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Weihnachtschaos und Joey

von

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Lektion 1: Gefrorenes Wasser macht Spaß!

Datum: 9.12.2005

Stichwort: Flocken

Genre: light Shounen-Ai

Pairing: Joey/Seto

Autor: Azra

Kommentar: Ich bin so tot. Morgen steht Mathe an und... es wird der GAU schlechthin werden. Dafür hab ich mich erfolgreich in diese FF geflüchtet ^^. Sie ist in sich geschlossen, aber es ist durchaus möglich, dass es noch eine Fortsetzung geben wird ^^

Das war mein kleiner Beitrag für Maddles und Reis Adventskalender.

Ansonsten wünsche ich euch allen eine schöne Adventszeit und bescherungsreiche Weihnachten.

Joey: Mit ganz viel "gefrorenem Wasser"!
 


 

FLOCKEN
 

Lektion 1: Gefrorenes Wasser macht Spaß!
 

"Schnee!"

Ein begeisterter Aufschrei tönt durch den Raum, Bewegung kommt in die träge Masse. Stühle werden zurückgerückt, die Beine schrammen über das billige Laminat, das jeden Morgen aufs Neue meine Augen beleidigt.

Man schiebt, man drängelt und quetscht- jeder will der Erste sein- stürzt zu einem möglichst guten Platz, um diesem EINZIGARTIGEN Naturschauspiel beizuwohnen.

Ich gestatte mir ein innerliches Kopfschütteln, bevor ich mich wieder den Bilanzen vor mir widme. Das bläuliche Licht des Monitors schmerzt in meinen Augen, die auch heute Nacht kein Bett aus nächster Nähe sehen werden.

Am anderen Ende der Klasse schlagen sich meine minderbemittelten Mitschüler die Köpfe ein. Was gibt es da draußen groß zu sehen?

Schnee, was ist das schon? Auch nur ein bisschen Wasser, das seinen Aggregatzustand geändert hat. Ich wette, wenn sie sich Nudeln kochen, machen sie kein solches Aufsehen darum.

Aber der Meute ist es egal, wie unglaublich gewöhnlich die dichten, kleinen Flocken da sind, die hinter der Scheibe an ihren platt gedrückten Nasen hinabschweben.

Plötzlich wird es kalt.

Verärgert blinzle ich über den Rand des Bildschirms zu der Meute hinüber. Man hat das Fenster geöffnet, der eiskalten Luft ungehinderten Zugang in den Raum gewährt.

Fröstelnd ziehe ich meinen Mantel fester um mich, erdolche den Übeltäter mit Blicken, denn es ist wohl klar, wer als Einziges so dämlich sein kann, für ein paar gefrorene Regentropfen eine Lungenentzündung zu riskieren.

Joseph Wheeler hängt sich ein wenig weiter als die anderen über die Fensterbank, ich kann sehen, wie sein Atem weiße Wölkchen bildet. Einzelne, weiße Flocken landen auf seinem blonden Schopf, der wie immer wüst in alle Richtungen wuchert- wie Unkraut.

Manchmal überkommt mich das schier unbändige Bedürfnis, ihm mit einer Schere bewaffnet aufzulauern, um endlich diese pure Provokation von seinem Schädel zu entfernen.

Ich bin mir fast sicher, dass er sein Haar nur so liederlich trägt, weil er weiß, dass es mich aufregt; so wie alles, was er tut.

"Schnee", seine Stimme hat einen ganz verzückten Ton angenommen. Langsam wird es albern! Er sollte sich lieber Gedanken um seine letzte Arbeit machen, statt den Winter so inbrünstig zu bestaunen.

Überhaupt, wenn er etwas anhimmeln will... ich stelle mich gern zur Verfügung und ich bleibe ihm auch das ganze Jahr über erhalten. Meine Miene verfinstert sich.

Doch das ist ihm scheinbar egal, im Moment ist ihm wohl alles egal, er hat nur Augen für diesen... diesen Schnee.

Ein leises, verächtliches Schnauben entfährt mir und als hätte er nur darauf gewartet, schießt der Blondschopf zu mir herum.

"Is' was?" herausfordernd richtete er sich auf, macht sich mit seinen knochigen Schultern im Fensterrahmen so breit, wie nur irgend möglich.

"Sollte?" gebe ich die Frage mit spöttisch hochgezogenen Brauen zurück. Es ist erstaunlich, wie er jede meiner Taten als Affront gegen seine Person deutet.

Und meist hat er damit sogar Recht.

"Das frag ich dich, Alter", kommt es schnodderig zurück.

Ich winke ab, konzentriere mich wieder auf meinen Laptop oder tue zumindest so.

"Nicht doch, von mir aus starre Löcher in den Himmel, solange zu willst."

"Du weißt gar nicht, was da draußen passiert, hm?"

Mitleidig und maßlos arrogant funkle ich zu ihm hinüber.

"Stell dir vor, Wheeler, auch ich habe schon gefrorenes Wasser vom Himmel fallen sehen."

"Gefrorenes Wasser?" wiederholt er heftig, "wie kann man nur so schrecklich... schrecklich..."

"Realistisch?" helfe ich ihm aus.

"Langweilig sein!"

Ich gebe ein trockenes Hüsteln von mir.

"Tut mir schrecklich leid, dass ich nicht in dein buntes Kinderwunderland passe."

"Du passt überhaupt nirgends rein. Aber eins lass dir gesagt sein: Das ist Schnee, kein "gefrorenes Wasser", Schnee!"

Gelangweilt widme ich meine Aufmerksamkeit wieder wichtigeren Dingen, zum Beispiel diesem Bericht, der bis heute Mittag geschrieben sein möchte.

Schnee, was ist schon so besonders an dem Zeug? Wo es ohnehin nicht liegen bleiben wird. Dazu ist es viel zu nass und warm auf der Erde.

...

Ich bin ein Genie, aber leider nicht unfehlbar. Das wird mir heute wieder einmal schmerzlich bewusst. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hat die weiße Schicht es geschafft, sich auf dem schmutzigen Untergrund Domino Citys zu behaupten.

Folglich gibt es nicht nur einen Haufen glücklicher Grundschüler und Wheeler, sondern auch ein heilloses Chaos auf der Straße.

Glatteis.

Ab sofort rangiert es ganz oben in meiner persönlichen Top Drei der Dinge, die ich von meinem Chauffeur NICHT hören will!

Ich hasse es, zum Büro laufen zu müssen und wenn ich sage hassen, dann meine ich das auch so. Keine kleine Antipathie, nein, pure, blanke Abscheu.

Ein Weg zu Fuß durch die halbe Stadt, ist ungefähr so furchtbar, wie mit Wheeler in einen geschlossenen Raum gesperrt zu werden.

Nein, eigentlich ist es noch schlimmer, denn heute muss ich mich nicht nur an alten Damen und ihren scheißenden Kötern vorbeiquetschen, ohne dabei in Fifis mehr oder minder kleine Hinterlassenschaft zu treten, heute hagelt es Eiskugeln aus allen Richtungen.

Man sollte alle kleinen Vormenschen wegsperren, sobald der Winter seine Tore öffnet!

Kleine, kreischende Kinder schlittern vor mir über den Gehweg, bewerfen sich gegenseitig mit Eisklumpen und rauben mir den letzen Nerv.

Mein linkes Auge zuckt verdächtig, als ein Geschoss im wahrsten Sinne des Wortes um Haaresbreite meine Schulter verfehlt. Den ersten Knirps, der mich trifft, werde ich eigenhändig in seinem heißgeliebten Schneematsch ertränken und wenn es das Letzte ist, was ich tue!

Mit weiten Schritten flüchte ich auf die offene Straße, entscheide mich für die Abkürzung durch den Park. Sicher nicht besonders intelligent, wo hier noch mehr herrliche Eismasse zum wilden Durch-die-Gegend-Schleudern auf dem Boden liegt, doch eigentlich macht es schon keinen Unterschied mehr, solange ich nur schnellst möglich aus diesem Katastrophengebiet verschwinden kann!

Beim nächsten Kälteeinbruch setze ich mich in die Karibik ab, ganz egal, wie erbittert Mokubas Widerstand diesmal ausfällt!

Noch einmal tue ich mir das nicht an!

Doch heute sieht es gut aus. Vielleicht schaffe ich es tatsächlich ungetroffen bis hinter die sicheren Stahltüren meines Büros, vielleicht... *klatsch*... auch nicht.

Etwas Kaltes, Klitschiges triff mich am Hinterkopf, rutscht langsam in meinen Nacken, um sich dort zu verflüssigen und mir das Rückrad hinunter zu rinnen.

Hektisch entferne ich den Schneeball aus meinem Kragen, fahre gleichzeitig wütend herum.

Wer hat da um einen grausamen Tod gebeten? Kommt sofort, hier soll niemand enttäuscht werden.

Das schadenfrohe Lachen kommt mir verdächtig bekannt vor und eine Sekunde später schiebt sich der dazugehörende, helle Schopf um eine der alten Eichen.

Wheeler sieht verdammt zufrieden aus, in seiner behandschuhten Linken hält er drohend eine weitere Kugel, wirft sie ab und zu lässig in die Luft.

