgte, Stoff raschelte. Lares wagte es kaum, ein Auge zu öffnen, als könnte das geringste Zeichen von Lebendigkeit eine weitere Serie von Schlägen hervorrufen. Galotta sah auf ihn herab, rümpfte die Nase, das Gesicht vor Zorn verkniffen, dann wandte er sich brüsk ab, sein Blick ging den Gang hinunter, den Wachen nach. Ein Bild mühsamer Beherrschung, vielleicht sogar reuevoller Beherrschung. Reue, die Kontrolle über sich verloren zu haben.

Das war die Chance.

Lares schloß die Augen, tauchte ab, sein Geist verwob blitzschnell Astralfäden. Rief sich das Bild des Wäldchens ins Gedächtnis, die astrale Signatur dieses Ortes. Nickte.

Der Limbus saugte ihn ein.
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück