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Einzelposting: Wer nimmt Nordkorea ernst?


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Von:    Azamir 06.01.2014 14:42
Betreff: Wer nimmt Nordkorea ernst? [Antworten]
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ah, Verschwörungstheoretiker und andere seltene Tiere in einem Thread...

Nordkorea hat inzwischen einen niedrigeren technischen Standard als die meisten 'Drittweltländer'. Und dort liegt das Problem von Nordkorea: sie sind inzwischen so weit abgehängt, ihr System funktioniert so dermaßen schlecht, und ihre Bevölkerung kriegt das immer irgendwie mit. Denn die Grenze nach China ist nicht so dicht wie die nach Südkorea, und so sehen viele Nordkoreaner, dass die Welt, die ihnen von ihrer Regierung verkauft werden soll, ihnen irgendwie so 1% der Möglichkeiten, der Absicherung und des Lebensstandards ermöglicht, wie dem Rest der Welt.

Um die Leute trotzdem weiter auf Kurs zu halten und intern nicht komplett zusammen zu brechen, muss man außenpolitische Probleme schaffen, um eine "wir halten gegen die Bösen da Draußen zusammen"-Stimmung zu schaffen.

Nordkorea ist gefährlich, weil es sein kann, dass manche aus dem Regime irgendwann so in der Traumwelt der dortigen propaganda absaufen, dass sie das fabrizierte Geschwätz tatsächlich gauben, und ihre eigene Rolle auf der Weltbühne für wichtig erachten. Aktuell darf Nordkorea in meinen Augen primär deswegen weiter vor sich hin rotten, weil jede Veränderung ein wirtschaftliche Katastrophe für die ganze Region darstellen würde, und damit wichtige Wirtschaftspartner gefährden würde.

Wären Handel und Grenzen offen, kämen Millionen Nordkoreaner als Flüchtlinge in die umliegenden Länder, vom Infrastrukturellen Aufbau, den das Land bräuchte, ganz zu schweigen. Wer soll das bezahlen? Nordkorea hat keine relevanten Bodenschätze und könnte mangels Infrastruktur eben auch nicht schnell für irgendwas erschlossen werden. Und es gäbe schlicht auch massive gesellschaftliche Unruhen, weil die Nordkoreaner mit ihrer Freiheit auch einfordern würden, Teilhabe am Wohlstand zu haben - Und wenn man sich den aktuellen lebensstandard des Südkoreaners anschaut, und ihn mit dem Nordkoreaner vergleicht... holla die Waldfee.

Kurzum: Ich denke, die USA haben in der Umbruchsstimung der frühen 90er-Jahre drauf gehofft, dass sich auch die asiatischen Staaten vom Kommunismus abwenden. Das hat nicht funktioniert. Danach begann der Aufstieg Chinas, die lange Zeit eine direkte Einmischung in Nordkoreas Angelegenheiten politisch unterbunden haben. Die USA hängen wirtschaftlich schon lange an Chinas Rockzipfel, insofern war Nordkorea einfach nie wichtig genug, um irgendwas zu riskieren.
Außer den USA fühlt sich niemand auf der Welt dazu berufen, sich aktiv militärisch in anderer Leute Politik einzumischen, erst recht nicht in Nordkorea, wo eine Veränderung genauso viel Ärger (oder mehr) bringt wie der Status Quo. Insbesondere weil die letzten jahrzehnte auch gezeigt haben, dass eine solche äußere einmischung fast nie zu guten Ergebnissen führt.

Also wartet man ab, spielt das alte Spiel von "Wenn du mir, dann ich dir...!" im ewigen Ping-Pong hin und her, und die einzigen, die relevant dabei verlieren sind die Menschen in nordkorea, die unter der Idiotie ihrer Führung leiden müssen, weil sie in einem nicht funktionierenden System dauerhaftem Mangel ausgesetzt sind. Dass alle Jahre wieder im Winter die Nahrungsmittel ausgehen, ist ja nun kein Gerücht, dort verrecken die Leute genauso elendig wie in den Hungersnöten in Afrika, nur regelmäßiger, weil der Mangel nicht nur alle paar Jahre kommt, sondern im Mangelwirtschaftssystem begraben ist. Und die Regierung aus selbstdarstellerischen gründen ja sogar unpolitische Hilfe ablehnt.

Niemand hat ein gesteigertes Interesse daran, die Situation zu verändern. Die Einzigen, die das realistisch könnten, wären die Machthaber Nordkoreas. Die wissen aber auch, dass sie in dem Moment, in dem sie ihre Macht beschneiden, eine Lawine in Gang gesetzt werden wird, die sie selber wahrscheinlich nicht überleben. So viele Länder dieser Welt, in die sie sich absetzen könnten, um hinterher nicht vom wütenden Mob ihrer eigenen Bevölkerung gejadt zu werden, gibts nämlich nicht mehr.
Vorsicht, dieser Diskussionspartner könnte für Kinder ohne Ahnung nicht geeignet sein, da er pedantisch und mit linguistischer Feinheit Argumente zerfleddern kann.
("A man shouldn't die with no understanding of why he's been murdered" - Matthew Stover)

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