"Siehst du Kaiba, DAS war gefrorenes Wasser."

Ein dumpfes Grollen ist alle Antwort, die er darauf bekommt.

"Noch eine Kostprobe gefällig?" sein Grinsen wird noch breiter, hämischer.

Eine scharfe Erwiderung liegt mir auf der Zunge, was er sch gleich für Kostproben abholen darf und Ähnliches, doch ich schlucke es hinunter, fahre auf dem Absatz herum und marschiere davon.

Wenn die Sonne scheint, streite ich mich wieder mit blonden Primaten.

*Klatsch*

Abermals trifft er mich, abermals an derselben Stelle.

Wie von der Tarantel gestochen wirble ich herum. Das hat er nicht umsonst getan!

Der ist so gut wie über'n Jordan!

Noch während ich auf ihn zustürze, bückt Wheeler sich, formt blitzschnell eine neue Kugel, die mich unerwartet hart im Gesicht erwischt.

Mein Puls liegt irgendwo jenseits der 180, Tendenz steigend, als ich ihn endlich erreiche, am Jackenärmel zu fassen bekomme.

Rasend vor Wut reiße ich ihn zu mir herum, doch bevor ich dazu komme, ihm dieses feiste Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen, drückte er mir seine nassen, kalten Handschuh vor die Augen, stößt mich zurück.

Ich gebe ein ersticktes "Uff" von mir, zerre seine Arme hinunter.

Es kommt zu einem kleinen Handgemenge, in dem ich ihn in den Schwitzkasten nehme und er mir die Füße wegtritt.

Wir gehen zu Boden, wobei ich den eindeutig schlechteren Part erwischt habe, denn ich falle nicht nur mit dem Rücken auf die gefrorene Erde, sondern er auch noch auf mich drauf.

Sein Gewicht presst mir die Luft aus den Lungen.

"Wheeler!" keuche ich erstickt und im höchsten Grade verärgert, "Runter von mir, aber ´n bisschen plötzlich!"

Sein verdutztes, vor Kälte gerötetes Gesicht hängt einen Moment bewegungslos über mir, dann rückt es näher, das wohlbekannte, respektlose Grinsen macht sich wieder auf ihm breit.

Ich spüre, wie er auf mir herumrutscht, bis er auf meinem Bauch sitzt, meinen rechten Arm mit seinem Knie gegen meinen Körper presst.

"Nö", kommt es schlicht und undiplomatisch zurück, "is' gerade so bequem."

"JETZT!"

Ich hole zu einem Schwinger aus, der ihm mindestens ein Nasenbein bricht! Doch statt wie geplant in diese überhebliche Fratze kracht meine Faust gegen seinen Unterarm.

Für den Bruchteil verzieht er gequält und beinahe ein wenig erschrocken das Gesicht.

"Hätte nicht gedacht, dass zu so zulangen kannst, Kaiba", gibt er zu und aus seinem Mund klingt das beinahe wie ein Kompliment.

"Du hast mich noch nicht "zulangen" sehen", grolle ich finster zurück, erdolche ihn mit einem Blick, der mindestens so eisig ist, wie die Erde unter mir.

"Klingt verlockend, aber heute kann ich ein blaues Auge ganz schlecht gebrauchen."

"Oh, passt es morgen besser?" Meine Stimme ist nicht mehr als ein tonloses, scharfes Zischen.

"Immer diese Gewaltandrohungen." Tadelnd tanzt sein Zeigefinger vor meinem Gesicht auf und ab, er strahlt mich herausfordernd an.

Dummdreister Bengel!

Wer lässt denn sonst keine Gelegenheit aus, sich zu prügeln?

"Dann lass mich daraus doch mehr als eine bloße Drohung machen", schnarre ich honigsüß zurück, doch er schüttelt nur lachen den Kopf, dass ihm die Haare nur so um die Ohren fliegen.

Diese Haare... ich hasse sie, ich hasse ihn!

Sie spiegeln so ziemlich alles wieder, was ich an Wheeler verabscheue.

Das Chaos, das er wo er geht und steht verbreitet, seine Unfähigkeit, sich unterzuordnen und, und das ist das Schlimmste, dass er einfach nicht anerkennen kann, dass ich der Bessere von uns beiden bin.

Finster starre ich zu ihm hinauf.

Seine Lippen sind gesprungen, sehen trocken und blass aus, dafür erstrahlen seine Wangen in einem umso lebendigeren Rot. Einzelne, blonde Strähne fallen ihm ins Gesicht, sind inzwischen so lang, dass sie beinahe seine Augen verdecken, die mir entgegenfunkeln, so schamlos den Kontakt zu meinen suchen.

Es gibt nicht viele Menschen, die mutig oder dumm genug dafür sind. Ich weiß noch nicht ganz, wofür ich mich bei ihm entscheiden soll.

Statt weiter zu versuche, ihn zu verdreschen, greife ich nach seinem Schal. Rot-braun geringelt und mehr schlecht als recht gearbeitet. Anscheinend selbstgemacht, von seiner Schwester vielleicht?

Diesem nervigen Gör, das ständig am Spielfeldrand steht und "großer Bruder" plärrt.

Zweimal schon hab ich mich vor lauter Schreck selbst umgedreht, weil ich dachte, sie meint mich.

Meine Finger graben sich in die Wolle, ziehen grob daran. Wenn ich ihn nicht verprügeln kann, dann erwürge ich ihn eben.

"Hey, pass auf, du machst ihn kaputt", grummelt Wheeler unwillig, geht mit meinem Zerren mit und kommt näher, wohl allein dem Schal zuliebe.

"Nichts täte ich lieber", ein böses Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Er verzieht mürrisch das Gesicht.

"Musst du eigentlich alles hassen, was du nicht verstehst?"

"Ich bitte dich, was gibt's an einem löchrigen Stück Stoff groß zu verstehen?"

"Die Arbeit, die Sren sich damit gemacht hat."

Sren? Der dämliche Spitzname für seine Schwester?

Es ist schon traurig, wenn man sich nicht mal merken kann, wie ein Mitglied der Familie heißt.

"Oder auch die Sache mit dem Schnee", fährt er fort.

Ich verdrehe die Augen.

"Nicht schon wieder, Wheeler. Lass mich mit deinem Weihnachtszauberquatsch in Ruhe."

"Es geht gar nicht um Weihnachten!" braust er auf. "Und es ist auch kein Quatsch!"

"Stimmt", ich nicke zustimmend, "es ist überflüssig."

"Nein!" seine Hand klatscht neben mir auf den Schnee, dass die kalte Masse mir ins Gesicht spritzt.

"Köter, pass doch auf", schnauze ich ihn ungehalten an.

"Nein, ich passe nicht auf! Und du hörst mir endlich mal zu, wo du gerade so faul rumliegst."

Angesichts soviel Unverfrorenheit bleibt mir die Spucke weg.

"Schnee ist viel mehr als nur "gefrorenes Wasser" und nicht nur wegen Weihnachten! Schnee ist so was Tolles, weil er was Besonderes ist!"

Er hat sich richtig heißgeredet, sein Atem streift stoßweise über mein Gesicht, so nah ist er mir inzwischen. Meine Hand umklammert noch immer das Stückchen Wolle um seinen Hals, zerrt unerbittlich daran.

"Und um mich damit zu belästigen, hast du mir im Park aufgelauert?" fragte ich kalt.

"Ich bin dir gefolgt, ja."

Gefolgt auch noch- das wird ja immer schöner.

"Wenn du dir das dann von der Seele geredet hast, kannst du ja von mir runtergehen."

"Moment noch, ich muss dir noch was zeigen."

Kritisch schaue ich ihn an.

Was könnte er mir schon zu zeigen haben?

"Ah ja?"

"Ja, den Unterschied zwischen "gefrorenem Wasser" und Schnee."

"Na", höhne ich, "da bin ich aber gespannt."

"Kannst du sein. Das", er greift neben meinen Kopf, "ist gefrorenes Wasser", und damit schmiert er mir die Pampe, die wahrscheinlich schrecklich dreckig und unhygienisch ist, ins Gesicht, seift mich regelrecht damit ein.

Sein Knie presst meinen Arm noch fester an mich, mit der freien Hand wehrt er meine bitterbösen, aber unkontrollierten Schläge in seine Richtung ab.

Als er schließlich fertig ist, scheint sämtliches Gefühl aus meiner Haut gewichen zu sein, so kalt fühl sie sich an. Betonte ich schon mal, dass ich Schnee und Wheeler hasse?

In Kombination sind die beiden gänzlich unerträglich.

"Und das", er beugt sich vor, weiter, immer weiter, bis seine Lippen meine Wange berühren. Sie sind heiß, verbrennen meine ausgekühlte Haut, unter ihnen schmilzt das Eis auf meinem Gesicht... und vielleicht auch noch darunter.

Langsam wandert Wheelers Mund über meine starre Miene.

"... ist Schnee", haucht er samtig in mein Ohr.

Seine Worte hallen in meinem Kopf hohl wieder, vertreiben alle anderen Gedanken aus ihm. Wheeler redet Stuss, so wie er es immer tut, aber seine Art, sich zu erklären, beginnt mir zu gefallen.
 


 

Ende?

Eher nicht ^^

Lektion 2: Mückenmuskel

Stichwort: Glühwein I

Genre: light Shounen-Ai

Pairing: Joey/Seto

Autor: Azra

Kommentar: Also, es geht weiter ^^, denn wie ihr ganz richtig erkannt habt, wo eine erste Lektion auftaucht, ist die zweite nicht weit und Kaiba hat noch so viel zu lernen, wenn es um Weihnachten geht *lacht*.

Ich wünsche euch viel Spaß, ihm beim Lernen zuzuschauen und eine schöne Weihnachtszeit.
 


 

Lektion 2: Mückenmuskel
 

Wheeler ist unfähig!

Zum Duell-Monsters Spielen, zum Denken, ja selbst zum LAUFEN ist er zu dämlich. Joey Wheeler kann nicht laufen, er kann nur wie ein durchgeknallter Flummi um einen herumhüpfen.

Eines Tages macht mich dieser Bengel noch wahnsinnig.

Sein Blondschopf wippt bei jedem Hopser auf und ab, der viel zu lange Schal schlackert um seinen Hals, die Arme pendeln locker an seiner Seite und einfach alles an ihm ist in Bewegung, von der Bommelmütze bis zu den Schnürsenkeln.

Zu viel Sauerstoff scheint üble Nebenwirkungen zu haben, ich habe es immer gewusst, frische Luft ist gefährlich und hier habe ich den lebenden Beweis. Vielleicht sollte ich das filmen, nur für den Fall, dass Mokuba wieder seine fürsorgliche Adern entdeckt und mich auf Biegen und Brechen vor die Haustür scheuchen will.

Gereizt verfolgen meine Augen Wheelers Herumgetolle, allein von Zuschauen wird mir schon schlecht. Man könnte meinen, er käme sonst nie vor die Tür, so ausgelassen springt er neben mir die Straße entlang.

Eigentlich sind meine ständigen Hundevergleiche gar nicht so schlecht. Ich fühle mich tatsächlich, als würde ich mit ihm Gassi gehen.

Vielleicht ist er auch wegen unseres Zieles so aufgeregt. Muss ja wirklich was ganz Tolles sein, denn er macht ein Geheimnis darum- die Kronjuwelen der Queen könnten nicht besser gehütet sein.

"Willst du mir nicht endlich sagen, wo wir hingehen?"

Er hüpft von einem Bein aufs andere, grinst mich an und ich bekomme ein gutgelauntes "Nope" zur Antwort.

In einem ärgerlichen Zischen stoße ich die Luft aus.

"Findest du das nicht ziemlich kindisch?"

Irritiert sieht er mich an. Okay, okay, ich gebe zu, es ist dumm, diese Frage einem menschlichen Hüpfball zu stellen.

"Vergiss es", resignierend hebe ich die Hand an meine Schläfe, presse Daumen und Zeigefinger dagegen. Seine Schuhe schlagen klackernd auf den Asphalt, die Bommel an der dunkelroten Mütze schwingt im Takt hin und her, hin und her, hin und...

"Halt endlich still!"

Meine Hand schießt vor, packt ihn ungehalten am Arm. Für einen Moment hält Wheeler tatsächlich inne, blinzelt mich verdutzt an.

"Stört's dich?"

Natürlich stört mich das! Merkt man das nicht?!

"Hätteste doch was gesagt."

Ich traue meinen Augen kaum, als er seine Schritte mäßigt, anfängt, wie ein normalsterbliches Wesen neben mir herzulaufen... nun ja, vielleicht nicht ganz normalsterblich, denn seine Arme schlenkern hin und her, beschreiben große Halbkreise in der klirrenden Dezemberluft.

Vermutlich kommt er sich verdammt cool vor.

Diesem Kerl ist nicht mehr zu helfen. Ich gestattete mir ein innerliches Aufseufzen, werfe ihm einen prüfenden Seitenblick zu, bevor ich ihn loslasse.

Auch auf die Gefahr hin, wieder eine Abfuhr zu kassieren: "Wo gehen wir denn nun-"

Er unterbricht mich. ER unterbricht MICH!

Vorlauter, dämlicher Köter!

"Wir sind schon da."

"Was?" suchend schaue ich mich um, doch alles, was ich erblicke, ist Straße, Straße und noch einmal Straße. Ach ja, nicht zu vergessen die hässliche Bretterwand, an der wir schon eine geraume Zeit entlangwandern. "Wo?"

"Na da."

Wheeler schenkt mir einen Blick, der mir deutlich macht, dass er mich für hochgradig begriffsstutzig hält - schönen Dank auch- und deutet nach oben, die Wand hinauf.

Ich gebe mir wirkliche, ehrliche Mühe, doch für mich ist und bleibt sie ein Gestell aus alten Holzplanken, ein besonders scheußliches dazu. Die schmutzigblaue Farbe blättert bereits ab und wo sie das nicht tut, kleben alte Plakate.

"Verzeihung aber... WO?"

"Dahinter", seine Stimme nimmt diesen ganz bestimmten Ton an, den man nur bei kleinen Kindern und geistig Zurückgebliebenen anschlägt- und ich kann mir denken, zu welcher Gruppe ich im Augenblick für ihn gehöre.

"Wie dahinter? Gehen wir auf die städtische Müllkippe?"

Eventuell habe ich mit dieser Vermutung sogar Recht, denn die Gegend sieht verlassen aus. Ehrlicher Weise muss ich gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wo wir sind. Bewege mich so selten zu Fuß durch unsere schöne Stadt.

Zweifelnd schüttelt Wheeler die blonde Mähne. Mich überkommt schon wieder dieses innige Bedürfnis, mit einer Schere über ihn herzufallen.

"Du hast keine Peilung, hm?"

"Nein", schnarre ich schlecht gelaunt zurück, "ich habe in der Tat "keine Peilung". Kann sich ja nicht jeder wie ein heimatloser Köter in den Straßen herumtreiben. Es gibt auch Leute, die müssen arbeiten, Wheeler, auch wenn dir dieses Wort wahrscheinlich wenig sagt."

Ich kann es nicht leiden, wenn man mich auf irgendwelche Defizite anspricht, genauer gesagt, ich hasse es!

Und ich hasse ihn... warum bin ich doch gleich noch mal mitgekommen?

Ah ja, da war dieser herzzerreißende Augenaufschlag gepaart mit einem schlichtweg unwiderstehlichen, herfordernden Funkeln. Das muss mich meines gesunden Menschenverstandes beraubt haben, denn sonst hätte der nie zugelassen, dass ich einwillige, mich von Wheeler führen zu lassen!

"Is' ja gut, reg dich ab", beschwichtigend und irgendwie auch genervt hebt er die Hände und macht mich damit nur noch wütender.

Dieser drittklassige Duellant ist eine Plage... okay, any news today?

Frustriert drehe ich mich um, will gehen.

Mir ist das hier zu blöd. Ich bin nicht mit ihm den ganzen Weg hierher gelatscht, um mich dann vor einer hochgradig unspektakulären Holzwand zum Deppen machen zu lassen.

Aber es ist Wheeler, was hatte ich eigentlich erwartet?

"Hey", ruft er mir nach, es klingt verwirrt, "warum gehst du zurück?"

"Ciao", grummle ich unfreundlich.

"Warte doch mal."

Ich höre Schritte hinter mir, gleich darauf schließen sich seine Finger um meine, er hält mich fest.

"Lass mich in Ruhe", fauche ich ungehalten, mache Anstalten, weiterzugehen. Aber ich hätte es ahnen sollen, wenn jemand noch sturer ist als ich, dann Joey Wheeler.

Jetzt greift er auch mit der zweiten Hand nach mir, hängt sich an mich.

Kleinkind!

Nicht gewillt, ihm nachzugeben, kämpfe ich mich erbittert vorwärts, ihn hinter mir herschleifend.

"Hey cool", tönt es hinter mir, "das ist wie Skifahren."

"Was weißt du schon von Ski?" schnaufe ich verächtlich.

Wheeler gibt ein nachdenkliches Murmeln von sich. "Nicht viel", räumt er schließlich ein, "aber jetzt hab ich ja ne ungefähre Vorstellung davon. Dank dir."

"Oh, nicht doch."

Es ist anstrengend, ihn hinter mir herzuzerren und ich könnte wetten, der kleine Bastard weiß das ganz genau.

Ich bleibe stehen, so abrupt, dass Wheeler für ein paar herrliche Sekunden aussieht, als würde er das Gleichgewicht verlieren und auf seinen mageren Hinter fallen. Zu meinem Bedauern fängt er sich jedoch, grinst mich noch dazu triumphierend an.

Schon klar, ich hab angehalten, er gewinnt.

"Jetzt sei kein bockiges Kind, komm." Er zuppelt an meinem Ärmel.

Verärgert mache ich mich von ihm los.

"Lass mich in Frieden!"

"Seto, Seto", tadelnd schnalzt er mit der Zunge, noch immer dieses feiste Grinsen im Gesicht, auf dass ich immer und immer nur einschlagen könnte, ohne müde zu werden, "muss ich dich tragen?"

Ich stoße spöttisch die Luft zwischen den Zähnen aus.

"Übernimm dich mal nicht, Welpe."

"Meinst du? So schwer sieht du gar nicht aus." Langsam gleiten seine Augen an mir hinunter und ein verdächtiges Funkeln flackert in ihnen auf. Das kenne ich schon! Und es bedeutet selten etwas Gutes.

So sieht Wheeler immer aus, wenn er eine ganz besonders dämliche Eselei ausheckt.

Bevor er also Was-immer-es-auch-sein-möge realisieren kann, trete ich beherzt einen Schritt auf ihn zu.

"Jetzt hör mal zu, ich habe nicht genug Zeit, um sie an dich und eine dusslige Wand zu verschwenden."

Klinge ich immer so gereizt? Nun, wenn er in der Nähe ist, vermutlich schon.

"Die Wand?" er klingt ehrlich verwirrt. "Aber die Wand ist doch gar nicht, was ich dir zeigen wollte. Die eigentliche Überraschung liegt doch dahinter."

"Was?" zische ich, genervt von seiner Geheimniskrämerei. "Was liegt dahinter?"

Doch Wheeler legt nur einen Finger an die blaugefrorenen Lippen, schenkt mir ein mysteriöses Lächeln.

"Lass dich überraschen."

"Ich will mich aber nicht überraschen lassen", erwidere ich patzig, "ich hasse Überraschungen."

"Kontrollfreak", ist sein nüchternes Kommentar.

Abwehrend verschränkte ich die Arme vor der Brust, schaue demonstrativ in die andere Richtung.

"Kaiba?" kommt es vorsichtig und irgendwie entsetzt von ihm. "Schmollst du etwa?"

"Nein!"

"Doch... doch!" Wie ein Kind am Weihnachtsmorgen hüpft er begeistert auf und ab. "Du schmollst, wie... süß!"

Es fehlt wohl nicht mehr viel, und er kneift mir in die Wange.

"Mach dich bitte nicht lächerlich."

Süß... süß!

Und das mir, dem reichstem Minderjährigen der Welt, Leiter der erfolgreichsten Spielzeugfirma Japans und eingefleischter Menschenfeind, ich und süß- never ever!

Vorsichtig riskiere ich einen Blick zur Seite nur um Wheelers atomverstrahltem Grinsen zu begegnen, dass seine Mundwinkel bis zu den Ohren hochzieht.

Bis ans Ende der Galaxie und noch viel weiter...

Wo waren wir stehen geblieben?

Ach ja, ich bin (wiedereinmal) kurz davor mir wegen dieser wandelnden Katastrophe die Kugel zu geben.

In diesem Moment spreizt das Chaos auf zwei Beinen eben jene, stemmt sich mit der Schulter gegen die Wand und faltet die Hände.

Skeptisch betrachte ich ihn, wie er in der komischen Haltung, halb stehend, halb hockend, auffordernd zu mir hochschaut. Eine besondere Art von Gebet?

Sein Kopf ruckt in meine Richtung.

"Na mach schon."

Man möchte mir verzeihen, aber... wovon zur Hölle redet er?!

Meine Verwirrung muss mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn er seufzt grottentief.

"Steig rein."

Steig rein? Da steig ich nicht mehr hinter.

Außerdem fahre ich nicht mit Fremden mit... obwohl Wheeler nicht wirklich fremd ist. Aber vermutlich besitzt er nicht einmal einen Führerschein und selbst wenn er den je machen sollte, würden keine zehn Zebras mich in ein Auto bekomme, bei dem er hinterm Steuer sitzt!

Ansonsten sehe ich hier auch nichts zum Reinsteigen.

"Räuberleiter", er betont jede Silbe überdeutlich.

"Bitte? Du willst, dass ich in deine Hände trete? Auf gar keinen Fall!"

"Wie gedenkst du sonst da rüberzukommen? Vielleicht fliegst du? Genug heiße Luft produzierste ja."

Böse funkle ich ihn an, entgegne jedoch nichts mehr. Das ist unter meiner Würde, mit so was gebe ich mich nicht ab!

"Jetzt sei doch nicht so stur. Oder hast du Angst, dass ich dich fallen lasse?" plötzlich klingt er besorgt.

"Das auch", gestehe ich, betrachte den Jungen vor mir mit kritischem Blick. Wheeler ist vielleicht nicht das, was man auf den ersten Blick als schwächlich bezeichnen würde, aber vertrauenswürdig sehen die dünnen Arme und knochigen Finger keineswegs aus.

"Blödsinn", wehrt er heftig ab, "ich pass schon auf dich auf."

Na, wer's glaubt ist selber Schuld, hm?

Ich stoße ein verächtliches Zischen aus. "Als ob du Mückenmuskel irgendwas halten könntest, das schwerer als eine Duell-Mosters-Karte ist."

"Ey!" schnappt er beleidigt, plustert sich auf. "Ich bin kein Mückenmuskel!"

"Bist du doch."

"Bin ich nicht!"

"Bist du doch, doch, doch."

"Gar nicht, gar nicht, gar nicht!"

"Doch!"

"NEIN!"

"Kind."

"...!" zwei dunkle, zornfunkelnde Augen starren mich in Grund und Boden. Wie gut, dass ich daran schon gewohnt bin.

"Dich handle ich allemal."

Heraufordernd schiebt er die Beine noch ein wenig weiter auseinander, sieht verdächtig aus, wie ein Ringer kurz vor dem Kampf.

Nur dass Wheeler als solcher eine reichlich schlechte Figur machen würde.

Entnervt mache ich einen Schritt auf ihn zu.

"Also bitte, wenn du es nicht anders willst, lass dich eines Besseren belehren."

Ich muss wahnsinnig sein, denn er mich fallen lässt, und das wird er zweifelsohne, entweder aus reiner Boshaftigkeit oder weil er mich wirklich nicht halten kann, dann bin ich der Gelackmeierte, nicht er.

Mir dessen voll und ganz bewusst, bin ich trotzdem verrückt genug, in seine ausgestreckten Hände zu treten.

"Nur mal angenommen, es sollte funktionieren, wo werde ich landen?"

"Das weiß ich selbst nicht genau."

Ah, wie beruhigend.

Ich schicke ein letztes Stoßgebet zum Himmel, stemme mich hoch und schlage meine Finger um die obere Kante.
 

Nachwort: I'm sorry, aus Zeitmangel breche ich an dieser Stelle ab, aber es geht bald weiter ^^.

Lektion 3: Putten

Stichwort: Glühwein II

Genre: light Shounen-Ai

Pairing: Joey/Seto

Autor: Azra

Musik: hopscotch- look me in the eyes (Kennt irgendjemand die Band, mir war sie nämlich ein Rätsel ^^°?)

Kommentar: Und es geht weiter und weiter und weiter... und ich muss mich zusammenreißen, das hier auch wirklich mit vier Kapiteln zu beenden. Wer mitgezählt hat, weiß jetzt schon, dass das hier das vorletzte ist ^^. Viel Spaß mit den beiden und eine schöne Adventszeit.
 


 

Lektion 3: Putten
 

Aua!

Wehleidig betrachte ich meine Hand. Bei dieser bescheuerten Aktion habe ich mir mindestens drei Splitter eingezogen.

Und wer ist daran schuld?

Natürlich Wheeler. Wie könnte es auch anders sein? Wann immer eine Katastrophe über mich herfällt, ist der Blonde nicht weit.

Mit schmerzverzerrter Miene nuckle ich ein wenig an meinem Zeigefinger herum, sieht mich ja keiner, versuche das Holzstückchen, welches sich so fies unter meine Haut gebohrt hat, mit den Zähnen herauszuziehen.

Vergeblich.

Ich schieße einen säuerlichen Blick zu der Wand hinauf, hoffe, dass er Wheeler auf der anderen Seite erdolcht, dann drehe ich mich um.

Mein Blick schweift über ein paar Mülltonnen, noch mehr Holzwände und endlos viele Kabel, die achtlos auf dem Boden herumliegen.

Was zum Teufel... nein, anders, WO zum Teufel bin ich hier?

Und noch wichtiger, wie komme ich wieder raus?

Denn ein zweites Mal schwinge ich mich ganz sicher nicht tarzangleich über irgendwelche lebensgefährlichen Absperrungen.

Unentschlossen mache ich ein paar Schritte in jede Richtung, meine Stiefel rutschen über tückisch glattes Kopfsteinpflaster. Winter ist Scheiße!

Nicht zuletzt wegen des vielen gefrorenen Wassers... ach nein, ich vergaß, das heißt ja jetzt Schnee. Doch gleich, wie man diese weiße Masse auch bezeichnen möchte, sie macht aus jedem Weg, jeder Straße und jeder Autobahn eine abenteuerliche Rutschpartie.

Ungeduldig schaue ich zurück.

Wo bleibt Wheeler so lange? Er hat mich hier rüber befördert, er bringt mich gefälligst auch wieder zurück! Und zwar heil, in einem Stück und ohne weitere Blessuren. Die, die ich habe, reichen mir völlig.

Missmutig betrachte ich meine Hand, gönne mir den Luxus, für einen Moment in Selbstmitleid zu versinken.

Just in diesem Augenblick knallt etwas so heftig gegen die Wand, dass sie bedrohlich zu wackeln beginnt. Vorsichtshalber trete ich weiter zurück, schließlich will ich nicht erschlagen werden, wenn die Jahrzehnte alten Bretter ihren Geist aufgeben.

Scheel beäuge ich die Wand vor mir, jederzeit darauf gefasst, mich mit einem Hechtsprung in Sicherheit zu bringen.

Doch heute muss ich mich nicht in das gefrorene Wasser... wollte sagen "Schnee" schmeißen. Entgegen aller physikalischen Gesetze hält das Holz dem Geruckel stand.

Behandschuhte Finger tauchen über der Kante auf, krallen sich hinein, ein Arm folgt und schließlich schieb sich Wheeler Strohkopf über die Begrenzung. Sein Gesicht ist vor Anstrengung verzerrt, als er sich weiter an dem Holz emporzieht, eine seiner langen Stelzen hinüberschwingt.

In dieser mehr als unglücklichen Position verharrt er einen Moment, verschnauft.

Sein stoßweiser Atem bildet kleine, weiße Wölkchen, die einen schönen Kontrast zu seinem knallroten Gesicht bilden.

Interessiert beobachte ich, wie er auch den zweiten Arm hervorholt, sich auf der Kante hochstemmt. Sieht gefährlich aus.

Ist es auch, wie er mir im nächsten Moment beweist.

Unter seinem Gewicht schwanken die Planken ächzend hin und her.

Ich sehe, wie seine Augen sich in Panik weiten, doch anstatt diesen mehr als zweifelhaften Halt aufzugeben, krallt er sich noch fester daran. Es kommt, wie es kommen musste, Wheeler verliert das Gleichgewicht.

Ein erschrockenes "Uah!" zerreißt die eisige Luft, dicht gefolgt vom protestierenden Knarren der Bretter, als er in Zeitlupe zur Seite kippt.

Dieser Junge hat mehr Glück als Verstand oder einen extrem starken Überlebensdrang, denn er bekommt die Kante erneut zu fassen, klammert sich mit Armen und Fingern an allem Erreichbaren fest.

Tatsächlich gelingt es ihm, dem schmerzhaften Absturz zu entgehen, doch seine Pose würde ich als noch schlechter gewählt bezeichnen, als die vorige.

Trottel!

Kopfüber hängt er da an dieser bescheuerten Wand und hat unverkennbare Ähnlichkeit mit einem Faultier. Die schreckliche, rote Bommelmütze liegt unter ihm im Schnee, sein Schal quer über seinem Gesicht, so dass ich nur noch die Nasenspitze und ein erschrocken geweitetes Auge ausmachen kann, das hilfesuchend zu mir herüberstarrt.

Will ich ihm helfen?

Gerade jetzt, wo er einfach zum Schießen komisch aussieht? Ich habe doch so selten etwas zum Lachen, ich armer, vielbeschäftigter Mensch.

Wo sind all diese Reporter, die mich sonst auf Schritt und Tritt belauern? HIERVON sollten diese Aasgeier ein Bild machen, denn Wheeler wäre im Moment wirklich ein oder auch zwei Schnappschüsse wert.

"Hey, ähm", er räuspert sich verlegen, "Kaiba, könntest du mal ganz kurz?"

"Dich von der Wand pflücken, du überreife Pflaume?" ein spöttisches Lächeln schleicht sich in meine Mundwinkel.

"Nicht beleidigend werden!"

"Komm doch her und verbiete es mir." Mein Grinsen wird breiter, kann wohl als gemein bezeichnet werden.

"Argh", grollt er dumpf, "du bist..."

"Schrecklich?"

"Ja."

"Ein Mistkerl?"

"Erfasst."

"Und im Moment die einzige Hilfe, die du hast."

"Leider auch das", sein giftiger Blick ist eine Wohltat, "dabei kann von Hilfe noch keine Rede sein. Bisher stehst du ja nur dumm rum."

"Ist es klug, mich jetzt zu beleidigen?"

Er beißt sich auf die Unterlippe, ringt mit sich.

"Entschuldigung", kommt es schließlich so grummelig und schlechtgelaunt zurück, dass ich nicht anders kann, als aufzulachen.

"Ey! Das ist nicht komisch!"

"Doch", nach Luft schnappend presse ich eine Hand auf meinen Bauch, "ich finde dich sehr amüsant."

"Bin ich das Vorabendprogramm?"

Nein, aber mindestens genauso biestig und schlecht.

Seine rechte Hand beginnt vor Anstrengung zu zittern, langsam rutschen die Finger an der schmalen Kante ab.

"Kaiba!"

"Ist ja gut."

Mit einem übertrieben genervten Seufzen trete ich zu ihm, nehme mir jedoch die Zeit, zuerst diese grässliche Mütze aufzuheben, die kleinen, weißen Flocken von ihr abzuklopfen und sie ihm übers Gesicht zu stülpen.

"Spinnst du?" dringt es dumpf unter dem roten Stoff hervor.

Ich zucke mit den Schultern, packe zu. Ein Arm ringelt sich um seinen Oberkörper, der zweite schieb sich unter seinem Bein hindurch.

"Okay, lass los."

"Hältst du mich auch fest?"

Ungeduldig ziehe ich an ihm, doch er drückt sich nur enger gegen das Holz. Hallo? Wer ist den hier das unsichere Subjekt von uns beiden?

Dieser behelfsmäßig zusammengezimmerte Zaun oder ich?

"Was soll das, Wheeler? Lass los!"

"Lässt du mich auch nicht fallen?"

Zwar kann ich sein Gesicht nicht sehen, doch er ist eindeutig skeptisch.

"Nein", gereizt zerre ich an seinem Bein.

"Versprichst du es?", er klingt beinahe panisch.

"Nein!"

Langsam wird es mir zu blöd. Er wollte doch, dass ich ihm helfe und nun, da ich so großzügig bin und mich dazu herablasse, ihn anzufassen, tut er, als wolle ich ihm der Teufel weiß was antun.

Mit einem erschrockenen Quietschen gibt er die Wand frei. Von meinem eigenen Schwung getragen stolpere ich ein paar Schritte zurück, habe einen schrecklichen Moment lang das Gefühl, zu stürzen, bevor ich mein Gleichgewicht zurückerlange.

In diesen unsicheren Sekunden hat Wheeler sich kein Stück beweget. Wie ein Brett liegt, beziehungsweise hängt er in meinen Armen, denn ein Bein schleift über den Boden.

Schweigen senkt sich über uns, in dem ich nur meinen eigenen, wirbelnden Herzschlag hören kann. Nur schwerfällig beruhigt er sich wieder und auch Wheeler scheint mit sich zu kämpfen, denn seine Finger zittern leicht, als er eine Hand hebt, sich die Mütze aus dem Gesicht schiebt.

Er ist kreideweiß und nur langsam kehrt die Farbe zurück in seine Wange.

Ein nervöses, doch befreites Lachen entringt sich seiner Kehle, er grinst mich an.

"Na, ging ja gerade noch mal gut."

"Ja", ich bin bemüht, meiner Stimme einen möglichst festen, neutralen Klang zu geben.

Um einen Kaiba aus der Ruhe zu bringen, braucht es schon ein bisschen mehr, als so ein lächerliches Herumgehampel.

Unter einer Nahtoderfahrung läuft da nichts!

"Kaiba?", eine peinliche Pause, "Du könntest mich jetzt loslassen." Der neckende Ton, den er wohl eigentlich anschlagen wollte, misslingt ihm gehörig.

"Hm?", Irritiert schaue ich an uns herunter.

Meine Augen weiten sich minimal, meine Kehle wird trocken.

Ich räuspere mich verlegen.

Nun ja... eine durchaus verfängliche Position. Eines seiner langen Beine baumelt über meinem Arm, meine Hand liegt auf seinem Oberschenkel, was auch erklären würde, warum es unter meinen Finger so warm ist.

Wheelers Kopf liegt an meiner Schulter, sein Haar kitzelt meine Wange.

Wer hätte gedacht, dass dieses unfrisierte Stroh in Wahrheit so weich ist. Tapfer kämpfe ich das Bedürfnis nieder, es zu berühren, durch meine Finger gleiten zu lassen.

Außerdem habe ich gerade keine Hand frei.

"A-also...", ist das meine Stimme? Seit wann stottere ich?! Alles seine Schuld! Dieser Junge ist ungesund für mich.

"Natürlich!" ich ziehe mich so abrupt zurück, dass er um ein Haar doch noch gefallen wäre, wische mir demonstrativ die Hände am Mantel ab, als hätte ich in etwas Ekliges gefasst.

Dabei kann man das von ihm eigentlich nicht sagen.

Joseph Wheeler ist nicht eklig, ganz im Gegenteil.

Aber gefährlich ist er! Er lässt mich meine Prinzipien vergessen.

"Was ist das hier nun?", ich bin ruppiger, als es nötig wäre, doch irgendwie muss ich diesem Chaos ja Luft machen, das er in mir verbreitet hat.

