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Schicksalskämpfer

von

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Teil 1

Mein Beitrag zu dem "Kampf WB" von Salima04
 

Ich habe die Geschichte aufgrund der besseren Lesbarkeit in zwei Teile unterteilt. ...Um hinterher festzustellen, dass es eigentlich Schwachsinn ist. ^^° Ich kenn' mich mit dem Fanfic System bei mexx irgendwie nicht gut genug aus...
 

Rechtlicher Hinweis: Alles meins. ^^ Sowohl die Idee als auch die Charaktere sind meiner (kranken XD) Fantasie entsprungen und gehören daher ganz allein mir.
 

***
 


 

Das Lager lag seltsam ruhig am Fuße des Berges. Kaum zu glauben, dass hier ein ganzes Heer hauste, bereit, im Kampf gegen den Feind zu sterben.

Die Wege zwischen den kleinen Zelten, in denen die Soldaten wohnten, waren verlassen, die meisten Feuer erloschen und die einzigen Geräusche, von Weitem kaum wahrnehmbar, stammten von den Gesprächen der Wächter.

Das Groteske an der Sache war, dass die Sonne noch nicht einmal ganz untergegangen war.

Es war kein gutes Zeichen.

Ganz und gar nicht.

Tarkus war lange genug Soldat, um das beurteilen zu können. Und in diesen Dingen täuschte er sich selten.

So schnell es möglich war lenkte er sein Pferd den steilen Berghang hinunter. Nicht, dass Eile etwas an der Situation ändern würde, aber seine innere Unruhe wuchs mit jedem Schritt. Je näher er kam, desto unwohler wurde ihm.

Kaum hatte er die hölzernen Pfähle erreicht, die schräg in den Boden gerammt worden waren und so eine Begrenzung des Lagers darstellten (und noch dazu einen wirksamen Schutz gegen feindliche Reiter), schwang er sich vom Pferd und sah sich mit sorgenvollem Gesicht um. Es dauerte einen Moment, bis er die beiden Wächter bemerkte, die sich gähnend an einen Felsbrocken gelehnt hatten, einige Schritt von dem Durchgang entfernt, den sie wohl bewachen sollten. Sie wirkten, als würden sie gleich einnicken.

Tarkus ließ sein Pferd stehen und schritt auf die beiden Wächter zu. "Hat der König Ruhe verordnet?", fragte er unwirsch.

Die beiden Männer schraken hoch, als sie seine raue, strenge Stimme vernahmen. Einer sprang auf und verbeugte sich eilig.

"N-n-nein, Sire", stammelte er. "'Tschuldigung, wir---"

"Ich meine nicht euch, sondern das Lager!", unterbrach ihn Tarkus barsch. "Es ist so still hier."

Der Soldat wirkte erleichtert. "Die Leute sind müde, Sire", antwortete er hastig. "Die Schlacht war lang."

"Natürlich." Tarkus wandte sich um und schritt an den Soldaten vorbei, die sich erleichtert zurücklehnten.

"Ach, ehe ich es vergesse." Die Soldaten schraken wieder auf. Tarkus hatte sich noch einmal umgedreht. "Falls ihr einschlafen solltet, seid ihr einen Kopf kürzer!"

Ohne die Wächter eines weiteren Blickes zu würdigen, stapfte Tarkus weiter. Auf dem Weg zu der behelfsmäßigen Pferdekoppel, die sich an einem sanften Berghang am Rande des Lagers befand, begegnete ihm niemand. An der Koppel selbst hockten nur drei Stallburschen, die gelangweilt Karten spielten. Tarkus übergab ihnen sein Pferd und entfernte sich sofort wieder. Normalerweise kümmerte er sich selbst um das Tier, doch heute ließ ihm sein Verstand keine Ruhe dazu.

Das ungute Gefühl wollte einfach nicht weichen.

Doch was genau wollte es ihm mitteilen?

Grübelnd schritt er durch das Lager, ohne auf den Weg zu achten. Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er erschrak, als plötzlich ein Soldat gegen ihn taumelte, stolperte und zu Boden sank. Verwirrt blieb Tarkus stehen und starrte ihn an. Der Soldat erwiderte seinen Blick mit glasigen Augen.

"'Tschuldijung, Schir", nuschelte er. "Hab schie nischt geschehen..." Er rappelte sich auf.

Mit seinem kreidebleichen Gesicht und gräulichen Augenringen erinnerte er Tarkus eher an ein Gespenst als an einen Soldaten. Aber wenigstens stank er nicht nach Alkohol. Nein, leider tat er das nicht, korrigierte Tarkus sich selber. Wenn die Krieger sich schon ohne Alkohol in einem solchen Zustand befanden, dann...

"Jute Nacht!", brummelte der Soldat, ohne die prüfenden Blicke Tarkus' zu beachten. "Musch schlafen. Morgen werden wir schiegen! Für König und Vaterland!"

Taumelnd verschwand er wieder zwischen den Zelten.

Tarkus blieb eine Weile nachdenklich stehen, dann setzte er seinen Weg fort.

Die Stille wischen den Zelten war drückend. Ein Schauer kroch Tarkus den Rücken hinunter. In all seinen Jahren als Krieger hatte er noch kein Heereslager gesehen, das so ruhig war. Selbst die Tatsache, dass dies hier ein elfisches Lager war und die Soldaten sich weitaus disziplinierter verhielten als irgendwelche Menschen, Trolle oder Zwerge, vermochte keine ausreichende Erklärung zu sein. So ungern es Tarkus sich selbst eingestehen wollte, die Worte des Wächters schienen wahr zu sein. Die Soldaten waren müde.

Todmüde.
 

"Du bist spät dran!", begrüßte Ingvar Tarkus lächelnd, als dieser das große Zelt betrat. König Ingvar, korrigierte sich Tarkus in Gedanken. Er selber lächelte nicht und mied den Blick seines Gegenüber. Stattdessen sah er sich im Zelt um und wunderte sich wieder einmal, wie Ingvar es schaffte, diesen ungemütlichen Ort heimelig wirken zu lassen. Der Boden war mit feinen Teppichen ausgelegt, die provisorisch als Stühle benutzten Baumstämme wiesen etliche Schnitzereien auf, wahrscheinlich von irgendeinem Stallburschen während der vergangenen Wochen gefertigt. Sogar ein kleines Feuerchen brannte. Als Tarkus ihnen gewahr wurde, warf er dem König einen entgeisterten Blick zu. "Mein König, das ist Wahnsinn!"

"Was? Dieser Krieg?"

"Das auch. Ich meinte das Feuer." Tarkus verdrehte die Augen. Ingvar bemerkte es und quittierte es mit einem Lächeln.

"Es ist angenehm warm."

"Und wird über kurz oder lang Euer Zelt abfackeln."

"Ach was!", Ingvar winkte ab. "Was hat dich aufgehalten?"

"Eine Gruppe Fledderer. Wir mussten sie aus dem Weg räumen, sonst hätten sie die Truppen der Vereinigten Königreiche verständigt."

"Du glaubst im Ernst, sie würden ihre Truppen für eine kleine Gruppe Soldaten ausrücken lassen?"

"Sicher ist sicher", brummelte Tarkus.

Ingvar zuckte mit den Schultern. "Wie dem auch sei, du hast die Beratung verpasst."

"Und?"

Ingvar seufzte. "Die Generäle wollen eine Waffenruhe, zumindest für einen Tag. Aber Silion besteht darauf, weiterzukämpfen. Er hat erklärt, dass wir eine gute Siegeschance haben, falls wir unsere Feinde morgen angreifen. Ihre Truppen sind müde. Wir könnten den entscheidenden Vorteil haben."

"Ach, und unsere Truppen sind nicht müde?"

Ingvar zuckte mit den Schultern. Tarkus spürte Wut in sich aufsteigen. "Geht doch hinaus, Sire! Seht sie Euch an!"

"Ich weiß."

"Dann wisst Ihr auch, dass es Wahnsinn wäre, zu kämpfen!"

"In der Tat."

"Und warum---"

"Tarkus, du solltest es langsam einsehen: Wenn Silion sagt, dass wir kämpfen, dann kämpfen wir. Die Soldaten hören auf ihn. Nicht auf mich", setzte Ingvar müde hinzu. "Er kann ihnen Kraft und Mut geben- etwas, das ich nicht vermag."

"Ich werde mit ihm reden." Tarkus drehte sich ruckartig um. Er ertrug es nicht, Ingvars lächelnde, aber deutlich niedergeschlagene Miene zu sehen.

"Mach dich nicht lächerlich!" Ingvar stand auf. "Du weißt genau, dass es nicht bringt."

"Ich bin keiner dieser verweichlichten Generäle! Ich werde sicher nicht tatenlos zusehen, wie---"

"Immer mit der Ruhe!" Ingvar packte Tarkus' linken Arm, der unwillkürlich zu seinem Schwert geglitten war, und sah ihn bittend an. Beinahe flehend.

"Ich war lange genug ruhig!", schrie Tarkus und riss sich los.

"Und doch hast du bereits zuviel gesagt", entgegnete Ingvar ruhig. "Silion wird nicht mehr auf dich hören. Das käme für ihn einer Niederlage gleich. Und dazu ist er zu stolz."

Tarkus starrte Ingvar wütend an. Erst langsam wurde ihm bewusst, wen er eben angeschrieen hatte. Dann sank er auf die Knie. "Vergebt mir meine Respektlosigkeit, mein König!"

Ingvar lächelte, beinahe peinlich berührt. "Es ist keine Entschuldigung notwendig, mein Freund. Komm!" Er nahm Tarkus am Arm, zog ihn wieder auf die Beine und sah ihm direkt in die Augen. "Versuch einfach zu akzeptieren, dass wir keine Wahl haben- und das Beste aus der Situation zu machen."

Tarkus nickte nur.
 

Verdammt!

Tarkus sprang ein Stück zurück und hob sein Schwert. Er hatte den Krieger nicht kommen sehen. Der witterte seine Chance und schlug erneut zu. Tarkus konnte gerade noch parieren.

Eine weitere Parade, und noch eine, dann gelang es ihm endlich, einem Hieb auszuweichen und neben den Krieger zu kommen. Ohne zu zögern rammte Tarkus ihm sein Schwert in die Hüfte.

Schreiend sank der Krieger zu Boden. Tarkus bedachte ihn keines weiteren Blicks. Schreie gab es genug. Sie kamen von überall her. Und er hatte sie schon so oft in seinem Leben gehört.

Viel zu oft.

Sie übertönten alles- das Klirren der Waffen, die stampfenden Schritte der Krieger und Pferde, die gebrüllten Befehle der Kommandanten.

Chaos.

Nichts als Chaos.

Wieder ein Angriff! Tarkus wich aus. Der Krieger rannte ins Leere. Tarkus hieb seinen Schild in den Rücken des Angreifers. Dieser stürzte. Tarkus wollte ihn töten, doch in diesem Moment ein erneuter Angriff.

Tarkus machte sich bereit zum Parieren, doch bevor ihn die gegnerische Klinge erreicht hatte, sank der Angreifer zu Boden. Einer der Reiter hatte ihn niedergestreckt. Tarkus nickte ihm kurz zu.

Dann gewahrte er, wie sich ihm eine Gruppe schwer gepanzerter Zwerge näherte, mit ihren Äxten alles niedermachend, was sich ihnen in den Weg stellte. Offenbar hatten sie es auf gegnerische Befehlshaber abgesehen- also auch auf ihn.

Ohne Nachzudenken drehte sich Tarkus um und hastete davon. Er musste es schaffen, im Schlachtgetümmel zu verschwinden! Gegen eine Reihe malmender Äxte hatte er keine Chance.

Er sprang über mehrere Körper, tauchte unter einigen Hieben weg. Beinahe war er in Sicherheit, da kam aus dem Nichts ein Schlag, der ihn von den Beinen riss. Instinktiv sprang er wieder auf, konnte aber nicht verhindern, dass eine Klinge ihn an der Schulter traf. Sie glitt an seiner Rüstung ab und schnitt in seinen Oberarm.

Unwillkürlich schlug Tarkus mit seinem eigenen Schwert zu. Irgendetwas traf er. Doch bevor er sehen konnte, was es war, umgaben ihn plötzlich eine Gruppe Lanzenträger.

"Alles in Ordnung, Sire?", brüllte einer.

Tarkus nickte nur. Dann ließ er sich noch etwas weiter in die Reihen der Lanzenträger zurückfallen. In Sicherheit, vorerst.

Etwas Zeit, Luft zu holen und die Schlacht zu überblicken.

Soweit es Tarkus feststellen konnte, waren die Lanzenträger die einzige Einheit, die noch zusammen geblieben war. Sie hielten auf einer leichten Anhöhe Stellung, um das Lager zu verteidigen.

Ansonsten hatten sich die Truppen vermischt. Taktische Ordnungen galten nicht mehr, nur noch der Kampf Mann gegen Mann. Die in vielen verschiedenen Farben gekleideten Krieger der Menschen, Zwerge und Trolle gegen die in schwarz-grün gewandeten Kämpfer der Elfen, Tarkus' Mitstreiter. Axt gegen Schwert, Lanze gegen Morgenstern. Selbst die Bogenschützen hatten ihre Stellungen aufgeben müssen.

Zu gefährlich.

Tarkus konnte sich nicht erinnern, je eine solch ungeordnete Schlacht gesehen zu haben.

Das einzig Wichtige schien zu sein möglichst kräftig zuzuschlagen und zu hoffen, dass man jemanden -möglichst den Feind- traf. Aber für einen wirklich gefährlichen Angriff reichte die Kraft in vielen Fällen nicht. Denn ansonsten, da war sich Tarkus sicher, hätte der Schlag vorhin ihm mindestens den Arm gebrochen.

Seine Theorie bestätigte sich: Die Krieger waren erschöpft.

Was sie am Kämpfen hielt war eindeutig: Der Wille. Der Wille, nicht aufzugeben, zu überleben und vielleicht sogar zu siegen.

So konnte es nicht weitergehen!

"Sire, verzeiht meine Frage,", riss ihn plötzlich einer der Lanzenträger aus seinen Gedanken, "aber Ihr seid verletzt. Sollen wir Euch zurück ins Lager bringen?"

Tarkus begutachtete kurz die Wunde an seinem rechten Oberarm. Sie war weder groß noch tief. Er winkte ab. "Das ist Nichts!"

Der Lanzenträger salutierte, und Tarkus richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Kampfgeschehen.

Bald entdeckte er einige Schwertkämpfer, die sich neben den Lanzenträgern gesammelt hatten. Eilig drängte er sich zu ihnen hindurch und rief: "Bleibt ab jetzt zusammen! Kämpft als Gruppe!"

Die Soldaten bedeuteten ihm, dass sie verstanden hatten. Tarkus schloss sich ihnen an und tauchte wieder ins Kampfgeschehen ein.

Durch den Zusammenhalt als kleine, geschlossene Einheit schien das Kämpfen um ein Vielfaches einfacher zu werden. Die Kameraden sorgten für Deckung, während man selbst angriff. So brauchte man sich nicht um alles gleichzeitig zu kümmern und Gefahr zu laufen, sich zu übernehmen. Tarkus hoffte, die Gruppe so lange wie möglich zusammen halten zu können, doch ihm war klar, dass ein paar gezielte gegnerische Angriffe sie auseinanderreißen würde.

Für den Moment aber hatten sie Glück. Sie drangen tiefer ins Schlachtgetümmel ein und weitere Krieger schlossen sich ihnen an.

Eine ganze Weile geschah nicht mehr als der übliche Kampfrhythmus. Tarkus griff an, parierte, schlug Angreifer zu Boden, stach mit dem Schwert zu, parierte wieder, griff wieder an...

Doch je länger sie kämpften, desto tiefer schien die Moral der Soldaten zu sinken. Sie begannen, sich ablenken zu lassen, Fehler zu machen. Langsam fiel die Gruppe wieder auseinander.

Auch ihren übrigen Mitstreitern schien es so zu gehen. Die Schlacht verlagerte sich immer weiter in Richtung ihres Lagers. Bedrohlich weit.

Und mit jedem Schritt, den die elfischen Krieger zurückwichen, schien sich der Kampfeswille der Angreifer zu steigern. Tarkus bekam immer mehr Mühe, sich gegen die kräftigen Schläge zu verteidigen. Mehrere Hiebe hintereinander trafen seine Rüstung und glitten ab, allerdings war es nur eine Frage der Zeit, wann eine Attacke ihr Ziel fand.

Doch dann, von der einen auf die andere Sekunde schien sich das Kampfgeschehen wieder zugunsten der Elfen zu wenden. Die Angreifer wichen förmlich einige Schritte zurück. Tarkus' Gegner, ein dürrer Troll, ergriff die Flucht.

Tarkus nutzte die Zeit, um einen Blick über das Schlachtfeld zu werfen.

Und dann sah er ihn, nicht weit entfernt.

Den imposanten Krieger in der weiß-goldenen Rüstung.

Er stürmte, das Schwert erhoben, auf die Feinde zu. Und die Soldaten folgten ihm.

Ihr Angriff schlug eine tiefe Bresche in die Reihen der Gegner.

Viel mehr war nicht zu erkennen, doch es reichte, um den übrigen Soldaten neuen Mut zu geben. Sie drangen auf ihre Feinde ein und bald schon herrschte wieder ein heilloses Getümmel.

Tarkus seufzte. Es sah aus, als hätte der große, strahlende Held Silion einmal mehr den Tag gerettet. Durch das Getümmel erhaschte er einen kurzen Blick auf den in weiß gekleideten Krieger, dessen Schwert wie eine Sense durch die gegnerischen Reihen schnitt. Er schien immer nur anzugreifen, nie in die Defensive zu geraten. Was ihn in den Augen der Krieger zu einem noch größeren Helden machte.

Anders als Tarkus.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er gerade noch rechtzeitig einen Schlag, der auf seinen Hals gezielt war. Er duckte sich unter ihm weg und stach in Richtung des Angreifers zu. Sein Schwert traf ihn am Bein. Und während der getroffene Krieger zurücktaumelte, war Tarkus bei ihm und rammte ihm das Schwert durch den Hals.

Dann kehrten Tarkus' Gedanken ungewollt wieder zu der strahlenden Gestalt zurück. Silion.

Und er fragte sich, wie das wohl ausgehen mochte.
 

Die Soldaten hatten sich vor dem Lager versammelt. Das hieß, die, die noch in der Lage waren, zu stehen. Und das waren bedenklich wenige, dachte Tarkus. Höchstens ein Drittel des ursprünglichen Heeres, wenn nicht sogar noch weniger.

"Die Schlacht war wohl verlustreich", murmelte Ingvar, der neben Tarkus getreten war. "Ich erinnere mich, gestern viele Köpfe mehr gesehen zu haben."

Tarkus schnaubte. "Was hattet Ihr erwartet?"

"Ich hatte... gehofft, dass es nicht so... dramatisch sein würde." Ingvar seufzte traurig.

"Morgen wird es noch viel schlimmer werden."

"Ich weiß, was du mir mitteilen willst. Ich möchte auch aufhören, aber die Soldaten versichern mir immer noch standfest, dass es ihr Wunsch sei, weiterhin zu kämpfen. Solange Silion einem Ende der Kampfhandlungen nicht zustimmt, wird eben dieses unmöglich sein."

"Und zustimmen wird er nicht. Hört selbst!" Tarkus deutete mit dem Kinn in Richtung eines Kistenstapels, der auf einer kleinen Anhöhe gegenüber aufgebaut worden war. Soeben schritt Silion mit stolz erhobenem Kopf aus dem Lager heraus und sprang leichtfüßig auf die Kisten. Er hatte seinen Helm abgenommen, sodass sein langes, blondes Haar im Wind wehte. Seine Rüstung schien er in aller Eile gesäubert zu haben, denn sie glänzte weiß-golden wie eh und je, ohne einen erkennbaren Makel. Die Strahlen der Abendsonne tauchten ihn in ein helles, beinahe goldenes Licht, das ihm einen übernatürlichen Schein verlieh.

Selbst Tarkus musste sich eingestehen, dass Silion einen beeindruckenden Anblick bot. Sein Auftritt wirkte nicht wie der eines elfischen Generals. Eher wie der eines Halbgottes.

Einzig die Holzkisten, auf denen er stand, wirkten fehl am Platz.

"Der Held auf einem Kistenstapel. Lächerlich! Er wirkt wie ein Bauer", brummte Tarkus und ärgerte sich einige Augenblicke später schon wieder über das Gesagt. Es klang, als wolle er sich dafür verteidigen, einen Moment lang von Silions Auftritt fasziniert gewesen zu sein.

"Genau so hat Silion es geplant", entgegnete Ingvar matt. "Er gibt sich volksnah, will zeigen, dass er einer von ihnen ist. Darum liebt ihn das Volk, selbst wenn er es in den Untergang treibt. Wie sollte ich dem entgegen wirken?" Die Stimme des Königs war leise. Mutlos. "Ich bin keine so beeindruckende Gestalt wie Silion, meine Stimme ist längst nicht so schön wie seine und so gut reden wie er kann ich auch nicht. Selbst wenn das, was ich sage, richtig ist, kann ich die Soldaten... im Grunde sogar das gesamte Volk... nicht damit beeindrucken. Nicht, solange Silion etwas Anderes will als ich. Er ist ein strahlender Held, genau das, was das Volk in diesen schweren Zeiten ersehnt. Was bedeutet da schon ein armseliger König?"

"Ihr seid nicht armselig!", schrie Tarkus wütend. "Ihr---"

Er brach ab, als Ingvar einen Finger auf seine Lippen legte und den Kopf schüttelte. "Lass uns lieber zuhören." Damit deutete er auf Silion, der seine Ansprache begonnen hatte.

"Freunde, ein harter, aber glorreicher Tag liegt hinter uns!", schallte seine Stimme über die Reihen der Krieger. Ein kurzes Jubeln ertönte, dann fuhr Silion energisch fort: "Wir haben tapfer gekämpft! Einige sind gefallen, und ich bin mir sicher, uns alle schmerzt dieser schreckliche Verlust sehr. Doch wir dürfen jetzt nicht aufgeben! Denn dann wären all unsere Mühen und Opfer umsonst gewesen! Und unsere Ehre wäre für immer verloren! Daher lasst uns unseren Mut und unsere Kraft vereinigen und kämpfen!"

Die Krieger stimmten ein zustimmendes Gebrüll an. Silion ließ sie gewähren. Als es wieder still war, riss er die rechte Hand in die Höhe und rief:

"Morgen ist der Tag der Entscheidung! Wenn wir zusammenhalten und nicht verzagen, werden wir siegen!"

Stürmischer Jubel erhob sich. Alle Erschöpfung schien, zumindest für den Moment, von den Kriegern gewichen zu sein und war von einem schier grenzenlosen Enthusiasmus ersetzt worden.

Silion betrachtete die Krieger eine Weile. Tarkus konnte von Weitem seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber er war sich sicher, dass der Volksheld lächelte. Einige Momente später verneigte sich Silion, von neuem Jubel begleitet, vor der Menge, wandte sich um und verschwand im Lager.

"Ich habe es dir doch gesagt", flüsterte Ingvar. "An diese Darbietung kann ich nicht annähernd heranreichen."

Tarkus wollte etwas erwidern, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Was hätte er auch sagen sollen? Ingvar hatte recht, auch wenn es Tarkus schwer fiel, sich dies einzugestehen. Aber aussprechen könnte er es niemals. Nicht gegenüber Ingvar, seinem König und schon gar nicht gegenüber Ingvar, seinem Freund...

Noch bevor Tarkus irgendetwas Aufmunterndes eingefallen war, hatte auch Ingvar sich umgedreht. "Ich gehe schlafen."

Seine Stimme hatte etwas Endgültiges, sodass Tarkus nicht wagte, noch etwas zu sagen.

Während die Krieger in ihre Zelte strömten, blieb Tarkus stehen und starrte in die untergehende Sonne. Es musste doch etwas geben, was er tun konnte. Irgendetwas!

Er musste mit Silion reden.

Sofort.
 

Silion war nicht in seinem Zelt, aber innerlich hatte Tarkus das bereits vermutet. Es passte nicht zu einem Helden, dass er als Erster schlafen ging. Ein kurzes Lauschen bestätigte Tarkus, dass Silion auch nicht im Lager war, denn sonst wären sicher irgendwo die aufgeregten Stimmen der Soldaten zu hören gewesen.

Daher verließ er das Lager und ließ seinen Blick über das Tal schweifen, doch nirgendwo bemerkte er eine annähernd elfische Silhouette. Schließlich wählte er die letzte Möglichkeit, die ihm noch blieb und schritt auf ein kleines Wäldchen zu, das sich einen Steinwurf entfernt durch das Tal zog. Ein typisches Bergwäldchen, vor allem aus Tannen und Fichten bestehend und mit einem festen Boden, durch den sich kleinere Bäche mit Schmelzwasser zogen. Tiere gab es hier kaum noch, die meisten hatten als Nahrung für das Heer geendet.

Tarkus zögerte einen Moment, dann betrat er das Wäldchen. Vorsichtig schlich er zwischen den Bäumen hindurch und verdrängte die innere Stimme, die hartnäckig fragte, weshalb er denn so darauf bedacht war, kein Geräusch zu verursachen, wenn er doch nur reden wollte.

Bald hatte er Silion auf einer kleinen Lichtung entdeckt. Er hockte am Rand einer kleinen Lichtung auf einem Stein und ließ sich von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne wärmen. In seinen Händen hielt er eine Laute, auf der er scheinbar geistesabwesend ein Lied spielte. Traurig, doch gleichzeitig aggressiv und kriegerisch hallte die Melodie über die Lichtung. Tarkus blieb hinter einem Baum stehen und lauschte eine Weile, unschlüssig. Die Melodie nahm ihn gefangen- ein altes, elfisches Kriegslied.

"Lasst uns kämpfen, meine Brüder, lasst uns sterben, Hand in Hand."

Tarkus holte tief Luft, dann zog er langsam sein Schwert. Die Idee, das Worte in dieser Situation noch etwas nützten, schien ihm mit einem Mal absurd. Es gab nur noch eine Lösung.

Er schlich an Silion heran, der so in seinen Gedanken gefangen schien, dass er ihn nicht bemerkte, spannte seine Muskeln an und zielte mit dem Schwert auf Silions Rücken. Einen Moment zögerte Tarkus noch, lauschte der Melodie, die nun ihren traurigsten Teil erreichte. Dann stieß er zu.

Doch exakt in diesem Moment sprang Silion auf und fuhr herum. Tarkus' Stoß ging ins Leere. Die Laute fiel mit einem schrillen Klirren zu Boden, als Silion sein Schwert zog.

"Ich hätte es mir denken sollen", stellte er ruhig fest. "Scheinbar kommen wir beide nicht darum herum."

Tarkus zuckte mit den Schultern. Silion runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Stattdessen griff er an.

Tarkus hatte es geahnt. Er wich aus und griff seinerseits an. Doch Silion tauchte unter dem Schlag weg und nutzte die Lücke in Tarkus' Verteidigung. Der hatte keine Wahl- er ließ sich nach hinten fallen und rollte sich blitzschnell zur Seite. Silions nachgesetzter Hieb verfehlte ihn nur knapp.

Tarkus gelang es gerade noch in eine hockende Position zu gelangen, bevor Silions nächster Angriff folgte. Gezielt auf die Schulter. Tarkus sprang zur Seite und versuchte nun seinerseits, Silion Verteidigung zu umgehen. Im letzten Moment fuhr Silion herum und fing den Hieb mit dem Schwert ab.

Ein unangenehmes Klirren erklang, als die Klingen aufeinander trafen.

Einen Moment lang stemmten die beiden Gegner die Schwerter gegeneinander, dann wich Silion zurück. Tarkus holte einen Moment Luft. Silions Kräfte waren wirklich enorm, selbst in der provisorischen Parade eben.

Mehr Zeit blieb ihm nicht, denn schon griff Silion wieder an.

Ein Schlag zur Hüfte. Tarkus parierte. Ein Schlag zum Knie. Wieder parieren.

Hüfte, Knie, Hüfte, Knie, in blitzschneller Abfolge. Dann ein kräftiger Stoß nach oben, direkt auf die Brust.

Tarkus konnte dem Stoß gerade noch entgehen. Die Klinge durchschnitt seine Tunika an der Seite und glitt an seiner Lederrüstung ab.

Glück gehabt. Einen direkten, kräftigen Stich könnte die Rüstung nicht abhalten. Wenn Silions Attacke geglückt wäre, wäre er jetzt tot.

Und wieder griff Silion an. Dieses Mal zielte er auf Tarkus' Kopf.

Tarkus duckte sich weg. Silion setzte sofort nach. Dieses Mal fing Tarkus den Angriff ab, doch die Wucht des Schlages hätte ihm beinahe das Schwert aus der Hand geschleudert. Keuchend wich er ein Stück zurück.

Stolperte.

Fiel auf den Rücken.

Einen kurzen Augenblick dachte er, es sei vorbei. Doch Silion reagierte nicht schnell genug. Tarkus gelang es, sich abzurollen und ein Stück weiter weg wieder auf die Beine zu kommen.

Verdammt, so konnte es nicht weiter gehen!

Schon war Silion wieder heran und attackierte. Ein weit ausholender Bogen, um Tarkus' Hüfte zu treffen.

Dieses Mal sprang Tarkus blitzschnell vor. Direkt auf Silion zu. Das Schwert verfehlte sein Ziel und Tarkus nutzte die Gelegenheit, um Silion seine Faust ins Gesicht zu rammen.

Silion torkelte benommen zurück. Ein kleines Rinnsal Blut lief ihm das Kinn herab.

Nun setzte Tarkus nach. Startete eine Serie von gezielten, kräftigen Schlägen, die Silion nur mit Mühe abwehren konnte. Immer weiter wich er zurück.

Als Tarkus das merkte, versuchte er, seine Attacken so zu lenken, dass er Silion gegen einen Baum drängen konnte. In die Klemme.

Silion erkannte die Gefahr und versuchte, gegenzuhalten. Der Widerstand in seinen Paraden wuchs, doch immer noch war er ein wenig benommen. Nicht ganz gezielt konnte er abwehren, nicht mit ganzer Kraft.

Tarkus, darauf bedacht, seinen kleinen Vorteil auszunutzen, attackierte immer heftiger.

Fast hatten sie die Bäume erreicht. Noch fünf, vier, drei Schritte.

Da tat Silion das Gleiche wie Tarkus vormals. Er ließ sich zur Seite fallen. Tarkus' wilder Hieb ging ins Leere, kostete ihn fast das Gleichgewicht. Silion sprang hastig auf und rannte in den Wald hinein.

Verdutzt zögerte Tarkus einen Moment. Auf dem unebenen Waldboden voller Hindernisse hatte Silion mit seinen kräftigen, aber ungestümen Angriffen doch eigentlich keine Chance...

Dann spurtete Tarkus los. Er konnte es sich nicht leisten, Silion aus den Augen zu verlieren. Wenn er ins Lager zurück liefe, würde Tarkus ein gewaltiges Problem haben. Und auch die zweite Möglichkeit- einen Überraschungsangriff Silions aus dem Dickicht- wollte er lieber nicht riskieren.

Silion flitzte im Zick-Zack-Kurs zwischen den Bäumen hindurch. Wohin schien er selber nicht zu wissen. Tarkus folgte ihm, versuchte, wann immer es möglich war eine Abkürzung zu nehmen. Doch trotzdem schaffte er es einfach nicht, aufzuholen.