Mein Klassenkamerad ist zu beschäftigt, sich zu sammeln, antwortet nicht sofort, so wie ich es eigentlich gewohnt bin, wenn ich eine Frage stelle.

Doch zuerst muss die Mütze gerichtet und der Schal wieder ordentlich um den Schwanenhals geschlungen werden. Seine Hände flattern ein wenig zu auffällig hin und her, so dass er sie schließlich trotzig in die Taschen seiner Jacke rammt.

"Das...", setzte er an, holt tief Luft und atmet gezwungen ruhig wieder aus. Wie schön zu sehen, dass ich hier nicht der Einzige bin, den diese Begegnung der dritten Art mitgenommen hat.

"Das ist ein Weihnachtsmarkt."

Skeptisch werfe ich einen Blick in die Runde.

Nicht, dass ich mich besonders gut mit so was auskennen würde, ich meide Vergnügungsparks in der Regel, denn wie der Name schon sagt, soll man sich dort "vergnügen" und für solchen Kinderkram habe ich nun wirklich keine Zeit.

Es gilt Spiele zu entwickeln, meinen kleinen Bruder irgendwelchen Psychopathen zu entreißen und die Welt vor eben jenen zu retten, auch wenn ich daran meist unfreiwillig beteiligt bin.

Da habe ich keinen Nerv mehr übrig, den ich an eine Achterbahn verschwenden könnte, um mir das Hirn im Schädel weichdrehen zu lassen.

"Das ist doch kein Weihnachtsmarkt", protestiere ich schließlich. Für dumm lasse ich mich nun nicht verkaufen.

"Na ja, das hier die Rückseite, der eigentliche Markt ist ein bisschen weiter vorn."

"Und warum sind wir dann hier?"

Verlegen grinst er. "Weil man vorn bezahlen muss."

Entgeistert schaue ich ihn an, es dauert ein bisschen, bis ich die richtigen Konsequenzen gezogen habe.

"Soll das heißen, ich bin soeben eingebrochen?"

"Also", er macht eine wegwerfende Bewegung, "so kritisch würde ich das nicht sehen. Sagen wir einfach, du hast gespart."

"Du hast mich zu einem Kriminellen gemacht", fauche ich ihn ärgerlich an, "ohne mir Bescheid zu sagen!"

"Wenn ich es gesagt hätte, wärst du denn dann noch mitgekommen?"

"Natürlich nicht!" Entrüstet stemme ich die Hände in die Hüften. Was denkt er von mir?

"Und genau deswegen hab ich meine Klappe gehalten."

"Wenn sie uns erwischen... man wird sich das Maul über mich zerreißen!" Hastig schaue ich mich um.

Wir scheinen nach wie vor allein zu sein, doch nur, weil man keinen Reporter sieht, heißt das noch lange nicht, dass auch keiner da ist.

Seit dieses Bild von mir beim Zähneputzen in der Zeitung erschienen ist, traue ich nicht einmal mehr dem Müllmann und rechne jederzeit mit dem Schlimmsten.

"Sie werden uns nicht erwischen. Wer denn auch? Hier ist ja niemand."

"Das denkst du."

"Kaiba, du bist paranoid", stellt er trocken fest.

"Na und? Hände weg von meiner Paranoia, die war mir immer lieb und treu!", fauche ich garstig zurück.

Verdutzt blinzelt Wheeler mich an, zuckt dann mit den Schultern.

"Seit wann schert es dich, was andere über dich reden."

"Die anderen sind mir doch egal, aber wie sieht es aus, wenn ich meinen kleinen Bruder zur Schnecke mache, weil er ein Päckchen Kaugummi klaut und selbst in einen Weihnachtsmarkt einbreche. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich überhaupt auf einem bin!"

"Das hat er gemacht?" den Rest überhört er geschickt.

"Ja... ja, aber was geht es dich überhaupt an?"

Wheeler schenkt mir ein kleines, verschlagenes Grinsen. "Nichts. Ich überlege nur gerade, wie viel ich für so `ne Info bei der Zeitung bekommen würde."

"Nicht genug, um die Klagen abzuwenden, die ich dir auf den Hals hetze", raune ich düster zurück.

Er schien noch ein wenig mit dieser Idee zu liebäugeln, dann schüttelt er lachend den Kopf.

"Unsinn. Sowas würde ich doch nicht machen."

"Wer's glaubt. Für Geld tust du doch alles."

Unschuldig klimpert Wheeler mit den Wimpern. "Nicht ALLES."

"Aber eine Menge."

Freundlich und ein bisschen spöttisch lächelt er mich an. "Schau mal, ich gebe mich vollkommen umsonst mit dir ab. So wichtig kann mir Geld also gar nicht sein."

"Vielleicht spekulierst du ja auf mein frühzeitiges Ableben", gebe ich mürrisch zurück.

Erstaunt zieht eine Braue hoch.

"Lohnt sich das denn für mich? Hast du mich in deinem Testament bedacht?"

"Aber sicher doch, ich hab dir einen Platz im Tierheim freigehalten."

"Das Hilton wäre mir lieber gewesen."

Verächtlich rümpfe ich die Nase.

"So wie du aussiehst, lassen sie dich nicht näher als hundert Meter da ran."

Fragen schaut er an sich hinab. "Was ist denn an mir so verkehrt?"

"An dir? Eine ganze Menge. An deiner Jacke? Na, zum Beispiel das Loch im Ellenbogen."

"Oh", zupft ein wenig an dem Stoff herum, "das muss passiert sein, als ich über die Wand geklettert bin."

"Geklettert? Gefallen träfe es wohl eher."

Er zuckt gleichgültig mit den Schultern, sieht mich feixend an.

"Na, ich hatte ja zwei starke Arme, die mich aufgefangen hätten."

"Dich gefangen? Vergiss es, in diesem Leben nicht mehr und vermutlich auch nicht im nächsten."

"Du kannst wirklich auch nur schimpfen, hm?"

"Anders kann man sich mit dir ja auch nicht unterhalten."

"Gar nicht wahr!" empört bläst er die Wangen auf, mutiert vom Faultier zum Laubfrosch.

Plötzlich schießt seine Hand vor, packt die meine und er beginnt, mich hinter sich herzuschleifen.

"Du wirst dich jetzt gefälligst amüsieren, deine Laune ist ja nicht zum Aushalten!"

Vollkommen überrannt lasse ich mich von ihm zerren, zu verdattert, um ihn für diese Unverschämtheit zurechtzuweisen.

So geht es über Stock und Stein... oder sollte ich sagen über Kopfsteinpflaster und Schneematsch?

Durch eine kleine Gasse voller stillgelegter Buden. Die Rollläden sind heruntergelassen, die meisten Lichterketten heruntergerissen und das, was von der schrecklich kitschigen Dekorierung übrig geblieben ist, haben Frost und Schnee zerfetzt und entfärbt.

Gott sei Dank bin ich kein Gefühlsmensch, sonst würde mir der Anblick aufs Gemüt drücken.

Noch bevor ich zu melancholischen Ausschweifungen und den symbolischen Charakter des verlassenen Weihnachtsmarktes und welcher Bezug sich da möglicherweise zu meinem Leben herstellen ließe, so von wegen Kälte und alles Bunte abtöten, stolpert Wheeler mit mir an der Hand durch ein riesiges, farbenfrohes Tor aus Pappmaché.

Ich lege den Kopf in den Nacken, erhasche gerade noch so ein paar goldene Engelsflügel. Angewidert verziehe ich das Gesicht.

Engel. Kleine, übergewichtige, nackte Kinder mit Instrumenten in der Hand. Sie gehören inzwischen genauso zu Weihnachten, wie der schlechtbezahlte Student mit dem billigen Weihnachtsmannkostüm und der obligatorische Riesenbaum, der übrigens auch meinen Salon vollnadelt.

Aber was wäre ein kleiner Bruder, wenn er sich darum scheren würde, ob der Teppich nach diesem Fest der Liebe und des Konsums hinüber ist?

In solchen Momenten bekommt man als leuchtendes Vorbild Lust, den anderen zu würgen.

Nicht doll.

Nur ein bisschen.

Nur, bis dieses lamettabehängte Monstrum aus meinem Haus verschwunden ist.

Leider ist es vollkommen sinnlos, mit Mokuba über solche wildromantischen Dussligkeiten zu reden.

Wenn es um Weihnachten geht, ist mein Brüderchen auf wundersame Weise mit Taubheit geschlagen, die sich erst nach dem 24sten wieder verflüchtigt.

Aber wenigstens ist er nicht allein.

Mein Blick bleibt an einer knallroten Mütze hängen. Die Bommel hüpft aufdringlich hin und her, ähnlich wie ihr Träger, der ebenfalls vollkommen außer Stande scheint, sich anständig fortzubewegen.

Meine Augen folgen dem Auf und Ab des kleinen Stoffballs und er macht mich wahnsinnig!

Wheeler und seine Bommel haben sich verschworen, mich gemeinsam des letzten Bisschens Verstandes zu berauben.

...

Und sie sind erfolgreich.

Lektion 4: Trinkt aus, Kameraden, yoho!

Stichwort: Glühwein III

Genre: light Shounen-Ai

Pairing: Joey/Seto

Autor: Azra

Musik: Placebo *luvluvluv*

Kommentar:

Hier ist nun der letzte Teil, ich wünsche euch viel Spaß damit und allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Fühlt euch alle einmal virtuell durchgeknuddelt ^^, Az
 

Lektion 4: Trinkt aus, Kameraden, yoho!
 


 

"Bist du verrückt geworden? Hör auf damit, das tut doch weh!"

Ungehalten entreiße ich Wheeler meine Hand, berge sie schützend an meiner Brust.

Der Blonde schaut mich unschuldig an.

"Was denn? Ich wollte doch nur helfen."

Nur helfen, klar, so sieht er aus! Wer' s glaubt, ist selber Schuld.

"Jetzt stell dich doch nicht so an."

"Ich will mich aber so anstellen", fauche ich ungenießbar zurück, schaue demonstrativ zur Seite. Mein Blick gleitet über die blinkenden Buden, die für jeden Epileptiker das Ende wären. Von hier oben hat man eine gute Aussicht, in der Ferne kann ich sogar verschwommen die Umrisse der Kaiba Corp. erkennen.

Hier oben?

Ja, ich stehe weit über den Dingen, besser ich sitze und... also um es kurz und schmerzlos zu machen, ich bin in einem Riesenrad.

Jawohl, Seto Kaiba, Jungunternehmer und mehrfacher Millionär sitzt in einem Riesenrad- Applaus für Joey Wheeler!

Denn nur seinetwegen bin ich überhaupt hier. Warum eigentlich?

Wäre ja nicht so, dass ich sonst alles tun würde, was diese Katastrophe auf zwei Beinen von mir will. So genau weiß ich das auch nicht mehr, aber ich meine mich dunkel an "schöne Aussicht" und "Du hast ja nur Schiss. Höhenangst, Kaiba?" zu erinnern.

Pah, ich und Höhenangst.

Höhenangst, allein für den GEDANKEN, ich könnte IRGENDEINE Schwäche haben, sollte ich ihn rädern und vierteilen lassen, wenigstens ein bisschen.

Höhenangst, dass ich nicht lache! Dann müsste mir schlecht werden, wenn ich nur auf meine Schuhspitzen schaue, bin schließlich nicht so ein kleiner Erdnuckel wie er.

... na gut, SO klein ist Wheeler auch wieder nicht, aber immerhin kleiner als ich und damit hat er das Prädikat "klein" verdient.

"Du bist vielleicht eine Memme." Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

Langsam, tödlich langsam drehe ich den Kopf wieder zu ihm.

"Wie war das?" Mein Ton darf ruhig als mörderisch bezeichnet werden, doch ich fürchte, im Laufe der Jahre ist Wheeler anscheinend immun dagegen geworden.

Schlecht, sehr schlecht.

"Wegen eines kleinen Splitters so einen Aufstand zu machen", er schüttelt missbilligend den Kopf, greift entschieden nach meiner Hand und quetsch mir die Finger.

"Nimm deine Grabschgriffel von mir!", ärgerlich schlage ich ihm auf die Pfoten, will gar nicht wissen, wo er die schon überall hatte.

Um ehrlich zu sein, mache ich diesen "Aufstand", obwohl er natürlich maßlos übertreibt, ich sträube mich lediglich ein wenig, gar nicht, weil er dieses Holzstückchen unter meinem Fingernagel hervorholen will, denn es stört dort doch schon ein bisschen, es sind vielmehr Wheelers Methoden, die mich erbleichen lassen.

Er senkt den Kopf, hebt meine Hand gleichzeitig an und dann kommt der Teil, der mich Himmel und Hölle befürchten lässt.

Heiße, glatte Lippen schließen sich um meinen Zeigefinger, scharfe Zähne schrammen leicht über meine Haut.

Ungläubig und beinahe ein wenig erschrocken weiten meine Augen sich, als er zu saugen beginnt.

Vater unser, der du bist im Himmel- STEH MIR BEI!

Ich spüre, wie ich kreideweiß werde. Und wie das so ist, wenn das Blut sich aus einer bestimmten Körperregion verabschiedet, sammelt es sich woanders.

In diesem Fall möchte ich glaube ich gar nicht wissen, wo es hinfließt.

Wheelers Brauen rutschen eine Winzigkeit zusammen, er sieht sehr konzentriert aus, während sein Mund mich dazu bringt, Dinge zu denken, die gerade ich gerade bei ihm NICHT denken sollte.

Ist es normal, dass ich mir wünsche, die sündhaft heißen Lippen noch ganz woanders zu spüren?

Schluss damit! Pfui, aus, böser Seto... jetzt rede ich schon mit mir selbst, wie mit Wheeler.

Krampfhaft versuche ich mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Wie hart der Schalensitz unter mir ist, zum Beispiel- seine Lippen sind ganz weich...

Oder wie verrückt die Lichter um uns herum blinken- und ganz bezaubernd schöne Muster auf sein Haar werfen...

Oder wie kalt mir eigentlich ist- Wheelers Mund ist warm, heiß, wahrscheinlich kocht er innerlich... mich beschleicht das Gefühl, dass das nicht wirklich etwas gebracht hat, die Sache mit dem Ablenken meine ich.

"Köter, was... tust du?" Ist das da meine Stimme, die so rau und zittrig klingt?

Fester schlagen seine Zähne sich in mein Fleisch, sind kurz davor, mir wehzutun, dann gibt er mich plötzlich frei, richtet sich auf und verzieht das Gesicht, streckt mir die Zunge raus und pult ein kleines Holzstück davon ab.

Lässig zuckt er mit den Schultern. "Ich hab dich befreit."

Beinahe stolz hält er den Splitter ins funkelnde Neonlicht. "Was sonst?"

Ja, was sonst?

Hat er wirklich keine Ahnung, kann ein einzelner Mensch eigentlich so begriffsstutzig und unschuldig sein, oder spielt er nur? Wenn das der Fall ist, bin ich ihm bitterböse! Das ist ein Spiel, von dem ich nicht einmal die Regeln kenne, obwohl mich so ein ungutes Gefühl beschleicht, dass es gar keine gibt.

"Seto?" Er beugt sich ein Stück vor, diese wahnsinnig roten Lippen kommen mir immer näher.

Fest presse ich mich in den Sitz, doch das blöde Ding will einfach nicht weichen.

Obwohl ich ihm wohl eigentlich dankbar dafür sein sollte, unter mir geht es gut zehn Meter steil in die Tiefe.

"Geht es dir nicht gut?" Er klingt beinahe besorgt.

Oder alles nur Tarnung? Ich könnte wetten, dieser kleine Bastard weiß ganz genau, was er da tut.

Und dennoch kann ich den Blick einfach nicht von seinem Mund lösen.

Eine Hand legt sich an meine Wange, sie ist warm, beinahe zu warm. Er verbrennt mich!

"Du bist ja", wie paralysiert starre ich auf diese sündigen Lippen, seine Stimme dringt nur noch dumpf, wie durch Watte an mein Ohr, "ganz kalt."

Kalt?

Wer?

Ich?

Kann nicht sein, hier drin ist es tierisch heiß!

"Komm."

Was? HIER? Aber das geht doch nicht!

Er schnappt meinen Oberarm, zieht mich hoch und ich, erschlagen, wie ich bin, lasse ihn einfach gewähren.

Entschlossen schleift Wheeler mich aus dem Riesenrad (Seit wann stand die Gondel wieder? Das muss mir völlig entgangen sein.) über den Marktplatz.

Desorientiert und noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um mehr als sporadischen Widerstand zu leisten, stolpere ich ihm hinterher.

Wo will der Köter jetzt schon wieder hin?

Sollte es dort warm und dunkel sein, kann ich für nichts garantieren... Hilfe! Sind das wirklich meine Gedanken oder hat sich irgendein Wahnsinniger, der mal wieder die Weltherrschaft an sich reißen will, in meinen Kopf eingeklinkt?

Wir halten an.

Irritiert schaue ich mich um. Auf jeden Fall sind wir noch auf dem Weihnachtsmarkt und auch alles andere als allein. Vielleicht sollte ich auch dafür dankbar sein.

"Da, das wird dich aufwärmen."

Warum? Mir ist wirklich heiß genug, noch ein bisschen mehr Wärme, und ich schmelze wie ein Schneemann in der Sonne.

Eigentlich ein passender Vergleich, wirft Wheeler mir nicht immer vor, frostig wie ein solcher zu sein?

Also schön, ich bin ein Schneemann und Wheeler ist meine Sonne.

...

Was denke ich eigentlich für einen Schwachsinn?

Vielleicht bin ich krank, zu viel Sauerstoff, wahrscheinlich fange ich auch gleich an, von einem Bein aufs andere zu hüpfen, wie der Blonde vorhin und dann ist es amtlich: Frischluft macht blöd!

Er drückt mir etwas Warmes, Rundes in die Hand und das bringt mich schließlich in die Wirklichkeit zurück. Skeptisch schaue ich die Tasse an.

Das Ding ist so hässlich, dass ich es nicht einmal geschenkt würde haben wollen und dann soll man auch noch Pfand dafür bezahlen.