Silion war viel zu schnell.

Was hatte er bloß vor? Darüber grübelte Tarkus nach, obwohl ihm immer wieder niedrige Äste ins Gesicht schlugen und er aufpassen musste, nicht versehentlich über eine Wurzel oder einen Stein zu stolpern. Aber sein Verstand ließ ihm keine Ruhe.

Silions Flucht ergab strategisch gesehen keinen Sinn. Seine Stärke lag im offenen Kampf. Er wäre ein Dummkopf, würde er diesen Vorteil eintauschen, um einen überraschenden Angriff aus dem Dickicht zu...

In diesem Moment stolperte Tarkus und stürzte. Mitten in einen Busch.

Fluchend befreite er sich aus dem Wirrwarr an Ästen, die einen irrsinnigen Spaß daran zu haben schienen, unter seinem Griff zu brechen oder sich in seiner Kleidung zu verhaken.

Verlor wertvolle Zeit.

Als er sich endlich aufgerappelt hatte, war Silion verschwunden.

Der Wald lag ruhig und verlassen vor ihm. Beinahe gespenstisch. Keine Bewegung, kein Geräusch, außer einem leisen Rauschen der Blätter.

Einen Moment lang spielte Tarkus mit dem Gedanken, Silions Spuren zu folgen, verwarf ihn jedoch sofort wieder. Zu langsam käme er so voran. Zu viel Zeit für Silion, einen Hinterhalt zu planen.

Stattdessen blieb Tarkus stehen und schloss die Augen. Lauschte.

Wind. Knisternde Blätter.

Ein einzelner, zwitschernder Vogel, ganz weit weg.

Dann wieder Stille.

Silion war bestimmt einfach zurück ins Lager gerannt.

Oder?

Nein, das passte nicht zu dem Helden, der er vorgab zu sein.

Wieder fuhr der Wind durch die Blätter. Kurz brandete ihr Rauschen auf, dann verebbte es.

Ein leises Tapsen, irgendwo hinter Tarkus. Gleichmäßig. Zweige knackten, Gestrüpp raschelte.

Aus den Augenwinkeln sah bemerkte er, dass der Busch hinter ihm sich kurz bewegt hatte. Vorsicht war besser als Nachsicht, oder?

Tarkus fuhr herum und ließ sein Schwert auf den Busch niederfahren, in der festen Überzeugung, gleich einen unschuldigen Fuchs zu zerhacken.

Er war geradezu überrascht, als sein Schwert auf etwas hartes, Metallisches traf.

So dumm konnte Silion doch nicht wirklich sein!

Doch im nächsten Moment tauchte eben jener hinter dem Busch auf. Betrachtete erst sein Schwert, dann Tarkus' halb erstaunte, halb verachtende Miene und zuckte mit den Schultern. "Es hätte ja klappen können." Er klang beinahe entschuldigend.

Tarkus wollte etwas Spöttisches entgegnen, doch schon hatte sich Silion umgedreht und spurtete los. Irritiert folgte Tarkus. Wollte Silion das Gleiche noch einmal versuchen?

Doch dieses Mal dauerte der Lauf nicht lang. Silion hielt direkt auf die Lichtung zu. Dort angekommen wartete er, bis Tarkus ihn erreicht hatte. Um sofort anzugreifen.

Tarkus hatte den Schlag erwartet, und so konnte er mit Leichtigkeit parieren.

Silion ließ sich davon nicht beeindrucken. Er attackierte wieder. Und wieder. Und wieder.

Tarkus wehrte die Angriffe ab, wich immer weiter zurück. Ließ zu, dass Silion in um die Lichtung herum trieb, gab aber Acht, nicht gegen einen Baum gedrängt zu werden. Selbst griff er nicht an.

Mit der Zeit wurden Silions Attacken immer schwächer und einfallsloser. Plötzlich blieb er stehen, senkte das Schwert und fragte: "Warum tust du das? Warum willst du mich umbringen?"

Tarkus starrte ihn verwundert an. Warum hörte er so einfach auf? Tief in Tarkus erwachte der Eindruck, Silion tat das nur, um sich ein wenig ausruhen zu können. Er ballte die Faust. Wie gerne hätte er Silions Schwäche ausgenutzt! Doch auch er selbst benötigte dringend einige Momente Ruhe. Jetzt, wo er still stand merkte er, wie viel Kraft ihn das Verteidigen gekostet hatte.

"Weil ich ein Massensterben unserer Soldaten verhindern will", antwortete er verärgert.

"Wenn ich tot bin, werden nicht weniger Soldaten im Krieg fallen", gab Silion zurück.

"Wenn du tot bist, kann der verfluchte Krieg endlich aufhören!"

"Und all unsere Opfer waren sinnlos! Ist es das, was du willst?"

"Ich will Frieden! Der Krieg hätte gar nicht erst begonnen werden müssen!"

"Er ist notwendig. Wir brauchen das eroberte Land, sonst verhungern wir! Natürlich, dafür müssen Soldaten sterben", Silion versuchte gleichgültig zu klingen, schaffte es jedoch nicht. "Aber das neue Land bietet Nahrung. So kann wenigstens das Volk überleben!"

"Und wer soll das Volk vor der Rache der Vereinigten Königreiche schützen?"

"Und wen sollen wir noch beschützen, wenn wir nicht weiterkämpfen? Die Leute werden verhungern! Wer ist wichtiger? Die Krieger oder das Volk?"