Als ob irgendjemand diese Scheußlichkeit freiwillig mit nachhause nehmen würde.

Das Porzellan ist knallrot angemalt, weiß gepunktet- oder nein, das sollen wohl Schneeflocken sein und... Oh mein Gott, sind das da Rentiere an der Seite?

"Was. Ist. Das?", angewidert verziehe ich das Gesicht, sehe ihn vorwurfsvoll an.

Wheeler lächelt mich aufmunternd an, hebt seinerseits eine Tasse hoch.

"Das", erklärt er und ein gönnerhaftes Lächeln umspielt seine Lippen, "ist Glühwein."

Glühwein, soso.

Auf mein skeptisches Stirnrunzeln fügt er hinzu: "Das kann man trinken."

"Oh Danke Wheeler, darauf wäre ich von allein wirklich nicht gekommen. Ich dachte, damit könnte man deine bleichen Loden färben."

Drohend halte ich die Tasse über seinen Kopf.

Vorsichtshalber tritt er einen Schritt zurück, lacht jedoch.

"Der schmeckt gut, koste doch wenigstens, bevor du wieder schimpfst."

Kritisch äuge ich über den roten Rand, schnuppere an der dampfenden Flüssigkeit, setzte sich dann vorsichtig an die Lippen und nehme einen Schluck.

"Das ist ja Alkohol!", entsetzt und vorwurfsvoll funkle ich ihn an.

An einem einzigen Tag macht Wheeler mich nicht nur zum Einbrecher sondern auch gleich zum Alkoholiker.

Na gut, das war vielleicht ein bisschen übertrieben, aber mal ehrlich, wie sieht das denn aus, wenn ich nachher mit einer Fahne heimkomme?

Was wird nur mein kleiner Bruder von mir denken?

Mein guter Ruf ist dahin! Und meine Firma, mein Lebenswerk wird den Bach runtergehen und...

"Aber nur ein bisschen."

Beruhigend legt er mir eine Hand auf den Arm, grinst mich freundlich an.

... und eigentlich ist das alles nicht so schlimm.

Dann macht er mich eben kriminell und bringt mich dazu, mich selbst zu vergessen.

Was macht das schon? Eigentlich, wenn ich ganz ehrlich bin und alle Vorurteile wegschiebe, hatte ich heute so viele Adrenalinschübe wie schon lange nicht mehr.

Alle nur wegen diesem kleinen, unfähigen, blonden Minilöwen.

Nur eines kann ich ihm nicht verzeihen: Es ist ihm gelungen, mich aus der Fassung zu bringen.

Und er musste dazu nicht mehr tun, als seine Lippen einzusetzen.

Aber das kann ich auch! Feuer bekämpft man bekanntlich am besten mit Feuer.

Ich nehme einen zweiten, tieferen Schluck, trinke mir ein bisschen Mut an, bevor ich nach seinem Schal greife. Dieses scheußliche, selbstgemachte Ding mit den vielen fallengelassenen Maschen, so dass es aussieht, wie ein Schweizer Käse.

Meine Finger vergraben sich in der Wolle, ich ziehe Wheeler zu mir, beuge mich zu ihm hinab.

Die braunen Augen weiten sich überrascht, werden noch ein wenig größer, als ich meinen Mund auf seinen presse.

Na bitte, es geht doch, er ist hier nicht der Einzige, der zu überraschen weiß.

Seine Lippen sind genauso heiß und anschmiegsam, wie ich sie mir vorgestellt habe, nur ein bisschen rauer, aufgesprungen von der eiskalten Luft.

Nur langsam, fast widerwillig löse ich mich von ihm.

Wheeler blinzelt mich an, sein Blick ist verklärt und vorsichtig tastet er über seine Lippen.

"Was...?"

Diesmal ist es an mir, gelassen mit den Schultern zu zucken, ihm ein blasses Lächeln und schenken.

"Ich musste mich doch noch für deine Hilfe bedanken."

Mit einem letzten, tiefen Schluck stürze ich den Rest meines Weines hinunter.

Warm brennt er in meinem Magen und Wheelers Kuss auf meinen Lippen.
 


 


 

Nachwort: Nein, es wird KEINE Fortsetzung geben ^^°, tut mir leid, aber ich habe genug mit meinen anderen FFs zu tun und sitze außerdem an einem neuen Projekt.

Das hier ist abgeschlossen und ich werde es auch nicht wieder aufnehmen.

Ich hoffe, es hat euch gefallen und ein bisschen im ausklingenden Jahr erheitert. ^^

Macht euch für's nächste ganz viele, gute Vorsätze, dann habt ihr viel zum Brechen *smile*.



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Kommentare zu dieser Fanfic (38)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SaRiku
2008-12-13T12:09:54+00:00 13.12.2008 13:09
*sich ans herzchen patt* nyaaaaaah~ >///////<
ich sterbe nochmal! v///v
verdammt, was... was für ein ende... *glückseligkeit verspür*
böser kaiba, was hat er sich in dem riesenrad nur für unartige gedanken gemacht? =D
die geschichte war unheimlich schööön~ jetzt fühl ich mich so kurz vor weihnachten noch viel... weihnachtlicher! x3 (was man ja eigentlich nicht so sagen kann)
auch wenn die story schon was älter ist, ich wünsch dir auch in diesem jahr "Frohe Weihnachten!"!
<3
Von:  SaRiku
2008-12-13T11:46:44+00:00 13.12.2008 12:46
nyaaah~ was ist hinter der mauer??? ein weihnachtsmarkt? xD aber warum nehmen sie dann nicht den regulären eingang... *grübel*
du machst es immer so spannend! <3 *wieder ein kapitel weiterschlender*
Von:  SaRiku
2008-12-13T11:36:21+00:00 13.12.2008 12:36
awwwwwh~ >/////<
*übers ganze gesicht strahl* wie süß, wie süß, wie süß! hach, ich liebe joey! <3 *sich die händchen reib*
*aus dem fenster guck* will auch schnee haben! TT~TT und dann geh ich auch in den park, um seto und joey zu bespannen! <3 verdammt, joeys kleiner kuss auf kaibas wange, dass.... haut mich um. so sollte weihnachten sein! ^.~

und:
am genialsten war echt die stelle, wo joey kaiba ein zweites mal nen schneeball an den kopf wirft! *lach* |D
ich kann mir genau vorstellen, wie kauba furiengleich auf joey losgegangen ist!

hach, azra, du hast´s drauf! weiter so! ^o^y
*zum nächsten kapi wander* =3
Von: abgemeldet
2007-07-01T12:06:17+00:00 01.07.2007 14:06
Ich kann mir Kaiba´s Mine bei Joeys Aktion mit den Finger nur zu gut vorstellen! Das mit dem Kuss am Ende war sehr süß, Kaiba ist also sprichwörtlich endlich aufgetaut!
Wunderschöne Fanfic, sehr großes Lob!
lg, charron-san
Von: abgemeldet
2007-07-01T11:57:19+00:00 01.07.2007 13:57
Ich denke ja es gefällt Kaiba so langsam! Er soll sich garnicht so zieren, Weihnachtsmarkt ist doch was tolles. ^^
Kaiba beim Zähne putzen? Das Bild würde ich ja zu gerne mal sehen...
Schönes Kapitel, so sweet!!
Leider schon auf zum letzen Kapitel sag ich dann mal...
lg
Von: abgemeldet
2007-07-01T11:46:52+00:00 01.07.2007 13:46
Er macht es wirklich! Kann´s kaum glauben. Also das zeigt schon das Kaiba Joey im gewissen Sinne vertaut, meiner Meinung nach.
Das Kapitel ist wahnsinnig niedlich, witzig und nebenbei noch so genial geschrieben.
Wie sie sich über Joeys 'Mückenmuskeln' gestritten haben - zu herrlich!
Muss sofort das dritte Kapitel lesen.
lg. charron-san

Von: abgemeldet
2007-07-01T11:34:24+00:00 01.07.2007 13:34
Ahh, wie niedlich....ich glaube ich habe deine Geschichte schonmal gelesen aber scheinbar kein Kommi hinterlassen...na das holen wir jetzt aber nach! ^^
Ich finde du hast die beiden echt gut getroffen, vorallem Kaiba. Er ist so schön fies. Dein Schreibstil gefällt mir sehr und die Idee überhaupt.
Großes Lob!
Na dann mal auf zum nächsten Kappi... ^^
lg
Von: abgemeldet
2007-01-15T18:41:20+00:00 15.01.2007 19:41
süßes Ende und cooler abschluß^^
gefällt mir wirklich gut und Kaibas gedanken sind wie immer ein lob wert!!!
LG
Von: abgemeldet
2007-01-15T18:28:53+00:00 15.01.2007 19:28
Schade nur noch ein kapi-.-
aber dieses war super
Kaiba isteinfach der Hit^^
LG
Von: abgemeldet
2007-01-12T19:15:07+00:00 12.01.2007 20:15
Das ist einfach zu herrlich^^
Seto ist irgendwie so unbeholfen, als ob ihm die situation aus der Hand gleitet^^...was sie ja auch irgendwie tut
Das ist alles zucker und ich liebe zucker^^
LG


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