"Sie werden nicht verhungern! Wir haben schon andere Hungersnöte erlebt. Und überlebt."

"Aber keine so schlimme!"

"Na und? Besser ein paar Bauern sterben, als dass das ganze Volk sinnlos abgeschlachtet wird!"

"Wir werden nicht abgeschlachtet! Wir werden siegen, du wirst schon sehen!"

Tarkus biss die Zähne zusammen. "Du kannst sie ermutigen, das gebe ich zu. Aber Wille allein reicht nicht! Ihnen fehlt die Kraft!"

"Wenn der Wille da ist, wird es an Kraft nicht mangeln."

"Mit Poesie kann man keine Schlacht gewinnen!"

Silion schnaubte wütend.

Und griff ebenso plötzlich an, wie er gestoppt hatte.

Dieses Mal erwischte er Tarkus unvorbereitet. Erst im letzten Moment konnte er sein Schwert hochreißen, um zu parieren.

Der Schlag war so heftig, dass Tarkus glaubte, sein Handgelenk würde brechen. Ein jäher Schmerz durchzuckte seinen Arm. Und auch die Wunde aus der Schlacht- er hatte sie beinahe vergessen gehabt- forderte ihren Tribut. Verzweifelt umklammerte er sein Schwert, um es nicht fallen zu lassen.

In dem Moment, als Silion seine Waffe zurück zog, sprang Tarkus zurück und brachte mehrere Schritte zwischen sich und seinen Gegner. Dann blieb er keuchend stehen. Sein Schwertarm zitterte. Pochende Schmerzen breiteten sich im gesamten Arm aus.

Silion ließ ihn nicht aus den Augen. Doch anstatt anzugreifen und die Schwäche seines Gegners auszunutzen, senkte er sein Schwert. Er schien über etwas nachzudenken.

"Gib auf!", rief er nach einigen Augenblicken. "Lass uns diesen unsinnigen Kampf beenden! Mit deinem lädierten Schwertarm hast du sowieso keine Chance!" In seiner Stimme lag weder Spott noch Verachtung. Höchstens... Sorge?

"Das hättest du gerne!", fauchte Tarkus.

Er würde nicht aufgeben! Niemals würde er diesem Möchtegern-Helden unterliegen! Niemals! Und sei es nur, um Ingvar, seinen König, nicht im Stich zu lassen.

Ohne es eigentlich gewollt zu haben, war es nun Tarkus, der den Kampf wieder aufnahm. Er stürmte auf Silion zu, biss die Zähne zusammen, versuchte, den Schmerz zu ignorieren und schlug zu.

Silion wehrte den Schlag halbherzig ab. Genau wie die darauf folgenden Schläge. Tarkus merkte selber, wie schwächlich, wie erbärmlich seine Angriffe waren. Silion hätte ihn mit Leichtigkeit entwaffnen können.

Aber er tat es nicht.

Weshalb auch immer.

Seine Aufmerksamkeit schien mehr auf Tarkus' lädiertem Arm zu liegen.

Tarkus beschloss, dies auszunutzen. Und holte zu einem, vermutlich letzten, Schlag aus.

Silion bemerkte die Gefahr gerade noch rechtzeitig, um einem tödlichen Hieb zu entgehen.

Er wich zur Seite aus. Doch Tarkus' Klinge streifte seine Stirn.

Blut rann Silion das Gesicht herunter. In die Augen, die Wangen hinab.

Silion stand einen Moment reglos da. Erschrocken? Oder verwundert?

Dann wischte er sich das Blut aus dem Gesicht und starrte Tarkus direkt in die Augen. "Na, bist du nun zufrieden?"

Tarkus antwortete nicht. Er musste Luft holen. Zuviel Kraft hatte ihn der letzte Angriff gekostet.

Silion schüttelte den Kopf. "Komm, wir belassen es dabei." Bevor Tarkus etwas erwidern konnte, setzte er hinzu: "Es bringt nichts, wenn wir gegeneinander kämpfen! Damit schwächen wir nur uns selber!"

"Aber ich---"

"Mein Tod würde keine Probleme lösen, falls du darauf hinaus willst. Er würde höchstens neue schaffen."

Dem konnte Tarkus nicht widersprechen.

Silion senkte kurz seinen Blick und sagte dann, beinahe flehend: "Lass uns aufhören. Bitte!"

Er sah wieder auf. Doch sein Blick galt nicht Tarkus, sondern etwas hinter ihm. Seine Augen weiteten sich vor Schreck. "Pass auf!", rief er.

Tarkus wusste nicht, was er tun sollte. Wollte ihn Silion bloß ablenken? Oder ihm einen Streich spielen? Oder...

Plötzlich ein stechender Schmerz in seiner Schulter. Von hinten.

Er sackte nach vorne.

Vor seinen Augen wurde es dunkel.

Aus der Ferne hörte er Silion irgend etwas schreien, doch seine Worte wurden von der Finsternis verschluckt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2005-09-02T12:37:08+00:00 02.09.2005 14:37
Eine wunderschöne Geschichte. Die Kampfszenen sind genial beschrieben worden, die Charaktere stehen einem sehr nah, auch wenn man leider nicht immer alle Handlungen direkt nachvollziehen kann. Alles in allem aber sehr gelungen, was man an der hervorragenden Platzierung sieht *gg*
Meinen Glückwunsch!
Bye
salima04


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